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VORBILDER<br />
des Nationalsozialismus, den die 1920 Geborene schon<br />
sehr bewusst – und buchstäblich am eigenen Leib – erlebt.<br />
Ihr Vater, der Jurist und Nationalökonom Hans<br />
Karl Zeßner-Spitzenberg, wird bereits wenige Tage nach<br />
dem Anschluss von der Gestapo verhaftet und nach einigen<br />
Monaten Gefangenschaft in Wien in das KZ Dachau<br />
überstellt, wo er bereits am 1. August 1938 infolge<br />
schwerer Misshandlungen und barbarischer Haftbedingungen<br />
stirbt. Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, tiefgläubiger<br />
Katholik und glühender Österreicher, hatte aus seiner<br />
Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie kein<br />
Hehl gemacht und sich auch als Professor an der Universität<br />
für Bodenkultur (einem „Nazinest“, wie es Hanna<br />
Paradeiser ausdrückt) sehr offen zu seiner Einstellung<br />
bekannt. Er weiß selbst, dass ihm mit dem Einmarsch<br />
Hitlers in Österreich große Gefahr droht. Seine Tochter<br />
erinnert sich: „Nach der berühmten Radioansprache<br />
Kurt Schuschniggs am 11. März 1938 hat er sich mit uns<br />
allen niedergekniet und den Schmerzhaften Rosenkranz<br />
gebetet.“<br />
Regelmäßige Vorträge in Schulen<br />
„Unser Vater war ein Vorbild in jeder Hinsicht, und es<br />
war sicher prägend für uns Kinder, dass er aufrecht und<br />
sehenden Auges sein Leben für seinen Glauben und seine<br />
politische Überzeugung riskiert hat.“ Und das möchte<br />
sie weitergeben: „<strong>Die</strong> Jungen können sich ja heute überhaupt<br />
nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nie offen<br />
sprechen kann und jedem misstrauen muss, wenn man<br />
dem Staat vollkommen ausgeliefert ist.“ Deshalb geht sie<br />
regelmäßig in Schulen und berichtet dort über ihr Leben<br />
und ihre Erlebnisse. „Ich beobachte immer, ob die Jugendlichen<br />
zu schwätzen beginnen oder mit ihren Handys<br />
herumspielen – doch sie hören jedes Mal mit großen<br />
Augen hoch konzentriert zu.“ Das wundert einen nicht,<br />
denn sie schildert ausgesprochen lebendig und plastisch.<br />
Trotz der langen Zeit, die seit dem Krieg vergangen ist,<br />
erinnert sie sich an unzählige Details, die sie sehr präzise<br />
wiederzugeben vermag.<br />
Vieles erzählt sie mir, dessen Wiedergabe den Rahmen<br />
dieses Berichts jedoch sprengen würde. Sie spricht von<br />
den Schwierigkeiten, vor die sich die Familie nach der<br />
Verhaftung und dem Tod des Vaters gestellt sieht, in<br />
wirtschaftlicher Hinsicht ebenso wie in menschlicher.<br />
Den ständigen Hausdurchsuchungen während der Haftzeit<br />
des Vaters. Den abgebrochenen Studien der älteren<br />
Schwestern und ihrer eigenen unfreiwilligen Tätigkeit<br />
als Erzieherin im Kinderheim der Stadt Wien für schwer<br />
erziehbare Buben. Es ist eine Art Strafeinsatz, denn als<br />
Kindergärtnerin wird sie mit ihrem familiären – und<br />
ideologischen – Hintergrund nicht aufgenommen. Sie<br />
erzählt vom Tod ihres Bruders Heinrich in Stalingrad<br />
und dem tödlichen Autounfall ihrer Schwester Maria bei<br />
einem Caritas-Kindertransport kurz nach dem Krieg in<br />
Belgien. Der Angst vor den Russen, als diese das ganze<br />
Haus polternd durchsuchen – und das Versteck, in dem<br />
sie mit Mutter, Schwestern und Nachbarinnen bange<br />
wartet, letztlich nicht finden.<br />
Sie erzählt aber auch vom Jugendrosenkranzfest im Wiener<br />
Stephansdom am 7. Oktober 1938, zu dem Kardinal<br />
Innitzer eingeladen hatte. „Nachdem er dazu aufgerufen<br />
hatte, bei der Volksabstimmung im April für den Anschluss<br />
zu stimmen, hatte er unsere Herzen verloren“,<br />
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