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SCHÖNHEIT<br />
2. September, 17 Uhr. Die grosse Glocke der Pfarrkirche<br />
von Goldau läutet. Sie erinnert, wie jedes Jahr, an die schreckliche<br />
Bergsturzkatastrophe von 1806.<br />
Innert weniger Minuten verschüttet eine gigantische Trümmermasse<br />
das liebliche, von Touristen eben entdeckte Tal zwischen<br />
Rigi und Rossberg. Rund 40 Millionen Kubikmeter Gestein<br />
rutschen am Gnipen auf dem regennassen Untergrund ab, hinterlassen<br />
eine klaffende Gesteinswunde und bedecken eine Fläche<br />
von 6,6 Quadratkilometern. Sie zerstören das Dorf Goldau,<br />
begraben 457 ahnungslose Menschen, lösen im Lauerzersee eine<br />
Flutwelle aus. Die schlimmste Naturkatastrophe der damaligen<br />
Zeit erregt europaweit Aufsehen, führt zu einer einzigartigen Solidarisierungswelle<br />
und auch zu einer vielfältigen künstlerischen Verarbeitung<br />
durch Schriftsteller oder Maler wie William Turner.<br />
Alles, was die Natur anordnet, ist zu irgendeiner Absicht gut,<br />
sagt Immanuel Kant. Und Meister Eckehart meint ähnlich:<br />
Gott ist nicht ein Zerstörer der Natur, er vollbringt sie vielmehr.<br />
Dies gilt in der Schweiz ganz besonders; aber gilt es wirklich<br />
auch für Katastrophengebiete wie Poschiavo (1987) oder Gondo<br />
(2000)? Im Uno-Jahr der Berge nehmen wir die <strong>Schönheit</strong><br />
der Natur speziell wahr, etwa das einzigartige Gebiet Jungfrau-<br />
Aletsch-Bietschhorn, das im Dezember 2001 in die Liste<br />
des Weltnaturerbes der Unesco aufgenommen wurde. Oder den<br />
Monte San Giorgio bei Lugano, welchem diese Auszeichnung<br />
bevorsteht. Wir bestaunen das Biosphärengebiet Entlebuch, nehmen<br />
zur Kenntnis, dass die Muotathaler die Aufnahme ablehnten,<br />
sich aber neuerdings das Glarner Hinterland darum bemüht.<br />
Das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler BLN<br />
umfasst heute 162 Regionen mit einer Fläche von über 780 000<br />
Hektaren, so den Randen bei Schaffhausen, das Schwarzburgerland<br />
mit Sense- und Schwarzwasser-Schluchten, das Val Verzasca –<br />
und, tatsächlich, auch das Bergsturzgebiet von Goldau. Das macht<br />
das menschliche Leid nicht ungeschehen, stimmt aber versöhnlich.<br />
Familien besuchen den Tierpark Goldau. Er ist einer der fünf<br />
wissenschaftlichen Zoos der Schweiz und wird bis 2015 von<br />
23 auf 40 Hektaren vergrössert. Im Bergsturzmuseum wird darüber<br />
informiert, wie hausgrosse Nagelfluhblöcke durch die Luft<br />
flogen, damals. Die Wanderung aber führt durch ein einzigartiges<br />
Naturdenkmal und Schutzgebiet, durch einen Wald von urtümlicher<br />
<strong>Schönheit</strong>. Hier liess man die Natur sich selbst erholen. Im Frühjahr<br />
entdeckt nun das geübte Auge zahlreiche Orchideenarten, Frauenschuhe,<br />
Knabenkräuter, ja sogar das seltene Hummelragwurz,<br />
entdeckt Tümpel mit Erdkrötenlaich und Alpensalamander, betrachtet<br />
die Schichten der Absturzstelle. Im Herbst und Winter versteckt<br />
sich die <strong>Schönheit</strong> hinter Nebelschwaden, unter Schneedecken.<br />
Aber zuletzt offenbart sie sich umso majestätischer.<br />
Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, um schön zu sein.<br />
Sie ist es.<br />
❙<br />
Besuchen Sie den Tierpark Goldau. Der Tierpark Goldau ist<br />
ein lohnendes Ausflugsziel für die ganze Familie. Bulletin verlost<br />
zwei Familieneintritte und vier Einzeleintritte. Siehe Talon.