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Titelthema | Elfenbeinturm<br />
nug, jetzt muss sich die Schrift auch noch<br />
zu einem harmonischen Textsatz fügen<br />
lassen. Durch genaues Anpassen der Vor-<br />
und Nachweiten der Buchstaben müssen<br />
diese beliebig kombinierbar bleiben ohne<br />
sich dabei einerseits zum Beispiel gegen-<br />
seitig zu verhaken, andererseits darf auch<br />
der Abstand zwischen ihnen nicht zu groß<br />
sein.<br />
Ein Thema, das alle in der Klasse beschäf-<br />
tigt, sind Haltungsfragen und die Selbst-<br />
reflexion als Künstler und Gestalter –<br />
schließlich ist die Schriftklasse trotz allem<br />
technischen Gefrickel immer noch<br />
Teil der HGB. Wie bearbeitet man den Kon-<br />
flikt, sich einerseits in der Schrift selbst<br />
wiederzufinden und etwas Persönliches<br />
schaffen zu wollen, und andererseits ein<br />
zum Verkauf bestimmtes Produkt entwickeln<br />
zu müssen? Wie geht man damit um,<br />
dass bestimmte Schriftarten geschichtlich<br />
vorbelastet sind? Christian findet et-<br />
wa Frakturschriften spannend. »Ich kann<br />
selbst einer Schaftstiefel-Grotesk-Schrift<br />
noch was abgewinnen. Aber es ist schwie-<br />
rig, weil man viele gerade härtere und<br />
stark gebrochene Schriften gleich in den<br />
Kontext Nationalsozialismus setzt. Dabei<br />
mag ich die einfach von den Formen her.«<br />
Wie steht man dazu, dass die eigene<br />
Schrift als Gestaltungselement in den ver-<br />
schiedensten Kontexten landen kann und<br />
was würde man tun, wenn die eigene<br />
Schrift für Inhalte benutzt würde, hinter<br />
denen man so gar nicht steht? Solche<br />
Überlegungen enden bei DVU-Veröffentlichungen,<br />
aber beginnen schon viel früher,<br />
beispielsweise bei Geschäftsberichten<br />
von bestimmten Unternehmen.<br />
Und kann man solche Fragen überhaupt<br />
stellen, wenn es erst einmal darum geht,<br />
ob man sich mit Schrift überhaupt über<br />
Wasser halten kann? Prinzipiell ist es<br />
nicht unmöglich, Schrift zum Lebensunter-<br />
halt zu entwerfen, meint Professor Smeijers,<br />
selbst das beste Beispiel. »Aber es<br />
ist natürlich immer gut, wenn man gestalterisch<br />
noch etwas mehr kann. Wenn<br />
dann ein Kunde kommt, der neben der<br />
Schrift auch noch Hilfe bei einem Logo an-<br />
fragt, ist es natürlich gut, wenn man seine<br />
Fähigkeiten auch als Gestalter ausnut-<br />
zen kann.«<br />
Elfenbeinturm<br />
Geschichten vom<br />
semiotischen Dreieck<br />
Ein Interview mit Monika Nachtwey<br />
<strong>anton</strong> sind<br />
Maria Jakob und Maja Neumann<br />
<strong>anton</strong>: Welches ist eigentlich Ihr<br />
liebstes Symbol, Frau Nachtwey?<br />
Das ist wirklich eine gute Frage. Das kann<br />
ich gar nicht beantworten.<br />
<strong>anton</strong>: Vielleicht haben Sie dann ein<br />
liebstes Zeichen?<br />
Wenn man sich damit beschäftigt, was Zeichen<br />
und Symbole eigentlich sind, kann<br />
man die Frage irgendwann nicht mehr be-<br />
antworten, denn am Ende ist nichts mehr<br />
Zeichen und doch alles. Es geht nämlich<br />
eher darum wie wir die Dinge erkennen<br />
können, mittels Zeichen und Symbolen.<br />
Deswegen habe ich kein liebstes Zeichen.<br />
Wobei, doch! Der Mercedesstern! Einfach<br />
wegen der Dreiteilung. Die entspricht ex-<br />
akt der Struktur des semiotischen Zeichenmodells.<br />
Da wären wir wieder bei der<br />
Semiotik und bei Charles Peirce.<br />
<strong>anton</strong>: Wie sind Sie überhaupt auf die<br />
Semiotik gekommen? Sie haben ja<br />
einige Fächer studiert. Germanis-<br />
tik, Geschichte, Literaturwis-<br />
senschaften, Anglistik, Erziehungswis-<br />
senschaften und Kulturwissen-<br />
schaften. Warum so viele und wie<br />
sind Sie dann bei der Semiotik<br />
gelandet?<br />
Ich habe so viele Fächer studiert, weil ich<br />
immer gerne studiert habe. Zunächst noch<br />
auf Lehramt, nur um festzustellen, dass<br />
ich keine Lehrerin werden möchte, bis ich<br />
schließlich meine Kombination gefunden<br />
habe – Germanistik, KuWi und Allgemeine<br />
und vergleichende Literaturwissenschaften.<br />
Während meines Literaturwissenschafts-<br />
studiums bin ich mit Umberto Eco in Kon-<br />
takt gekommen. Wenn man sich mit Eco<br />
als Literaturwissenschaftler und Kul-<br />
turtheoretiker auseinandersetzt, kommt<br />
man schnell auf Peirce. Schon weil er<br />
ein Zeichenmodell entworfen hat, welches<br />
Eco auch als Grundlage seiner Semiotik<br />
benutzt. Als ich damals das Seminar<br />
machte durch das ich Peirce kenne<br />
lernte, erinnerte ich mich an die Anfänge<br />
meines Studiums, in denen ich mich mit<br />
Cassirer beschäftigte und hatte das Gefühl,<br />
dass dort Ähnlichkeiten bestünden.<br />
Als ich später ein Magiserarbeitsthema<br />
suchte, fiel mir das wieder ein. Diesen ver-<br />
meintlichen Ähnlichkeiten wollte ich gerne<br />
mal auf den Grund gehen. So bin ich dann<br />
auf die Semiotik und auf Peirce gekommen,<br />
habe mich aber in der Magisterarbeit<br />
erstmal nur auf Cassirer beschränkt,<br />
weil es sonst den Rahmen gesprengt<br />
hätte.<br />
<strong>anton</strong>: Jetzt geben Sie die Seminare,<br />
mit denen Sie selbst mal angefangen<br />
haben.<br />
Das ist richtig. Ich habe ein Seminar zu<br />
Cassirer gemacht und es ist sehr span-<br />
nend die Thematik in diesem Kontext zu<br />
erarbeiten und auch zu sehen, dass die<br />
Studenten mit der Theorie sehr viel anfangen<br />
konnten. Das war ein sehr schönes<br />
Seminar!<br />
<strong>anton</strong>: Wie ist es denn, jetzt<br />
am selben Institut von der Studenten-<br />
auf die Dozentenseite zu wechseln?<br />
Ist das komisch?<br />
Ein sehr merkwürdiges Gefühl! Es ist mir<br />
am Anfang gar nicht so leicht gefallen, die<br />
ehemaligen Lehrer plötzlich als Kollegen<br />
anzusehen. Das war erstmal sehr eigenartig.<br />
In einer anderen Stadt an einem<br />
fremden Institut wäre das sicher etwas an-<br />
ders gewesen. Nun sind es fast zwei Jahre<br />
und man wächst auch in diese Rolle<br />
rein. Wir haben ja ein sehr kollegiales Institut<br />
und ich fühle mich dort sehr wohl.<br />
<strong>anton</strong>: Warum sind Sie nach dem Studium<br />
eigentlich in Leipzig geblieben?<br />
Das hat sich einfach so ergeben. Ich wollte<br />
gerne promovieren und hatte hier am Institut<br />
die Möglichkeit dazu. Es gab auch kei-<br />
nen direkten Grund wegzugehen. Ein Ta-<br />
petenwechsel wäre zwar ganz schön, aber<br />
in Leipzig kann man auch immer wieder<br />
Neues entdecken. Kanu fahren auf den<br />
Karl-Heine-Kanal zum Beispiel.<br />
<strong>anton</strong>: Haben Sie perspektivisch schon<br />
Pläne für die Zeit nach der Promotion?<br />
Na ja, Leipzig würde ich schon ganz gerne<br />
mal verlassen, auch wenn ich mich hier<br />
10 11<br />
Elfenbeinturm<br />
Geboren am 20.07.1978<br />
in Leinefelde im Eichsfeld.<br />
Studium der Kulturwissenschaften,Germanistik,<br />
Allgemeinen<br />
und Vergleichenden<br />
Literaturwissenschaft<br />
sowie der Anglistik, Geschichte<br />
und Erziehungswissenschaftliche<br />
Studien an der Universität<br />
Leipzig. Magisterarbeit<br />
zum Thema<br />
›Zeichen- und Symbolbegriff<br />
bei Ernst Cassirer‹.<br />
2006 Abschluss des<br />
Studiums und Beginn der<br />
Promotion zum Thema<br />
›Gelingendes Zeichenund<br />
Symbolverstehen bei<br />
Charles S. Peirce und<br />
Ernst Cassirer‹. Seit dem<br />
WS 2007/ 08 Mitarbeiterin<br />
am Institut für Kulturwissenschaften<br />
im Fachbereich Kulturphilosophie.<br />
Forschungsschwer-<br />
punkte: Kulturphiloso-<br />
phie und Semiotik<br />
Promotionsprojekt:<br />
Gelingendes Zeichenund<br />
Symbolverstehen<br />
bei Charles S. Peirce<br />
und Ernst Cassirer