Direkte Demokratie in der Schweiz – Länderbericht ... - servat.unibe.ch
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nistrativ spri<strong>ch</strong>t gegen die neue Na<strong>ch</strong>zählungsregel vor allem, dass sie e<strong>in</strong>e aufwendigere<br />
Na<strong>ch</strong>sorge bei den Abstimmungsunterlagen erfor<strong>der</strong>t.<br />
Diese adm<strong>in</strong>istrative Problematik zeigt e<strong>in</strong> jetzt neu aufgetretener Fall. Bei e<strong>in</strong>er<br />
Abstimmung im Kanton Bern über die Motorfahrzeugsteuer hatte das Volk<br />
entgegen <strong>der</strong> Empfehlung des Grossen Rates (Legislative) neben dessen Vorlage<br />
au<strong>ch</strong> den Volksvors<strong>ch</strong>lag 10 angenommen und damit e<strong>in</strong>e Mehrheit für beide Vorlagen<br />
erzielt (Vorlage des Grossen Rates: 52,7% Ja-Stimmen; Volksvors<strong>ch</strong>lag:<br />
50,4% Ja-Stimmen). Aufgrund dieses Ergebnisses sollte die Sti<strong>ch</strong>frage ents<strong>ch</strong>eiden,<br />
wel<strong>ch</strong>e jedo<strong>ch</strong> mit e<strong>in</strong>em Stimmenunters<strong>ch</strong>ied von bloß 363 von über<br />
300.000 Stimmen äußerst knapp zugunsten des Volksvors<strong>ch</strong>lags ausfiel<br />
(50,05%). Der Kanton Bern kennt bisher ke<strong>in</strong>e gesetzli<strong>ch</strong>e Knappheitsregelung,<br />
aber an<strong>der</strong>e Kantone sehen e<strong>in</strong>e Na<strong>ch</strong>zählungspfli<strong>ch</strong>t vor, wenn die Differenz<br />
beispielsweise unter 0,3% (Graubünden, S<strong>ch</strong>affhausen) o<strong>der</strong> 0,4% (Züri<strong>ch</strong>) liegt,<br />
so dass e<strong>in</strong>e Differenz von nur 0,05% si<strong>ch</strong>er als knapp anzusehen se<strong>in</strong> dürfte.<br />
Demgemäß hat das Berner Verwaltungsgeri<strong>ch</strong>t <strong>in</strong> Anknüpfung an die bundesgeri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung die kantonsweite Na<strong>ch</strong>zählung angeordnet. 11 Inzwis<strong>ch</strong>en<br />
waren aber <strong>in</strong> mehr als 20 Geme<strong>in</strong>den die Abstimmungsunterlagen bereits<br />
verni<strong>ch</strong>tet worden. Weil die angeordnete Na<strong>ch</strong>zählung dadur<strong>ch</strong> unmögli<strong>ch</strong> wurde,<br />
muss nun die gesamte Abstimmung wie<strong>der</strong>holt werden. Das ist ni<strong>ch</strong>t nur e<strong>in</strong><br />
erhebli<strong>ch</strong>er f<strong>in</strong>anzieller Aufwand, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> Ärgernis für die Stimmbere<strong>ch</strong>tigten,<br />
die <strong>in</strong> kurzer Folge zu <strong>der</strong>selben Sa<strong>ch</strong>e mehrfa<strong>ch</strong> befragt werden. Zukünftig<br />
wird man alle Abstimmungsunterlagen sehr viel länger aufbewahren<br />
müssen. Zudem wurde s<strong>ch</strong>on jetzt angekündigt, dass <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holungsents<strong>ch</strong>eid<br />
des Verwaltungsgeri<strong>ch</strong>ts se<strong>in</strong>erseits vor dem Bundesgeri<strong>ch</strong>t angefo<strong>ch</strong>ten<br />
wird.<br />
4. Praxis <strong>der</strong> Volks<strong>in</strong>itiativen<br />
a) „E<strong>in</strong>kauf“ von Unters<strong>ch</strong>riften <strong>–</strong> Stipendien<strong>in</strong>itiative<br />
Im Unters<strong>ch</strong>riftsstadium s<strong>in</strong>d es normalerweise die Initianten und ihre politis<strong>ch</strong>en<br />
Unterstützer, die dur<strong>ch</strong> ehrenamtli<strong>ch</strong>en E<strong>in</strong>satz an zentralen Orten (Fußgängerzone,<br />
Lebensmittelmärkte, Universitätsgelände) die Unters<strong>ch</strong>riftenbögen<br />
ausfüllen lassen und dabei den <strong>in</strong>teressierten Passanten au<strong>ch</strong> Fragen zu den poli-<br />
10 Beim Volksvors<strong>ch</strong>lag können 10.000 Stimmbere<strong>ch</strong>tigte im Kanton Bern e<strong>in</strong>en Gegenentwurf<br />
zu e<strong>in</strong>er Gesetzesvorlage unterbreiten. Wie beim (direkten) Gegenentwurf zur<br />
Volks<strong>in</strong>itiative auf Bundesebene wird mittels e<strong>in</strong>er Sti<strong>ch</strong>frage darüber ents<strong>ch</strong>ieden, wel<strong>ch</strong>e<br />
von zwei angenommenen Vorlagen <strong>in</strong> Kraft gesetzt werden soll.<br />
11 Urteil des Verwaltungsgeri<strong>ch</strong>ts des Kantons Bern vom 22. Juni 2011 i.S. X. bzw. Y. gegen<br />
Kanton Bern, Nr. 100.2011.69/100.2011.86.<br />
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