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Premiere Das Rheingold Herbert Wernicke und Nike Wagner ...

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Schatten kann man herausstellen als dramatischen Akzent, wie bei Bernarda Albas Haus...<br />

Nationaltheaters nicht aus. Frustriert war er deswegen nicht.<br />

Max Keller dachte weiter <strong>und</strong> redete viel mit dem Bühnenbildner<br />

<strong>und</strong> Regisseur <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong>, den er außerordentlich<br />

schätzt. Nach fünf gemeinsamen Flaschen Bier<br />

war etwas Neues gef<strong>und</strong>en. Farbiges Licht auf Dunst: Ein<br />

Regenbogen aus Materie.<br />

Wenn seine Konzepte aufgehen, ist das eine Sternst<strong>und</strong>e für<br />

den Tüftler Max Keller. Als Schweizer ist er vielleicht zu einem<br />

solchen geboren. Und auch sonst bringt er alle Eigenschaften<br />

mit, die es an Vorurteilen zu dem Bergvölkchen gibt: Genauigkeit,<br />

Pünktlichkeit <strong>und</strong> Präzision. Mit eben dieser macht<br />

Max Keller nun seit vier Jahrzehnten Licht.<br />

Dabei ist ihm das Handwerk ebenso wichtig wie das Kunstverständnis.<br />

Nur wer die physikalischen Gesetze von Licht<br />

versteht, wer die Technik der Scheinwerfer kennt <strong>und</strong> weiß,<br />

wo die Apparate platziert werden müssen, um Bühnenbild<br />

<strong>und</strong> Menschen darin optimal auszuleuchten, der darf in Kellers<br />

Augen Licht machen. <strong>Das</strong> Künstlerische <strong>und</strong> Dramaturgische<br />

hat er sich autodidaktisch angeeignet. Inspiriert wird<br />

er immer wieder durch Filme, Bücher <strong>und</strong> Bilder. „Mann, am<br />

Tisch sitzend“ von Rembrand war so eine ganz persönliche<br />

Impression für den Lichtgestalter: „<strong>Das</strong> Bild ist quasi<br />

schwarz-weiß gemalt, die eine Hälfte schwarz, die andere<br />

Hälfte weiß, dazwischen ein Mann im Schattenriß. Ich habe<br />

mir das angeschaut <strong>und</strong> gesagt: So möchte ich leuchten“.<br />

Ob er denn als Handwerker ein Pragmatiker sei? Nein! Entfährt<br />

es Max Keller ganz spontan. Wenn er Lichtkonzepte<br />

10 TAKT 4<br />

entwirft, dann tut er das aus dem Bauch heraus. Wochenlang<br />

kann er manchmal mit einer Produktion schwanger<br />

gehen. Er hört sich bei einer Oper die Musik wieder <strong>und</strong><br />

wieder an, trifft sich mit dem Bühnenbildner oder dem<br />

Regisseur <strong>und</strong> geht spazieren. Irgendwann macht es „Zing“,<br />

<strong>und</strong> die zündende Idee ist geboren. Dann setzt sich Max<br />

Keller an den Schreibtisch <strong>und</strong> zeichnet seine Konzeptidee,<br />

in einer Viertelst<strong>und</strong>e. „Für die Oper arbeiten ist für mich<br />

eine Erholung, man hat die Musik, da ist viel schon festgelegt.<br />

Im Schauspiel ist alles viel unklarer, da wird auch viel<br />

mehr probiert. In der Oper plant man viel mehr im Voraus,<br />

<strong>und</strong> dann muß es passen“.<br />

Früher arbeitete man am Theater ausschließlich mit Glühlicht,<br />

einem warmen Weiß-Ton. Die Scheinwerfer haben<br />

Lampen mit einem Glühwendel, wie man ihn von der Glühbirne<br />

kennt. Max Keller hat, als einer der ersten, vor mehr<br />

als 30 Jahren begonnen, mit Industrielicht <strong>und</strong> damit einem<br />

kalten Weiß zu arbeiten. <strong>Das</strong> war eine der bahnbrechenden<br />

Erkenntnisse in seiner Theaterlaufbahn, wie er zugibt.<br />

Straßenlaternen <strong>und</strong> Natriumdampf einzusetzen <strong>und</strong> auch<br />

die Regisseure von dieser Ästhetik zu überzeugen, das hat<br />

ihn <strong>und</strong> seinen Lichtstil geprägt. Mittlerweile arbeitet Max<br />

Keller viel mit sogenanntem HMI-Scheinwerfern. Diese erzeugen<br />

Licht, indem sie ein Leuchtgas in der Lampe entzünden.<br />

<strong>Das</strong> Weiß hat dabei einen leichten Blaustich. Vom Weiß<br />

des Lichts schreibt Max Keller auch in seinen Büchern.<br />

„Faszination Licht“ heißt sein letztes, das auch in englisch<br />

...oder wegleuchten, wie in Le nozze di Figaro, als Beispiel des von Max Keller entwickelten schattenfreien Leuchtens.<br />

erschienen ist <strong>und</strong> für das er den „Golden Pen Award“ erhalten<br />

hat. Die Andrucke der Titelseiten hängen über seinem<br />

Schreibtisch. Ein Mann mit Hut im Schattenriß vor einem<br />

rot ausgeleuchteten Türspalt. <strong>Das</strong> hat Kraft <strong>und</strong> Poesie.<br />

Farben sind nämlich ein ganz entscheidendes Merkmal<br />

seines Stils, kräftige Farben. In seinem Atelier hängen Fotos<br />

von der umjubelten Inszenierung von Tristan <strong>und</strong> Isolde an<br />

der MET in New York. Eine feuerrote beleuchtete Wand, dann<br />

eine gelbe, schließlich eine blaue. „Rot ist die Liebe, Gelb ist<br />

der Neid, <strong>und</strong> Blau ist Italien“, schwärmt der Lichtzauberer.<br />

Und mit dieser Psychologie kann er die Zuschauer dramaturgisch<br />

führen. Er erinnert sich noch gut, wie er in seinen<br />

frühen Jahren mit einem Bühnenbildner gestritten hat, welche<br />

Farbe für eine Szene die richtige sei. „Der Bühnenbildner<br />

sagte diese <strong>und</strong> ich, nein diese. Wir haben beide ausprobiert,<br />

<strong>und</strong> ich hatte dann recht. Ich hatte Glück, daß es ein Bühnenbildner<br />

war, der seinen Irrtum auch zugab.“<br />

Ums „recht haben“ geht es Max Keller nie. Wichtig für ihn ist<br />

es, die gleiche Sprache wie der Regisseur <strong>und</strong> der Bühnenbildner<br />

zu sprechen, sich auseinanderzusetzen auch aneinander<br />

zu reiben. Deswegen unterrichtet er auch Lichtgestaltung<br />

am „Mozarteum“ in Salzburg, <strong>und</strong> zwar Bühnenbild<strong>und</strong><br />

nicht etwa Lightdesignstudenten. Denn die Hochschüler<br />

sollen wissen, wie Licht funktioniert, <strong>und</strong> sie sollen lernen,<br />

sich auszudrücken: Nur im Dialog mit dem Lightdesigner,<br />

den der Bühnenbildner ja auch braucht, um sein Opus wirken<br />

zu lassen, kann Theater funktionieren.<br />

Alles auf der Bühne ist ein Gemeinschaftswerk. <strong>Das</strong> schätzt<br />

Max Keller an seiner Arbeit: <strong>Das</strong> gemeinsame Entwickeln in<br />

Gesprächen <strong>und</strong> durch Probieren. <strong>Das</strong> bedeutet auch oft,<br />

nachgeben zu müssen. „Theater ist Kompromiß“, das sagt<br />

er ohne Bedauern. Er setzt auf Teamwork. Deswegen ist er<br />

schließlich ans Theater gegangen. Und wegen seiner Beleuchtungsmannschaft<br />

ist er auch an den Münchner Kammerspielen<br />

geblieben, als Dorn <strong>und</strong> Rose die Straßenseite<br />

gewechselt haben...<br />

Freizeit hat er als Chef einer Abteilung <strong>und</strong> Lichtgestalter<br />

kaum. Aber wenn, dann kocht Max Keller gerne. Ein Tag in<br />

der Küche zwischen „Schweizer Röschti“ <strong>und</strong> ausländischen<br />

Experimenten ist für ihn Erholung pur. Oder er fährt mit<br />

seinem Motorrad einfach raus. Um ganz abzuschalten von<br />

künstlichem Licht im schwarzen Raum, geht er Bergsteigen.<br />

Auf dem Gletscher, eins mit der Natur, holt er sich dann<br />

Inspirationen für die nächsten Produktionen. Überhaupt<br />

scheint er sehr in sich selbst zu ruhen. Bereitwillig beantwortet<br />

er jede Frage: Nur sein Alter bleibt ein Geheimnis.<br />

Von Beginn der Beleuchtungsproben für die Neuinszenierung<br />

<strong>Rheingold</strong> Anfang Februar bis zur <strong>Premiere</strong> von Götterdämmerung<br />

nächste Spielzeit wird Max Keller 16 St<strong>und</strong>en<br />

Musik in Licht getaucht haben. Zu leuchten, ohne sich zu<br />

wiederholen, das wird schwierig, gibt er zu. Aber er hat genug<br />

in seiner Trickkiste: Farben, Licht <strong>und</strong> Schatten <strong>und</strong> sogar<br />

alles auf einmal: weißes Licht mit farbigem Schatten.<br />

TANJA GRONDE<br />

TAKT 4 11

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