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nr-Werkstatt: Presserecht in der Praxis - Netzwerk Recherche

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Als Beispiel sei e<strong>in</strong> Verfahren <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft Berl<strong>in</strong> genannt, das sich<br />

gegen e<strong>in</strong>en großen Baukonzern, gegen Manager e<strong>in</strong>er großen<br />

Flughafengesellschaft und gegen e<strong>in</strong> Ingenieurbüro richtete und das sich mit<br />

den Umständen befasste, unter denen e<strong>in</strong> bestimmtes Bieterkonsortium den<br />

Zuschlag zum Bau des geplanten Großflughafens <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Schönefeld bekam.<br />

Die Akte beg<strong>in</strong>nt auf S. 1 mit dem Vermerk e<strong>in</strong>es Staatsanwalts, dessen erste<br />

zwei Sätze lauteten:<br />

„Die Berl<strong>in</strong>er Zeitung hat <strong>in</strong> mehreren Ausgaben ... über die Beziehungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> W. GmbH zur H. AG e<strong>in</strong>erseits und zur Berl<strong>in</strong> Brandenburg Flughafen-<br />

Hold<strong>in</strong>g (nachfolgend: PDF) sowie <strong>der</strong>en Tochtergesellschaft Projektplanungsgesellschaft<br />

PPS berichtet. Demnach stellt sich folgen<strong>der</strong> Sachverhalt dar...“<br />

Hier waren also die recherchierenden Journalisten schneller als die Ermittlungsbeamten.<br />

Sie s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>em Verdacht, <strong>der</strong> bereits Gegenstand e<strong>in</strong>es<br />

Ermittlungsverfahrens war, nachgegangen, um parallel zu den Ermittlungsbehörden<br />

zu recherchieren, son<strong>der</strong>n sie lieferten zuerst den so genannten<br />

Anfangsverdacht, <strong>der</strong> die Staatsanwaltschaft verpflichtete, e<strong>in</strong> Verfahren e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Das Ermittlungsverfahren wurde dann sehr aufwändig von <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft betrieben und am Ende e<strong>in</strong>gestellt, weil sich <strong>der</strong><br />

Tatverdacht gegen ke<strong>in</strong>en <strong>der</strong> zahlreichen Beschuldigten bestätigen ließ. E<strong>in</strong><br />

solches Ergebnis staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen muss nicht immer<br />

bedeuten, dass es bei den untersuchten Vorgängen stets mit rechten D<strong>in</strong>gen<br />

zugegangen ist. D. h. dass <strong>der</strong> vor den Ermittlungsbehörden von Journalisten<br />

aufgespießte Vorgang durchaus Skandalwert haben kann, auch wenn sich am<br />

Ende <strong>der</strong> Verdacht e<strong>in</strong>er Straftat nicht bestätigt. So war es auch <strong>in</strong> jenem<br />

Berl<strong>in</strong>er Fall, <strong>in</strong> dem durchaus bedenkliche Beziehungsgefechte im Vorfeld<br />

des Vergabeverfahrens bestanden und auch aufgedeckt wurden.<br />

Unter an<strong>der</strong>em hatte sich herausgestellt, dass e<strong>in</strong> Wirtschaftsunternehmen<br />

se<strong>in</strong>e Chancen auf Zuschlag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausschreibung dadurch zu erhöhen versucht<br />

hatte, dass es e<strong>in</strong>en „Beratervertrag“ mit e<strong>in</strong>em nicht ganz unbekannten<br />

Berl<strong>in</strong>er Journalisten abgeschlossen hatte, <strong>der</strong> ihm zu e<strong>in</strong>er lukrativen<br />

E<strong>in</strong>kommensquelle verhalf, wofür er als Gegenleistung se<strong>in</strong>e guten<br />

Beziehungen zu e<strong>in</strong>em bestimmten Politiker spielen lassen sollte. Das hatte<br />

er auch getan, <strong>in</strong>dem er mehrere Gespräche mit diesem Politiker führte, <strong>der</strong><br />

se<strong>in</strong>erseits glaubte, sie dienten <strong>der</strong> journalistischen <strong>Recherche</strong> und hätten<br />

den Charakter von „H<strong>in</strong>tergrundgesprächen“. In Wahrheit dienten sie nur<br />

dazu, über diesen Politiker die maßgeblichen Gremien von <strong>der</strong><br />

Vorzugswürdigkeit <strong>der</strong> Beauftragung jenes Unternehmens zu überzeugen, auf<br />

dessen Gehaltsliste <strong>der</strong> Journalist stand.

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