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bull_02_05_Schönheit

Credit Suisse bulletin, 2002/05

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04 <strong>05</strong><br />

An Raymond Loewy kommt niemand vorbei.<br />

Während über 50 Jahren hat der «Meister<br />

der Stromlinienform» den Alltag der Vereinigten<br />

Staaten entscheidend mitgeprägt.<br />

Noch heute trifft man seine Produkte an. So<br />

stammen aus seiner Feder unter anderem<br />

die Coca-Cola-Flasche, die Lucky-Strike-<br />

Zigarettenpackung, der Greyhound Bus und<br />

die Logos von Shell und BP. Tatsächlich gibt<br />

es kaum einen Alltagsgegenstand, an dem<br />

sich der 1986 verstorbene Designer nicht<br />

versucht hätte.<br />

Meilensteine setzte der gebürtige Franzose<br />

nicht nur mit seinen Produkten. Das<br />

Titelzitat «Hässlichkeit verkauft sich schlecht»<br />

weist auf eine andere Facette seiner Arbeit<br />

hin: Loewy erkannte als einer der Ersten,<br />

dass sich Industriegüter immer weniger durch<br />

Qualität und Preis als vielmehr durch Design<br />

unterscheiden werden. Also, folgerte Loewy,<br />

müsste sich das schönere von zwei gleichwertigen<br />

und gleich teuren Objekten besser<br />

verkaufen lassen; was nichts anderes bedeutet,<br />

als dass Design zu einem entscheidenden<br />

Verkaufsargument wird.<br />

bruch blieb den meisten jedoch versagt,<br />

denn in den Fünfziger- und Sechzigerjahren<br />

kümmerte sich der Mittelstand noch vergleichsweise<br />

wenig um die Ästhetik seiner<br />

Gebrauchsgegenstände. Schön war, was<br />

der Nachbar hatte – und das war meistens<br />

eine Wohnwand in Eiche.<br />

Erst Mitte der Siebzigerjahre tauchten<br />

ausgewählte Designerstücke in den Wohnungen<br />

des Mittelstandes auf. Die in Stahl<br />

und Leder gefertigte Liege LC4 von Le Corbusier<br />

etwa, der ausladende, in Palisander<br />

furnierte Drehsessel von Charles Eames<br />

oder der Plastikstuhl des Dänen Verner<br />

Panton. Damit spiegelte eine Wohnungseinrichtung<br />

nicht mehr nur die Zugehörigkeit zu<br />

einer bestimmten sozialen Schicht, sondern<br />

erhob sich zum Ausdruck eines individuell<br />

geprägten Lebensstils.<br />

Schlechte Designer kosten Millionen<br />

Für das Herausstreichen dieses individuellen<br />

Stils – das haben die Marketingabteilungen<br />

heute auf breiter Front erkannt – ist der<br />

moderne Mensch bereit, tief in die Tasche<br />

zu greifen. Dabei scheint es ihm egal zu sein,<br />

ob er das für eine Liege, eine Kaffeemaschine<br />

oder eine Stereoanlage tut. Laut einer<br />

Untersuchung des Automobilherstellers Audi<br />

wird selbst der Kauf des eigenen Autos –<br />

immerhin das teuerste Konsumgut schlechthin<br />

– in vielen Fällen von der Optik beeinflusst:<br />

Für den Mittelklassekombi A4<br />

Avant entscheiden sich zum Beispiel rund<br />

47 Prozent der Käufer auf Grund seines<br />

Aussehens.<br />

Es erstaunt kaum, dass sich die Industrie<br />

das Design ihrer Fahrzeuge Millionen kosten<br />

lässt. Denn gefällt ein Auto, wird es zum<br />

Renner, entpuppt es sich als Ladenhüter,<br />

wird selbst das Amortisieren der Entwick-<br />

Die Wohnwand mutiert zum Plastikstuhl<br />

Raymond Loewy hat diese Erkenntnis<br />

schon während der Vierzigerjahre konsequent<br />

und mit grossem Erfolg in seine Arbeit<br />

einfliessen lassen. Die Umgestaltung eines<br />

Kühlschranks nach seinen Entwürfen liess<br />

die Verkäufe innerhalb eines Jahres von<br />

60 000 auf 275 000 Exemplare hochschnellen,<br />

ein überarbeiteter Staubsauger legte<br />

binnen Monaten ein Umsatzwachstum von<br />

über 50 Prozent an den Tag.<br />

Europa befand sich während dieser Zeit<br />

noch im stilistischen Dornröschenschlaf.<br />

Zwar gab es einzelne Designer, die für<br />

Schlagzeilen sorgten, der grosse Durchlungskosten<br />

schwierig. Um dem Einfallsreichtum<br />

ihrer Designer auf die Sprünge<br />

zu helfen, setzt die Industrie deshalb immer<br />

häufiger auf unkonventionelle Methoden der<br />

Inspiration. So hat General Motors ein Team<br />

von Trendforschern und Designern auch<br />

schon zum Besuch von Vernissagen oder<br />

Kinderspielzeugläden animiert oder durch<br />

einen Anthropologen potenzielle Kundensegmente<br />

mit Ferngläsern studieren lassen,<br />

um deren Lebensgewohnheiten zu erfassen.<br />

Schön sein ist einfacher als gut sein<br />

Derart ausgefallene Ideen hat nicht nur die<br />

Autoindustrie. Eigil Thomsen, Chefdesigner<br />

des dänischen Unterhaltungselektronikherstellers<br />

Bang & Olufsen: «Wir suchen ständig<br />

nach neuen Inspirationsquellen. Das kann<br />

geradeso gut der Besuch eines modernen<br />

Tanztheaters, eines politischen Festaktes<br />

oder eine Reise nach Kalifornien sein. Inspiration<br />

ist für die Entwicklung eines neuen<br />

Produktes allerdings nur der erste Schritt<br />

von vielen.»<br />

An der Entwicklung des CD-Wechslers<br />

BeoSound 9000 arbeiteten die Dänen zum<br />

Beispiel über drei Jahre. Nicht nur wegen<br />

des auffälligen Designs. Thomsen: «Die<br />

Geräte von Bang & Olufsen definieren sich<br />

natürlich schon über ihr Design. Daneben –<br />

und das ist für uns ebenso wichtig – zeichnen<br />

sich unsere Produkte auch durch eine<br />

bessere Funktionalität aus.»<br />

Nach den drei Jahren Entwicklungsarbeit<br />

haben die Dänen eine optisch auffallende<br />

Stele lanciert, die sowohl vertikal wie horizontal,<br />

liegend oder stehend aufgestellt<br />

werden kann. Das ist zwar etwas aussergewöhnlich,<br />

jedoch nicht wirklich herausragend.<br />

Was BeoSound 9000 auszeichnet, ist<br />

die Art und Weise, wie die eingelegten CDs<br />

Fotos: Mathias Hofstetter (01 Vitra Point Zürich, <strong>02</strong> B&O Staeger AG Thalwil, 04, 07, 08), 06 AMAG<br />

16 Credit Suisse Bulletin 5-<strong>02</strong>

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