11.12.2012 Aufrufe

fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Rechtsanwalt durch die Landesjustizverwaltung,<br />

Priesterweihe o<strong>der</strong> Ordination<br />

bei Pfarrern). Die oben erwähnten<br />

Doktoren Friedrich-Adolph Willers und<br />

Karl Jordan haben ihr Staatsexamen für<br />

das höhere Lehramt ein Jahr nach ihrer<br />

Promotion abgelegt. Sie waren<br />

anschließend längere Zeit als Gymnasiallehrer<br />

tätig. Willers hat sogar 20 Jahre<br />

lang als Gymnasiallehrer segensreich<br />

ge wirkt, hat in diesen Jahren wesentliche<br />

Forschungsbeiträge zur angewandten<br />

Mathe matik geliefert und sich als<br />

Externer 1923 an <strong>der</strong> TH Berlin-Charlottenburg<br />

habilitiert, um schließlich<br />

1928 als ordentlicher Professor nach<br />

Sachsen berufen zu werden.<br />

Mit dem Doktorgrad war auch keine<br />

universitäre Lehrbefugnis mehr verbunden<br />

wie zu Luthers Zeiten. Der Nachweis,<br />

daß ein promovierter <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

sein Fach in voller Breite<br />

in Forschung und Lehre an einer Fakultät<br />

vertreten kann, mußte an den deutschen<br />

Universitäten des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

durch eine Habilitation erbracht<br />

werden, ge mäß den Bestimmungen <strong>der</strong><br />

Habilita tionsordnung <strong>der</strong> betreffenden<br />

Fakultät. Die Bezeichnung Habilitation<br />

leitet sich aus dem lateinischen Adjektiv<br />

„habilis, e“ (= geeignet, tauglich, befähigt)<br />

ab. Gemäß Habilitationsordnung<br />

<strong>der</strong> Fakultät hatte <strong>der</strong> Bewerber eine<br />

Habilita tionsschrift einzureichen, diese<br />

nach <strong>der</strong> positiven Bewertung durch<br />

bestellte Gutachter öffentlich zu verteidigen<br />

und eine Lehrprobe in Form einer<br />

Probe vorlesung zu bestehen. Noten<br />

wurden im Gegensatz zu Promotionen<br />

nicht vergeben. Mit <strong>der</strong> ordnungsgemäß<br />

ab geschlossenen Habilitation erhielt <strong>der</strong><br />

angehende Universitätslehrer die „venia<br />

legendi“ (= Erlaubnis zu lesen). Sie war<br />

mit dem Titel Privatdozent (privatim<br />

docens) verbunden, also privat Lehren<strong>der</strong>,<br />

<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Fakultät Kollegien lesen<br />

darf, ohne als öffentlicher Lehrer angestellt<br />

und besoldet zu sein. Die für ein<br />

bestimmtes Fach (Anatomie, Botanik,<br />

klassische Philologie, Archäologie etc.)<br />

in Forschung und Lehre zuständigen<br />

ordentlichen Professoren (professores<br />

publici ordinarii) berief <strong>der</strong> Landesherr<br />

auf einen Lehrstuhl. Hinzu kamen die<br />

Professoren ohne Lehrstuhl (professores<br />

publici extraordinarii), das waren<br />

Privatdozenten, <strong>der</strong>en Status durch den<br />

verliehenen Titel und eine staatliche<br />

Besoldung aufgewertet worden war,<br />

und die Honorarprofessoren (professores<br />

honorarii). Beispielsweise waren die<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Berliner Akademie <strong>der</strong><br />

8<br />

<strong>Wissenschaft</strong>en „geborene“ Honorarprofessoren<br />

an <strong>der</strong> Berliner Universität.<br />

In Preußen hatten die ordentlichen Professoren<br />

den Rang <strong>der</strong> Räte vierter<br />

Klasse (ebenso wie Regierungs- und,<br />

Oberlandesgerichtsräte sowie Gymnasialdirektoren),<br />

alle übrigen Professoren<br />

den Rang <strong>der</strong> Räte fünfter Klasse (ebenso<br />

wie Amtsrichter, Oberförster, Gymnasiallehrer<br />

u. a.) Mit <strong>der</strong> Differen -<br />

zierung <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>en und <strong>der</strong><br />

Etablierung neuer <strong>Wissenschaft</strong>sdisziplinen<br />

(Geschichtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften,<br />

Soziologie, ...)<br />

wurde die Abgrenzung <strong>der</strong> philosophischen<br />

Fakultät zu neh mend in Frage<br />

gestellt. In Tübingen differenzierte man<br />

gegen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zwischen<br />

einer philosophisch-historischen,<br />

einer mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

und einer staatswissenschaftlichen<br />

Fakultät (Nationalökonomie, Statistik,<br />

Finanzwissenschaft). Nach dem ersten<br />

Weltkrieg verzweigten sich die philosophischen<br />

Fakultäten im mer häufiger in<br />

fachlich engere Fakultätsgebilde, und<br />

aus dem Dr. phil. erwuchs eine Vielfalt<br />

speziellerer Doktorgrade: Dr. rer. nat.,<br />

Dr. rer. oec, Dr. rer. pol., Dr. paed.<br />

An wissenschaftlichen Hochschulen<br />

blieb die Habilitation in Deutschland<br />

bis zum Ende des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts die<br />

Regelvoraussetzung für die Berufung<br />

zum Professor, wobei die Berufungskommissionen<br />

für eine ausgeschriebene<br />

Professorenstelle auch „habilitationsäquivalente<br />

wissenschaftliche Leistungen“<br />

de iure als Qualifikation zuerkennen<br />

durften.<br />

Das Diplom<br />

Bisher wurde das „Diplom“ als akademischer<br />

Grad nicht erwähnt. Das Wort<br />

kommt aus dem Griechischen („diploma“<br />

= „zweifach Gefaltetes“). In <strong>der</strong><br />

römischen Kaiserzeit bedeutete „diploma,<br />

diplomatis n.“ eine vom höchsten<br />

Magistrat ausgefertigte Urkunde mit<br />

Siegel und Unterschrift. In den Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

des Mittelalters wurde das Wort<br />

nicht mehr gebraucht. Erst am Ende<br />

des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts führte es <strong>der</strong> französische<br />

Gelehrte Jean Mabillon<br />

(1632–1707), <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Urkundenlehre, durch<br />

sein Werk „De re diplomatica“ in den<br />

wissenschaftlichen Sprachgebrauch ein.<br />

Im engeren Sinne bezeichnete man seither<br />

in Deutschland Urkunden über die<br />

Erteilung des adeligen Standes, über die<br />

Aufnahme in wissenschaftliche Gesellschaften,<br />

über eine abgelegte Prüfung<br />

bei <strong>der</strong> Handwerkskammer und an<strong>der</strong>es<br />

als Diplome. Im Hochschulbereich spielte<br />

das Wort „Diplom“ seit dem letzten<br />

Drittel des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts eine immer<br />

gewichtigere Rolle, zunächst an den<br />

Lehranstalten für qualifizierte technische<br />

Berufe. Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entfaltung<br />

<strong>der</strong> Ingenieurkunst und dem Aufkommen<br />

neuer industrieller Technologien<br />

entwickelten sich die technischen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>en als damals neue <strong>Wissenschaft</strong>sdisziplin.<br />

In Deutschland gelang<br />

es lei<strong>der</strong> nicht, sie in die Universitäten zu<br />

integrieren. Die zweite Hälfte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts war von vielen technischen<br />

Neuerungen geprägt. Die neu entstehenden<br />

Industriebetriebe benötigten viele<br />

gut ausgebildete Techniker und Ingenieure.<br />

Der „Verein Deutscher Ingenieure“<br />

(VDI) wurde 1856 in Alexisbad gegründet<br />

und bis 1890 von Franz Grashof<br />

(1826– 1893) geführt, <strong>der</strong> sich mit großer<br />

Sachkenntnis und Energie den Problemen<br />

des technischen Schulwesens widmete.<br />

Die verschiedenen Ingenieurfächer,<br />

zuzüglich technischer Chemie und<br />

Physik, wurden an technischen Bildungsanstalten<br />

gelehrt und gepflegt. Unter<br />

maßgeblicher För<strong>der</strong>ung durch Handwerkskammern<br />

und mittelständische Un -<br />

ternehmer entstanden zahlreiche technische<br />

Lehranstalten mit sehr unterschiedlichem<br />

Profil. Aus einigen von ihnen<br />

ging gegen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts in<br />

Deutschland ein neuer Typ von wissenschaftlichen<br />

Hochschulen, die Technischen<br />

Hochschulen, hervor.<br />

Der VDI befürwortete eine zweigleisige<br />

Ingenieurausbildung: Einerseits für das<br />

Gros <strong>der</strong> Ingenieure, einschließlich <strong>der</strong><br />

gehobenen und mittleren Führungspositionen,<br />

eine nichtakademische Ingenieurausbildung<br />

auf <strong>der</strong> Basis berufspraktischer<br />

Kenntnisse an höheren Fachschulen,<br />

an<strong>der</strong>erseits eine akademische<br />

Ingenieurausbildung für einen kleinen<br />

Teil als Vorbereitung für die höhere<br />

Staatslaufbahn, für Forschungsinstitute<br />

und für die obersten Leitungsfunktionen<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

Als ein Beispiel für die Entwicklung zu<br />

einer akademischen Ausbildungsstätte<br />

wollen wir hier die Sächsische Technische<br />

Hochschule in Dresden betrachten.<br />

Aus den bescheidenen Anfängen <strong>der</strong><br />

1828 gegründeten Technischen Bildungsanstalt<br />

gingen 1851 die Königlich<br />

Sächsische Polytechnische Schule und<br />

1871 das Königlich. Sächsische Polytechnikum<br />

hervor. Dieses wurde 1890<br />

zur Königlich Sächsischen Technischen<br />

Hochschule erhoben. 6<br />

<strong>fdw</strong> 2/<strong>2009</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!