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siE HEissT «HOmmAgE à wAgNER - Kulturmagazin

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Constantin Seibt, Alexander<br />

Seibt, Peter Seibt:<br />

Familienbande.<br />

Literaturfälschungen –<br />

Managementkolumnen –<br />

Fussballgeschichten. Stämpfli<br />

Verlag, Bern. 2012. 160 Seiten.<br />

Ca. Fr. 39.90<br />

FAMILIeNANGeLeGeNHeIt<br />

rb. Der Clan, das sind: Peter Seibt, der Vater,<br />

Maler und Unternehmensberater, Constantin<br />

Seibt, der ältere Sohn, Journalist beim Tages-<br />

Anzeiger, und Alexander Seibt, der jüngere Sohn,<br />

Schauspieler und Theaterautor. Zusammen sind<br />

sie eine «Familienbande» (Buchtitel), zwei Seibt-<br />

Generationen, die über das Familiäre – wie die<br />

etwas zu grosse nase und den etwas zu federnden<br />

Gang – hinaus noch etwas verbindet: das<br />

Kolumnenschreiben. Genauer: das begnadete<br />

Kolumnenschreiben.<br />

«Familienbande» versammelt 37 von insgesamt<br />

über 2000 Kolumnen, erschienen in verschiedenen<br />

Medien: 20 Literaturfälschungen<br />

von Constantin Seibt, in denen er Goethe über<br />

Marihuana, Max Frisch über Murmeltiere und<br />

Oscar Wilde über den Schweizer Tourismus<br />

schreiben liess, derart, dass gar der «Spiegel» diesen<br />

Fakes aufsass und über die vermeintliche literarische<br />

Sensation auf der Frontseite berichtete.<br />

Sieben Fussballgeschichten von Alexander Seibt,<br />

wahre Geschichten, unbekannte Geschichten.<br />

Und zehn Managementkolumnen von Peter<br />

Seibt, als Briefe an Sophie formuliert, an die imaginäre<br />

Tochter, Studentin der Ökonomie.<br />

Über das Kolumnenschreiben lässt sich ja so<br />

einiges sagen. Zum Beispiel, dass es die vielleicht<br />

schwierigste journalistische Form ist, weil sie literarische<br />

Ansprüche erhebt, ohne aber unbedingt<br />

Literatur zu sein. Oder dass Kolumnen in<br />

vielen Fällen dem narzissmus des Autors mehr<br />

geschuldet sind als dem Gehalt. Oder dass Kolumnen<br />

für den Moment geschrieben sind, nicht<br />

für die Ewigkeit und deshalb eigentlich gar nicht<br />

zwischen zwei Buchdeckel gehören. Denn gesammelte<br />

Kolumnen, in gebundener Form<br />

nachgereicht, sind ein bisschen wie kalter Kaffee.<br />

Explizit ausgenommen sei hiervon das soeben<br />

erschienene «Blaue Büchlein» von niko<br />

Stoifberg mit 366 Vermutungen aus dem <strong>Kulturmagazin</strong>:<br />

Unbedingt kaufen! Unbedingt lesen!<br />

Und das vorliegende Seibt’sche Familienwerk.<br />

Weil die drei Autoren Geschichten und Haltungen<br />

zu vermischen verstehen, weil ihre Schreibe<br />

immer auf einen Horizont zielt. Das ist bei allen<br />

Unterschieden auch im Stil die Gemeinsamkeit<br />

der drei. Sie sind beseelt, ohne ins Moralische<br />

abzudriften. Die Kolumnensammlung zeugt<br />

von bedenkenswerten Gedanken und von gekonnter<br />

Unterhaltung. Und vor allem: von viel<br />

Familiensinn.<br />

ERlEsEN<br />

Peter Bichsel: Im Hafen<br />

von Bern im Frühling.<br />

Kolumnen 2008-2012.<br />

Radius Verlag, Stuttgart<br />

2012. 190 Seiten.<br />

Ca. Fr. 25.90<br />

sCHAueN OdeR BeOBACHteN<br />

bm. Es ist längst Legende, dass Peter Bichsel<br />

mit der Bahn fährt. Doch im Grund ist er kein<br />

Reisender, er möchte bloss reisend sein – unterwegs,<br />

was auch zuhause geschehen kann. Seine<br />

neuesten Kolumnen aus den Jahren 2008 bis<br />

2012, die unter dem funkelnden Titel «Im Hafen<br />

von Bern im Frühling» soeben erschienen sind,<br />

begeben sich nur sporadisch auf Reisen, lieber<br />

reflektieren sie darüber nach. Die Differenz beginnt<br />

beim Gehen. «Ich will nichts mit Spazieren<br />

zu tun haben, ich will nichts mit Wandern zu<br />

tun haben, ich gehe.» Die permanente Verfeinerung<br />

allen Tuns ist bloss Ablenkung vom Eigentlichen.<br />

Vergleichbares geschieht beim Reisen in<br />

ferne Länder, beispielsweise mit dem Fotografen<br />

Guido. Begeistert kehrt er aus Bulgarien zurück,<br />

mit schönen Fotos im Apparat und mit der Gewissheit,<br />

nun alles über Bulgarien zu wissen.<br />

«Dabei hat er», wendet der Kolumnist ein, «gar<br />

nicht geschaut. Er hat beobachtet, das ist etwas<br />

ganz anderes als schauen.» Und weiter: «Beobachten<br />

ist schauen mit Vorurteil.»<br />

In seinen neuen Kolumnen dreht sich vieles<br />

um dieses Gegensatzpaar. Bichsel erkennt darin<br />

einen grundlegenden Antagonismus, dem auch<br />

Begriffe wie Erinnerung versus Zuversicht, Sicherheit<br />

versus Offenheit zugeordnet werden<br />

können. Was sehnen wir uns doch immer wieder<br />

nach jener Vergangenheit, die wir damals<br />

kaum ertragen haben – nur um den Jungen etwas<br />

voraus zu haben! Alle diese Bilder aus früheren<br />

Zeiten sind nur «Quittungen dafür, dass<br />

ich da war»: bezahlt und abgeheftet.<br />

Gerade wenn sich leise Melancholie in den<br />

Kolumnen bemerkbar macht, dreht Bichsel gerne<br />

den Spiess um und hält ihr die Offenheit fürs<br />

Ungesicherte, Künftige entgegen. Peter Bichsel<br />

ist alles andere als ein nostalgiker.<br />

Wie das Unterwegssein bei ihm ausschaut, erzählt<br />

glänzend die Titelgeschichte «Im Hafen<br />

von Bern im Frühling». Der Besuch in einem Tabakgeschäft<br />

in Bern und die Antwort einer Verkäuferin,<br />

dass in diesem Herbst kein Schiff<br />

mehr mit kubanischen Zigaretten ankommen<br />

würde, weitet sich in eine offene Fantasie über<br />

Fern- und Heimweh. Der Erzähler schaut eine<br />

Welt, die es nicht zu beobachten gibt. «Denn wer<br />

beobachtet», heisst es andernorts, «weiss zum<br />

voraus, was er sehen will.»<br />

32<br />

Gottfried Honegger:<br />

34 699 Tage gelebt.<br />

Limmat Verlag,<br />

Zürich 2012. 154 Seiten.<br />

Ca. Fr. 38.–<br />

RüCKBLICK IN GedICHteN<br />

is. «34 699 Tage gelebt» ist der Titel von Gottfried<br />

Honeggers autobiografischem Band. 34 699<br />

Tage sind 95 Jahre. «Meine autobiografische<br />

Skizze schrieb ich, um so meinem Lebensweg<br />

nachzugehen, ihn zu werten und zu verstehen.<br />

Ich bin kein Monolith, ich bin ein Bürger, der 95<br />

Jahre lang versucht hat, dank seiner Vorbilder<br />

das Lebenswunder mit Achtung zu bestehen»,<br />

schreibt der Maler, Bildhauer und Träger des<br />

«Ordre des Arts et des Lettres» und Mitglied der<br />

französischen «Ehrenlegion».<br />

Das Buch entstand sehr spontan: «Text und<br />

Bilder stellen keinen Anspruch auf Gründlichkeit.<br />

Ich wollte einfach meine Spuren noch einmal<br />

erleben. Für mich ist es so etwas wie ein<br />

Skizzenbuch über die 34' 699 gelebten Tage.»<br />

Von Zürich Aussersihl über Sent, Paris, new<br />

York und Südfrankreich zurück ins Zürcher Seefeld<br />

führte ihn sein Weg, der im Buch mit Vater<br />

und Mutter beginnt, über die nona, die Kunstgewerbeschule,<br />

die Landesausstellung, den Kunstpreis<br />

der Stadt Zürich, die Universität in Dallas,<br />

den blauen Platz in Irchel, über zig Ausstellungen<br />

und Personen zur Skulptur am Bellevueplatz verläuft<br />

und endet:<br />

ich bin der<br />

göttin artemis<br />

dankbar dass sie<br />

mich geküsst hat und<br />

mir die kraft gab<br />

diese utopie noch<br />

zu realisieren<br />

die kunst<br />

ist eben doch<br />

ein morgenstern<br />

Honegger blickt in Gedichten zurück – eine<br />

gelungene, passende Form. Er blickt sparsam,<br />

konkret zurück, wie es in der bildenden Kunst<br />

sein Duktus ist. Die Texte werden von teils farbigen<br />

Abbildungen begleitet, die die beschriebenen<br />

Lebensstationen illustrieren.<br />

Milde wurde Gottfried Honegger in den neuneinhalb<br />

Dekaden nicht, wie ein Absatz gegen Ende<br />

seines mit «Bekenntnis» betitelten nachworts<br />

zu lesen ist: «Ich hoffe auf einen Aufstand der<br />

Künstler, von uns allen gegen die Selbstzerstörung,<br />

gegen die Hässlichkeit, gegen die uniformierende<br />

Monopolwirtschaft. Ja, ich träume von<br />

einer Zukunft, die unsere Erde, unser Leben als<br />

ein Ganzes, als ein Gesamtkunstwerk begreift.»

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