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Militaer_aktuell_2_2017

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0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

sowie TV- und Radio-Beiträge aus<br />

diversen Krisenregionen dieser Welt.<br />

Schnell muss es gehen. Das Internet hat<br />

dafür gesorgt, dass jede Kriegspartei in<br />

Echtzeit über die sozialen Medien die<br />

Möglichkeit hat, ihre Sicht der Wahrheit<br />

zu verbreiten und somit Information<br />

und Desinformation zu liefern.<br />

Echte Reporter berichten im Idealfall,<br />

ohne Partei zu ergreifen. Kriegsberichterstatter<br />

stehen auf keiner Seite, sie<br />

mischen sich nicht ein, dokumentieren<br />

nur. Kameras und Computer sind ihre<br />

Waffen. „Lauter Wahnsinnige“, sagen<br />

die einen angewidert, „fantastische<br />

Journalisten“, meinen andere voller<br />

Ehrfurcht. „Wichtig ist die physische<br />

Nähe, aber auch die psychische Distanz“,<br />

erzählt Wendl, der schon bald<br />

ein Buch mit einprägsamen Titel zum<br />

Thema auf den Markt bringen möchte:<br />

30 Jahre Krieg! Reporter des Krieges<br />

bewegen sich ständig in Ausnahmesituationen<br />

und finden oft auch großen<br />

Gefallen an ihrem abenteuerlichen<br />

Leben, das mit jeder Menge Adrenalin<br />

verbunden ist. Aber Wendl weiß auch<br />

um die Gefahren: „Krieg bringt auf<br />

allen Seiten das Schlechteste der<br />

Menschen zutage.“<br />

Das weiß auch Friedrich Orter. Drei<br />

Jahrzehnte lang berichtete er im Auftrag<br />

des ORF über bewaffnete Konflikte.<br />

Vor fünf Jahren ist er in Pension gegangen.<br />

„Da draußen wird wirklich gestorben“,<br />

sagt er, „Menschen kämpfen<br />

ums nackte Überleben. Wenn man einmal<br />

in ein Massengrab geschaut hat, ist<br />

man nicht mehr der, der man vorher<br />

war. Nietzsche hat einmal gesagt:<br />

‚Wenn du lange genug in den Abgrund<br />

schaust, dann schaut der Abgrund auch<br />

in dich hinein!‘ Das von den Menschen<br />

inszenierte Leid bringt viele Journalistenkollegen<br />

dazu, den Beruf zu wechseln.<br />

Oder zur Flasche zu greifen.“<br />

Jedes Jahr sterben Journalisten irgendwo<br />

auf der Welt in einem Krieg. Was in<br />

diesen Menschen vorgeht, die für eine<br />

blutige Sensation ihr Leben riskieren,<br />

weiß niemand so recht zu sagen. Am<br />

allerwenigsten die Reporter selbst. Der<br />

englische Fotograf Tim Page wurde<br />

zufällig Kriegsberichterstatter. Ende<br />

der 1960er-Jahre war er als Hippie auf<br />

Haschisch-Trip im Fernen Osten unterwegs<br />

und kam auf allerlei Umwegen<br />

nach Vietnam, ohne genau zu wissen,<br />

was dort los war. In einem BBC-Interview<br />

gestand er: „Ich hatte überhaupt<br />

keine Vorstellung vom Krieg. Es war<br />

ein Trip, ich habe ihn ausgelebt. Keine<br />

Ahnung, welchen Anteil die Drogen<br />

dabei hatten, aber heute kann ich mit<br />

Sicherheit sagen: Das war die glanzvollste<br />

Sache, die ich je gemacht habe.<br />

Alles war so natürlich, und bis jetzt<br />

kann ich überall auf der Welt Essen<br />

bekommen und ein Bett und einen<br />

Joint. Alles ist okay.“<br />

Im Dschungel von Vietnam begleitete<br />

er eine amerikanische Bodeneinheit.<br />

Dabei stieg neben ihm ein Sergeant auf<br />

eine Landmine, Splitter trafen den Reporter.<br />

Der Sergeant war sofort tot, und<br />

Tim wurde zu Boden gerissen: „Ich saß<br />

da und fühlte mich sehr nass. Meine<br />

Gedärme hingen heraus. Das ist eine<br />

Feuchtigkeit, die wie Klebrigkeit ist. Es<br />

war, als würde ich frierend im Schnee<br />

sitzen und gleichzeitig vor Hitze umkommen.<br />

Ich erinnere mich, dass ich<br />

zu meiner Kamera griff, das Weitwinkel-Objektiv<br />

herunternahm und gegen<br />

eine Porträtlinse tauschte. Und ich<br />

schoss drei Bilder …“ Dann brachte<br />

man ihn ins Lazarett, wo sie ihn zusammenflickten<br />

und sein Leben retteten.<br />

„Der Schutzschild gegen den Wahnsinn<br />

des Krieges ist die Kamera“, so der Brite.<br />

„Man muss seinen Job machen. Das<br />

ist keine Frage von Hundertstelsekunden.<br />

Man muss immer daran denken,<br />

ein perfektes Bild zu machen.“ Es sei<br />

keine Tugend, „im Leichenschauhaus<br />

zu liegen“, meinte Nick Downie sarkastisch<br />

in einem Bericht für das Magazin<br />

Wiener. Sein Tonmann wurde in Afrika<br />

ein paar Schritte vor ihm erschossen:<br />

„Es berührte mich nicht wirklich. Ich<br />

hatte zu viele Tote gesehen. Erst zu<br />

Hause, als ich meine Frau im Arm hielt,<br />

musste ich an ihn denken und stellte<br />

fest, dass das Leben sehr lebenswert<br />

war.“ Der ehemalige Soldat Downie arbeitete<br />

15 Jahre lang als freier Journalist:<br />

„Als Freelancer muss man sich<br />

einen Krieg aussuchen, der bei den<br />

Herausgebern und Chefredakteuren<br />

und Fernsehintendanten populär ist,<br />

aber eben nicht so populär, dass sie ihre<br />

REPORTER-<br />

LEGENDEN<br />

Friedrich Orter<br />

(links) berichtete<br />

drei Jahrzehnte<br />

für den ORF aus<br />

Krisengebieten,<br />

Karl Wendl ist<br />

<strong>aktuell</strong> für die<br />

Zeitung Österreich,<br />

den zugehörigen<br />

TV-Kanal<br />

und die Plattform<br />

oe24.at tätig.<br />

eigenen Leute hinschicken. Vor allem<br />

Guerilla-Kriege sind ein sehr zähes<br />

Geschäft, da geht es nicht nur darum,<br />

ob man erschossen wird oder nicht.<br />

Ich habe mich eigentlich fast nie<br />

gefürchtet. Man hat nur Angst, wenn<br />

man von inkompetenten Leuten<br />

umgeben ist. Die Soldaten, mit denen<br />

ich unterwegs war, waren meistens<br />

sehr gute Soldaten.“<br />

Als freier Journalist einen Krieg an<br />

ein Medium zu verkaufen, ist oftmals<br />

härtere Arbeit als die Reportage selbst.<br />

Nick wusste, dass das Monate dauern<br />

kann: „Vor allem deshalb, weil die Herrschaften<br />

oft gar nicht wissen, was in<br />

der Welt vorgeht. Ich erzähle ihnen von<br />

der Westsahara und von der Polisario<br />

und sie machen lange Gesichter. Sie<br />

wissen nichts darüber. Es hängt von<br />

vielen Faktoren ab, ob das Publikum<br />

FOTO S : P I C T U R E D E S K , B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L

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