Perspektive Nr. 59 Frühjahr 2017
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Leute<br />
Seite 16<br />
FernUni <strong>Perspektive</strong><br />
Prof. Osman Isfen<br />
Internationale Kooperationen und interdisziplinäre Forschung<br />
Die Afrika-Ecke in seinem neuen<br />
Büro ist noch nicht fertig. Seine Leidenschaft<br />
für westafrikanische Länder<br />
wie Mali, Senegal und Burkina<br />
Faso soll auch an<br />
der FernUniversität<br />
sichtbar sein. Prof.<br />
Dr. Osman Isfen<br />
lebt, denkt und arbeitet<br />
global. Zum<br />
Wintersemester hat der 39-jährige<br />
Rechtswissenschaftler die Leitung<br />
des Lehrstuhls für Wirtschaftsstrafrecht<br />
und Strafprozessrecht an<br />
der FernUniversität in Hagen übernommen.<br />
Ausbau von internationalen<br />
Kooperationen<br />
Ein Schwerpunkt seiner Arbeit wird<br />
der Ausbau von internationalen<br />
Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern auf<br />
der ganzen Welt sein. Fest eingeplant<br />
sind bereits Besuche an Universitäten<br />
in Kasachstan, Usbekistan<br />
und Peru – erste Kontakte sind<br />
über den Deutschen Akademischen<br />
Austauschdienst entstanden. „Diese<br />
Länder sind aktuell sehr interessiert<br />
am deutschen Recht“, sagt<br />
„Die Zusammenarbeit ist abgekühlt. Im Moment ist<br />
Vieles auf Zurückhaltung ausgelegt.“<br />
Prof. Osman Isfen über seine wissenschaftlichen Kontakte in der Türkei<br />
Prof. Isfen über die durchaus exotischen<br />
Reiseziele. „Wir können für<br />
eine Reform ihres Rechts Unterstützung<br />
aus dem strafrechtlichen Bereich<br />
bieten.“<br />
Eine Herzensangelegenheit sind für<br />
den Juristen mit Wurzeln in Istanbul<br />
seine wissenschaftlichen Kontakte in<br />
der Türkei. „Die Zusammenarbeit ist<br />
abgekühlt“, bedauert das Mitglied<br />
im Kuratorium der NRW-Landesstiftung<br />
für Türkeistudien und Integrationsforschung<br />
angesichts der derzeit<br />
schwierigen politischen Lage.<br />
„Im Moment ist Vieles auf Zurückhaltung<br />
ausgelegt.“ Osman Isfen<br />
Hospitation im<br />
Logistikzentrum:<br />
Der Jura-Professor<br />
blickt hinter die<br />
Kulissen.<br />
reist als deutscher Staatsbürger aber<br />
nach wie vor privat und beruflich in<br />
die Türkei, unter anderem sitzt er im<br />
Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen<br />
Forschungszentrums<br />
an der<br />
Özyeğin Universität<br />
Istanbul.<br />
Seine Expertise im<br />
deutschen und türkischen Strafrecht<br />
spiegelt sich auch in seiner<br />
Forschung wider. Vor seinem Wechsel<br />
an die FernUniversität hat er als<br />
Junior-Professor an der Ruhruniversität<br />
Bochum zwei Drittmittelprojekte<br />
mit Türkeibezug abgeschlossen. Intensiv<br />
hat er sich mit den Auswirkungen<br />
der Reform des türkischen Strafrechts<br />
nach dem Vorbild des deutschen<br />
Rechts befasst. Im zweiten<br />
Projekt ging es um die Situation von<br />
Häftlingen mit türkischen Wurzeln<br />
in Deutschland. In insgesamt acht<br />
Justizvollzugsanstalten interviewten<br />
Isfen und sein Team Anstaltsleitungen<br />
und Häftlinge. Das Ergebnis seiner<br />
Studie: „Integrationsprobleme<br />
mit türkischen Verurteilten sind in<br />
deutschen Gefängnissen so gut wie<br />
fremd.“ Quälendes Element sei für<br />
die Nicht-EU-Bürger allerdings die<br />
Ungewissheit, möglicherweise abgeschoben<br />
zu werden.<br />
Verbundprojekt mit der<br />
Psychologie<br />
An der FernUniversität möchte Prof.<br />
Isfen ein interdisziplinäres Verbundprojekt<br />
mit der Psychologie initiieren.<br />
Darin soll es um die Frage gehen,<br />
warum Menschen wirtschaftsstrafrechtliche<br />
Delikte begehen.<br />
Leitet den Lehrstuhl Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht: Prof. Osman Isen<br />
Auch in der Lehre will er die Internationalität<br />
im Auge behalten. Im<br />
Zuge des neuen Studiengangs Erste<br />
Juristische Prüfung (EJP) möchte<br />
er einen Fremdsprachennachweis<br />
für die türkische Sprache etablieren.<br />
Möglicherweise soll dann auch ein<br />
fremdsprachliches Angebot an der<br />
FernUni eingerichtet werden. Darüber<br />
hinaus will er an der Hagener<br />
Hochschule langfristig einen Master<br />
im türkischen Strafrecht für berufstätige<br />
Juristen in Deutschland<br />
aufbauen.<br />
An erster Stelle stehen für das Team<br />
um Osman Isfen aber zunächst die<br />
neuen Skripte für das EJP. „Wer<br />
das Juristische Staatsexamen neben<br />
dem Beruf durchzieht, verdient<br />
allerhöchsten Respekt und benötig<br />
sehr gute und aktuelle Skripte“,<br />
sagt Isfen, der sein erstes Staatsexamen<br />
als hartgesottener Einzelkämpfer<br />
ohne Repetitor und feste<br />
Lerngruppen erfolgreich abgelegt<br />
hat.<br />
Blog für Studierende<br />
Die Skripte seines Lehrstuhls will er<br />
zukünftig mit multimedialen Elementen<br />
ergänzen. Aufgebaut hat er bereits<br />
ein strafrechtliches Lehrgebiets-<br />
Blog für Studierende und die interessierte<br />
Fachöffentlichkeit (isfen.fernuni-hagen.de).<br />
„Darin greifen wir<br />
aktuelle Geschehnisse und BGH-Entscheidungen<br />
auf.“ Mehr über Prof. Isfen<br />
und sein Lehrgebiet gibt’s schon<br />
jetzt auf Facebook. „Im Hauptberuf:<br />
Ehemann, Familienvater und Afrika-<br />
Liebhaber / Im Nebenberuf: Professor<br />
für Strafrecht“, ist dort auf seiner<br />
Profilseite zu lesen. Um diese Rollen<br />
unter einen Hut zu bringen, lebt der<br />
Rechtswissenschaftler seit 2010 mit<br />
seiner Frau und seinen beiden Söhnen<br />
in Wetter. Denn auf Präsenz legt<br />
er viel Wert − in seiner Familie und<br />
an der FernUniversität. can<br />
Fakultätspreis Mathematik und Informatik 2016<br />
Die Wellenfunktionen eines Systems<br />
Für seine wissenschaftliche Arbeit<br />
„Two interacting particles on the<br />
half-line“ bekam Dr. Joachim Kerner,<br />
Lehrgebiet Analysis (Prof. Dr.<br />
Delio Mugnolo), im Rahmen des<br />
Fakultätskolloquiums der Fakultät<br />
für Mathematik und Informatik<br />
den Fakultätspreis 2016 verliehen.<br />
Der Vortrag, den Kerner während<br />
des Fakultätskolloquiums hielt, orientierte<br />
sich an zwei wissenschaftlichen<br />
Arbeiten: „Two interacting<br />
particles on the half-line“ und „On<br />
a two-particle bound system on the<br />
half-line“, die in Zusammenarbeit<br />
mit Dr. Tobias Mühlenbruch entstanden<br />
waren. „Im Zentrum dieser<br />
Arbeiten steht die quantenmechanische<br />
Beschreibung von wechselwirkenden<br />
Vielteilchensystemen<br />
in einer Dimension“, beschreibt<br />
Kerner. „Vor allem interessieren<br />
wir uns für sogenannte singuläre<br />
Wechselwirkungen. Sie sind nur<br />
wirksam, sofern sich eines der Teilchen<br />
an einem bestimmten Ort befindet.“<br />
Klassische Mechanik versus<br />
Quantenmechanik<br />
In der Physik unterscheidet man<br />
zwischen klassischer Mechanik<br />
und Quantenmechanik. Die Methoden<br />
der klassischen Mechanik<br />
erlauben es etwa, die Bewegung<br />
von Planeten oder die eines Kreisels<br />
exakt zu beschreiben. „Will man<br />
jedoch die Bewegung von Elektronen<br />
in Atomen oder die Struktur<br />
von Molekülen verstehen, bedarf<br />
es einer grundlegenden Erweiterung<br />
der klassischen Mechanik“,<br />
so Kerner. Diese erweiterte Theorie<br />
wird als Quantenmechanik bezeichnet<br />
und wurde im 20. Jahrhundert<br />
von mehreren Physikern<br />
begründet.<br />
Im Zentrum dieser Theorie steht<br />
die Schrödingergleichung, benannt<br />
nach Erwin Schrödinger. In der klassischen<br />
Mechanik bewegen sich massive<br />
Körper auf Bahnen im Raum.<br />
Das Ziel ist es, diese Bahnen mathematisch<br />
korrekt zu beschreiben.<br />
„In der quantenmechanischen Beschreibung<br />
verliert der Begriff einer<br />
Bahn seine Bedeutung. Stattdessen<br />
interessiert man sich für die sogenannte<br />
Wellenfunktion eines Systems,<br />
die wiederum durch die Schrödingergleichung<br />
beschrieben wird“,<br />
erläutert der Wissenschaftler, der<br />
Physik studiert hat und in Mathematik<br />
promoviert ist. „Die Wellenfunktion<br />
erlaubt es, die räumlichen Aufenthaltswahrscheinlichkeiten<br />
von<br />
beispielsweise Elektronen in einem<br />
Atom anzugeben.“ Mögliche Anwendungen<br />
liegen im Bereich Nanotechnologie<br />
und Supraleitung. aw<br />
Joachim Kerner (li.) hat den Fakultätspreis Mathematik und Informatik 2016 durch<br />
Dekan Prof. Jörg Desel erhalten.