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Die Malteser 01/2017

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VORBILDER<br />

des Nationalsozialismus, den die 1920 Geborene schon<br />

sehr bewusst – und buchstäblich am eigenen Leib – erlebt.<br />

Ihr Vater, der Jurist und Nationalökonom Hans<br />

Karl Zeßner-Spitzenberg, wird bereits wenige Tage nach<br />

dem Anschluss von der Gestapo verhaftet und nach einigen<br />

Monaten Gefangenschaft in Wien in das KZ Dachau<br />

überstellt, wo er bereits am 1. August 1938 infolge<br />

schwerer Misshandlungen und barbarischer Haftbedingungen<br />

stirbt. Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, tiefgläubiger<br />

Katholik und glühender Österreicher, hatte aus seiner<br />

Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie kein<br />

Hehl gemacht und sich auch als Professor an der Universität<br />

für Bodenkultur (einem „Nazinest“, wie es Hanna<br />

Paradeiser ausdrückt) sehr offen zu seiner Einstellung<br />

bekannt. Er weiß selbst, dass ihm mit dem Einmarsch<br />

Hitlers in Österreich große Gefahr droht. Seine Tochter<br />

erinnert sich: „Nach der berühmten Radioansprache<br />

Kurt Schuschniggs am 11. März 1938 hat er sich mit uns<br />

allen niedergekniet und den Schmerzhaften Rosenkranz<br />

gebetet.“<br />

Regelmäßige Vorträge in Schulen<br />

„Unser Vater war ein Vorbild in jeder Hinsicht, und es<br />

war sicher prägend für uns Kinder, dass er aufrecht und<br />

sehenden Auges sein Leben für seinen Glauben und seine<br />

politische Überzeugung riskiert hat.“ Und das möchte<br />

sie weitergeben: „<strong>Die</strong> Jungen können sich ja heute überhaupt<br />

nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nie offen<br />

sprechen kann und jedem misstrauen muss, wenn man<br />

dem Staat vollkommen ausgeliefert ist.“ Deshalb geht sie<br />

regelmäßig in Schulen und berichtet dort über ihr Leben<br />

und ihre Erlebnisse. „Ich beobachte immer, ob die Jugendlichen<br />

zu schwätzen beginnen oder mit ihren Handys<br />

herumspielen – doch sie hören jedes Mal mit großen<br />

Augen hoch konzentriert zu.“ Das wundert einen nicht,<br />

denn sie schildert ausgesprochen lebendig und plastisch.<br />

Trotz der langen Zeit, die seit dem Krieg vergangen ist,<br />

erinnert sie sich an unzählige Details, die sie sehr präzise<br />

wiederzugeben vermag.<br />

Vieles erzählt sie mir, dessen Wiedergabe den Rahmen<br />

dieses Berichts jedoch sprengen würde. Sie spricht von<br />

den Schwierigkeiten, vor die sich die Familie nach der<br />

Verhaftung und dem Tod des Vaters gestellt sieht, in<br />

wirtschaftlicher Hinsicht ebenso wie in menschlicher.<br />

Den ständigen Hausdurchsuchungen während der Haftzeit<br />

des Vaters. Den abgebrochenen Studien der älteren<br />

Schwestern und ihrer eigenen unfreiwilligen Tätigkeit<br />

als Erzieherin im Kinderheim der Stadt Wien für schwer<br />

erziehbare Buben. Es ist eine Art Strafeinsatz, denn als<br />

Kindergärtnerin wird sie mit ihrem familiären – und<br />

ideologischen – Hintergrund nicht aufgenommen. Sie<br />

erzählt vom Tod ihres Bruders Heinrich in Stalingrad<br />

und dem tödlichen Autounfall ihrer Schwester Maria bei<br />

einem Caritas-Kindertransport kurz nach dem Krieg in<br />

Belgien. Der Angst vor den Russen, als diese das ganze<br />

Haus polternd durchsuchen – und das Versteck, in dem<br />

sie mit Mutter, Schwestern und Nachbarinnen bange<br />

wartet, letztlich nicht finden.<br />

Sie erzählt aber auch vom Jugendrosenkranzfest im Wiener<br />

Stephansdom am 7. Oktober 1938, zu dem Kardinal<br />

Innitzer eingeladen hatte. „Nachdem er dazu aufgerufen<br />

hatte, bei der Volksabstimmung im April für den Anschluss<br />

zu stimmen, hatte er unsere Herzen verloren“,<br />

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