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Titelthema<br />
Arbeit von Michael<br />
Schreckenberger<br />
vergrabene Phantasiekonstruktionen, re-<br />
alistische Architektur und dem Symbolwert<br />
von allgemeinem Weltschmerz aus.<br />
Schreckenbergers Markenzeichen, das<br />
sich auf vielen seiner Werke wieder findet,<br />
ist ein Streichholz. Es steht für die Natürlichkeit,<br />
da es lediglich aus den zwei<br />
unverfälschten Elementen Holz und<br />
Schwefel besteht. Der Mensch als Objekt<br />
bleibt in seinen Werken meist sekundär.<br />
Aus Zeitmangel gibt Schreckenberger<br />
einige seiner Aufträge auch an andere<br />
Künstler ab und gewinnt dadurch Zeit für<br />
seine eigenen Kunstarbeiten. Auftragsmalerei<br />
sowie Fassadengestaltung bleiben<br />
jedoch für die Kostendeckung der Ga-<br />
lerie eine Notwendigkeit. Darüber hinaus<br />
engagiert sich der Leipziger Künstler<br />
auch für gemeinnützige soziale Projekte.<br />
Hierzu zählt das durch die Europäische<br />
Union geförderte Projekt zur Schaffung<br />
eines ›Parthe Kunstparcours‹ unter<br />
dem Titel: ›Stadt, Land, Kunst‹, für welches<br />
ständig neue Projekte von anderen<br />
Künstlern gesucht werden, die sich hier<br />
verwirklichen wollen. Ein weiteres soziales<br />
Projekt betrifft das Anlegen verschiedener<br />
Bastel- und Malstrassen für Jung<br />
und Alt auf Stadtfesten.<br />
Auch das Fertigen von Skulpturen gehört<br />
zu Schreckenbergers Leidenschaften. Ne-<br />
ben Gasbeton und Metall verwendet er<br />
dafür Holz, welches er nicht nur mit Stech-<br />
beitel und Holzhammer, sondern bisweilen<br />
auch mit der Kettensäge bearbeitet.<br />
Die Herausforderung liegt dabei in der Grob-<br />
heit dieser Maschine. Das Produkt soll<br />
den emotionalen Zustand des Künstlers<br />
während des Schaffungsprozesses widerspiegeln.<br />
Im Laufe seiner künstlerischen Karriere<br />
hat Schreckenberger schon viele unterschiedliche<br />
künstlerische Projekte absol-<br />
viert. Zu seinen Referenzen zählen unter<br />
anderem die Ausstellung ›Licht und Raum‹<br />
im Lichtspielhaus Berlin in den Fischerhauspassagen<br />
im Jahre 2004, der Bau ei-<br />
ner Steinpictogramm-Pyramide an der Par-<br />
the in Borsdorf, sowie die Gestaltung des<br />
Hotels ›Palace‹ in Kopenhagen in Zusam-<br />
menarbeit mit anderen Künstlern 2008.<br />
Noch bis Ende des Jahres wird sich das<br />
Atelier Nord in den Räumen in der Berliner<br />
Straße befinden. Momentan ist der Künst-<br />
ler auf der Suche nach neuen Räumlich-<br />
keiten, diese werden dann Anfang 2010<br />
auf der Homepage zu finden sein.<br />
Schrift im Feld<br />
digitaler Medien<br />
Zu Besuch bei der Schriftklasse<br />
der Hochschule für Grafik und<br />
Buchkunst<br />
Von Maria Jakob<br />
Es gibt eine Klasse in der Hochschule für<br />
Grafik und Buchkunst, da sitzen die Studenten<br />
jeder vor einem Rechner und schei-<br />
nen etwas zu programmieren – und es sind<br />
nicht die Medienkünstler. Da fragt man<br />
sich: Ist das Kunst, was die da machen?<br />
Genau das fragen sich die, die da sitzen,<br />
oft selbst.<br />
Die Klasse für ›Schrift im Feld digitaler<br />
Medien‹ ist die einzige ihrer Art in Deutsch-<br />
land und auch innerhalb der HGB ein rech-<br />
tes Mysterium. Außenstehende verwechseln<br />
sie zudem häufig mit der Typographie-<br />
Klasse. Doch anders als in der Typographie<br />
geht es hier nicht um die Anwendung<br />
von und die Gestaltung mit Schrift, sondern,<br />
viel grundlegender, um den Entwurf<br />
von Schrift selbst, um die Gestaltung von<br />
Buchstabenformen.<br />
»Ich mag Schriftgestaltung, weil es die<br />
kleinste Arbeit ist, die man innerhalb der<br />
Gestaltung machen kann. Die Architektur<br />
ist das Größte, und die Schrift das Kleinste.“<br />
Aurelia ist, wie viele in der Klasse,<br />
eher zufällig dort gelandet. Die wenigsten<br />
kommen mit der erklärten Absicht, Schrift-<br />
gestaltung zu studieren an die HGB. Eher<br />
mit einer diffusen Neigung in Richtung<br />
Grafik-Design. Im gemeinsamen Grundstudium<br />
des Fachbereichs Buchkunst und<br />
Grafik-Design kommen sie dann zum ers-<br />
ten Mal auf elementare Weise mit Schrift<br />
in Kontakt, schneiden aus Papier das nur<br />
aus geraden Formen bestehende Wort<br />
ELEFANTEN aus und lernen bei dieser An-<br />
fängerübung mit Kontrasten, Strichstärken,<br />
optischen Gesetzen umzugehen. Aurelia:<br />
»Ich mag an Schrift auch, dass sie<br />
so schwarz-weiß ist. Es geht nicht um<br />
Farben und Bilder, sondern ausschließlich<br />
um die Gestaltung der Form.«<br />
Von der Idee bis zur fertigen Schrift vergehen<br />
oft Monate oder ganze Semester. Anfangs<br />
steht eine Inspiration oder eine Vor-<br />
stellung davon, wie ein bestimmter Buch-<br />
stabe oder ein Wortbild aussehen und wir-<br />
ken soll. Um am Ende aber eine funktio-<br />
nierende Textschrift zu erhalten, muss<br />
aus dem künstlerisch-kreativen ein geradezu<br />
ingenieurshafter Prozess werden.<br />
Fred Smeijers, der niederländische Professor<br />
der Klasse, beschreibt Schriftge-<br />
staltung als »irgendwo in der Mitte zwischen<br />
klassischem Ballett und Mathematik«.<br />
Bei einer handwerklich sauberen<br />
Schrift sollten die Proportionen stimmen,<br />
sollten die Winkel in einem harmonischen<br />
Verhältnis zueinander stehen und die<br />
Strichstärken zueinander passen, erklärt<br />
Franziska. Eine zu harmonische Schrift<br />
wirkt allerdings schnell glatt und langweilig.<br />
Anna Lena von Helldorf, künstlerische<br />
Mitarbeiterin des Studiengangs,<br />
macht den Charakter einer Schrift an den<br />
Entscheidungen fest, die im Gestaltungs-<br />
prozess getroffen werden: »Der Charakter<br />
kommt dadurch zustande, dass Entschei-<br />
dungen getroffen wurden und diese auch<br />
sichtbar werden. Es gibt Gestaltungsregeln,<br />
optische Phänomene, die nicht aus<br />
dem Weg zu räumen sind, und dann gibt<br />
es Entscheidungen, im Einklang mit diesen<br />
Regeln zu bleiben oder sich in ein<br />
Moment der Disharmonie mit ihnen zu<br />
stellen«.<br />
Patentrezepte gibt es aber keine, und die<br />
Diskussion darüber, was eine wirklich per-<br />
fekte Schrift ausmacht, ist in der Schriftklasse<br />
nie abgeschlossen.<br />
Abgesehen von einigen Skizzen am Anfang<br />
des Gestaltungsprozesses und even-<br />
tuellen Korrekturen am Ausdruck einzelner<br />
Buchstaben geschieht die Arbeit am<br />
Rechner, in speziellen Schriftentwurfspro-<br />
grammen wie dem gebräuchlichsten ›Font<br />
Lab‹ – und das prägt die ganze Klasse.<br />
Jeder steht am Anfang vor dem gleichen<br />
Problem, dass er lernen muss, mit dem<br />
Programm umzugehen und mit Vektoren,<br />
Grids, Metrics klarzukommen. Da entsteht<br />
Zusammenhalt – anders als in an-<br />
deren Klassen der HGB, wo jeder mehr<br />
sein eigenes Ding macht. Franziska ge-<br />
fällt es: »Das ist so ganz großes gemein-<br />
sames Lernen. Ich habe FontLab bei weitem<br />
noch nicht so richtig durchschaut.<br />
Und da sitzt dann Reymund in der Ecke und<br />
schaut sich irgendwelche Features und<br />
youtube-Tutorials an, und das hilft extrem,<br />
wenn man sieht, dass er das jetzt braucht<br />
und man sich das für später schon mal<br />
abgucken kann.«<br />
Aber Schriftgestaltung erschöpft sich<br />
nicht in technischem Wissen und gestalterischem<br />
Können. Genauso wichtig ist<br />
die Beschäftigung mit Schriftgeschichte<br />
und Schrifttheorie. Die Klasse beschäftigt<br />
sich dabei mit dem ganzen Spektrum<br />
von Handschrift, Bleisatz, Buchdruck bis<br />
zur Digitalisierung, die den Umgang mit<br />
Schrift in den letzten 20 Jahren entscheidend<br />
geprägt hat. Und im learning-by-doing-Modus<br />
muss jeder der angehenden<br />
Schriftgestalter für sich selbst im Allge-<br />
meinen und für seine Schriftprojekte im<br />
Speziellen herausfinden, wie Schrift funk-<br />
tioniert und wie nicht. Eine Schrift, die zum<br />
Verkauf veröffentlicht werden soll, muss<br />
einwandfrei und vielfältig zu gebrauchen<br />
sein. Dazu gehört, dass sie verschiedene<br />
Schnitte von Light über Normal bis Bold<br />
und die jeweils entsprechenden kursiven<br />
Zeichen mitliefert sowie den kompletten<br />
Zeichensatz abdeckt – mit allen Sonderzei-<br />
chen und auch den zusätzlichen Zeichen,<br />
die für Sprachen wie Französisch, Schwe-<br />
disch oder Polnisch notwendig sind. Ex-<br />
tras wie Kleinbuchstabenzahlen und Kapi-<br />
tälchen kommen dazu. Und damit nicht ge-<br />
8 9<br />
www.ourtype.be<br />
Schriften von<br />
Fred Smeijers<br />
und einiger seiner<br />
Absolventen<br />
Titelthema