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CARE affair No.10 Intim

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Eine Wunde,<br />

die nie verheilt<br />

Alles fing im letzten Jahr an, als ich<br />

mit <strong>CARE</strong> nach Somaliland und Puntland<br />

reiste, zwei autonome Provinzen des<br />

Staates Somalia, um mich vor Ort über die<br />

Flüchtlingskrise zu informieren. Von hier<br />

ziehen tagtäglich viele junge Männer und<br />

Frauen los, um die gefährliche Reise durch<br />

Äthiopien, den Sudan bis nach Libyen<br />

anzutreten, um dann in einer Nussschale<br />

über das Mittelmeer ins gelobte Europa zu<br />

gelangen. Viele sterben, werden entführt,<br />

gefoltert oder scheitern auf dem Weg. In<br />

den vielen Gesprächen in den Dörfern,<br />

Gemeinden und Flüchtlingscamps in Somaliland<br />

und Puntland wurde auch ein Thema<br />

immer wieder angesprochen: FGM – das<br />

steht für „Female Genital Mutilation“,<br />

weibliche Genitalverstümmelung. Junge<br />

und ältere Frauen sprachen ganz offen<br />

über diese jahrtausendalte Prozedur und<br />

wie sie ihr Leben prägt.<br />

Zurück zu Hause und nach der Ausarbeitung<br />

meiner Reportagen zum Thema<br />

Flucht begann ich, mehr und mehr über<br />

diese drei Buchstaben, über FGM, zu lesen.<br />

Bis dahin war das Thema für mich weit weg<br />

gewesen. Ich wusste, dass es so etwas gab,<br />

aber die Details, das ganze Ausmaß dieser<br />

brutalen Praxis, war mir nicht bekannt.<br />

Wie Frauen und<br />

Männer am Horn von Afrika<br />

gegen ein unbeschreibliches<br />

Verbrechen am weiblichen<br />

Körper kämpfen:<br />

Die Genitalverstümmelung.<br />

Von ARNDT PELTNER<br />

Fotos: BERYL MAGOKO<br />

Ich lernte, dass es drei verschiedene Arten<br />

der Verstümmelung gibt, so beschreibt es<br />

die Weltgesundheitsorganisation. Weltweit<br />

sind zwischen 220 und 250 Millionen<br />

Frauen betroffen, vor allem in afrikanischen<br />

Ländern nördlich des Äquators.<br />

Am Horn von Afrika ist eigentlich jede<br />

Frau „beschnitten“, wie es umgangssprachlich<br />

fälschlicherweise heißt. Und hier<br />

ist die schlimmste Version, der Typ III,<br />

die Infibulation oder auch pharaonische<br />

Beschneidung, am meisten verbreitet.<br />

Typ III heißt konkret: Die Klitoris und die<br />

inneren und äußeren Schamlippen werden<br />

entfernt, danach wieder alles zusammengenäht,<br />

damit nur eine klitzekleine Öffnung<br />

für den Urinfluss und die Menstruation<br />

bleibt. Die Schätzungen besagen, dass 92<br />

bis 98 Prozent der Frauen in dieser Region<br />

Afrikas im Alter zwischen fünf und zehn<br />

Jahren verstümmelt werden.<br />

Aufgrund der Offenheit der Frauen,<br />

die ich zuvor getroffen hatte, kam ich<br />

zu dem Entschluss, dass es für mich als<br />

männlichen Journalisten mit westlichem<br />

und christlichem Hintergrund möglich<br />

sein könnte, diese „Story“ aufzugreifen.<br />

Die Stiftung Weltbevölkerung unterstützte<br />

mich mit einem Reisestipendium. Hinzu<br />

kam, dass mir das <strong>CARE</strong>-Büro vor Ort<br />

zusicherte, mich bei meinen Recherchen<br />

zu begleiten. Und es stellte sich schnell<br />

heraus, dass das meine einzige Chance<br />

war. Hodan Elmi, <strong>CARE</strong>-Mitarbeiterin und<br />

meine Reisegefährtin, war die Rettung für<br />

mich als Reporter. Sie öffnete nicht nur<br />

Türen zu lokalen Organisationen, sie „öffnete“<br />

auch viele Gesprächspartnerinnen,<br />

die ihre sehr persönlichen Geschichten<br />

erzählten. Hodan, in England geboren und<br />

aufgewachsen, kehrte vor acht Jahren nach<br />

Somaliland, ins Land ihrer Eltern, zurück.<br />

Sie war offen für meine Fragen, erklärte<br />

mir die Kultur, die Religion, die Tradition<br />

von Somaliland. „Genitalverstümmelung<br />

<strong>CARE</strong> <strong>affair</strong> N o. 10 — <strong>Intim</strong><br />

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