amz_2011_09
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technik trends<br />
„Das Entwicklungsstadium<br />
haben wir längst verlassen“<br />
_ Alle namhaften Automobilhersteller forschen<br />
an alternativen Antrieben. Wir sprachen darüber<br />
mit Dr. Christian Mohrdieck, Leiter des Bereichs<br />
Brennstoffzellen- und Batterie-Antriebsentwicklung<br />
im Ressort Konzernforschung und<br />
Vorentwicklung der Daimler AG. Das Gespräch<br />
führte Peter Rodenbüsch.<br />
<strong>amz</strong>: Herr Dr. Mohrdieck, wie ist der aktuelle<br />
Stand der Brennstoffzellen-Entwicklung<br />
bei Daimler?<br />
Mohrdieck: Wir haben 20<strong>09</strong> mit der<br />
Produktion der Mercedes-Benz B-Klasse<br />
F-CELL begonnen, dem ersten unter Serienbedingungen<br />
gefertigten Brennstoffzellenfahrzeug<br />
von Mercedes-Benz. Dabei<br />
haben wir erstmals alle Entwicklungs-<br />
und Produktionsstandards der Großserie<br />
auf ein Fahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb<br />
angewendet. Seit Ende 2010 sind<br />
die ersten der insgesamt 200 Fahrzeuge<br />
bei ausgewählten Kunden in den USA und<br />
Europa im Einsatz. Parallel zu Pkw mit<br />
Brennstoffzelle arbeiten wir beispielsweise<br />
auch an Bussen. Die ersten der zehn<br />
neuen CitaroFuelCELL-Hybrid Busse werden<br />
in Hamburg im Rahmen des „NaBuZ-<br />
Projekts“ in <strong>2011</strong> ausgeliefert werden.<br />
Und ab 2014 werden wir soweit sein, um<br />
Brennstoffzellenfahrzeuge in Großserie<br />
zu produzieren. Auch die Serienfertigung<br />
von Brennstoffzellen-Stacks bei Mercedes-<br />
Benz Kanada bereiten wir derzeit vor.<br />
<strong>amz</strong>: Wo bereitet speziell Wasserstoff<br />
noch Probleme?<br />
Mohrdieck: Die Mercedes-Benz B-Klasse<br />
F-CELL zeigt, dass wir fahrzeugseitig unsere<br />
Hausaufgaben gemacht haben. Da<br />
Wasserstoff gerade erst am Anfang einer<br />
breiten Markteinführung im Mobilitätsbereich<br />
steht, gibt es aber im Gesamtkontext<br />
noch ein paar Herausforderungen,<br />
in erster Linie der Aufbau einer ausreichenden<br />
Wasserstoffinfrastruktur.<br />
<strong>amz</strong>: Gibt es hierzu schon praktikable<br />
Lösungen über die Versuchsreihe hinaus<br />
hin zu einer Serienlösung? In welchem<br />
Zeitraum ist damit zu rechnen?<br />
14 <strong>amz</strong> - auto | motor | zubehör Nr. 9-<strong>2011</strong><br />
Dr. Christian Mohrdieck ist zuversichtlich, dass die neue<br />
Antriebstechnologie bald in Serie geht. Foto: Daimler<br />
Mohrdieck: Die Funktionalität der Antriebskomponenten<br />
inklusive des Brennstoffzellenstacks<br />
und -systems hat bereits<br />
Kundentauglichkeit erreicht. Wir widmen<br />
uns jetzt seit einiger Zeit intensiv der Erhöhung<br />
der Robustheit und Lebensdauer sowie<br />
der Kostensenkung des Brennstoffzellenantriebs<br />
und erwarten, dass wir auch<br />
auf diesen Feldern eine marktgerechte<br />
Serienlösung erreichen werden.<br />
<strong>amz</strong>: Wie könnte die aussehen?<br />
Mohrdieck: Im Fokus steht das Thema Sicherheit<br />
von Brennstoffzellenautos. Alle<br />
Komponenten des Brennstoffzellenantriebs<br />
inklusive der Tanks sind crashsicher<br />
im Unterboden untergebracht und die<br />
Sicherheit der antriebsspezifischen Systeme<br />
wurde durch mehr als 30 zusätzliche<br />
Crashtests optimiert und erfolgreich<br />
geprüft. Ein weiteres Thema ist die Speicherung<br />
des Wasserstoffs im Auto. Hier<br />
geht es neben Sicherheitsaspekten auch<br />
um die Reichweite, die mit dem Auto realisiert<br />
werden kann. Bei der A-Klasse<br />
F-CELL betrug die Reichweite bei 350 bar<br />
Wasserstoffdruck zum Beispiel 170 Kilometer.<br />
Unter anderem durch die 700-bar-<br />
Technologie konnten wir die Reichweite<br />
der B-Klasse F-CELL bei gleichem Tankvolumen<br />
mehr als verdoppeln. Die aktuell verwendeten<br />
kohlefaserummantelten Wasserstofftanks<br />
sind auf einen 2,25-mal so<br />
hohen Druck wie der vorgesehene maximale<br />
Betriebsdruck ausgelegt und verfügen<br />
über Sicherheitsventile, die bei einem<br />
Unfall automatisch die Wasserstoffversorgungsleitung<br />
zur Brennstoffzelle<br />
schließen. Somit kann auch nach einem<br />
starken Aufprall kein Wasserstoff entweichen.<br />
Und natürlich sind die Tanks nach<br />
außen hermetisch dicht, sodass auch bei<br />
längeren Standzeiten des Fahrzeugs kein<br />
Wasserstoff in die Umgebung entweicht.<br />
<strong>amz</strong>: Welchen Weg beschreitet Daimler<br />
bezüglich Wasserstoff/Brennstoffzelle?<br />
Als alleinige Antriebslösung oder in Verbindung<br />
mit Elektroantrieb? Oder, wie<br />
ursprünglich von BMW geplant, als Teillösung<br />
für bestimmte Aggregate?<br />
Mohrdieck: Da Brennstoffzellenfahrzeuge<br />
von einem Elektromotor angetrieben<br />
werden, zählen wir sie ebenso zu den<br />
Elektrofahrzeugen. Der benötigte Strom<br />
kommt in diesem Fall eben nicht aus der<br />
Steckdose, sondern wird direkt an Bord<br />
in der Brennstoffzelle aus der Reaktion<br />
von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt,<br />
wobei keine Schadstoffemissionen, sondern<br />
lediglich reines Wasser entsteht. Die<br />
energetische Effizienz dieses innovativen<br />
Antriebskonzepts liegt heute bereits nahezu<br />
doppelt so hoch wie die Effizienz<br />
modernster Benzin- und Dieselmotoren.<br />
Der Brennstoffzellenantrieb bietet damit<br />
einen enormen Effizienzsprung und bei<br />
Betrieb mit Wasserstoff Emissionsfreiheit,<br />
wie er selbst mit verbesserten verbrennungsmotorischen<br />
Konzepten – an denen<br />
wir ebenfalls arbeiten – physikalisch nicht<br />
möglich ist. Die Möglichkeit, Wasserstoff<br />
im Verbrennungsmotor zu verwenden,<br />
haben wir vor einigen Jahren ebenfalls untersucht<br />
und für uns als nicht zielführend<br />
eingestuft, da bei dieser Variante Stickoxide<br />
entstehen. Außerdem ist der Wirkungsgrad<br />
der Brennstoffzelle doppelt so<br />
hoch, wie der eines Verbrennungsmotors.<br />
Unser Ziel ist es, Mobilität möglichst effizient<br />
und ohne Emissionen zu gestalten.<br />
<strong>amz</strong>: Herr Mohrdieck, vielen Dank für das<br />
Gespräch.