ig_4-2016_web
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FINANZEN + RECHT [ PFLEGEVERSICHERUNG ]<br />
Foto:iiStock<br />
Ab 2017 wird in der Pflegeversicherung<br />
auf ein neues Begutachtungssystem<br />
umgestellt. Künft<strong>ig</strong> wird es<br />
fünf sogenannte Pflegegrade statt<br />
der bisher<strong>ig</strong>en drei Pflegestufen<br />
geben. Damit wird umgesetzt, was<br />
seit Jahren bereits angedacht und<br />
überprüft wurde: die Erweiterung<br />
des Begriffs der Pflegebedürft<strong>ig</strong>keit<br />
und somit die Gleichbehandlung<br />
von geist<strong>ig</strong>en und körperlichen<br />
Einschränkungen. Eine<br />
zusätzliche private Absicherung für<br />
die Pflege bleibt dennoch sinnvoll.<br />
Private Absicherung für die<br />
Pflege bleibt sinnvoll<br />
TEXT: ROBIN KREIDE<br />
Die Pflegeversicherung hatte bei ihrer<br />
Einführung vor über 20 Jahren vor<br />
allem Menschen mit körperlichen Einschränkungen<br />
im Blick. Entscheidend<br />
war, wie mobil ein Pflegebedürft<strong>ig</strong>er<br />
noch war, und ob sie oder er sich selbst<br />
anziehen und ernähren konnte. Im Laufe<br />
der Jahre stellte sich diese Betrachtungsweise<br />
als nicht ausreichend heraus.<br />
Schließlich sind insbesondere Menschen<br />
mit Demenz zwar oft körperlich<br />
noch in der Lage, bestimmte Dinge zu<br />
tun, haben jedoch vergessen, wie die<br />
einzelnen Handlungsschritte ausgeführt<br />
werden und brauchen daher meist rund<br />
um die Uhr Anleitung und Betreuung<br />
durch andere. Das ab 2017 angewendete<br />
Verfahren zur Begutachtung durch den<br />
Medizinischen Dienst der Krankenkassen<br />
schließt nun geist<strong>ig</strong>e und psychische<br />
Beeinträcht<strong>ig</strong>ungen mit ein. In Zukunft<br />
soll es keine Rolle mehr spielen, ob körperliche<br />
oder geist<strong>ig</strong>e Gebrechen zur<br />
Pflegebedürft<strong>ig</strong>keit führen. Mit dem<br />
neuen Verfahren fällt auch das Zählen<br />
von Minuten, die zur Pflege nöt<strong>ig</strong> sind,<br />
durch den Gutachter weg.<br />
Es wird damit gerechnet, dass aufgrund<br />
des neuen Begutachtungsverfahren rund<br />
500.000 neue Personen Zugang zum<br />
Was fließt in die Beurteilung<br />
der Pflegebedürft<strong>ig</strong>keit ein?<br />
Bei der bisher<strong>ig</strong>en Einstufung in Pflegestufen<br />
wurde nur der Hilfebedarf<br />
bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität<br />
und hauswirtschaftlicher Versorgung<br />
erfasst. Ab 01.01.2017 sind Beeinträcht<strong>ig</strong>ungen<br />
in folgenden sechs<br />
Bereichen maßgeblich:<br />
● Mobilität<br />
● Kognitive und kommunikative<br />
Fäh<strong>ig</strong>keiten<br />
● Verhaltensweisen und psychische<br />
Problemlagen<br />
● Selbstversorgung<br />
● Umgang mit krankheits- oder<br />
therapiebedingten Anforderungen<br />
● Gestaltung des Alltagslebens und<br />
sozialer Kontakte<br />
Diesen Bereichen sind bei der<br />
Begutachtung verschiedene prozentuale<br />
Anteile zugeordnet, die im<br />
Begutachtungsverfahren mit einer<br />
Punkteskala beurteilt und zusammengerechnet<br />
werden.<br />
Ein Ergebnis ab 12,5 bis unter 27<br />
Gesamtpunkten führt zum Beispiel<br />
zum Pflegegrad 1. Mit diesem sind<br />
geringe Beeinträcht<strong>ig</strong>ungen der<br />
Selbständ<strong>ig</strong>keit oder bestimmter<br />
Fäh<strong>ig</strong>keiten verbunden.<br />
Leistungsbezug aus der Pflegeversicherung<br />
bekommen werden.<br />
Bei bereits vor 2017 eingestuften Pflegebedürft<strong>ig</strong>en,<br />
wird die bisher<strong>ig</strong>e Pflegestufe<br />
ohne eine neue Begutachtung gemäß<br />
einem festgelegten Umstellungsverfahren<br />
in einen Pflegegrad umgewandelt,<br />
ohne das den betroffenen Versicherten<br />
hierbei finanzielle Nachteile entstehen<br />
dürfen.<br />
Fest steht bereits jetzt allerdings: Auch<br />
mit Inkrafttreten der neuen Pflegegrade<br />
der gesetzlichen Pflegeversicherung<br />
bleibt eine Absicherungslücke. Reichen<br />
die Einkünfte des Pflegebedürft<strong>ig</strong>en zur<br />
Deckung des E<strong>ig</strong>enanteils nicht aus, so<br />
wird auch in Zukunft sein Vermögen<br />
– etwa Sparguthaben oder Immobilien<br />
– herangezogen. Schlimmstenfalls müssen<br />
der Partner oder die Kinder für die<br />
Differenz aufkommen. Besonders die<br />
sogenannte „Sandwich-Generation“ gerät<br />
schnell an ihre finanziellen Grenzen,<br />
wenn neben der Ausbildung des e<strong>ig</strong>enen<br />
Nachwuchses noch die Pflege eines Elternteils<br />
zu finanzieren ist. Zusätzliche<br />
private Vorsorge für den Pflegefall ist<br />
daher empfehlenswert, denn treffen kann<br />
es jeden, unabhäng<strong>ig</strong> von Alter und Geschlecht.<br />
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