EDUCATION 1.17
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Thema | Dossier<br />
Spielen<br />
«Kinder reagieren sehr motiviert<br />
auf das spielerische Lernen»<br />
Ruedi Lanz<br />
Welche Bedeutung, welche Funktion hat das Spiel<br />
auf Ebene Unterstufe? Wie, wann und wo wird es<br />
eingesetzt? Ein Besuch in der Basisstufe der<br />
Schule Köniz Buchsee zeigt: Das Spiel ist ein zentrales<br />
Element im Unterricht.<br />
Zum ersten Mal schneit es an diesem Dezembermorgen.<br />
Im Schulhaus Köniz Buchsee werde ich von Hündin Luna<br />
empfangen, sie zeigt mir auch gleich den Weg ins Klassenzimmer.<br />
Die Kinder der Basisstufenklasse a sitzen im<br />
«Treffpunkt» und lauschen den Erklärungen ihrer Lehrerinnen.<br />
Es wird im «Zahlenland» gearbeitet. Ein paar Minuten<br />
später erheben sich die Kinder und bilden Zweierteams.<br />
Eine Gruppe nach der anderen besorgt sich eine der fein<br />
säuberlich in einem Regal eingereihten, nummerierten<br />
Schachteln und sucht sich einen freien Platz. Die Arbeitsmaterialien<br />
in den unterschiedlichsten Farben und Formen<br />
animieren die Kinder, die Rechenaufgaben zu lösen.<br />
Alles wirkt entspannt, spielerisch, und trotzdem sind die<br />
Kinder äusserst konzentriert bei der Sache. Es wird überlegt,<br />
diskutiert und ausprobiert, bis das Resultat dem Gewünschten<br />
entspricht. Wo nötig, helfen die Lehrerinnen<br />
mit einem kleinen Tipp. Jedes Kind trägt das Ergebnis in<br />
seinen persönlichen «Kompetenzraster» ein.<br />
Der Motivationseffekt<br />
«Die Kinder reagieren sehr motiviert auf das spielerische<br />
Lernen», erklärt Christina Emch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin<br />
Malu Fehlmann führt sie die Klasse mit 25 Kindern<br />
als Zweierteam. «Dass uns die Basisstufe diese Möglichkeit<br />
bietet, ist für mich Gold wert», sagt sie. Ohne diese<br />
spielerischen Elemente würde sich die Lern- und Mitmachmotivation<br />
öfter mal in Grenzen halten. «Bezüglich<br />
der Lerninhalte ist vieles auch eine Frage des Reifeprozesses,<br />
da gibt es grosse Unterschiede.» Den einen könne<br />
es nicht schnell genug gehen, endlich in einem Heft arbeiten<br />
zu dürfen, andere möchten lieber drei Stunden lang<br />
frei spielen. In solchen Fällen müsse man dann etwas gezielter<br />
nachhelfen. Es sei deshalb wichtig, die Kinder frühzeitig<br />
und im richtigen Moment abzuholen, findet Christina<br />
Emch. Verpacke sie beispielsweise «Blitzrechnen» in<br />
einen Fussballmatch, dann erhöhe dies das Engagement<br />
meistens ungemein. Zusätzlich wirke es sich auch langfristig<br />
auf das Lernverhalten aus, denn «man will das<br />
nächste Mal noch schneller sein oder gewinnen». Also<br />
würden die Kinder auch zu Hause üben, und dies motivierter<br />
und häufiger. «Das Lernen kriegt ein Ziel, auf das<br />
ein Kind hinarbeitet.»<br />
Spielen und lernen<br />
Spielen diene auch der Kommunikation, also der Entwicklung<br />
aller sprachlichen Bereiche. Ausserdem fördere es<br />
das Sozialverhalten, wecke Kreativität und Fantasie und<br />
helfe bei der Verarbeitung von Informationen und Erlebnissen.<br />
«Die Kinder spielen Erlebtes in Rollenspielen<br />
nach», erzählt Christina Emch, selbst Mutter zweier Töchter.<br />
Spielen unterstütze das Entwickeln von Strategien im<br />
kognitiven Bereich, vor allem Regelspiele würden sich<br />
hierzu bestens eignen. Fremdsprachige Kinder übrigens,<br />
ergänzt sie, lernten die Sprache unglaublich schnell, wenn<br />
sie sich in einer Spielumgebung mit anderen Kindern befänden.<br />
«Alle lebenswichtigen Kompetenzen entdecken<br />
die Kinder über das Spielen.» Der Weihnachtszeit entsprechend<br />
ist der Raum geschmückt, über dem Treffpunkt<br />
hängt ein Adventskranz, daneben ein Adventskalender<br />
aus Marronisäckli. Im grossen, strukturiert<br />
eingerichteten Schulzimmer finden sich verschiedene Bereiche.<br />
«Einen davon bezeichnen wir als erlebnisorientierte<br />
Spiel- und Lernumgebung», erklärt Christina Emch.<br />
Dieser Bereich widme sich jeweils einer bestimmten Thematik.<br />
«Im Moment ist es das Marronihaus, eigentlich ein<br />
Verkäuferliladen», fügt sie schmunzelnd an. Wichtiger als<br />
die Bezeichnung sei das Lernpotenzial, denn die Kinder<br />
müssten Angebot und Preise schriftlich festhalten. Diese<br />
Herausforderung sei enorm motivierend, schliesslich<br />
möchte man möglichst viele Käufer anlocken. Das Schreiben<br />
von Wörtern und Zahlen im Spiel mache dann auf einmal<br />
Sinn, weil ein Kilogramm Marroni eine konkrete Bedeutung<br />
erhalte. «Ist ihnen anfänglich das Erlernen und<br />
Aufschreiben eines Wertes schwergefallen, erkennen sie<br />
nun einen praktischen Bezug, einen Nutzen.»<br />
Spielformen<br />
Inzwischen ist die grosse Pause vorbei, sie hat etwas länger<br />
gedauert als üblich, «wegen des ersten Schnees», erklärt<br />
Christina Emch. Nebst den erwähnten Regel- und<br />
Rollenspielen verwenden die Lehrerinnen weitere mögliche<br />
Spielformen im Unterricht. «Wir versuchen auch<br />
Merk- und Denkspiele, etwa ‹Plätze vertauschen› oder<br />
einen Weg einprägen.» Auch Sprach- und Wortspiele<br />
kämen zum Zug, der Deutschunterricht biete hierzu öfter<br />
Gelegenheit. «Und natürlich sind Ratespiele sehr beliebt.»<br />
Während der Unterricht mittlerweile mit einem Geräuscherkennungsspiel<br />
weitergeführt wird, gesellt sich<br />
Hündin Luna wieder zur Klasse. Die ausgebildete Therapiehündin<br />
weiss, wie sie sich zu verhalten hat. «Theaterspielen<br />
ist eine sehr beliebte und die wohl zentralste Lern-<br />
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