Transalp - Motorradreporter
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tierte ich tränenblind die mattschwarzeVier-in-Nichts-Marving<br />
von meiner 77er 1000er-<br />
Kawa, es war damals die<br />
schnellste Kawa Wiens, um auf<br />
einen typisierten Sebring umzurüsten.<br />
Aus dem Lautsprecher<br />
des altersschwachen Kassettenrekorder<br />
kläffe Dylan<br />
"the first one now will later be<br />
last. . .", als plötzlich ein kurzgeschorener<br />
Kopf mit breitem<br />
Grinsen im Garagenfenster auftauchte.<br />
"Habe die Ehre."<br />
"Grüß Gott."<br />
"No, des muaß geh'n."<br />
Kurzum, ich ließ mich überreden.<br />
Meine Kawa habe ich nie<br />
mehr gesehen. Ich wollte sie<br />
gar nicht mehr sehen, die traurigen<br />
Reste. Seither ähneln wir in<br />
Gleichmut und Handhaltung einer<br />
Buddha-Statue, wenn die<br />
Sprache auf außergewöhnliche<br />
Verformungen im Testmaschinen-Fuhrpark<br />
kommt. Carlos ist<br />
nämlich der zuständige Mann<br />
für die Analyse der Fahrsituationen<br />
im Extrembereich und<br />
sorgt solcherart für natürliche<br />
Auslese unter den neuen Modellen.<br />
Allerdings muß man sagen, daß<br />
seine Vorsicht proportional mit<br />
seinen Formulierungskünsten<br />
über Konstruktionsschwächen<br />
wie" Hinter der Verkleidungsscheibe<br />
sieht man verzerrt,<br />
deswegen habe ich zu spät gebremst",<br />
oder" Bis zum Wegrutschen<br />
des Vorderrades hatte<br />
ich alles unter Kontrolle", anstieg.<br />
Überflüssig zu erwähnen, daß<br />
die Bewertungsskala für Motorräder<br />
bei Carlos erst ab 70 PS<br />
anfing. Und da stand er eines<br />
Tages vor der Garage und fragte<br />
wie immer ganz arglos:<br />
"Was gibt's denn zum Testen?"<br />
Ohne aufzublicken zeigte ich in<br />
den hintersten Winkel der Garage,<br />
wo ein reichlich verchromtes<br />
Gebilde sein einsames Da-<br />
sein fristete. Carlos runzelte<br />
ungläubig die Stirne und erfaßte<br />
die Katastrophe erst nach ein<br />
paar Sekunden in ihrer ganzen<br />
Tragweite:<br />
"Des is a Krapf'n."<br />
"Aber Carlos."<br />
"Auf so was steig' ich nicht<br />
auf. "<br />
12 Der REITWAGEN<br />
"Aber Carlos."<br />
"Mit dem bist' am Exelberg verblasen.<br />
"<br />
"Aber Carlos."<br />
"Was is' das überhaupt?"<br />
Ich hielt es nun für angebracht,<br />
Carlos die verborgenen Werte<br />
unseres Garagenmauerblümchens<br />
näherzubringen.<br />
"Dieses Motorrad, über das du<br />
dich so despektierlich geäußert<br />
hast, ist eine Suzuki LS 650.<br />
Insider sprechen sie einfach mit<br />
Savage an, was adjektivisch betrachtet,<br />
wild, respektive unge-<br />
zähmt, bedeutet, während eine<br />
allfällige substantivierte Betrachtung<br />
laut Langenscheidt<br />
auch den Begriff eines bissigen<br />
Pferdes inkludiert."<br />
Ich konnte leider nicht in Erfahrung<br />
bringen, ob das Motorrad<br />
seinen Namen vielleicht einem<br />
Auftritt in der Comic- und TV-<br />
Serie" Doc Savage" verdankt.<br />
Das Erscheinungsbild der Savage<br />
entspricht der aktuellen<br />
Softchopperwelle. Leute mit<br />
überdurchschnittlicher Körpergröße<br />
findßn auf der Suzuki<br />
zwar eine .bequeme Sitzposition,<br />
sorgen aber bei anderen<br />
Verkehrsteilnehmern ob des<br />
zierlich gebauten Untersatzes<br />
für betr?chtliche Erheiterurr.<br />
D,ie . der Fahrwerkskonstruktion<br />
LS 650 bleibt streng<br />
auf der konservativen Seite, die<br />
ölgedämpfte 37mm-Telegabel<br />
und die an zwei Stoßdämpfern<br />
abgestützte Schwinge werden<br />
von einem Einschleifen-Rohrrahmen<br />
mit geteilten Unterzügen<br />
zusammengehalten. Besonderes<br />
gibt es dafür vom Motor<br />
zu vermelden. Der respekteinflößende<br />
Topf schöpft aus<br />
652 ccm, eine oben liegende dunklen Helm und eine andere<br />
Nockenwelle, der von der GSX- Jacke."<br />
R bekannte TSCC-Brennraum "Nimm Dir meinetwegen eine<br />
und eine Ausgleichswelle be- Tarnkappe oder eine Narrenfriedigen<br />
die Ansprüche nach kappe, nur fahr jetzt endlich!"<br />
zeitgemäßer Mechanik. Erwäh- Carlos entschwand in sichtlich<br />
nenswert ist der konstante gedrückter Stimmung.<br />
Drehmomentverlauf zwischen ,,31 PS... Weltuntergang. .."<br />
1.700 min-1 und 4.900 min-1, "Ach ja", rief ich ihm nach, "Du<br />
ein Verdienst der überdimen- brauchst den fünften Gang<br />
sionierten Schwungmasse und nicht zu suchen, es gibt nur<br />
des mit 94 mm recht üppig aus- vier, aber dafür gibt es einen<br />
gefallenen Kolbenweges. Die elektrischen Starter. Und vergiß<br />
Motorleistung ist laut Werkstatt- bitte nicht, Dich angesichts der<br />
handbuch über jeden Zweifel vorhandenen Möglichkeiten ei-<br />
~ nes moderaten Fahrstiles zu<br />
0' befleißigen."<br />
erhaben, "bietet überlegene<br />
Leistung und zeichnet sich<br />
durch Leichtbauweise, einen<br />
Viertaktmotor, Motorabgleicher<br />
und ein elektrisch gesteuertes<br />
automatisches Dekompressionssystem<br />
aus". "Im Ernstfall<br />
stehen Dir also 31 PS zur Verfügung,<br />
ich hoffe aber, mein<br />
teurer Carlos, daß Du sie auf<br />
Deiner Testfahrt nicht benötigen<br />
wirst." "Und was ist hier<br />
los?", fragte Carlos und zeigte<br />
auf das riesige Zahnrad am Hinte<br />
rrad.<br />
"Zahnriemenantrieb, das Beste,<br />
das Neueste, fast wartungsfrei,<br />
kein Spiel mehr im<br />
Antrieb, verschleißfester als eine<br />
herkömmliche Kette und -<br />
jetzt sperr die Ohren auf - kostet<br />
weniger Leistung als eine<br />
Kette. "<br />
"Gibts das auch für meine<br />
750er?"<br />
"Fahr jetzt endlich!"<br />
"Muß ich denn wirklich mit der<br />
Affenschaukel fahren?"<br />
"Aber Car/os."<br />
"Was ist, wenn man mich erkennt?"<br />
"Aber Carlos."<br />
"Gib mir wenigstens einen<br />
Eine das Stunde Telefon. später Carlos läutete war<br />
am anderen Ende der Leitung,<br />
und es bereitete ihm hörbare<br />
Mühe, seine ersten Fahreindrücke<br />
in zusammenhängende<br />
Sätze zu fassen:<br />
" . . . bin erkannt worden. .. hat<br />
mich überholt... nirgends umlegen.<br />
. . gedemütigt.. . Krapf'n<br />
hat überhaupt keine Leistung.<br />
.. mit dem Bus heimfahren..<br />
."<br />
Ich ermahnte ihn zur Ruhe und<br />
ersuchte um einen genauen<br />
Rapport in der Redaktion. Bis<br />
dahin hatte sich Carlos einigermaßen<br />
gesammelt und konnte<br />
in Ruhe über die Savage berichten:<br />
"Sitzposition und Bedienungselemente<br />
sind in Ordnung. Der<br />
hochgezogene Lenker ist zu<br />
schmal ausgeführt, das führt zu<br />
einer angespannten Armhaltung<br />
und vermindert die Beweglichkeit<br />
der Maschine im<br />
Stadtverkehr. Das Getriebe will<br />
mit Kupplung geschaltet wer- ,<br />
den, die vier Gänge sind dank<br />
der vorbildlichen Motorcharak- ,<br />
teristik mehr als ausreichend.<br />
Man kann fast alles im vierten t<br />
Gang fahren, vom Standgas<br />
weg setzt der Motor Bewegungen<br />
am Gasgriff in dezenten<br />
Vortrieb um. Durch die vergleichsweise<br />
geringe Leistung,<br />
die Verwendung einer Ausgleichswelle<br />
und die weiche<br />
Motoraufhängung sind keine<br />
unangenehmen Vibrationen wie<br />
z. B. am gleichgroßen Kawa-<br />
Einzylinder zu spüren.<br />
Die Fahrwerksabstimmung verspricht<br />
auf den ersten Metern<br />
ausreichenden Komfort, auf<br />
Unebenheiten ist allerdings die'<br />
- - -~~