Breslau/Wrocław – die ehrgeizige Stadt - Instytut Filologii Germańskiej
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Elixiere 5. Ausgabe Wrocław 2011<br />
Zunächst muss ich das etwas einschränken, ich<br />
glaube nicht, dass ich so vorzüglich Polnisch spreche.<br />
Vielleicht gehöre ich zu den wenigen Deutschen,<br />
<strong>die</strong> sich für das Polnische interessieren und<br />
angefangen haben, Polnisch zu lernen. Aber ich<br />
bin nicht zufrieden, mein Wortschatz ist noch klein<br />
und ich drücke mich oft nicht idiomati sch aus. Der<br />
Grund dafür war eher politi sch. Ich lebte in der damaligen<br />
DDR, arbeitete als Assistent an der Akademie<br />
der Wissenschaft en in Ostberlin und ich war<br />
unzufrieden mit der Berichterstatt ung in unseren<br />
Zeitungen, im “Neuen Deutschland” usw. Vor allem<br />
im Bezug auf <strong>die</strong> Lage in Polen, wo sich einiges<br />
ereignet hat. Da gab es schon <strong>die</strong> ersten Protestakti<br />
onen in Danzig. Noch vor Lech Wałęsa und der<br />
Gründung der Solidarność, und zwar Ende der 50er<br />
Jahre. Ich wollte mehr wissen und nahm deswegen<br />
an einem Kurs im Ośrodek Kultury Polskiej in<br />
Ostberlin teil. Dort habe ich angefangen, Polnisch<br />
zu lernen. 1961 bin ich gefl üchtet, habe mich dann<br />
mehrere Jahre in Westdeutschland gar nicht mit<br />
dem Polnischen beschäft igt. 1969 bin ich in <strong>die</strong><br />
USA gefahren, habe dort wieder angefangen, Polnisch<br />
zu betreiben, was nicht so leicht war, weil<br />
dann immer vom Englischen ins Polnische und umgekehrt<br />
übersetzt werden musste. Nach 1972, als<br />
ich <strong>die</strong> Professur in Köln kriegte, habe ich wieder<br />
regelmäßig an Kursen an der Uni Köln teilgenommen.<br />
Mein Polnisch hat sich deutlich verbessert<br />
als ich in den 80-er Jahren eine Einladung für ein<br />
Semester an <strong>die</strong> KUL bekam. Nach meiner Rückkehr<br />
hatt e ich nicht viel Gelegenheit zu sprechen<br />
und musste wiederum andere Sprachen lernen,<br />
wie z. B. Französisch (Gastprofessur) oder Dänisch,<br />
da ich auch mit einer Dänin verheiratet war.<br />
Wie hat Ihre Zusammenarbeit mit den polnischen<br />
Hochschulen begonnen?<br />
Ich bekam eine Einladung an <strong>die</strong> KUL von Professor<br />
Grucza, einem prominenten germanisti schen<br />
Linguist aus Warschau, vermitt elt. Dort machte ich<br />
neue Bekanntschaft en und bekam weitere Einladungen<br />
zu Vorträgen in Poznań und Rzeszów wie<br />
auch zu Gastprofessuren in Szczecin, Wrocław,<br />
Warschau und noch mal in Lublin.<br />
Sie haben <strong>die</strong> Erfahrung gemacht, ein Semester<br />
lang mit Studenten aus Wrocław zu arbeiten,<br />
waren auch oft Gast an Universitäten in Amerika<br />
FACHSCHAFTEN<br />
und asiati schen Ländern. Wie vernehmen Sie <strong>die</strong><br />
Unterschiede?<br />
Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass <strong>die</strong> polnischen<br />
Germanisti kstudenten zu den besten nicht<br />
deutschsprachigen Germanisti kstudenten zählen,<br />
<strong>die</strong> ich kenne. In Polen und Ungarn spricht man<br />
das beste Deutsch. Wobei in Ungarn <strong>die</strong> Sprachverhältnisse<br />
nachgelassen haben, da man bei den<br />
Aufnahmeprüfungen nicht mehr entsprechende<br />
Sprachkenntnisse fordert. InBrasilien dagegen waren<br />
<strong>die</strong> Deutschkenntnisse sehr mangelhaft , sie<br />
haben <strong>die</strong> einfachsten Sätze nicht verstanden.<br />
Bis vor kurzer Zeit erfreute sich an unserer Universität<br />
<strong>die</strong> literaturwissenschaft liche Fakultät<br />
einer größeren Beliebtheit als <strong>die</strong> sprachwissenschaft<br />
liche. Gilt <strong>die</strong>se Tendenz auch an den deutschen<br />
Uni’s?<br />
Ja. Man kann wirklich verallgemeinern und sagen,<br />
dass weitaus <strong>die</strong> meisten Studenten <strong>die</strong> Germanisti<br />
k wegen der Literatur stu<strong>die</strong>ren und viele wissen<br />
gar nicht, dass Sprachwissenschaft auch dazu<br />
gehört. In Köln habe ich aber eine gute Erfahrung<br />
gemacht. Wenn man zu zeigen versteht, womit<br />
sich <strong>die</strong> Linguisti k beschäft igt, das interessant<br />
macht, auf Probleme hinweist, dann gibt es eine<br />
Reihe von Studenten (in Köln waren es sicher 20-<br />
25%) <strong>die</strong> sich im Laufe der ersten Semester immer<br />
mehr für Linguisti k interessierten und zum groβen<br />
Teil danach auch im Hauptstudium dabeiblieben.<br />
Ich war mit der Entwicklung zufrieden.<br />
Woran könnte das liegen?<br />
Das liegt an Verschiedenem. Zum Teil an der Unzufriedenheit<br />
der Studenten wie gelehrt wird. Viele<br />
Studenten sagten mir, dass in der Literaturwissenschaft<br />
viel Phantasie ist und vieles, was man nicht<br />
nachvollziehen kann. Linguisti k ist da viel handfester.<br />
Das ist sicher auch übertrieben. Wir bemühen uns<br />
um eine klare Darstellung der Struktur, Regularitäten<br />
herauszuarbeiten, Zusammenhänge zu schildern.<br />
Darum bemüht man sich auch in der Literatur,<br />
dort hat man jedoch off enbar nicht so festen Boden.<br />
Sie waren oft mals in Polen. Gibt es etwas, was sie<br />
besonders schätzen, was ihnen nach der Abreise<br />
fehlen wird?<br />
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