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Snowtimes-2010-Davos

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» Die Welt nach der<br />

Finanzkrise«<br />

Wladimir Putin referierte in <strong>Davos</strong>: »Es ist bekannt, dass in Krisenzeiten auf einfache<br />

und populistische Rezepte zurück gegriffen wird, aber wenn man nur die Symptome<br />

behandelt, hat in der Zukunft mit grossen Komplikationen zu tun«, sagt Wladimir Putin.<br />

Für das zukünftige Vorgehen müsse endlich mal ein<br />

»Strich unter der Vergangenheit gezogen« und mit offenen<br />

Karten gespielt werden. »Man muss die wirkliche<br />

Lage der Dinge sehen und darlegen. Die schlechten Aktiva<br />

und hoffnungslosen Schulden müssen von Unternehmen<br />

abgeschrieben werden. Das ist etwas Schmerzliches<br />

und Unangenehmes und danach sehnt sich auch keiner.<br />

Man fürchtet sich um den Bonus und Prestigeverlust.<br />

Aber: »Wenn die Bilanzen nicht bereinigt sind, wird die<br />

Krise nur verlängert.« Zweitens: Nach Heilung der Bilanzen<br />

müsse man das virtuelle Geld loswerden, die aufgeblasenen<br />

Abrechnungen und die zweifelhaften Ratings.<br />

»Man muss den wirklichen Zustand der Unternehmen<br />

sehen, und das dürfen keine Illusionen sein«, sagt Putin.<br />

Die zukünftige Weltwirtschaft müsse eine Weltwirtschaft<br />

der reellen Werte sein. »Man stellt natürlich die Frage,<br />

wie kommt man dahin. Aber darüber müssen wir uns gemeinsam<br />

Gedanken machen.«<br />

Als dritten Lösungsansatz nennt Putin das Zusammenwirken<br />

der verschiedenen Staatsbanken. Aber man müsse<br />

auch schauen, dass es kein Chaos gebe. »Deshalb<br />

brauchen wir ein neues Regelungssystem, basierend auf<br />

Völkerrecht und auf multilateralen Abmachungen.«<br />

Denn die meisten Länder hätten heute ihre Reservewährung<br />

in Devisen angelegt. Das führt dazu, dass man voneinander<br />

abhängig ist.<br />

Die wichtigste anzustrebende Veränderung in der Welt<br />

nach der Krise aber sei gemäss Putin: »Alle Länder müssen<br />

garantierten Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen<br />

haben, zu neuen Technologien und neuen Entwicklungsquellen.«<br />

Sie bräuchten Garantien, dass Risiken einer<br />

erneuten Krise minimiert werden.<br />

Ein zu niedriges Regelungsniveau im Finanzsystem, fehlende<br />

Rechenschaftspflicht, überhöhte Erwartungen an<br />

die Rendite. Diese und andere Ursachen für die Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise zählt er auf und nennt damit<br />

Faktoren, die heute weitgehend anerkannt sind. Der amerikanische<br />

Immobilienmarkt, als Auslöser der ganzen<br />

Subprimekrise, ist in der Rede des Ministerpräsidenten<br />

nicht direkt angesprochen, wahrscheinlich aus politischen<br />

Gründen.<br />

Ausgesprochen spannend sein Beitrag zur Diskussion<br />

um die Rolle des Staates in der Krise. Der Staat dürfe<br />

nicht zu viel Macht über die Wirtschaft haben, sagt Putin.<br />

Russland habe diesen Fehler teuer bezahlt und man wolle<br />

ihn nicht wiederholen. Man dürfe die Augen nicht davor<br />

verschliessen, dass während der letzten Monate ein Gesinnungswandel<br />

des Unternehmertums statt gefunden<br />

hatte. Gerade was auch das Prinzip der persönlichen Verantwortung<br />

des Menschen, des Unternehmers, des Anlegers<br />

und des Aktionärs betrifft. Man kann nicht ganz<br />

einfach sagen, es ist die Verantwortung des Staates. Das<br />

führt nicht zu besseren Resultaten. »Ich weiss, dass hier<br />

Wirtschaftsführerpersönlichkeiten anwesend sind und<br />

man will immer, dass der Staat Gutes tut. Aber einmal<br />

sind Staatsmittel auch erschöpflich. Das ist etwas, das<br />

auf lange Sicht nicht wirksam ist«, so Putin.<br />

Der russische Ministerpräsident fordert vorausblickendes<br />

Handeln und einen nachhaltigen Umgang. Hier<br />

schafft er die Verbindung zur globalen Energieversorgung,<br />

die stark ausschlaggebend für zukünftiges Wachstum<br />

sei. Russland setze sich bezüglich diesem Thema für<br />

eine internationale vertragliche Basis und eine sichere<br />

Energieversorgung ein. Die Pipelineentwicklung speziell<br />

auch für Öl und Gas spiele dabei eine grosse Rolle.<br />

»Sie muss fortgesetzt werden«, so Putin. Das Thema ist<br />

für Russland enorm wichtig. Vor der Krise füllten die<br />

Einnahmen aus dem Rohstoffexport temporär mehr als<br />

die Hälfte der Staatskasse. Nun ist diese grosse Abhängigkeit<br />

gegenüber der Ölpreisentwicklung während der<br />

Krise zum Verhängnis geworden und führte zu gigantischen<br />

Einbussen für die russische Wirtschaft.<br />

Darüber hinaus erwähnt Putin, Russland wolle sich in<br />

den nächsten 10 bis 15 Jahren grundlegend verändern<br />

und erneuern. Dafür seien bereits gute Investitionen getätigt<br />

worden. Ziel sei es auch, die Bildungsinvestitionen<br />

voranzutreiben.<br />

Putin zu Militärinvestitionen: Grosse Rüstungsausgaben<br />

mit der Ausrede, damit staatliche Wirtschaftsförderung<br />

zu betreiben, seien nicht akzeptabel. Trotz Finanzkrise<br />

und wachsender Arbeitslosigkeit solle an einem weiteren<br />

gemeinsamen Rüstungsabbau gearbeitet werden. Ein<br />

Appell an Solidarität und Vertrauen unter den Staaten<br />

zum Schluss.<br />

Wladimir Putin, am World Economic Forum <strong>Davos</strong>,<br />

2009.<br />

Aufgezeichnet von Gian-Marco Werro<br />

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