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Credit Suisse bulletin, 2002/05

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SCHÖNHEIT<br />

2. September, 17 Uhr. Die grosse Glocke der Pfarrkirche<br />

von Goldau läutet. Sie erinnert, wie jedes Jahr, an die schreckliche<br />

Bergsturzkatastrophe von 1806.<br />

Innert weniger Minuten verschüttet eine gigantische Trümmermasse<br />

das liebliche, von Touristen eben entdeckte Tal zwischen<br />

Rigi und Rossberg. Rund 40 Millionen Kubikmeter Gestein<br />

rutschen am Gnipen auf dem regennassen Untergrund ab, hinterlassen<br />

eine klaffende Gesteinswunde und bedecken eine Fläche<br />

von 6,6 Quadratkilometern. Sie zerstören das Dorf Goldau,<br />

begraben 457 ahnungslose Menschen, lösen im Lauerzersee eine<br />

Flutwelle aus. Die schlimmste Naturkatastrophe der damaligen<br />

Zeit erregt europaweit Aufsehen, führt zu einer einzigartigen Solidarisierungswelle<br />

und auch zu einer vielfältigen künstlerischen Verarbeitung<br />

durch Schriftsteller oder Maler wie William Turner.<br />

Alles, was die Natur anordnet, ist zu irgendeiner Absicht gut,<br />

sagt Immanuel Kant. Und Meister Eckehart meint ähnlich:<br />

Gott ist nicht ein Zerstörer der Natur, er vollbringt sie vielmehr.<br />

Dies gilt in der Schweiz ganz besonders; aber gilt es wirklich<br />

auch für Katastrophengebiete wie Poschiavo (1987) oder Gondo<br />

(2000)? Im Uno-Jahr der Berge nehmen wir die <strong>Schönheit</strong><br />

der Natur speziell wahr, etwa das einzigartige Gebiet Jungfrau-<br />

Aletsch-Bietschhorn, das im Dezember 2001 in die Liste<br />

des Weltnaturerbes der Unesco aufgenommen wurde. Oder den<br />

Monte San Giorgio bei Lugano, welchem diese Auszeichnung<br />

bevorsteht. Wir bestaunen das Biosphärengebiet Entlebuch, nehmen<br />

zur Kenntnis, dass die Muotathaler die Aufnahme ablehnten,<br />

sich aber neuerdings das Glarner Hinterland darum bemüht.<br />

Das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler BLN<br />

umfasst heute 162 Regionen mit einer Fläche von über 780 000<br />

Hektaren, so den Randen bei Schaffhausen, das Schwarzburgerland<br />

mit Sense- und Schwarzwasser-Schluchten, das Val Verzasca –<br />

und, tatsächlich, auch das Bergsturzgebiet von Goldau. Das macht<br />

das menschliche Leid nicht ungeschehen, stimmt aber versöhnlich.<br />

Familien besuchen den Tierpark Goldau. Er ist einer der fünf<br />

wissenschaftlichen Zoos der Schweiz und wird bis 2015 von<br />

23 auf 40 Hektaren vergrössert. Im Bergsturzmuseum wird darüber<br />

informiert, wie hausgrosse Nagelfluhblöcke durch die Luft<br />

flogen, damals. Die Wanderung aber führt durch ein einzigartiges<br />

Naturdenkmal und Schutzgebiet, durch einen Wald von urtümlicher<br />

<strong>Schönheit</strong>. Hier liess man die Natur sich selbst erholen. Im Frühjahr<br />

entdeckt nun das geübte Auge zahlreiche Orchideenarten, Frauenschuhe,<br />

Knabenkräuter, ja sogar das seltene Hummelragwurz,<br />

entdeckt Tümpel mit Erdkrötenlaich und Alpensalamander, betrachtet<br />

die Schichten der Absturzstelle. Im Herbst und Winter versteckt<br />

sich die <strong>Schönheit</strong> hinter Nebelschwaden, unter Schneedecken.<br />

Aber zuletzt offenbart sie sich umso majestätischer.<br />

Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, um schön zu sein.<br />

Sie ist es.<br />

❙<br />

Besuchen Sie den Tierpark Goldau. Der Tierpark Goldau ist<br />

ein lohnendes Ausflugsziel für die ganze Familie. Bulletin verlost<br />

zwei Familieneintritte und vier Einzeleintritte. Siehe Talon.

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