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nr-Werkstatt: Presserecht in der Praxis - Netzwerk Recherche

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harte Arbeit <strong>der</strong> Strafjuristen erst an. Sie besteht dar<strong>in</strong>, unter Beachtung<br />

strenger Verfahrensregeln und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sprache, die dem Verfassungsgebot<br />

<strong>der</strong> Unschuldsvermutung gerecht wird, den Streit darüber auszutragen, ob<br />

die Bewertung ihrer eigenen Ermittlungsergebnisse durch die Polizei zu voreilig<br />

o<strong>der</strong> sogar falsch war.<br />

Streng genommen dürfte <strong>der</strong> Pressesprecher <strong>der</strong> Polizei o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft e<strong>in</strong>en Beschuldigten nicht e<strong>in</strong>mal dann als überführt<br />

bezeichnen, wenn er bereits e<strong>in</strong> Geständnis abgelegt hat. Das ist ke<strong>in</strong>e<br />

Wortklauberei, denn die Fehlurteilsforschung hat herausgefunden, das falsche<br />

Geständnisse e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Hauptursachen für Justizirrtümer s<strong>in</strong>d.<br />

Aber bei <strong>der</strong> Suche nach schlechten Vorbil<strong>der</strong>n für gutwillige Journalisten<br />

trifft man sogar auf die höchste Autorität für die Sauberkeit <strong>der</strong> Rechtssprache:<br />

den Gesetzgeber. Er hat nämlich <strong>in</strong> den letzten Jahren die Grenze<br />

zwischen Verdacht und Beweis selbst völlig verwischt. Denken Sie nur an die<br />

Mode-Institution des „Täter-Opfer-Ausgleichs“. Hier mussten wir erleben, das<br />

sogar das Strafgesetzbuch sich jenen fatalen Sprachgebrauch zu Eigen<br />

gemacht hat, <strong>der</strong> aus Zeugen, die behaupten, Opfer von Straftaten geworden<br />

zu se<strong>in</strong>, „Opfer“ und – schlimmer noch – aus Beschuldigten, die noch nicht<br />

schuldig gesprochen s<strong>in</strong>d, „Täter“ gemacht hat.<br />

Da haben wir Strafverteidiger es natürlich schwer, weiterh<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> Geltung<br />

e<strong>in</strong>es so altmodischen Wertbegriffs wie dem <strong>der</strong> Unschuldsvermutung zu<br />

bestehen, wonach je<strong>der</strong> Mensch solange als unschuldig zu gelten hat, bis<br />

nicht durch e<strong>in</strong> rechtskräftiges Urteil nach e<strong>in</strong>em prozessordnungsgemäßen<br />

Verfahren und e<strong>in</strong>er formalisiert durchgeführten Beweisaufnahme se<strong>in</strong>e<br />

Täterschaft und Schuld festgestellt ist. Wie sollen wir noch e<strong>in</strong>em Redakteur<br />

e<strong>in</strong>er Boulevard-Zeitung ankreiden, dass er jemanden, <strong>der</strong> gerade eben erst<br />

von <strong>der</strong> Polizei festgenommen worden ist, als „Mör<strong>der</strong>“ bezeichnet, wenn<br />

sogar <strong>der</strong> Sprachgebrauch des Strafgesetzbuchs von „Täter“ spricht und<br />

damit jemanden me<strong>in</strong>t, <strong>der</strong> es sich von Verfassungs wegen eigentlich nicht<br />

gefallen lassen müsste, wie jemand behandelt zu werden, dessen Strafverfahren<br />

bereits abgeschlossen ist.<br />

Aber dieser rechtsstaatliche Sündenfall des mo<strong>der</strong>nen Gesetzgebers<br />

beschränkt sich nicht auf das Strafgesetzbuch. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Strafprozessordnung<br />

wimmelt es <strong>in</strong>zwischen von solchen gedankenlos h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschriebenen<br />

die Unschuldsvermutung missachtenden Vokabeln, die e<strong>in</strong>e<br />

Vorverurteilung bedeuten. Man denke nur an die vielfältige Verwendung <strong>der</strong><br />

Bezeichnung des Beschuldigten als „Täter“, wo es eigentlich noch „Beschuldigter“<br />

heißen müsste. Dies hat übrigens ausgerechnet e<strong>in</strong> Beamter des

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