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fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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Bremen<br />

Abkehr vom längeren gemeinsamen Lernen?<br />

Künftig stehen nach <strong>der</strong> vierjährigen Grundschule nur noch zwei Schultypen zur Auswahl:<br />

Oberschule und Gymnasium.<br />

Bericht über die aktuelle Schulpolitik in Bremen<br />

Eine komplizierte Gemenge- und Stimmungslage<br />

Das an bildungspolitischer Experimentierfreudigkeit wahrlich nicht unterentwickelte kleinste <strong>Bund</strong>esland ist um eine<br />

weitere Variante reicher, mit <strong>der</strong> Bremen wie<strong>der</strong> einmal als Vorreiter in dem Wettlauf um Prioritätenruhm den an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n vorauszueilen hofft.<br />

Am 23. April <strong>2009</strong> titeln die „Bremer<br />

Nachrichten“: „Neues Schulgesetz für<br />

Bremen", und die zweite, in Bremen<br />

ebenfalls führende Tageszeitung „Weser-<br />

Kurier“ geht in ein wesentliches Detail<br />

mit <strong>der</strong> Überschrift „Bremen löst För<strong>der</strong>zentren<br />

auf.“ Dazu heißt es dort:<br />

„Neues Gesetz: Künftig stehen nur noch<br />

zwei Schultypen zur Auswahl.“<br />

Der Gesetzesentwurf stellt geradezu<br />

einen Tabubruch dar. Seit <strong>der</strong> letzten<br />

Wahl zur Bürgerschaft, dem Landtag,<br />

2007, regiert in Bremen eine rot-grüne<br />

Koalition, die die „Große Koalition“<br />

abgelöst hat. Nach dem undogmatisch<br />

auftretenden Willi Lemke ist für das<br />

Schulressort Renate Jürgens-Pieper<br />

(ebenfalls SPD), vormals Lehrerin in<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen, zuständig. Ihr Mut ist zu<br />

bewun<strong>der</strong>n. Dieser Entwurf für ein<br />

neues Schulgesetz, als „Zwei-Säulen-<br />

Modell“ bezeichnet, wurde kürzlich in<br />

<strong>der</strong> Bildungsdeputation (Landtagsausschuß)<br />

mit den Stimmen von SPD,<br />

CDU (unter Vorbehalt), FDP und Grünen,<br />

nicht <strong>der</strong> Linken, verabschiedet;<br />

mit ihm wird Bremen bundesweit zum<br />

Vorreiter für ein Schulsystem, das radikal<br />

mit Bisherigem bricht. Der Gesetzesentwurf<br />

gilt sogar als überparteilicher<br />

Kompromiß, <strong>der</strong> zudem selbst bei<br />

wechselnden politischen Mehrheitsverhältnissen<br />

zehn Jahre halten, also mögliche<br />

Regierungswechsel überdauern<br />

sollte.<br />

Nach <strong>der</strong> Zustimmung durch die Bildungsdeputation<br />

hat im <strong>Juni</strong> die parlamentarische<br />

Beratung begonnen, die<br />

voraussichtlich nur noch zu geringfügigen<br />

Än<strong>der</strong>ungen des jetzt vorliegenden<br />

Gesetzestextes führen könnte. Mit <strong>der</strong><br />

Einrichtung dieses Modells reagiert die<br />

Bildungspolitik auf die bundesweite<br />

Straffung <strong>der</strong> Schulzeit, die das Abitur<br />

nach 8 Jahren ermöglichen soll, neben<br />

16<br />

<strong>der</strong> Option für die bisherigen 9 Jahre,<br />

wobei Abgänge vorher, mit entsprechenden<br />

Abschlüssen, vorgesehen sind.<br />

Der Gesetzesentwurf sieht nur noch<br />

zwei „gleichwertige Säulen“ vor, nämlich<br />

Gymnasium und Oberschule, beide<br />

durchgängig. Das Gymnasium soll in<br />

8 Jahren zum Abitur führen („Turbo-<br />

Abitur“), die Oberschule diejenigen, die<br />

bis zur letzten Klasse darin verbleiben,<br />

in 9 Jahren. Im Gespräch sind auch se -<br />

parate Klassen, in denen in <strong>der</strong> Oberschule<br />

Schüler unterrichtet werden, die<br />

nicht das Abitur anstreben. Zu den<br />

Beson<strong>der</strong>heiten des Modells gehört ferner,<br />

daß behin<strong>der</strong>te und nichtbehin<strong>der</strong>te<br />

Schüler (mit wenigen genau festgelegten<br />

Ausnahmen) gemeinsam unterrichtet<br />

werden sollen.<br />

Die Einführung <strong>der</strong> Regelungen nach<br />

dem Gesetzentwurf macht eine Reihe<br />

von Än<strong>der</strong>ungen gegenüber dem Ge -<br />

wohnten notwendig. Das in Bremen<br />

Jahrzehnte lang verbindliche Stufenschulsystem<br />

hat damit ausgedient, im<br />

Rahmen des bisherigen Systems bestehende<br />

Schulformen und Einrichtungen<br />

sollen abgeschafft o<strong>der</strong> zumindest so<br />

modifiziert werden, daß sie mit dem<br />

„Zwei-Säulen-Modell“ konform gehen.<br />

Eine Reihe von Än<strong>der</strong>ungen<br />

Die Sekundarschulen, in denen bisher<br />

Haupt- und Realschulen aufgegangen<br />

waren, erst im Zuge <strong>der</strong> letzten Bildungsreform<br />

kreiert, aber wegen <strong>der</strong><br />

Kürze <strong>der</strong> Erprobungszeit von keinem<br />

Schüler bisher vollständig durchlaufen,<br />

zuletzt von immer weniger Schülern<br />

angewählt und kurz vor dem Eingehen,<br />

sollen verschwinden. Die wenigen<br />

sechsjährigen Grundschulen, ebenfalls<br />

Resultat <strong>der</strong> letzten Bildungsreform,<br />

sollen – von Ausnahmen abgesehen –<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit angehören und durch<br />

vierjährige Grundschulen ersetzt werden.<br />

Die Schulzentren, von Bildungspolitikern<br />

in Bremen als das Aushängeschild<br />

hiesiger Bildungspolitik gepriesen<br />

und dem Konzept <strong>der</strong> Gesamtschule<br />

verpflichtet, werden unter dem neuen<br />

Etikett „Oberschule“ um gymnasiale<br />

Oberstufen erweitert und sollen<br />

gemeinsamen Unterricht für Hauptschüler,<br />

Realschüler und Gymnasiasten<br />

organisieren, also die Berufsbildungsreife,<br />

den mittleren Abschluß und das<br />

Abitur ermöglichen. Oberstufenzentren<br />

– eigenständige, auf das Konzept <strong>der</strong><br />

Stufenschule hin ausgerichtete Einrichtungen<br />

– fallen gleichfalls dem „Zwei-<br />

Säulen-Modell“ zum Opfer und sollen<br />

in einer <strong>der</strong> beiden Säulen aufgehen;<br />

Oberstufenzentren führten bislang Schüler<br />

<strong>der</strong> Klassen 11 bis 13, mit unterschiedlichen<br />

Profilen, aus benachbarten<br />

Stadtbezirken zusammen, nachdem sie<br />

dort nur bis zur 10. Klasse unterrichtet<br />

worden waren. Zukünftig sollen alle<br />

Oberschulen zum Abitur führen, entwe<strong>der</strong><br />

mit einer eigenen Oberstufe o<strong>der</strong> im<br />

Verbund mit an<strong>der</strong>en Oberschulen.<br />

Aufgelöst werden auch bisher bestehende<br />

„För<strong>der</strong>zentren“ (ganz früher Son<strong>der</strong>schulen<br />

genannt), mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

Schulen für Behin<strong>der</strong>te (Schulen für<br />

Gehörlose, für Blinde und für Mehrfachbehin<strong>der</strong>te);<br />

geistig behin<strong>der</strong>te, kriminelle,<br />

gewalttätige und stark verhaltensauffällige<br />

Schüler sollen in „regionalen<br />

Unterstützungszentren“ nur noch<br />

zeitweilig untergebracht werden, wie<br />

jetzt bereits in Hamburg, und zwar bis<br />

zu einem halben Jahr. Die „Inklusion“,<br />

also die gemeinsame Unterrichtung von<br />

Kin<strong>der</strong>n mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung,<br />

entspricht einer For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vereinten<br />

Nationen aus dem Jahr 1994. Den<br />

Schulen solle allerdings mit <strong>der</strong>en Einführung<br />

Zeit gelassen werden, um Lehr-<br />

<strong>fdw</strong> 2/<strong>2009</strong>

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