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EDUCATION 1.17

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Thema | Dossier<br />

Spielen<br />

«Nein, also wirklich, so verhält<br />

sich keine Frau Doktor!»<br />

Interview: Iris Frey<br />

Während meinerSchulzeit haben<br />

wir in langweiligem Unterricht<br />

«Schiffe versenken» gespielt – Sie<br />

auch? –, wer erwischtwurde, bekam<br />

Ärger. Warum istdiese Art Spiel<br />

im Unterricht nichtsinnvoll?<br />

Es ist lange her, aber wir haben<br />

das auch gespielt. – Warum sollte<br />

dieses Spiel nicht sinnvoll sein, zumindest<br />

im erwähnten Kontext?<br />

Wenn Schülerinnen und Schüler sich<br />

im Unterricht langweilen, nicht abgeholt<br />

werden, konzentriertes Zuhören<br />

bloss vorspielen, ist der Lerneffekt<br />

wahrscheinlich nicht grösser, als<br />

wenn sie zusammen spielen.<br />

Sind die Lehrpersonen, überspitzt<br />

gesagt, selber schuld, wenn<br />

die Schülerinnen und Schüler<br />

spielen, statt sich auf den Unterricht<br />

zu konzentrieren?<br />

Keine Lehrperson dürfte es schaffen,<br />

dass alle Schülerinnen und<br />

Schüler immer hundertprozentig konzentriert<br />

sind. Alle Kinder oder Jugendlichen<br />

gleichermassen abzuholen,<br />

ist schier unmöglich – dies<br />

gelingt auch ausserhalb der Schule<br />

bloss Sektengurus (lacht). Die Frage<br />

ist vielmehr, wie ich als Lehrperson<br />

erreiche, dass möglichst viele Schülerinnen<br />

und Schüler interessant finden,<br />

was im Unterricht läuft, oder<br />

zumindest einsehen, weshalb es<br />

wichtig ist, dabei zu sein. Mit Spielen<br />

im Unterricht lassen sich viele Kinder<br />

und Jugendliche gut abholen.<br />

Weshalb?<br />

Spielen ist eine erleichterte Form<br />

des Lernens: Kinder und Jugendliche<br />

machen etwas, das sie gerne tun.<br />

Das Lernen geschieht im Spiel beiläufig<br />

– und es ist effizient. Das konnten<br />

wir beispielsweise in einem<br />

Forschungsprojekt aufzeigen, in welchem<br />

es um frühe, spielerische Mathematikförderung<br />

ging. In diesem<br />

Rahmen haben wir bestehende Spiele<br />

gesammelt, ausgewertet und neue<br />

entwickelt. Dabei konnten wir zeigen,<br />

dass der spielerische Ansatz im Kindergarten<br />

sowohl herkömmlichen<br />

Heranführungsmethoden wie auch<br />

eigentlichen Trainingsübungen überlegen<br />

ist.<br />

Aber machen Spiele im<br />

Unterricht – gewissermassen<br />

«Pflichtspiele» – genauso viel<br />

Spass wie freiwillige Spiele?<br />

Ein Spiel macht immer Spass –<br />

sonst ist es kein Spiel. Ob etwas ein<br />

Spiel ist, bestimmen die Spielenden<br />

– Kinder, Jugendliche, Erwachsene.<br />

Das ist vergleichbar mit Strafen. Ob<br />

eine Strafe als solche wahrgenommen<br />

wird, entscheidet der oder die<br />

Bestrafte. Auf der Oberstufe gilt es<br />

zuweilen als «cool» eine Strafe zu erhalten<br />

– sie zu erteilen, bewirkt dann<br />

oft das Gegenteil vom gewünschten<br />

Effekt.<br />

Am Anfang gilt es, jedes neue<br />

Spielzeug zu erkunden, ein neues<br />

Spiel zu erlernen. Oft geht dem eigentlichen<br />

Spiel eine explorative<br />

Phase voraus. Wenn wir dann richtig<br />

spielen, sind wir total auf das Spiel<br />

fokussiert und konzentriert und vergessen,<br />

was ausserhalb des Spiels<br />

wichtig ist – als würde im Gehirn ein<br />

Schalter umgelegt. Passiert dies<br />

nicht, handelt es sich nicht um ein<br />

Spiel. So gesehen ist es unwichtig,<br />

ob das Spiel Pflicht oder Kür ist.<br />

Welche Spiele eignen sich<br />

für den Unterricht?<br />

Sehr geeignet sind alle Regelspiele<br />

– Spiele, die wir beispielsweise<br />

aus dem Sportunterricht kennen:<br />

Diese Spiele lassen sich wunderbar<br />

didaktisch aufbereiten. Mit Regelspielen<br />

sollen Kompetenzen – we-<br />

Bernhard Hauser ist Studiengangleiter<br />

und verantwortlicher<br />

Professor für vier Module im Masterstudiengang<br />

«Early Childhood<br />

Studies» an der Pädagogischen<br />

Hochschule St. Gallen (PHSG).<br />

Der promovierte Erziehungswissenschaftler<br />

wirkt als Dozent für<br />

Pädagogik, Psychologie und Didaktik<br />

und engagiert sich am Kompetenzzentrum<br />

Forschung, Entwicklung<br />

und Beratung.<br />

nige oder mehrere –, die in unserer<br />

Gesellschaft wichtig sind, geübt und<br />

trainiert werden. Beim Spiel «Eile mit<br />

Weile» etwa lernen die Spielerinnen<br />

und Spieler zu warten, sich in Geduld<br />

zu üben, im richtigen Moment einen<br />

anderen Spieler aus der Bahn zu werfen,<br />

mit einer Mischung aus Glück<br />

und Kompetenz weiterzukommen.<br />

Sämtliche Regelspiele sind Kulturerfindungen,<br />

Formen von Didaktisierung.<br />

Deshalb macht die häufig gestellte<br />

Frage, ob didaktisierte Spiele<br />

zulässig seien, keinen Sinn. Jedes<br />

Spiel ist eine Didaktisierung einer für<br />

das Leben bedeutsamen Aktivität.<br />

Zumindest sollte es so sein.<br />

Sehr geeignet sind auch Rollenspiele.<br />

Im Kindergarten spielen die ▶<br />

Foto zvg<br />

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