fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV
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Nicht nur Bau-, Maschinenbau- und<br />
Elektroingenieure erlangten den Grad<br />
eines Dipl.-Ing. Auch Forstwissenschaftler,<br />
Geodäten, Chemiker und<br />
Mathematiker wurden an Technischen<br />
Hochschulen als Diplomingenieure graduiert<br />
und zu Doktoringenieuren promoviert.<br />
Diese Regelung wurde bis in<br />
die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg<br />
eingehalten. Als Beleg nenne ich drei<br />
bedeutende sächsische <strong>Wissenschaft</strong>ler.<br />
Dem Geodäten Reinhard Hugershoff<br />
(1882–1941) wurden 1906 und 1907 die<br />
Grade Dipl.-Ing. und Dr.-Ing. an <strong>der</strong> TH<br />
Dresden verliehen, <strong>der</strong> Chemiker Kurt<br />
Schwabe (1905–1983) erhielt sie 1927<br />
und 1928, und <strong>der</strong> angewandte Mathematiker<br />
N. Joachim Lehmann<br />
(1921–1998) schließlich 1946 und<br />
1949. Bald nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende<br />
entließen auch die neu gegründeten<br />
Handels-Hochschulen in Leipzig,<br />
Aachen, Köln, Frankfurt und Berlin ihre<br />
erfolgreichen Absolventen einer wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Aus bildung<br />
mit dem Diplomgrad. 1905 wurde in<br />
Köln auf Initiative von Eugen Schmalenbach<br />
(1873–1955) ein „Verband <strong>der</strong><br />
Inhaber Deutscher Handels-Hochschuldiplome“<br />
gegründet. So gesellten sich<br />
in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg<br />
die Diplomvolkswirte und die Diplomkaufleute<br />
zu den Diplomingenieuren.<br />
Nach dem ersten Weltkrieg wurden weitere<br />
Diplomstudiengänge eingerichtet.<br />
Seit 1924 verlieh die Sächsische TH<br />
auch den Grad Diplomvolkswirt. Später<br />
kam <strong>der</strong> Diplompsychologe hinzu ...<br />
Die Diplomstudiengänge waren – im<br />
Unterschied zur Ausbildung an höheren<br />
deutschen Fachschulen – in <strong>der</strong> Regel<br />
zweistufig ausgelegt. In <strong>der</strong> hochschulinternen<br />
Kommunikation wurde <strong>der</strong><br />
Studienfortschritt in Anlehnung an den<br />
Brauch in den drei klassischen oberen<br />
Fakultäten durch die studentischen<br />
Grade „stud.“ (für „studiosus“) und<br />
„cand.“ (für „candidatus“) sichtbar<br />
gemacht. Ebenso wie angehende Mediziner<br />
bis zum Physikum als „stud.<br />
med.“ und nach dem Physikum als<br />
„cand.med.“ firmierten, bezeichneten<br />
sich angehende Diplom-Ingenieure bis<br />
zum Vordiplom als „stud.ing.“ und nach<br />
bestandener Vorprüfung als „cand.ing.“.<br />
Im III. Deutschen Reich hielt die NS-<br />
Führung bekanntlich nicht viel von bildungsbürgerlicher<br />
Gelehrtheit und<br />
humanistischer Bildung. Die humanistischen<br />
Gymnasien wurden zugunsten<br />
<strong>der</strong> Realschulen reduziert, die Studentenzahlen<br />
an wissenschaftlichen Hoch-<br />
10<br />
schulen zugunsten <strong>der</strong> Schülerzahlen an<br />
höheren deutschen Fachschulen verringert.<br />
Allenthalben wurden an den wissenschaftlichen<br />
Hochschulen, die ab<br />
1933 nach dem Führerprinzip organisiert<br />
waren, „reichseinheitliche“ Regelungen<br />
durch gesetzt. Die Absolventen<br />
<strong>der</strong> Ingenieurschulen erhielten einheit -<br />
liche Ingenieurzeugnisse. Diese beurkundeten,<br />
daß die Abschlußprüfung vor<br />
einem staatlichen Prüfungsausschuß<br />
abgelegt und damit „die Befähigung als<br />
Ingenieur <strong>der</strong> Fachrichtung ... nachgewiesen“<br />
worden sei. Um Mitglied im<br />
Verein deutscher Ingenieure (VDI) zu<br />
werden, genügte ein solches Abschlußzeugnis<br />
jedoch nicht.<br />
Der VDI nahm nur Personen nach längerer<br />
erfolgreicher praktischer Ingenieurtätigkeit<br />
als Mitglie<strong>der</strong> auf.<br />
Diplomingenieure hatten eine mindestens<br />
zweijährige, Fachschulingenieure<br />
eine mindestens fünfjährige und Autodidakten<br />
eine mindestens zehnjährige<br />
Tätigkeit als Ingenieur nachzuweisen.<br />
Auf Visitenkarten und in den Kopfzeilen<br />
ihrer Fachpublikationen fügten<br />
diese praxiserprobten Ingenieure dann<br />
selbstbewußt das Zertifikatskürzel<br />
„VDI“ ihrem Namen bei, ließen also<br />
zum Beispiel „Max Müller, VDI“ drukken.<br />
Zu Recht hatten sie keine Min<strong>der</strong>wertigkeitsgefühle<br />
gegenüber akademisch<br />
Gebildeten. Für die wissenschaftlichen<br />
Hochschulen erließ das<br />
Reichserziehungsministerium „reichseinheitliche“<br />
Promotionsordnungen und<br />
Habilitationsordnungen sowie reichseinheitliche<br />
Prüfungsordnungen für das<br />
Lehramt. Der „habilitierte Doktor“<br />
(doctor habilitatus) wurde als neuer<br />
akademischer Grad eingeführt, z. B.<br />
Doctor medicinae habilitatus, abgekürzt,<br />
Dr. med. habil. Die „Abteilungen“<br />
<strong>der</strong> Tech nischen Hochschulen<br />
wurden 1941 zu „Fakultäten“, um die<br />
Ranggleichheit zu den Universitäten<br />
sichtbarer zu machen. Technische<br />
Hochschulen durften auch an<strong>der</strong>e Doktorgrade<br />
als den Dr.-Ing. vergeben. So<br />
konnte man an <strong>der</strong> TH Dresden zum Dr.<br />
rer. pol., zum Dr. rer. nat. und zum Dr.<br />
phil. promovieren. Eine Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Diplomgrade wurde erwogen. 1942<br />
schlug das Reichserziehungsministerium<br />
vor, den „Diplom-Physiker“<br />
zunächst für die stärker theoretisch ausgerichtete<br />
Physikerausbildung an den<br />
Universitäten zu erproben. Gegen Ende<br />
des Krieges verliehen deutsche Universitäten<br />
auch den Grad Diplom-Mathematiker<br />
(z. B. die Universität Leipzig<br />
am 21. Febr. 1944 an Frau Eleonore<br />
Trefftz, geb. 1920, die ein reichliches<br />
Jahr später (am 5. Okt. 1945!) an <strong>der</strong> TH<br />
Dresden zum Dr. rer. nat. promoviert<br />
wurde).<br />
<strong>Wissenschaft</strong>liche Hochschulen<br />
im geteilten Deutschland<br />
Die Entwicklungen in <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esrepublik<br />
Deutschland sollen hier nicht referiert<br />
werden, weil sie den meisten Lesern<br />
vermutlich recht gut bekannt sind. Erinnert<br />
sei hier nur an die Metamorphosen<br />
des Dipl.-Ing. und die Wie<strong>der</strong>auferstehung<br />
des „Magister artium“. Seit Beginn<br />
des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts war <strong>der</strong> Titel<br />
„Diplom-Ingenieur“ geschützt. „Ingenieur“<br />
aber durfte sich ungestraft je<strong>der</strong><br />
nennen, <strong>der</strong> von sich meinte, eine Ingenieurtätigkeit<br />
ausüben zu können. Die<br />
seit <strong>der</strong> Weimarer Republik währenden<br />
berufsständischen Bestrebungen zum<br />
Schutz des „Ingenieurs“ mündeten 1965<br />
in einem bundeseinheitlichen „Gesetz<br />
zum Schutze <strong>der</strong> Berufsbezeichnung<br />
Ingenieur“. Aufgrund <strong>der</strong> Kulturhoheit<br />
<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> mußte es jedoch zurückgezogen<br />
werden. Seit 1971 wurde <strong>der</strong><br />
geschützte Titel „Ing. (grad.)“ (sprich<br />
„graduierter Ingenieur“) den Absolventen<br />
<strong>der</strong> Höheren Fachschulen (Ingenieurschulen)<br />
als „staatliche Bezeichnung“<br />
zuerkannt und auf den nachfolgenden<br />
Fachhochschulen als „akademischer<br />
Grad“ verliehen. Dieser wurde in den<br />
1980er Jahren abgelöst durch den Grad<br />
„Dipl.-Ing. (FH)“.<br />
In den 1950er Jahren gab es diverse<br />
wissenschaftliche Studiengänge – z. B.<br />
für Sprach- und Kulturwissenschaftler,<br />
Sozialwissenschaftler, Kunstwissenschaftler<br />
–, die nicht mit einem Diplomgrad<br />
abgeschlossen wurden und die auch nicht<br />
auf eine Tätigkeit mit einer ge schützten<br />
Berufsbezeichnung (wie Gymnasiallehrer,<br />
Arzt, Rechtsanwalt, Pfarrer) zielten.<br />
Für die Absolventen solcher Studiengänge,<br />
die häufig ohne Promotion ins<br />
Erwerbsleben einstiegen, wurde – einer<br />
Empfehlung <strong>der</strong> Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) von 1957 folgend – zwischen<br />
1960 und 1970 <strong>der</strong> akademische<br />
Grad „Magister Artium (M.A.)“ eingeführt.<br />
Das Magisterstudium be stand üblicherweise<br />
aus einem Haupt- und zwei<br />
Nebenfächern o<strong>der</strong> aus zwei Hauptfächern.<br />
Der Magistergrad wird hinter dem<br />
Namen geführt, zum Beispiel als „Philipp<br />
Meier, M.A.“ wie in den USA und nicht<br />
wie einst bei „M. Philippus Melanchthon“.<br />
Nach schweren Anfangsjahren in <strong>der</strong><br />
<strong>fdw</strong> 2/<strong>2009</strong>