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Die Malteser 01/2017

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GELESENEMPFOHLEN<br />

„... UNGLÄUBIG ZU SEIN<br />

WIDERSPRICHT DEM NATÜRLICHEN<br />

GEFÜHL DES MENSCHEN ...“<br />

Von Georg Male<br />

Woran kann man in einer Welt, in der religiöse Themen<br />

für viele an den Rand des Alltags gerückt sind, noch glauben?<br />

Auf diese Frage gibt Rudolf Taschner, 1953 geborener<br />

österreichischer Mathematiker und Autor, Initiator<br />

des Projekts math.space im Wiener MuseumsQuartier<br />

und Wissenschafter des Jahres 2004, in seinem Buch<br />

vielerlei Antworten. Oder zumindest Hinweise für die<br />

Suche danach. Aber nicht, wie man angesichts des Titels<br />

annehmen könnte, in Form einer Glaubensanleitung,<br />

sondern in Form eines Essays, der die verschiedensten<br />

Ansatzpunkte und „Betätigungsgebiete“ von Glauben<br />

auslotet. Leichtfüßig, vergnüglich und kenntnisreich<br />

tut er das, ohne zu belehren, sondern indem er Gedankenrichtungen<br />

aufzeigt, Themen anreißt, Türen zu neuen,<br />

vielleicht unerwarteten Pfaden aufstößt. Sich selbst<br />

bezeichnet Rudolf Taschner dabei übrigens als „frommen<br />

Agnostiker“ – also einen, der „nicht weiß“ (griech.<br />

„agnoein“), aber dennoch betet.<br />

Nach einem Prolog, in dessen Mittelpunkt er den mathematischen<br />

Gottesbeweis des berühmten Logikers<br />

Kurt Gödel stellt, der seinerseits auf der Argumentation<br />

des Scholastikers Anselm von Canterbury aufsetzt,<br />

nimmt Rudolf Taschner den Leser mit auf eine Reise<br />

durch zehn verschiedene „Glaubenslandschaften“: Mit<br />

dem Glauben „an 313“ (seine eigene Lieblingszahl, gemeint<br />

ist jedoch Aberglaube), „an die Natur“, „an die<br />

Geschichte“, „an den Genuss“, „an die Zukunft“, „an die<br />

Kirche“, „an die Kunst“, „an Gott“, „an das Ich“ und „an<br />

Dich“ beschäftigt er sich. Auf den ersten Blick mag der<br />

eine oder andere Ansatz unerwartet, ungewohnt sein –<br />

was hat zum Beispiel „Genuss“ mit Glauben zu tun? Und<br />

doch versteht es Taschner, in jedem der zehn Abschnitte<br />

glaubwürdig den Bogen zum Transzendenten zu schlagen.<br />

Im Fall des „Genusses“ kommt er etwa von Hedonismus<br />

und Sucht über die (auf den himmlischen Genuss<br />

hin ausgerichtete, aber häufig überzogene) Askese<br />

schließlich zur Eleganz und Leichtigkeit der wirklich frei<br />

genießenden Epikureer, zu denen er auch Thomas von<br />

Aquin zählt. („Sie wissen sowohl die Verblendung der<br />

Süchtigen als auch die Unduldsamkeit der Asketen zu<br />

meiden.“) Im Abschnitt „Der Glaube an Dich“ wiederum<br />

gelangt er über die Ausrichtung des Menschen auf ein<br />

„Du“ zum wirklichen Menschsein, das sich auch in der<br />

Entwicklung von Gewissen und Moral äußert.<br />

Rudolf Taschner streift in seinem Buch viele zentrale<br />

Lebensthemen, leuchtet geistes- und ideengeschichtliche<br />

Hintergründe aus und stellt sie in Beziehung zu<br />

unserer Welt, die mit klassischem Glauben immer weniger<br />

anzufangen weiß. Auch Bibelzitate und theologische<br />

Bezüge ziehen sich durch den Text, der dennoch frei von<br />

Dogmatik und festen Glaubenssätzen ist. Ein spannendes,<br />

kurzweilig zu lesendes Buch – für sich selbst genommen,<br />

aber ebenso als Anregung, die Lektüre da und<br />

dort weiter zu vertiefen. Das wird dem Leser im Vorwort<br />

auch explizit nahegelegt. Den Abschluss bildet ein<br />

Epilog (unter dem Titel „Der unbeweisbare Glaube“), in<br />

dem Taschner Karl Jaspers’ Schrift „Der philosophische<br />

Glaube“ zitiert, die sich anhand der Schicksale Giordano<br />

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