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Studentenfutter<br />
Seminar über ›Linguistic Approaches to<br />
Humour‹ und auf ein AVL-Seminar über den<br />
Semiotiker Umberto Eco. Besonders wich-<br />
tig ist für Maria dabei auch der Blick auf<br />
die Rezeption. Was wird wann und wie als<br />
komisch wahrgenommen? Wann wird non-<br />
verbaler Humor als ästhetisches Mittel<br />
eingesetzt? Hier bilden (Kognitions-)Psychologie,<br />
Anthropologie und Theaterpraxis<br />
die jeweiligen Ausgangspunkte. Das<br />
alles führt Maria schließlich am praktischen<br />
Beispiel von Buster Keaton zusam-<br />
men. Denn dieser auch als ›Stoneface‹<br />
bekanntgewordene Komiker der Stummfilmära<br />
betont, wie auch seine zeitgenös-<br />
sischen Kollegen, die visuelle Komik. So<br />
legt er zum Beispiel wiederholt Stürze hin,<br />
ganz in der Manier des Slapstick, die ge-<br />
rade aufgrund der fehlenden Mimik durch<br />
seinen stoischen Gesichtsausdruck zur<br />
Wirkung kommen.<br />
Der Wandel des<br />
Totenkults in der frühen<br />
Neuzeit<br />
<strong>anton</strong> sind: Juliane Scholz und<br />
Frank Henschel<br />
Kunsthistoriker Moritz Lampe über schwie-<br />
rige Archivarbeiten und seine Forschungs-<br />
ergebnisse zum Epitaph des Heinrich Hei-<br />
deck aus der Leipziger Paulinerkirche.<br />
An einem sonnigen Julinachmittag vis-avis<br />
mit dem geisteswissenschaftlichen<br />
Zentrum gilt es, Moritz Lampe zu den For-<br />
schungsergebnissen seiner Magisterarbeit<br />
zum Epitaph des Heinrich Heideck<br />
(1570 – 1603) zu befragen. Epitaphe sind<br />
eine besondere Form des christlichen<br />
Grabdenkmals: Zum einen waren sie seit<br />
dem 14. Jahrhundert ein wesentliches Ele-<br />
ment der Gedächtniskultur, denn sie sol-<br />
lten die Zeit der Buße im Fegefeuer für den<br />
Verstorbenen verkürzen. Zum anderen<br />
symbolisierten sie die Hoffnung auf Auf-<br />
erstehung und dienten der sozialen Selbst-<br />
darstellung. Meist kamen nur angesehene<br />
Bürger und Adlige in den Genuss ein solches<br />
Epitaph gestiftet zu bekommen. Moritz<br />
Lampe hat dies beispielhaft am Epi-<br />
taph für Heinrich Heideck aus der ehemali-<br />
gen Universitätskirche St. Pauli nachvollzogen<br />
und konnte letztendlich auch die umstrittene<br />
Frage nach dem ausführenden<br />
Künstler klären. Lampe reichte die Arbeit<br />
vor ihrer Publikation bei Prof. Dr. Frank<br />
Zöllner (Kunstgeschichte) und PD Dr. Rudolf<br />
Hiller von Gaertringen (Kustodie Universität<br />
Leipzig) ein.<br />
<strong>anton</strong>: Moritz, Deine Magisterarbeit<br />
zum Epitaph des Heinrich Heideck<br />
wurde vor einigen Monaten im Leipziger<br />
Plöttner Verlag publiziert. Zu<br />
deiner Buchpräsentation im Cafe<br />
Pilot sprach unter anderem Michael<br />
Faber, der neue Kulturbürgermeister<br />
von Leipzig. Das ist ganz schön viel<br />
Prominenz für eine Magisterarbeit.<br />
Wie schafft man den Sprung in die<br />
Buchwelt?<br />
Als ich mit der Magisterarbeit angefangen<br />
habe, hätte ich auch nicht im Traum gedacht,<br />
dass sie mal als Buch erscheint. Es<br />
ist ja auch nicht gerade ein Thema für die<br />
Massen. Der Erfolg kam dann dadurch,<br />
glaube ich, dass zum einen die Epitaphe<br />
der Universitätskirche im letzten Jahrhun-<br />
dert kaum wissenschaftlich bearbeitet<br />
wurden. In der ersten Hälfte des 20. Jahr-<br />
hunderts hatte sich niemand dafür interessiert<br />
und nach der Sprengung der Kirche<br />
durch die DDR-Regierung 1968 war<br />
die Beschäftigung mit den Kunstschätzen<br />
der Kirche ohnehin ein Tabu. Die geretteten<br />
Werke lagen versteckt in irgendwelchen<br />
Depots und erst nach der Wende be-<br />
gann man, den Bestand zu inventarisieren.<br />
Es wusste ja niemand mehr genau, was<br />
überhaupt noch vorhanden war. Meine Ar-<br />
beit war dann die erste, die sich so ausführlich<br />
mit einem der Werke aus der Pau-<br />
luskirche beschäftigt hat. Das hat, denke<br />
ich, auch eine Rolle bei der Veröffentlichung<br />
gespielt.<br />
<strong>anton</strong>: Hat das 600-jährige Jubiläum<br />
der Universität auch das Interesse an<br />
deiner Arbeit gesteigert?<br />
Das war auf jeden Fall der zweite wichtige<br />
Aspekt. Die Erforschung der protestanti-<br />
schen Memorialkultur ist insgesamt in die-<br />
sem Bereich noch sehr jung. Das Jubiläum<br />
hat daher nicht nur zusätzliches Interesse<br />
an der Kunst aus der Universitätskirche<br />
geschaffen, sondern es konnten so<br />
auch Geldmittel für den Druck gewonnen<br />
werden, die es in einem anderen Zusammenhang<br />
vielleicht nicht gegeben hätte.<br />
Die zweite Hälfte der Druckkosten wurde<br />
dann von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz<br />
beigesteuert, die schon zuvor<br />
die Restaurierung des Epitaphs finanziert<br />
hatte. Der größte Teil des Geldes aus dem<br />
Verkauf des Buches fließt auch direkt an<br />
das Institut für Kunstgeschichte zurück,<br />
um damit weitere Forschungsprojekte zu<br />
unterstützen.<br />
<strong>anton</strong>: Du hast selbst gesagt, dass<br />
ein Epitaph nicht gerade ein Thema für<br />
die Massen ist. Wie bist Du darauf<br />
gekommen?<br />
Es musste ja Grundlegendes geklärt wer-<br />
den: Wer war der Stifter des Epitaphs, wel-<br />
che Aussage hatte das Bildprogramm, wer<br />
hat das Kunstwerk vor über 400 Jahren<br />
geschaffen? Das fand ich spannend und<br />
habe das dann ja auch in meiner Magisterarbeit<br />
gemacht. Dazu kommt: Das Hei-<br />
deck-Epitaph ist ein besonders schönes<br />
Grabmal mit drei eindrucksvollen Relief-<br />
bildern. Es ist das größte erhaltene Werk<br />
aus der Paulinerkirche und es war das ers-<br />
te, das restauriert wurde.<br />
<strong>anton</strong>: Wie hast Du recherchiert?<br />
Der Anfang war nicht ganz leicht: Zu den<br />
Epitaphen aus der Universitätskirche gab<br />
es bisher kaum Arbeiten. Ich habe einige<br />
einleitende Aufsätze zur Grab- und Erinnerungskultur<br />
der frühen Neuzeit gelesen<br />
und habe Quellen und Vergleichsmöglich-<br />
keiten recherchiert. Das Epitaph selbst habe<br />
ich natürlich auch in Augenschein ge-<br />
nommen. Ich habe viele Photos gemacht,<br />
um die Details auch zu Hause untersuchen<br />
zu können, die Reliefs, die Perspektiven<br />
und die Modellierungen. Für den sozialge-<br />
schichtlichen Kontext war dann das Archiv<br />
der Universität Leipzig sehr wichtig, in dem<br />
sich viele Akten zu den Bestattungen des<br />
17. Jahrhunderts überliefert haben. Aber<br />
auch das Archiv des Naumburger Doms.<br />
Es war also viel Schreib- und Bibliotheksarbeit<br />
mit gelegentlichen Ausflügen zu den<br />
Kirchen in der Umgebung Leipzigs.<br />
<strong>anton</strong>: Wie würdest die Bedeutung<br />
des Epitaphs des Heinrich Heideck innerhalb<br />
der sächsischen oder gar der<br />
europäischen Bildhauerei der Früh-<br />
neuzeit einschätzen?<br />
Die Leipziger Bildhauerkunst der Spätrenaissance<br />
ist bisher kaum erforscht worden.<br />
Daher kann man zur Bedeutung des<br />
Epitaphs für die Region nur allgemein sagen,<br />
dass es zu einem der aufwendigsten<br />
und originellsten Epitaphe zählt. Aller-<br />
dings konnte ich zeigen, dass es von dem<br />
Leipziger Bildhauer Valentin Silbermann<br />
angefertigt wurde, der um 1600 sehr bedeutend<br />
gewesen sein muss. Zuvor wurde<br />
spekuliert, dass es ein niederländischer<br />
oder italienischer Bildhauer war, der es<br />
hier vor Ort schuf, da die Qualität so einzig-<br />
artig ist. Das liegt aber auch daran, dass<br />
viele Epitaphe über die Jahrhunderte zer-<br />
stört worden sind und sich somit kaum Ver-<br />
gleichsmöglichkeiten bieten. Es müsste<br />
also noch weiter Grundlagenforschung be-<br />
trieben werden.<br />
<strong>anton</strong>: Wie sah denn der kunst- und<br />
sozialhistorische Kontext aus,<br />
den du rekonstruiert hast?<br />
Den Wandel der Bedeutung der Epitaphe<br />
konnte ich zum Beispiel in Schriften Luthers<br />
und Aufsätzen zu diesem Thema gut<br />
nachzuvollziehen. Luther favorisierte eine<br />
Bestattung vor den Toren der Stadt. Das<br />
war in Leipzig seit 1545 der damals noch<br />
außerhalb der Stadtmauern liegende Johannisfriedhof,<br />
dort, wo heute das Grassi-<br />
museum steht. Nachdem der Stadtrat die-<br />
se Form der Bestattung vorschrieb, kon-<br />
nten sich nur noch reiche Bürger und Universitätsangehörige<br />
eine Zeremonie und<br />
Bestattung innerhalb der Stadt leisten.<br />
Heideck selbst war Jurist, im 17. Jahrhun-<br />
derts ein typischer Aufsteigerberuf, der<br />
es Bürgern erlaubte einen dem Adel vergleichbaren<br />
sozialen Status zu erlangen.<br />
Daher konnte er sich sogar im Chor in der<br />
24 25<br />
Studentenfutter<br />
Heideck-Epitaph<br />
in der Universitätskirche,<br />
um 1955<br />
Heideck-Epitaph<br />
(nach der Restaurierung),<br />
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