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GELESENEMPFOHLEN<br />
„... UNGLÄUBIG ZU SEIN<br />
WIDERSPRICHT DEM NATÜRLICHEN<br />
GEFÜHL DES MENSCHEN ...“<br />
Von Georg Male<br />
Woran kann man in einer Welt, in der religiöse Themen<br />
für viele an den Rand des Alltags gerückt sind, noch glauben?<br />
Auf diese Frage gibt Rudolf Taschner, 1953 geborener<br />
österreichischer Mathematiker und Autor, Initiator<br />
des Projekts math.space im Wiener MuseumsQuartier<br />
und Wissenschafter des Jahres 2004, in seinem Buch<br />
vielerlei Antworten. Oder zumindest Hinweise für die<br />
Suche danach. Aber nicht, wie man angesichts des Titels<br />
annehmen könnte, in Form einer Glaubensanleitung,<br />
sondern in Form eines Essays, der die verschiedensten<br />
Ansatzpunkte und „Betätigungsgebiete“ von Glauben<br />
auslotet. Leichtfüßig, vergnüglich und kenntnisreich<br />
tut er das, ohne zu belehren, sondern indem er Gedankenrichtungen<br />
aufzeigt, Themen anreißt, Türen zu neuen,<br />
vielleicht unerwarteten Pfaden aufstößt. Sich selbst<br />
bezeichnet Rudolf Taschner dabei übrigens als „frommen<br />
Agnostiker“ – also einen, der „nicht weiß“ (griech.<br />
„agnoein“), aber dennoch betet.<br />
Nach einem Prolog, in dessen Mittelpunkt er den mathematischen<br />
Gottesbeweis des berühmten Logikers<br />
Kurt Gödel stellt, der seinerseits auf der Argumentation<br />
des Scholastikers Anselm von Canterbury aufsetzt,<br />
nimmt Rudolf Taschner den Leser mit auf eine Reise<br />
durch zehn verschiedene „Glaubenslandschaften“: Mit<br />
dem Glauben „an 313“ (seine eigene Lieblingszahl, gemeint<br />
ist jedoch Aberglaube), „an die Natur“, „an die<br />
Geschichte“, „an den Genuss“, „an die Zukunft“, „an die<br />
Kirche“, „an die Kunst“, „an Gott“, „an das Ich“ und „an<br />
Dich“ beschäftigt er sich. Auf den ersten Blick mag der<br />
eine oder andere Ansatz unerwartet, ungewohnt sein –<br />
was hat zum Beispiel „Genuss“ mit Glauben zu tun? Und<br />
doch versteht es Taschner, in jedem der zehn Abschnitte<br />
glaubwürdig den Bogen zum Transzendenten zu schlagen.<br />
Im Fall des „Genusses“ kommt er etwa von Hedonismus<br />
und Sucht über die (auf den himmlischen Genuss<br />
hin ausgerichtete, aber häufig überzogene) Askese<br />
schließlich zur Eleganz und Leichtigkeit der wirklich frei<br />
genießenden Epikureer, zu denen er auch Thomas von<br />
Aquin zählt. („Sie wissen sowohl die Verblendung der<br />
Süchtigen als auch die Unduldsamkeit der Asketen zu<br />
meiden.“) Im Abschnitt „Der Glaube an Dich“ wiederum<br />
gelangt er über die Ausrichtung des Menschen auf ein<br />
„Du“ zum wirklichen Menschsein, das sich auch in der<br />
Entwicklung von Gewissen und Moral äußert.<br />
Rudolf Taschner streift in seinem Buch viele zentrale<br />
Lebensthemen, leuchtet geistes- und ideengeschichtliche<br />
Hintergründe aus und stellt sie in Beziehung zu<br />
unserer Welt, die mit klassischem Glauben immer weniger<br />
anzufangen weiß. Auch Bibelzitate und theologische<br />
Bezüge ziehen sich durch den Text, der dennoch frei von<br />
Dogmatik und festen Glaubenssätzen ist. Ein spannendes,<br />
kurzweilig zu lesendes Buch – für sich selbst genommen,<br />
aber ebenso als Anregung, die Lektüre da und<br />
dort weiter zu vertiefen. Das wird dem Leser im Vorwort<br />
auch explizit nahegelegt. Den Abschluss bildet ein<br />
Epilog (unter dem Titel „Der unbeweisbare Glaube“), in<br />
dem Taschner Karl Jaspers’ Schrift „Der philosophische<br />
Glaube“ zitiert, die sich anhand der Schicksale Giordano<br />
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DIE MALTESER 1/2<strong>01</strong>7