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fdw Nr. 2 Juni 2009 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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über Erfahrungen aus <strong>der</strong> widrigen Praxis<br />

beson<strong>der</strong>s Resistenten im Gesetzesentwurf,<br />

an<strong>der</strong>en geht er darin allerdings<br />

immer noch zu weit. Auf Kritik<br />

(z. B. des Personalrats Schulen) stößt<br />

„Leistungsdruck in Grundschulen“, <strong>der</strong><br />

im Gesetzesentwurf erkennbar sei. Um<br />

ihn zu entschärfen, war in den 1970er<br />

Jahren die für alle Schüler verbindliche<br />

Orientierungsstufe (Klassen 5 und 6)<br />

ein geführt worden. Manche finden da -<br />

her jetzt die Errungenschaften <strong>der</strong> Orientierungsstufe<br />

im Entwurf nicht wie<strong>der</strong>,<br />

an<strong>der</strong>e befürchten eine Rückkehr<br />

zur Orientierungsstufe mit ihrer Unterfor<strong>der</strong>ung<br />

für früh als leistungsfähig<br />

erkennbare Schüler und bemängeln zu<br />

spät einsetzendes Lernen, das zum<br />

Abitur hinführt, wenn die Schulzeit im<br />

Gymnasium auf 8 Jahre reduziert wird.<br />

Hinzu kommt, daß auch die wenigen<br />

„Ausnahme-Grundschulen“ mit 6jähriger<br />

Dauer des Schulbesuchs nicht<br />

„abgehängt“ werden, son<strong>der</strong>n die<br />

Chance haben sollen, ihre Absolventen<br />

trotz <strong>der</strong> um zwei Jahre reduzierten<br />

Schuldauer bis zum Abitur noch zu diesem<br />

Abschluß führen zu können. Hier<br />

be fürchten Kritiker, daß die lange aufrechterhaltene<br />

Durchlässigkeit sich<br />

gravierend zu Lasten <strong>der</strong> Entfaltung<br />

früh Lernwilliger und -fähiger auswirken<br />

dürfte.<br />

Kritik und offene Fragen<br />

Kritik kommt aber auch von <strong>der</strong> Vereinigung<br />

<strong>der</strong> Schulleiter in Bremen, die<br />

mangelnde Beteiligung <strong>der</strong> Schulpraktiker<br />

an den bisherigen Beratungen<br />

beklagt, ohne die Reformen nicht<br />

gelingen könnten; demgegenüber hebt<br />

die Schulaufsicht die Kontinuität hervor<br />

und verweist auf die Schulstandortplanung<br />

im Herbst <strong>2009</strong>. Da auf Kontinuität<br />

innerhalb <strong>der</strong> Lehrerkollegien<br />

gesetzt wird, und nach Möglichkeit in<br />

festen Teams Lehrer ihre Schüler bis<br />

zum Abitur führen sollen, stellt sich die<br />

Frage, wie man Lehrer einsetzen kann,<br />

die bisher keine Erfahrungen mit<br />

Abituranfor<strong>der</strong>ungen sammeln konnten.<br />

Der Zentralelternbeirat bemängelt<br />

das Fehlen einer langfristigen Entwicklungsperspektive<br />

und ver weigert vorerst<br />

seine Zustimmung zu dem Kompromißpapier.<br />

Vorbehalte kommen<br />

auch seitens <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Linken<br />

und – wen würde es überraschen? – <strong>der</strong><br />

GEW: Insbeson<strong>der</strong>e die Begrenzung<br />

<strong>der</strong> Grundschule auf vier Jahre ist ein<br />

Stein des Anstoßes.<br />

18<br />

Vor allem die „Oberstufe“, „Angelpunkt“<br />

des Gesetzesentwurfs, wirft viele<br />

Fragen, nicht zuletzt organisatorischer<br />

Art, auf. Um die leistungsfähigen Schüler<br />

in <strong>der</strong> Nähe des Wohnbezirks zu halten<br />

und so die Sozialstruktur zu erhalten,<br />

ist vorgesehen, bestehende Mittelstufen<br />

um Oberstufen auszubauen. Um drei<br />

parallele Klassenverbände mit unterschiedlichen<br />

fachlichen Schwerpunkten,<br />

„Profilen“, anbieten zu können, braucht<br />

eine Oberstufe mindestens 85, besser 90<br />

Schüler. Manche vorgesehenen Oberstufen<br />

kommen bei weitem nicht auf die<br />

notwendigen Anmeldezahlen. Hier stehen<br />

sich Vorstellungen <strong>der</strong> Schulbehörde<br />

und Elternwille gegenseitig im Weg.<br />

Während zudem die Grünen die großen<br />

Oberstufenzentren mit <strong>der</strong> Begründung<br />

verteidigen, daß dort eine breitere Palette<br />

inhaltlicher Schwerpunkte angeboten<br />

werden könne, gilt die Schulsenatorin<br />

nicht als Anhängerin <strong>der</strong> großen Oberstufenzentren.<br />

Hinzu kommt, daß es<br />

eine genau festgelegte Anzahl von<br />

Gymnasien (mit angeglie<strong>der</strong>ter Oberstufe)<br />

geben soll, die von <strong>der</strong> Behörde<br />

bereits ausgewählt seien. So wird an<br />

manchen Schulen für den Erhalt <strong>der</strong><br />

bestehenden gymnasialen Struktur er -<br />

bittert ge kämpft. Den Fortbestand <strong>der</strong><br />

acht durchgängigen Gymnasien in Bremen<br />

nimmt die CDU für sich in An -<br />

spruch.<br />

Zu begründen, daß Einschränkungen<br />

des Elternwillens in <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong><br />

Schulform unumgänglich seien, fällt<br />

jetzt schwer, nachdem in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

dem Elternwunsch gegenüber<br />

<strong>der</strong> Empfehlung <strong>der</strong> abgebenden Schule<br />

Priorität eingeräumt wurde. Dies hat<br />

ja zu mancher Fehlentwicklung ge -<br />

führt. Immerhin bleibt <strong>der</strong> Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Eltern vorbehalten, ob ihr<br />

Kind nach 8 o<strong>der</strong> 9 Jahren gegebenenfalls<br />

das Abitur ablegen soll. Der relativ<br />

geringe Anteil an Abiturienten, die<br />

behördlicherseits für ein Gymnasium<br />

vorgesehen sind, könnte dazu führen,<br />

daß „Turbo-Abiturienten“ Oberschulen<br />

zugewiesen würden, sodaß im Unterricht<br />

nebeneinan<strong>der</strong> Schüler säßen, die<br />

teilweise nach 8, teilweise nach 9 Jahren<br />

das Abitur anstreben – organisatorisch<br />

ein schwer zu lösendes Problem. Für<br />

Oberschulen ohne eigene Oberstufe, so<br />

wird weiter befürchtet, bestünde zu -<br />

dem die Gefahr, von Leistungsstarken<br />

gemieden zu werden, wodurch es hier<br />

wie<strong>der</strong> zu einer Konzentration Leistungsschwacher<br />

käme.<br />

Selbstbewußte Privatschulen<br />

Ob die senatorische Behörde, angesichts<br />

<strong>der</strong> im Gesetzesentwurf erkennbaren<br />

Lockerung <strong>der</strong> bisher für unabdingbar<br />

gehaltenen Prinzipien eigener<br />

Schulpolitik, nun auch gegenüber Privatschulen<br />

einen weniger verkrampften<br />

Kurs fährt, bleibt abzuwarten. In<br />

Bremen blüht inzwischen, dank <strong>der</strong><br />

offiziell betriebenen Schulpolitik, ein<br />

Privatschulwesen, das sich seinen Status<br />

hart erkämpfen mußte. Wem nämlich<br />

für die eigenen Kin<strong>der</strong> (das gilt<br />

auch für Bildungspolitiker) das Bildungsangebot<br />

an staatlichen Schulen<br />

aus unterschiedlichen Gründen unzureichend<br />

erscheint, weicht, teilweise<br />

unter hohen finanziellen Opfern, auf<br />

Schulen in freier Trägerschaft, von<br />

Grundschulen bis zu Gymnasien, aus,<br />

z. B. auf die Evangelische Be -<br />

kenntnisschule, die Schule <strong>der</strong> katho -<br />

lischen Gemeinde St. Johann, die Waldorfschule,<br />

das Ökumenische Gymnasium.<br />

Argwohn brachten die staatlichen<br />

Behörden den privaten Initiativen entgegen,<br />

und die Hürden bis zur Einrichtung<br />

einer Schule in freier Trägerschaft<br />

sind in Bremen beson<strong>der</strong>s hoch.<br />

Die mittlerweile etablierten „Privatschulen“<br />

haben ihre jeweils eigene<br />

Geschichte, die sie indessen selbstbewußt<br />

gemacht hat. Aber selbst einer<br />

Schulbehörde, die mit Argwohn beabsichtigte<br />

Neugründungen verfolgt, fiel<br />

bis 2007 nicht auf, daß unbemerkt in<br />

einer ungenehmigten Grundschule<br />

14 Jahre lang 250 o<strong>der</strong> 300 Kin<strong>der</strong> –<br />

bei Verwandten o<strong>der</strong> außerhalb Bremens<br />

polizeilich gemeldet – unterrichtet<br />

wurden; erst durch Einführung<br />

eines Computerprogramms flog die<br />

Sache auf und rief großes Aufsehen<br />

hervor.<br />

Im übrigen bleibt abzuwarten, was –<br />

trotz <strong>der</strong> Ankündigung, den Gesetzesentwurf<br />

erfolgreich durch die parlamentarische<br />

Beratung zu bringen –<br />

letzten Endes davon im endgültigen<br />

Gesetzestext stehen bleibt und danach<br />

in <strong>der</strong> Unterrichtspraxis umgesetzt<br />

werden kann. Innerhalb <strong>der</strong> am Parteienkompromiß<br />

Beteiligten will ja keiner<br />

dem an<strong>der</strong>en allein den Erfolg<br />

überlassen – sofern <strong>der</strong> sich denn einstellen<br />

sollte. Und sonst? �<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Professor Dr. Gerhard Becker,<br />

Mo<strong>der</strong>sohnweg 25,<br />

28355 Bremen<br />

<strong>fdw</strong> 2/<strong>2009</strong>

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