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WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
«90 Prozent der<br />
Erträge verteilt»<br />
Stephan Hegner, Leiter<br />
Kollektivgeschäft Winterthur Leben<br />
Wie ist die Verzinsung der BVG-<br />
Vermögen festzulegen?<br />
Wichtig ist, dass der Mindestzinssatz<br />
sowohl flexibilisiert als<br />
auch gesenkt wird. Von der<br />
derzeitigen Marktsituation aus<br />
betrachtet, ist selbst eine<br />
Verzinsung von maximal drei<br />
Prozent mit risikofreien Anlagen<br />
kaum erreichbar.<br />
Wie viel hat eigentlich die Winterthur<br />
in den letzten Jahren an<br />
die Versicherten weitergeleitet?<br />
Wir haben seit 1985 rund<br />
12,1 Milliarden Franken an die<br />
Versicherten weitergegeben.<br />
Dies sind 90 Prozent der<br />
Anlageerträge, was einer durchschnittlichen<br />
Jahresrendite<br />
von rund fünf Prozent entspricht.<br />
Ist dies genug?<br />
Meiner Ansicht nach schon.<br />
Im Übrigen betragen unsere<br />
Gewinne nach Steuern kumuliert<br />
1,1 Milliarden Franken. Dies ist<br />
weniger als die gesetzlich geforderte<br />
Eigenkapitalunterlegung<br />
von 1,2 Milliarden. Es müssen<br />
daher Bewertungsreserven<br />
herangezogen werden. Hätten<br />
wir die aktuelle Dauerbaisse<br />
vorausgesehen, hätten wir sicher<br />
grössere Reserven gebildet …<br />
Wie gross sind diese Reserven?<br />
Sie gingen von maximal 3,9<br />
Milliarden auf 900 Millionen<br />
Franken zurück. Die Winterthur<br />
erfüllt aber alle aufsichtsrechtlichen<br />
Solvabilitätsvorschriften.<br />
Die Kunden – rund 41000<br />
Unternehmen mit 500 000 Mitarbeitern<br />
– brauchen sich nicht<br />
zu sorgen. (schi)<br />
Versicherte erhält dadurch mit dem Altersguthaben<br />
eine Rendite, die sicher nicht stark<br />
unter dem Durchschnitt anderer Pensionskassen<br />
liegt. Nachteilig werden allerdings<br />
die Anreize zur Normierung der Anlagepolitik<br />
unter den Anbietern betrachtet. Auf Grund<br />
der bestehenden Informationsdefizite und<br />
der heterogenen Pensionskassenlandschaft<br />
wäre dies für die zweite Säule ohnehin keine<br />
Option, da die tatsächlichen Erträge der<br />
Vorsorgeeinrichtungen kaum bekannt oder<br />
miteinander vergleichbar sind.<br />
p Lohnentwicklung<br />
Der Mindestzinssatz könnte an die Lohnentwicklung<br />
gekoppelt werden. Der Nachteil<br />
eines solchen Anpassungsmechanismus<br />
liegt darin, dass sich der Lohn – und somit<br />
auch der Mindestzins – unabhängig von den<br />
Anlagemöglichkeiten verändert. Das finanzielle<br />
Gleichgewicht der zweiten Säule kann<br />
dadurch gefährdet werden.<br />
Neben der Wahl der Referenzgrösse und<br />
der Bestimmung der Höhe der Mindestverzinsung<br />
besteht ein weiterer Gestaltungsparameter<br />
im Zeitraum, auf welchen sich die<br />
Mindestverzinsung bezieht. Je grösser dieser<br />
gewählt wird, desto mehr Spielraum haben<br />
die Vorsorgeanbieter in der Anlagepolitik.<br />
Schliesslich gibt es auch Freiheiten hinsichtlich<br />
des Anpassungsrhythmus. Je schneller<br />
die Anpassung erfolgt, desto besser kann<br />
auf das aktuelle ökonomische Umfeld eingegangen<br />
werden. Demgegenüber führt das<br />
ständige Verändern dieser zentralen Regelgrösse<br />
zu weniger Transparenz und ist für die<br />
Vorsorgeanbieter viel aufwändiger.<br />
Fachleute streiten über Referenzgrössen<br />
Unausweichlich bei der Festlegung des Mindestzinses<br />
ist jedoch eine stärkere Berücksichtigung<br />
von ökonomischen Rahmenbedingungen.<br />
Denn die Funktionsfähigkeit des<br />
Systems kann nur gewährleistet werden,<br />
wenn die Mindestverzinsung enger an die<br />
Anlagemöglichkeiten auf den Finanzmärkten<br />
gekoppelt ist. Dies bedeutet nicht zwangsläufig,<br />
dass in Zukunft mit tieferen Altersleistungen<br />
gerechnet werden muss, aber es<br />
heisst, dass die Versicherten als Folge einer<br />
Flexibilisierung in Zukunft mit grösseren<br />
Ertragsschwankungen rechnen und eine<br />
dadurch verminderte Planbarkeit der Vorsorgeleistungen<br />
in Kauf nehmen müssen. Auch<br />
unter Fachleuten ist aber umstritten, nach<br />
welchem Mechanismus flexibilisiert werden<br />
soll und welche ökonomischen Referenzsätze<br />
dabei zu berücksichtigen sind. Eine<br />
massgebliche Ursache dafür ist die Tatsache,<br />
dass die gleichzeitig angestrebte<br />
Orientierung an den Anlagemöglichkeiten<br />
und die Sicherung der Kaufkraft nicht<br />
kongruent sein müssen und oft einen unlösbaren<br />
Zielkonflikt darstellen. Dies erschwert<br />
die Diskussion um die Flexibilisierung und<br />
macht eine für alle Seiten befriedigende<br />
Neugestaltung dieser Grösse im Regelwerk<br />
der beruflichen Vorsorge wenig wahrscheinlich.<br />
Wirksamer Wettbewerb löst viele Probleme<br />
In jedem Fall wäre eine politische Festlegung<br />
des Mindestzinssatzes aber äusserst problematisch.<br />
Es bestünde die Gefahr, dass<br />
sich einflussreiche Interessen stärker durchsetzen<br />
als ökonomischer Sachverstand. Nur<br />
wenn ein regelgebundener Mechanismus<br />
implementiert wird, der sich an objektiven<br />
Kriterien orientiert, kommen die Vorzüge einer<br />
Flexibilisierung des Mindestzinssatzes zum<br />
Tragen. Das Ziel der Flexibilisierung ist eine<br />
ausgewogene Lösung, welche die Vorteile<br />
einer besseren Anpassung an das Marktgeschehen<br />
sicherstellt und gleichzeitig verständlich,<br />
transparent sowie mit einem vertretbaren<br />
Kostenaufwand durchführbar ist.<br />
Das Ringen um diese zentrale Grösse<br />
macht deutlich, dass Reformen hin zu einer<br />
wettbewerblichen Ausrichtung der zweiten<br />
Säule eine sinnvolle Alternative darstellen.<br />
Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist<br />
etwa eine einheitliche Regulierung und<br />
Aufsicht für alle Vorsorgeeinrichtungen.<br />
Zudem wäre wirksamer Wettbewerb unter<br />
frei wählbaren Anbietern, die denselben<br />
Rahmenbedingungen unterstehen, mittelfristig<br />
ein aus ökonomischer Sicht plausibles<br />
Instrument, um die notwendigen Leistungsanreize<br />
zu setzen. In einem solchen System<br />
würde die Mindestverzinsung an Relevanz und<br />
somit auch an politischer Brisanz verlieren.<br />
Alex Beck<br />
Telefon 01 333 15 89, alex.beck@csfs.com<br />
David S. Gerber<br />
Telefon 01 333 72 65, david.gerber@csfs.com<br />
Weiterführende Informationen:<br />
David S. Gerber: Freie Pensionskassenwahl in der<br />
schweizerischen Altersvorsorge. Ökonomische Analyse<br />
eines Systemwechsels zu einer wettbewerblichen<br />
Gestaltung der zweiten Säule. Erschienen im Verlag<br />
Rüegger, ISBN 3-7253-0730-X<br />
Foto: Martin Stollenwerk, Prisma<br />
46 Credit Suisse Bulletin 5-<strong>02</strong>