Nordkurier Ratgeber "Fahrt ins Blaue"
Unsere Ratgeber-Ausgabe für die Region Peene-Müritz.
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SEITE 28 FREITAG, 28. APRIL 2017<br />
die Eroberung des Bergrings<br />
–auf vier rädern<br />
Ganz Kühne wagen sich mit einer Limousine auf den anspruchsvollen Kurs.<br />
FoToS (4): EBErhArd roGMANN/Archiv<br />
Von EberhardRogmann<br />
Jahrzehntelang war der<br />
Bergring in Teterow einzig<br />
Motorrädern vorbehalten.<br />
Nach der Jahrtausendwende<br />
eroberten aber auch Autos<br />
Europas schönste Grasbahn.<br />
Schnell fand sich eine<br />
begeisterte Fangemeinde,<br />
die beständig im Wachsen<br />
begriffen ist.<br />
TeTerow. Helm auf und los<br />
geht‘s. PeggyJork lässt ihren<br />
Ford aus dem Jahr 1940 auf<br />
die Grasbahn rollen. 120 Pferdestärken<br />
hat der unter der<br />
Haube. Doch was heißt hier<br />
Haube. Mit einem spitz zulaufenden<br />
Blech ist der eigentlich<br />
offen liegende Motor nur<br />
dürftig abgedeckt. Fast einmal<br />
rund um den Kurs rollt<br />
die Maschine bis zum Start.<br />
Dann gibt die junge Frau<br />
Vollgas und lässt den Rivalen<br />
hinter sich.<br />
„Der Bergring hat es in<br />
sich. Das ist eine sehr anspruchsvolle<br />
Bahn. Da gibt<br />
es Abschnitte, da sieht man<br />
nur Himmel und Baumwipfel.<br />
Deshalb versuche ich, an<br />
der Spitze zu fahren, denn in<br />
der Staubwolkeeines Vorausfahrenden<br />
fährt man nahezu<br />
blind“, erläuterte sie ihre<br />
Taktik. Schon von Anfang an<br />
war die Frau aus Dobberlug-<br />
Kirchheim in der Lausitz bei<br />
den Rust‘n‘Dust Events in Teterow<br />
dabei. Doch erst einmal<br />
entschloss sie sich, selbst im<br />
Wettbewerb mitzumachen.<br />
„Ein ganz tolles Gefühl“,<br />
schwärmte sie.<br />
Doch Autos auf dem Bergring?<br />
Die hatte es in der Vergangenheit<br />
nur als Versorgungs-<br />
oder E<strong>ins</strong>atzfahrzeuge<br />
gegeben. Aber Rennen zu fahren,<br />
blieb hier ausschließlich<br />
Motorädern vorbehalten. Das<br />
hatte seinen Grund –nicht<br />
zuletzt in den Geländeverhältnissen.<br />
Die Huckel hier<br />
Berge zu nennen, wird sicher<br />
von Gebirglern belächelt,<br />
doch die Steilhänge haben es<br />
in sich. Einen normalen Pkw<br />
sollte man lieber nicht über<br />
diesen Kurs rollen lassen.<br />
Ganz anders sehen das<br />
die Fans der Hot Rods. Diese<br />
Vehikel aus den 1940er und<br />
1950er Jahren fallen im normalen<br />
Straßenverkehr völlig<br />
aus dem Rahmen. Rost ist auf<br />
den ersten Blick ihr hervorstechendstes<br />
Merkmal. Dazu<br />
kommt der meist tiefer gelegte<br />
Motor,oft frei liegend oder<br />
nur dürftig verkleidet, sowie<br />
die massiven Reifen. 200, 300<br />
und mehr PS haben sie unter<br />
der Haube.<br />
Mit einem ganz schweren<br />
Geschoss kam René Kritsch<br />
aus Schwaan angerollt. Sein<br />
Auto ist mit einer 6,6 Liter-<br />
Maschine ausgestattet, die<br />
stattliche 350 PS aufbringt.<br />
„Laut, stark und böse“, formulierte<br />
Beifahrer Axel den<br />
Slogan des Teams.<br />
Fahren am Limit –<br />
das ist rock‘n‘roll<br />
Bei den Rennen geht es im<br />
Übrigen nicht darum, als Erster<br />
<strong>ins</strong> Ziel zu kommen. Vielmehr<br />
gewinnt derjenige, der<br />
bei mehreren Läufen zeitlich<br />
die geringste Abweichung<br />
verbucht. Wer allerdings<br />
denkt, das sei kein Rennen,<br />
denn die Maschinen könnten<br />
ja schön gleichmäßig<br />
mit 20 km/h über den Ring<br />
tuckern, irrt. „Am größten<br />
ist deine Chance, wenn du<br />
am Limit fährst. Dann hast<br />
du die kürzeste Zeit für eine<br />
Runde. Brauchst du das Doppelte,<br />
wird auch die Differenz<br />
größer. Dasiehst du alt aus,<br />
denn hier geht‘s um Sekundenbruchteile“,<br />
verriet Freddy<br />
Nortschmed die Taktik.<br />
Angelegt ist die<br />
Rust‘n‘Dust-Jelopy übrigens<br />
weniger als eine Rennveranstaltung,<br />
sondern stets vielmehr<br />
als großes Familientreffen<br />
und Technikschau.<br />
Bummeln über die Händlermeile,<br />
alte Autos und Motorräder<br />
bestaunen sowie Fachsimpeln<br />
gehören einfach<br />
dazu. Zahlreiche Besucher<br />
erscheinen dazu ganz im Stil<br />
der Mode jener Zeit – der<br />
Rock‘n‘Roll-Ära.<br />
Doch die Zeiten sind im<br />
Wandel und mittlerweile<br />
tummeln sich auf Europas<br />
schönster Grasbahn nicht<br />
nur die ollen Rostlauben.<br />
Auch Tourenwagen-Piloten<br />
haben die Reize dieses Rundkurses<br />
für sich entdeckt. Nun<br />
drehen unter anderem Volvo,<br />
BMW, Nissan, Golf, Lada und<br />
auch Trabbis ihre Runden<br />
hier auf den drei verschiedenen<br />
Wertungsstrecken.<br />
wie Schmierseife: wenn<br />
bremsen nichts nützt<br />
Dabei wird schnell ersichtlich,<br />
dass die Bahn ihre Tücken hat,<br />
besonders wenn Regen den<br />
Lehm glitschig wie Schmierseife<br />
werden lässt. Da nützt<br />
auch keine Bremse viel –<br />
schnell landet ein Auto in der<br />
Bande. Doch in der Karosserie<br />
sind die Fahrer deutlich besser<br />
geschützt,als die Männer zum<br />
traditionellen Pfingst-Rennen<br />
auf den Motorrädern. Nach<br />
einigen Testläufen stand für<br />
Adolf Schlaak vom MC Bergring<br />
Teterow fest: Der Bergring<br />
eignet sich sehr wohl für<br />
Auto-Rennen.<br />
Bernd Weldner,vormaliger<br />
Sportleiter des MC Bergring,<br />
ist sehr froh über die Entwicklung<br />
der Rennen. „Beim ersten<br />
Rallye-Sprint waren gerade<br />
einmal zwölf Autos dabei“,<br />
erinnerte er sich. Mittlerweile<br />
sei man bei 59 angelangt.<br />
„Das ist eine gigantische Steigerung.“<br />
Tschechen, Finnen,<br />
Polen und Deutsche sind jedes<br />
Mal dabei. Es sei richtig gewesen,<br />
neben dem Zweirad-Motorsport<br />
weitere Attraktionen<br />
auf vier Rädern nach Teterow<br />
zu holen.<br />
Das fanden auch Eckhard<br />
Eichhorst und sein Co-Pilot<br />
Jörg Vach. Beide starten<br />
mit ihrem Trabbi. Eichholz<br />
ist schon das vierte Mal am<br />
Bergring. Er kommt immer<br />
wieder. „Es ist schön hier.“<br />
Am besten finden die beiden,<br />
dass die Strecken und das<br />
Fahrerlager so dicht beieinander<br />
liegen.Ganz nachdem<br />
Motto: Essen, Trinken, Fah-<br />
ren. „Das macht echt Spaß<br />
hier. Die Strecke ist wirklich<br />
auch für Autos geeignet“,<br />
meinte auch Uwe Broda aus<br />
Hamburg. Mit einem eigenen<br />
Autowar ebenfalls sein Sohn<br />
Timo dabei. „Die Strecke er-<br />
Das ist hier kein Micky-<br />
Maus-Kurs. Doch bei einer<br />
sehr exakten Fahrweise geht<br />
das wunderbar“, schwärmt<br />
Uwe Broda.<br />
fordert fahrerisches Können.<br />
Mittlerweile locken die<br />
Autorennen Tausende Be-<br />
sucher an den Ring, sogar<br />
aus dem Ausland kommen<br />
sie. Ein Wermutstropfen<br />
allerdings trieb die Clubleitung<br />
bisher um: Gern<br />
hätte man eine Wertungsfahrt<br />
auch über Straßen in<br />
die Umgebung geführt. Doch<br />
dagegen steht das Gesetz und<br />
im Innenministerium bissen<br />
die Teterower mit diesem Anliegen<br />
bislang auf Granit.<br />
Der Bergring ruft:<br />
3. —4.Juni:<br />
97. Internationales<br />
Bergringrennen<br />
21. —23. Juli:<br />
rust‘n‘Dust Jalopy<br />
Kontaktzum Autor<br />
e.rogmann@nordkurier.de<br />
Fachsimpeln und schrauben gehört zu den Treffen. Gern<br />
stehen die Fahrer Besuchern rede und Antwort.<br />
die präsentierten Fahrzeuge haben oft abgründige Kontraste:<br />
chromblitzend und lackiert die einen, offen den rost zur Schau<br />
stellend die anderen.<br />
rost ist ein Markenzeichen der hot rods, die etliches anPSunter der Motorhaube haben.