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Berufsverband bildender Künstler Hamburg - Das Magazin für Kunst ...

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2 o.T. Thema Thema o.T. 3<br />

Wo sind wir, wenn wir zur <strong>Kunst</strong> gehen?<br />

WARUM ES SO SCHWER FÄLLT, ORTE DER KUNST ALS DIE EIGENEN ZU AKZEPTIEREN<br />

Man stelle sich folgende Szene vor: 18 Uhr abends schließt die <strong>Kunst</strong>halle<br />

und aus ihren Toren drängen sich Horden aufgebrachter <strong>Kunst</strong>fans. Die einen<br />

skandieren „Wir wollen keine - Rembrandt Schweine!“, die anderen jubeln<br />

„Von der Elbe bis zur Isar immer wieder Immendorff.“ Nur mühsam gelingt es<br />

der Polizei die <strong>Kunst</strong>-Erregten unter Kontrolle zu halten. Auch in den S- und<br />

U-Bahnen ähnliche Szenarien. In den Farben der Alten oder Neuer Meister<br />

wird aufs heftigste gegen feindliche <strong>Kunst</strong>-Lager oder in Hymnen <strong>für</strong> das eigene<br />

gegrölt und gesungen.<br />

<strong>Das</strong>s <strong>Kunst</strong> nicht Fußball ist hat zumindest den Vorteil, dass ihre Anhänger<br />

selten die Polizei auf den Plan rufen. Allenfalls die <strong>Künstler</strong>. <strong>Das</strong> aber ist<br />

bereits <strong>Kunst</strong>geschichte. <strong>Kunst</strong> ist weder Fußball, noch Sport, eine in vielerlei<br />

Hinsicht erfreuliche Tatsache. Dennoch bleibt der große Neid-Faktor:<br />

Sport vermag Emotionen und enge Identifikationen zu stiften, in der <strong>Kunst</strong><br />

und ihren Institutionen ist das die Ausnahme. Die meisten Politiker bleiben<br />

der <strong>Kunst</strong> von daher eher fern. Auf der Tribüne fühlt sich Politiker wohler als<br />

im Kreise der <strong>Kunst</strong>experten, wo zwar alles wichtig und bedeutsam ist. Doch<br />

warum die Freiheit der <strong>Kunst</strong> als Lippenbekenntnis herunterbeten, wo sich<br />

im warmen Nest des Sports viel leidenschaftlicher suhlen läßt?<br />

Auch wenn in der <strong>Kunst</strong> viel von „Identität“ die Rede ist, bleibt sie sie<br />

schuldig, wenn es um die Bindung der Menschen an den eigenen Ort geht.<br />

<strong>Hamburg</strong>er etwa führen ihren auswärtigen Besuch gerne an die Elbe, auf<br />

den Michel oder zur Modelleisenbahn. Ins Museum oder in die Galerienlandschaft<br />

dagegen selten. Beide sind nicht Teil einer selbstverständlichen und<br />

gewachsenen Identität zwischen Bürgern und ihren Vorstellungen repräsentativer<br />

Kultur.<br />

Gründe <strong>für</strong> diese fehlende Identität gibt es viele. Lange ist <strong>Kunst</strong> etwa<br />

als Erbauungsprogramm gehandelt worden. Oder Ausstellungen mit moderner<br />

<strong>Kunst</strong> als Wiedergutmachung <strong>für</strong> verfemte und geächetete <strong>Kunst</strong> während<br />

des Dritten Reichs. Jüngere <strong>Kunst</strong> ziert sich gerne mit dem Gütesiegel<br />

„Wissensproduktion“ als gelte es, ihr Publikum zu belehren. Defacto sind in<br />

einigen Museen zu bestimmten Tagen mehr Schulklassen als Einzel-Besucher<br />

unterwegs. <strong>Kunst</strong> als Erbauung aber erzeugt eine Art innere Respekt-Barriere,<br />

die den <strong>Kunst</strong>-Besucher permanent auf Distanz hält. Verkehrt sie sich in<br />

ihr Gegenteil, etwa bei ungenügender Vermittlung, erzeugt dies die bekannte<br />

Trotz-Reaktion „<strong>Das</strong> kann mein vierjähriger Sohn ja auch!“ Dabei hat eine<br />

Identifikation der Menschen mit <strong>Kunst</strong> und ihren Institutionen zunächst wenig<br />

mit kunstgeschichtlichem Wissen zu tun. Welcher Michel-Besucher kennt<br />

sich schon im norddeutschen Barock, geschweige denn in Bildprogrammen<br />

dieser Epoche aus? Nicht Wissensneugier, sondern die Überzeugung, einen<br />

Ort als Teil „meiner“ Stadt anzuerkennen, schafft eine positive Bindung.<br />

Partytribüne | Praktischer Hochsitz in dekonstruierter Schrankwand: Eine Koproduktion von Tim John<br />

und Frank Breker mit Jagdtrophäen von MOKI und Fotos von Eva Sauer<br />

<strong>Das</strong>s sich <strong>Kunst</strong> und ihre Häuser auch anders als nur unter didaktischpädagogischen<br />

Aspekten verkaufen lassen, um mehr Lauf- und Stammpublikum<br />

zu gewinnen, hat zu einem wahren Wettbewerb um neue Vermarktungsstrategien<br />

geführt. Heute können wir ein <strong>Kunst</strong>-Frühstück im Museum<br />

goutieren, uns als Stifter über unsere Signatur auf Kacheln verewigen, von<br />

<strong>Kunst</strong>event zu <strong>Kunst</strong>event hetzen, nach „Der langen Nacht der Museen“ ins<br />

ausgediente Kaufhaus mit junger <strong>Kunst</strong> hecheln, in locations aller couleur<br />

Installationen bewundern, jede Menge <strong>Kunst</strong>-Merchandising erwerben,<br />

zahlreichen Freundeskreisen beitreten, Special-Führungen beiwohnen, im<br />

Atelier dem <strong>Künstler</strong> mal „hautnah“ über die Schulter blicken oder Bus-Touren<br />

quer durch die Galerien antreten. Und sollten uns auch Cineasten wegen<br />

der kostenlosen Premieren, sprich Vernissagen beneiden, bleibt eine große<br />

Frage: Wird mit dieser Melange aus Hokus-Pokus, Effekthascherei und lobenswerten<br />

Vermittlungsansätzen ein „Treue-Publikum“ gewonnen? Hohle<br />

Sensatiönchen oder Blockbuster-Ausstellungen hieven zwar kurzfristig die<br />

Zahlen ins politisch erwünschte Korrektiv. Aber eine schillernde Fassade vermögen<br />

sie kaum in ein stabiles Fundament zu verwandeln.<br />

Fangen wir also nochmal beim Fußball an, nicht bei den Spielen oder<br />

ihren Ergebnissen. Lassen wir uns dort nieder, wo das Herz eines jeden Vereins<br />

schlägt, im Vereinslokal. Trophäen und Wimpel, Souvenirs, Zeitungsberichte<br />

und ein Meer von Bildern, alten und neuen Aufnahmen, mit und<br />

ohne Prominenz, bedecken seine Wände. Jeder und jede kann sich auf etwas<br />

beziehen, Erinnerungen austauschen oder Ankedoten erzählen. Warum<br />

haben <strong>Kunst</strong>institutionen keine Vereinslokale, keine Bildergalerien, die<br />

über die Jahrzehnte das Leben seiner Besucher, Ausstellungen, <strong>Künstler</strong><br />

und Kuratoren zeigt? Bestenfalls ein Pressespiegel hängt an den Wänden.<br />

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FOTO: KAI MÜLLENHOFF, SENSEO® ART INITIATIVE<br />

FOTOS: KAI MÜLLENHOFF, SENSEO® ART INITIATIVE<br />

Schaufenster | „WG im Endstadium“ von der Berliner Gruppe FMSW<br />

Nur selten aber Bilder, in denen wir uns wiedererkennen. Ausnahmsweise<br />

geht es hier mal nicht um die <strong>Kunst</strong>, sondern um ihren Ort, der fast schon<br />

stoisch jede Identifikation abwehrt. Ob sie mit oder ohne „Vereinslokal“ zu<br />

gewinnen ist, ist dabei eher sekundär. Aber es ist nicht die ständig im Wechsel<br />

befindliche <strong>Kunst</strong>, die bindet, es ist die Wiedererkennbarkeit des Besuchers<br />

im Ort, die Identifikation erzeugt. | WOLF JAHN<br />

Kaffee, Wein<br />

und weiße Wände.<br />

WAS LEHRT UNS DAS DING-DONG-DING?<br />

Ein leerstehendes Kaufhaus in etwas heruntergekommener Lage, 35 junge<br />

<strong>Künstler</strong>innen und <strong>Künstler</strong>, ein bis zwei Bars und abends jemand, der auflegt:<br />

Fertig ist der <strong>Kunst</strong>event, zu dem bei freiem Eintritt in den ersten drei<br />

Tagen schon über viertausend Gäste kommen. Frische, täglich sich weiter<br />

verändernde <strong>Kunst</strong> im Volldampf-Betrieb <strong>für</strong> 20 Tage im April, ohne einen<br />

Cent öffentlichen Geldes und ganz ohne die Kulturbehörde organisiert. Nur<br />

wenig, ausgesprochen zurückhaltende Werbung und ein deutlich präsentes<br />

Organisations- und Pressebüro geben zu erkennen, dass die senseo® art initiative<br />

hier alles finanziert und erfolgreich Image- und Produktwerbung <strong>für</strong><br />

ihren Kaffe betreibt. Ohne Zweifel war „Ding-Dong“ das Ereignis des letzten<br />

Monats, ein haupstadtwürdiger <strong>Kunst</strong>- und Szenetreff, wie er auch während<br />

des art forums in Berlin hätte stattfinden können.<br />

Szenenwechsel. Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kunst</strong>halle zeigt eine Ausstellung des<br />

niederländischen Malers Peter Lastmann. Noch vor der Eröffnung wird die<br />

normale Arbeit des Hauses zum Event: Man lädt gegen entsprechenden<br />

Eintritt zum Auspacken eines Bildes, das mit Kurier aus Tel Aviv angereist<br />

kommt. Was soll das? Lädt die Stammkneipe etwa zum Live-Event, wenn die<br />

Bierleitung gespült wird?<br />

Dritte Szene: Leicht genervt schließt die Galeristin ihre schönen weißen<br />

Räume. Auch heute kam wieder keiner, um die mehr als eineinhalb Jahre<br />

geplante, schön gehängte Ausstellung konzeptueller Malerei eines jungen<br />

Franzosen anzuschauen. Nur gut, dass sie den Nachmittag einige wichtige<br />

Telefonate erledigen konnte. Bei einem davon wollte sie früher signalisier-<br />

Recycling | Zeremonialhütte aus Styropor von<br />

Yoshiaki Kaihatsu<br />

tem Kaufinteresse nachforschen – aber der weltgewandte Sammler war<br />

schon wieder auf Reisen zu einem Event in einer anderen Stadt.<br />

Was ist eigentlich los in der boomenden <strong>Kunst</strong>szene? Worum geht es<br />

heute, wenn von <strong>bildender</strong> <strong>Kunst</strong> die Rede ist? Ganz sicher nicht mehr um<br />

Bildung. Die Zeiten, in denen die Museen bei freiem Eintritt den Kennern<br />

zur Verfügung standen, sind vorbei – trotz einzelner sozialdemokratischer<br />

Anstrengungen in diese Richtung beispielsweise in Großbritannien. Und<br />

Ideen, die Besucher von <strong>Kunst</strong>ausstellungen <strong>für</strong> ihre notwendig anstrengende<br />

Verständnisarbeit gar zu bezahlen, scheinen geradezu skurril – auch wenn<br />

der „documenta-Besucherschulen“-gestählte Bazon Brock auf seiner <strong>Kunst</strong>tournee<br />

zu seinem 70.Geburtstag diese These verkündet. In der heutigen<br />

Alltagspraxis scheint jedenfalls nichts derartig uninteressant und derartig<br />

ungeeignet, die Bilanz des Ausstellungsinstituts zu verbessern, wie ein Bild<br />

an einer weißen Wand. Eher schon eine edle Weinprobe unter dem 300jährigen<br />

„Stilleben mit Hummer und Pokal“. Nicht einmal Sammler hängen mehr<br />

ihre Bilder zur Betrachtung auf, sondern verwahren sie in Depots, bis sie<br />

sie in irgendeinem von ihnen mitgestalteten und publizistisch hochkarätig<br />

begleiteten Event wieder vorzeigen können.<br />

Nein, niemand will hier jemandem den Spaß verderben. Doch regt sich<br />

bei manchen <strong>Künstler</strong>n und wenigen Vermittlern langsam Widerstand: Leise<br />

Töne und bewusst erlebte Zeitspannen werden eingefordert. Und auch das<br />

Publikum kann etwas ganz Subversives tun: Schauen Sie bei ihrem nächsten<br />

<strong>Kunst</strong>event einfach mal kurz auf die ausgestellten Werke, bevor Sie zur Bar<br />

gehen. Oder reden Sie über die aktuell gezeigte <strong>Kunst</strong>. <strong>Das</strong> hat Stil – auch mit<br />

Anzeige o.T._0.06 21.03.2006 11:00 Uhr Seite 1<br />

einem Drink in der Hand. | HAJO SCHIFF<br />

Simon Waßermann, DER TOR DER HELD, Skulptur, Stahl gelasert,<br />

pulverbeschichtet, Höhe: 22 cm, Auflage 200, Preis € 90.–<br />

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