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Heft 98 - Lernen & Lehren

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Schwerpunktthema: Handlungsorientiertes <strong>Lernen</strong><br />

lichkeit der vorliegenden empirischen<br />

Ergebnisse ist zudem zu bedenken,<br />

mit welchen Instrumenten unterschiedliche<br />

Wissensbereiche erfasst werden<br />

und was in einzelnen Studien konkret<br />

unter handlungsorientierten Lehr-Lern-<br />

Arrangements verstanden wird. Hier<br />

gehen die Forschungsansätze z. T.<br />

deutlich auseinander.<br />

NICKOLAUS: Wenn wir die Ergebnisse<br />

der empirischen Untersuchungen in<br />

der Elektrotechnik betrachten, wozu<br />

inzwischen ja mehrere Studien vorliegen,<br />

dann kommen wir nicht daran<br />

vorbei, dass dem handlungsorientierten<br />

Unterricht wider Erwarten in der<br />

elektrotechnischen Grundbildung nicht<br />

nur bezogen auf das deklarative Wissen,<br />

sondern auch bezogen auf die<br />

erwarteten Effekte zu prozeduralem<br />

Wissen und fachspezifischer Problemlösefähigkeit<br />

keine günstigeren Effekte<br />

bescheinigt werden können. Zum Teil<br />

ergeben sich sogar Vorteile für den<br />

direktiven Unterricht, insbesondere für<br />

die prozedurale Wissensentwicklung<br />

bei Elektroinstallateuren bzw. Elektronikern<br />

für Energie- und Gebäudetechnik.<br />

Ich denke, die Leserinnen und<br />

Leser sollten sich zu der Frage die Ergebnisübersicht<br />

in diesem <strong>Heft</strong> doch<br />

auch noch einmal selbst ansehen. Zur<br />

Erfassung der fachspezifischen Problemlösefähigkeit<br />

können wir für unser<br />

Instrument zudem zeigen, dass die<br />

Ergebnisse, gemessen an den realen<br />

Anforderungen, valide sind. Ich denke,<br />

wir sollten auch vorsichtig sein mit der<br />

Gewichtung einzelner Befunde. Replikationsstudien<br />

liegen bisher nur<br />

im kaufmännischen und elektrotechnischen<br />

Bereich vor, und überall dort,<br />

wo eine größere Untersuchungseinheit<br />

einbezogen war, zeigen sich größere<br />

Unterschiede innerhalb der methodischen<br />

Ansätze als zwischen den<br />

Ansätzen.<br />

JENEWEIN: Bei aller unterschiedlichen<br />

Grundeinschätzung: In einem zentralen<br />

Punkt ist dem Kollegen NICKO-<br />

LAUS Recht zu geben. Es wäre zu kurz<br />

gedacht, wollte man die Entwicklung<br />

von Wissensstrukturen nur auf die Gegenüberstellung<br />

handlungsorientierter<br />

versus direktiver Unterrichtsformen<br />

zurückführen. Die Unterschiede in den<br />

Lernergebnissen innerhalb der jeweiligen<br />

Unterrichtsformen sind erheblich,<br />

das ist aus den vorliegenden Studien<br />

erkennbar. Auch für moderne Lernkon-<br />

zepte gilt ganz offensichtlich mit dem<br />

Prinzip der Methodenvielfalt ein alter<br />

didaktischer Grundsatz, allerdings aus<br />

heutiger Sicht mit einer weitgreifenden<br />

Einbeziehung handlungsorientierter<br />

Lernarrangements.<br />

KLAUS JENEWEIN, Otto-von-<br />

Guericke-Universität Magdeburg<br />

Professor für Fachdidaktik<br />

technischer Fachrichtungen<br />

Arbeitsgebiete: Lehrerbildung,<br />

Berufliche Didaktik, <strong>Lernen</strong> in virtuellen<br />

und realen Lernumgebungen<br />

Wohl wissend, dass damit jetzt ein<br />

Thema angesprochen wird, das kaum<br />

mit wenigen Sätzen behandelt werden<br />

kann, frage ich Sie nun, Herr NI-<br />

CKOLAUS, welche konkreten Veränderungen<br />

sollten bei den Lernkonzepten<br />

in beruflicher Bildung angestrebt<br />

werden? Was sollte sich auf der Ausbildungs-<br />

und Unterrichtsebene verändern,<br />

damit von „neuen“ Lernkonzepten<br />

gesprochen werden kann? Was<br />

ändert sich nach Ihren Beobachtungen<br />

tatsächlich?<br />

NICKOLAUS: Ich denke, entscheidend<br />

ist nicht primär die Einführung neuer<br />

Konzepte, sondern die Einlösung hoher<br />

Umsetzungsqualitäten innerhalb<br />

der Konzepte. Die Vorstellung, es<br />

gäbe den Königsweg, ist nach allem,<br />

was wir wissen, nicht haltbar. Von hoher<br />

Bedeutung ist die aktive kognitive<br />

Auseinandersetzung mit den Inhalten,<br />

und dies ist in unterschiedlichen Arrangements<br />

erreichbar. Wenn ich mich<br />

beispielsweise unter Berücksichtigung<br />

der angestrebten Lehrziele, der Voraussetzungen<br />

der <strong>Lernen</strong>den, spezifischen<br />

Ansprüche der Inhalte und<br />

den organisatorischen Rahmenbedingungen<br />

für einen eher handlungsorientierten<br />

Unterricht entscheide, dann<br />

wäre es beispielsweise wünschenswert,<br />

dass die notwendige Unterstützung<br />

im Erarbeitungsprozess (individuell)<br />

gewährleistet wird, was entsprechende<br />

diagnostische Fähigkeiten und<br />

gegebenenfalls auch ein Set von Aufgaben<br />

unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades<br />

voraussetzt. Ein direktiver<br />

Unterricht ohne Anwendungsphasen<br />

und die Reflexion der Lösungsansätze<br />

ist eine häufig bemühte Negativfolie<br />

für die Bewertung traditioneller<br />

Unterrichtsformen. Wo dies zutrifft,<br />

sind Optimierungsmöglichkeiten offensichtlich.<br />

Manchmal wäre auch schon<br />

viel gewonnen, wenn eine positive<br />

Beziehungsqualität gesichert werden<br />

könnte, auf die insbesondere Auszubildende<br />

mit größerem Förderungsbedarf<br />

angewiesen sind. Neuere Studien<br />

zeigen allerdings, dass Auszubildende<br />

mit ungünstigeren kognitiven Voraussetzungen<br />

bei entsprechender Förderung,<br />

d. h. einem systematischen von<br />

außen angeleiteten Strategietraining,<br />

eine weit bessere Kompetenzentwicklung<br />

durchlaufen können, als dies im<br />

„normalen“ Lernfeldunterricht üblich<br />

ist. Die entscheidende Frage ist, inwieweit<br />

es gelingt, die verschiedenen<br />

Qualitätsmerkmale unter den je gegebenen<br />

Bedingungen einzulösen.<br />

Herr JENEWEIN, neue Lernkonzepte,<br />

ob nun konkret- oder abstrakt-handlungsorientiert<br />

angelegt, werden oft in<br />

Verbindung mit elektronischen Medien<br />

gebracht. Wo sehen Sie die Impulse<br />

und den Anteil dieser Medien an der<br />

Entwicklung einer neuen Lernkultur im<br />

Berufsbildungsbereich?<br />

JENEWEIN: Neue Lernkonzepte beziehen<br />

sich durchweg auf das <strong>Lernen</strong> an<br />

betrieblichen Arbeitsprozessen und<br />

den dort vorhandenen technischen<br />

Systemen. Diese jedoch stehen für<br />

das <strong>Lernen</strong> oft gar nicht zur Verfügung;<br />

sei es, weil die heutigen Arbeitssysteme<br />

durch hohe Komplexität gekennzeichnet,<br />

häufig an dynamische Vorgänge<br />

gebunden und von einem hohen<br />

Vernetzungsgrad gekennzeichnet<br />

sind oder weil „reale“ Arbeitssysteme<br />

häufig mit „unsichtbaren“ Vorgängen<br />

verbunden sind. Oft entziehen sich<br />

wichtige Funktionen, Strukturen und<br />

Phänomene der menschlichen Wahrnehmung<br />

und dem menschlichen<br />

74 lernen & lehren (l&l) (2010) <strong>98</strong>

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