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An Raymond Loewy kommt niemand vorbei.<br />
Während über 50 Jahren hat der «Meister<br />
der Stromlinienform» den Alltag der Vereinigten<br />
Staaten entscheidend mitgeprägt.<br />
Noch heute trifft man seine Produkte an. So<br />
stammen aus seiner Feder unter anderem<br />
die Coca-Cola-Flasche, die Lucky-Strike-<br />
Zigarettenpackung, der Greyhound Bus und<br />
die Logos von Shell und BP. Tatsächlich gibt<br />
es kaum einen Alltagsgegenstand, an dem<br />
sich der 1986 verstorbene Designer nicht<br />
versucht hätte.<br />
Meilensteine setzte der gebürtige Franzose<br />
nicht nur mit seinen Produkten. Das<br />
Titelzitat «Hässlichkeit verkauft sich schlecht»<br />
weist auf eine andere Facette seiner Arbeit<br />
hin: Loewy erkannte als einer der Ersten,<br />
dass sich Industriegüter immer weniger durch<br />
Qualität und Preis als vielmehr durch Design<br />
unterscheiden werden. Also, folgerte Loewy,<br />
müsste sich das schönere von zwei gleichwertigen<br />
und gleich teuren Objekten besser<br />
verkaufen lassen; was nichts anderes bedeutet,<br />
als dass Design zu einem entscheidenden<br />
Verkaufsargument wird.<br />
bruch blieb den meisten jedoch versagt,<br />
denn in den Fünfziger- und Sechzigerjahren<br />
kümmerte sich der Mittelstand noch vergleichsweise<br />
wenig um die Ästhetik seiner<br />
Gebrauchsgegenstände. Schön war, was<br />
der Nachbar hatte – und das war meistens<br />
eine Wohnwand in Eiche.<br />
Erst Mitte der Siebzigerjahre tauchten<br />
ausgewählte Designerstücke in den Wohnungen<br />
des Mittelstandes auf. Die in Stahl<br />
und Leder gefertigte Liege LC4 von Le Corbusier<br />
etwa, der ausladende, in Palisander<br />
furnierte Drehsessel von Charles Eames<br />
oder der Plastikstuhl des Dänen Verner<br />
Panton. Damit spiegelte eine Wohnungseinrichtung<br />
nicht mehr nur die Zugehörigkeit zu<br />
einer bestimmten sozialen Schicht, sondern<br />
erhob sich zum Ausdruck eines individuell<br />
geprägten Lebensstils.<br />
Schlechte Designer kosten Millionen<br />
Für das Herausstreichen dieses individuellen<br />
Stils – das haben die Marketingabteilungen<br />
heute auf breiter Front erkannt – ist der<br />
moderne Mensch bereit, tief in die Tasche<br />
zu greifen. Dabei scheint es ihm egal zu sein,<br />
ob er das für eine Liege, eine Kaffeemaschine<br />
oder eine Stereoanlage tut. Laut einer<br />
Untersuchung des Automobilherstellers Audi<br />
wird selbst der Kauf des eigenen Autos –<br />
immerhin das teuerste Konsumgut schlechthin<br />
– in vielen Fällen von der Optik beeinflusst:<br />
Für den Mittelklassekombi A4<br />
Avant entscheiden sich zum Beispiel rund<br />
47 Prozent der Käufer auf Grund seines<br />
Aussehens.<br />
Es erstaunt kaum, dass sich die Industrie<br />
das Design ihrer Fahrzeuge Millionen kosten<br />
lässt. Denn gefällt ein Auto, wird es zum<br />
Renner, entpuppt es sich als Ladenhüter,<br />
wird selbst das Amortisieren der Entwick-<br />
Die Wohnwand mutiert zum Plastikstuhl<br />
Raymond Loewy hat diese Erkenntnis<br />
schon während der Vierzigerjahre konsequent<br />
und mit grossem Erfolg in seine Arbeit<br />
einfliessen lassen. Die Umgestaltung eines<br />
Kühlschranks nach seinen Entwürfen liess<br />
die Verkäufe innerhalb eines Jahres von<br />
60 000 auf 275 000 Exemplare hochschnellen,<br />
ein überarbeiteter Staubsauger legte<br />
binnen Monaten ein Umsatzwachstum von<br />
über 50 Prozent an den Tag.<br />
Europa befand sich während dieser Zeit<br />
noch im stilistischen Dornröschenschlaf.<br />
Zwar gab es einzelne Designer, die für<br />
Schlagzeilen sorgten, der grosse Durchlungskosten<br />
schwierig. Um dem Einfallsreichtum<br />
ihrer Designer auf die Sprünge<br />
zu helfen, setzt die Industrie deshalb immer<br />
häufiger auf unkonventionelle Methoden der<br />
Inspiration. So hat General Motors ein Team<br />
von Trendforschern und Designern auch<br />
schon zum Besuch von Vernissagen oder<br />
Kinderspielzeugläden animiert oder durch<br />
einen Anthropologen potenzielle Kundensegmente<br />
mit Ferngläsern studieren lassen,<br />
um deren Lebensgewohnheiten zu erfassen.<br />
Schön sein ist einfacher als gut sein<br />
Derart ausgefallene Ideen hat nicht nur die<br />
Autoindustrie. Eigil Thomsen, Chefdesigner<br />
des dänischen Unterhaltungselektronikherstellers<br />
Bang & Olufsen: «Wir suchen ständig<br />
nach neuen Inspirationsquellen. Das kann<br />
geradeso gut der Besuch eines modernen<br />
Tanztheaters, eines politischen Festaktes<br />
oder eine Reise nach Kalifornien sein. Inspiration<br />
ist für die Entwicklung eines neuen<br />
Produktes allerdings nur der erste Schritt<br />
von vielen.»<br />
An der Entwicklung des CD-Wechslers<br />
BeoSound 9000 arbeiteten die Dänen zum<br />
Beispiel über drei Jahre. Nicht nur wegen<br />
des auffälligen Designs. Thomsen: «Die<br />
Geräte von Bang & Olufsen definieren sich<br />
natürlich schon über ihr Design. Daneben –<br />
und das ist für uns ebenso wichtig – zeichnen<br />
sich unsere Produkte auch durch eine<br />
bessere Funktionalität aus.»<br />
Nach den drei Jahren Entwicklungsarbeit<br />
haben die Dänen eine optisch auffallende<br />
Stele lanciert, die sowohl vertikal wie horizontal,<br />
liegend oder stehend aufgestellt<br />
werden kann. Das ist zwar etwas aussergewöhnlich,<br />
jedoch nicht wirklich herausragend.<br />
Was BeoSound 9000 auszeichnet, ist<br />
die Art und Weise, wie die eingelegten CDs<br />
Fotos: Mathias Hofstetter (01 Vitra Point Zürich, <strong>02</strong> B&O Staeger AG Thalwil, 04, 07, 08), 06 AMAG<br />
16 Credit Suisse Bulletin 5-<strong>02</strong>