Direkte Demokratie in der Schweiz – Länderbericht ... - servat.unibe.ch
Direkte Demokratie in der Schweiz – Länderbericht ... - servat.unibe.ch
Direkte Demokratie in der Schweiz – Länderbericht ... - servat.unibe.ch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
die halbjährige S<strong>ch</strong>lussphase des Abstimmungskampfs gefüllt worden war. Dazu<br />
hatten 85.000 lizenzierte S<strong>ch</strong>ützen während drei Jahren ihren Mitglie<strong>der</strong>beitrag<br />
um zusätzli<strong>ch</strong>e fünf Franken aufgestockt. Den Initianten standen demgegenüber<br />
na<strong>ch</strong> eigenen Angaben etwa 300.000 Franken zur Verfügung.<br />
Die Regierung nahm <strong>der</strong> Initiative e<strong>in</strong>en Teil ihrer Stosskraft, <strong>in</strong>dem sie mehrere<br />
vorbeugende Maßnahmen mit faktis<strong>ch</strong> sehr breiter Publizität ergriff <strong>–</strong> unter<br />
an<strong>der</strong>em die E<strong>in</strong>ziehung <strong>der</strong> Tas<strong>ch</strong>enmunition, die freiwillige Abgabe <strong>der</strong><br />
Dienstwaffe im Zeughaus und e<strong>in</strong>e Si<strong>ch</strong>erheitsüberprüfung von Rekruten. Bei<br />
<strong>der</strong> Abstimmung am 13. Februar 2011 folgte das Volk <strong>der</strong> Empfehlung des Bundesrates<br />
und <strong>der</strong> Bundesversammlung und spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> mit e<strong>in</strong>em Ne<strong>in</strong>-<br />
Stimmenanteil von 56,3% relativ deutli<strong>ch</strong> gegen die Initiative aus.<br />
In <strong>der</strong> Analyse des Abstimmungsergebnisses zeigte si<strong>ch</strong>, dass neben dem Argument,<br />
die For<strong>der</strong>ungen seien bereits zum Teil erfüllt worden, vor allem die<br />
Wehrtradition <strong>der</strong> Milizarmee bei <strong>der</strong> Ablehnung <strong>der</strong> Initiative Gewi<strong>ch</strong>t hatte. 15<br />
Die Argumentation zur Suizidprävention wurde von den Gegnern zudem fast<br />
e<strong>in</strong>hellig abgelehnt. Im Vorfeld war erwartet worden, dass si<strong>ch</strong> das Abstimmungsverhalten<br />
wohl entlang <strong>der</strong> Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tergrenze und <strong>der</strong> Stadt-Land-<br />
Grenze teilen würde. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> bestätigte si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Stadt-Land-Unters<strong>ch</strong>ied, zusätzli<strong>ch</strong><br />
erweitert dur<strong>ch</strong> den Ost-West-Unters<strong>ch</strong>ied (sog. Röstigraben), weil mit<br />
Ausnahme von Freiburg und Wallis die Wests<strong>ch</strong>weizer Kantone die Initiative<br />
mehrheitli<strong>ch</strong> annahmen. Weniger deutli<strong>ch</strong> war die Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terdifferenz: Die<br />
Korrelation zur Befürwortung <strong>der</strong> Initiative war sowohl beim (junge) Alter als<br />
au<strong>ch</strong> <strong>–</strong> mit Abstand am stärksten <strong>–</strong> beim (höheren) Bildungsstand ausgeprägter<br />
als beim (weibli<strong>ch</strong>en) Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t.<br />
h) Gültigerklärung <strong>–</strong> Erbs<strong>ch</strong>aftssteuer<strong>in</strong>itiative<br />
Äußerst umstritten ist die Initiative „Millionenerbs<strong>ch</strong>aften besteuern für unsere<br />
AHV“, denn sie sieht unter an<strong>der</strong>em vor, dass die neue Erbs<strong>ch</strong>aftssteuer rückwirkend<br />
ab dem 1. Januar 2012 gelten soll. Das Zustandekommen <strong>der</strong> Initiative<br />
hat gegen Jahresende e<strong>in</strong>en so starken Anstieg <strong>der</strong> Übers<strong>ch</strong>reibungen von<br />
Grundeigentum ausgelöst, dass die Notare und Ämter den Begehren gar ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr na<strong>ch</strong>kommen konnten. Voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> werden no<strong>ch</strong> drei o<strong>der</strong> vier Jahre<br />
vergehen, bis die Initiative gegebenenfalls angenommen und <strong>in</strong> Kraft getreten<br />
ist. Dann wird si<strong>ch</strong> die Regelung als e<strong>in</strong>e Dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>ung des verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Rückwirkungsverbots darstellen <strong>–</strong> jedenfalls wenn man trotz <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensiven<br />
15 Pascal Sciar<strong>in</strong>i/Alessandro Nai, Analyse <strong>der</strong> eidgenössis<strong>ch</strong>en Abstimmung v. 13. Februar<br />
2011, VOX-Analyse, hrsgg. von gfs.bern, 2011, S. 22 u. 24, mit weiteren Analyseergebnissen.<br />
143