nr-Werkstatt: Presserecht in der Praxis - Netzwerk Recherche
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Auch die Berichte über den e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Spendenskandal lassen zwar<br />
Schlimmes befürchten über die Gesetzestreue des Personals großer politischer<br />
Parteien und mancher Behörden sowie <strong>der</strong> Angehörigen bestimmter<br />
Wirtschaftszweige, die auf öffentliche Aufträge angewiesen s<strong>in</strong>d, trotzdem<br />
werden auch hier diejenigen Presseorgane ihrer wichtigen öffentlichen<br />
Aufgabe am ehesten gerecht, die sich darauf beschränken, das jeweils<br />
Belegbare und Beweisbare zu berichten und die Schlussfolgerungen den<br />
Lesern, Hörern und Zuschauern zu überlassen. So weit eigene Bewertungen<br />
im Kommentarteil notwendig s<strong>in</strong>d, sollten Sie nicht weiter gehen, als sich<br />
dies von <strong>der</strong> Faktenlage her verantworten lässt.<br />
Nun könnte man mir entgegenhalten, dass dies alles gut geme<strong>in</strong>te<br />
Ratschläge und persönliche Bekenntnisse über Geschmacksfragen seien,<br />
aber doch ke<strong>in</strong>e klaren Rechtssätze. Dies trifft zu. Aber wir bewegen uns hier<br />
auch auf e<strong>in</strong>em Gebiet, das von unserem Gesetzgeber weiträumig umfahren<br />
wird und wo <strong>der</strong> Boden unter den Füßen <strong>der</strong> Rechtsanwen<strong>der</strong> schwammig<br />
ist, weil sowohl die Rechtsprechung als auch das rechtswissenschaftliche<br />
Schrifttum mit Generalklauseln und denkbar allgeme<strong>in</strong>en Gummibegriffen<br />
arbeiten.<br />
Das gilt erst Recht für die halbrechtliche Ebene <strong>der</strong> Spruchpraxis des Deutschen<br />
Presserates. In dieser wichtigen Institutionen zur Selbstregulierung <strong>der</strong><br />
Medien werden jeweils aus Anlass von E<strong>in</strong>zelfällen Beschwerden über Kodex-<br />
Verletzung behandelt, wobei man bewusst verzichtet auf justizähnliche<br />
Zwangssanktionen und sich im Vertrauen auf die Dialog- und Lernbereitschaft<br />
<strong>der</strong> Journalisten mit dem mühsamen Geschäft <strong>der</strong> Abwägung zwischen dem<br />
„öffentlichen Interesse“ und dem jeweils tangierten Privat<strong>in</strong>teresse übt.<br />
So wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitschrift für Medien und Kommunikationsrecht AfP 3 von<br />
e<strong>in</strong>em Fall berichtet, <strong>in</strong> dem sich <strong>der</strong> Presserat mit <strong>der</strong> namentlichen, präjudizierenden<br />
Erwähnung zweier Personen zu befassen hatte, denen die<br />
Verbreitung volksverhetzen<strong>der</strong> Materialien vorgeworfen wurde. Die<br />
Charakterisierung dieser Tätigkeit mit den Worten „dah<strong>in</strong>ter stecken gefährliche<br />
Volksverhetzer“ wurde vom Beschwerdeausschuss des Presserates als<br />
durch das öffentliche Interesse gedeckt gerechtfertigt angesehen. Weiter<br />
führte <strong>der</strong> Presserat aus, die Beschwerdeführer seien außerdem Unternehmer,<br />
die sich mit ihren Produkten an die Öffentlichkeit wendeten. Insofern besteht<br />
ke<strong>in</strong> Anlass, e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Schutz für die Namen anzunehmen.<br />
Der Beschwerdeausschuss sah auch den Abdruck e<strong>in</strong>es Fotos und die<br />
namentliche Nennung e<strong>in</strong>es Geschäftsführers e<strong>in</strong>es großen Unternehmens<br />
sowie dessen Vorverurteilung („Kopf e<strong>in</strong>er Abzockerbande“) als im öffent-