MTD_DDG_2017_09
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diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. 9 · 27. September <strong>2017</strong><br />
Im Blickpunkt<br />
25<br />
SERIE:<br />
REGIONALGESELLSCHAFTEN<br />
IM FOKUS<br />
Prignitz auf Platz 1<br />
bei der Typ-2-Prävalenz<br />
Fachgesellschaft drängt auf eine Brandenburger Diabetes-Strategie<br />
BERNAU. Als wichtige Stütze der <strong>DDG</strong> agieren 15 Regionalgesellschaften.<br />
Sie setzen sich auf Länderebene für die Verbesserung der<br />
Früherkennung und Behandlung des Diabetes mellitus ein. Unsere<br />
Serie „Regionalgesellschaften im Fokus“ wird weitergeführt mit der<br />
Brandenburger Diabetes Gesellschaft. Ihr Vorsitzender, Dr. Tobias<br />
Schade, berichtet von den aktuellen Themen und Aufgaben.<br />
»Schulprojekt<br />
#Diabetes<br />
läuft sehr gut«<br />
BRANDENBURG<br />
?<br />
Welche Themen werden in der<br />
Brandenburger Diabetesgesellschaft<br />
derzeit am intensivsten diskutiert<br />
und bearbeitet?<br />
Dr. Schade: Aktuell sind wir in der<br />
Diskussion mit dem Brandenburger<br />
Landtag. Nachdem die neuen Zahlen<br />
zu Prävalenzen und Inzidenzen des<br />
Diabetes mellitus von versorgungsatlas.de<br />
erschienen waren und Brandenburg<br />
nicht nur konstant Platz 3 in<br />
Deutschland hält, sondern mit 14,2 %<br />
in der Prignitz nun auch den ersten<br />
Platz der Typ-2-Prävalenz „erobert“<br />
hat, haben wir die Landespolitiker zur<br />
Nachhaltigkeit ihrer Arbeit befragt.<br />
Bereits 2015 forderten wir einen parlamentarischen<br />
Dialog, um Strategien<br />
gegen die Ausbreitung der Krankheit<br />
zu entwerfen. Da die Entwicklung eines<br />
Nationalen Diabetesplans schleppend<br />
vorangeht, drängen wir auf eine<br />
Brandenburger Diabetes-Strategie –<br />
quasi als Vorreiter und vielleicht Wegbereiter.<br />
Das Ergebnis unserer Öffentlichkeitsarbeit<br />
des ersten Halbjahres waren<br />
zwei Anträge im Plenum. Das Thema<br />
Diabetes wurde auf der Plenarsitzung<br />
im Juni ausführlich diskutiert<br />
und erste Schritte wurden festgelegt.<br />
Letztlich geht es neben Prävention<br />
und Früherkennung auch um die<br />
Versorgung der Patienten.<br />
Wie viele Fachgesellschaften und Kollegen<br />
beschäftigt uns natürlich auch,<br />
wie eine stabile medikamentöse Versorgung<br />
sichergestellt werden kann,<br />
wenn Medikamente nach kurzer Zeit<br />
wieder vom Markt genommen werden,<br />
oder wie starke Unsicherheiten<br />
im Umgang mit dem Antikorruptionsgesetz<br />
die Arbeit des Praxisteams<br />
erschweren.<br />
?<br />
Welche Erfolge Ihrer Regionalgesellschaft<br />
sind hervorzuheben?<br />
Dr. Schade: Eindeutig die Resonanz<br />
auf unser Schulprojekt #Diabetes.<br />
Seit Jahren ist es regelmäßiges Thema<br />
auf unseren Fachtagungen, der<br />
Brandenburger Bevölkerung Information<br />
und Prävention anzubieten.<br />
Ein Tag der offenen Tür ist vor allem<br />
in Städten kein Publikumsmagnet<br />
mehr. Mit der Präventionsarbeit<br />
sollte so früh wie möglich begonnen<br />
werden. So haben wir #Diabetes entwickelt,<br />
einen interaktiven Vortrag<br />
für den Biologieunterricht ab der 7.<br />
Klasse. Hierbei kommt der Arzt in die<br />
Schule und macht Unterricht – natürlich<br />
ehrenamtlich.<br />
Es ist spannend, wie unterschiedlich<br />
je nach Alter und Wissensstand die<br />
Fragen der Schüler sind, gerade bei<br />
Diabetes-Typ-1-Kindern. Das Feedback<br />
der Schüler und Lehrer ist großartig.<br />
Für Zuhause, also für die Eltern,<br />
verteilen wir den Diabetes-Risiko-Test<br />
vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung.<br />
?<br />
Gibt es weitere Projekt- und Kooperationspartner?<br />
Die Bundesländer Hessen und Sachsen<br />
wollen das Projekt #Diabetes „adoptieren“.<br />
Besonders freuen wir uns,<br />
dass nach zwei Jahren Suche die IKK<br />
Brandenburg und Berlin ihre Unterstützung<br />
zugesagt hat. Die Finanzierung<br />
ist ein wichtiges Thema. Dank<br />
Novo Nordisk können wir Broschüren<br />
Foto: Dr. Schade BDG<br />
STECKBRIEF DER REGIONALGESELLSCHAFT<br />
Name:<br />
Brandenburger Diabetesgesellschaft e.V.<br />
Gründungsjahr: 1990<br />
Anzahl der Mitglieder: 165<br />
Vorsitzender:<br />
Dr. Tobias Schade<br />
E-Mail:<br />
info@diabetologen-brandenburg.de<br />
Website:<br />
www.diabetologen-brandenburg.de<br />
und Flyer drucken, mithilfe der Krankenkasse<br />
werden wir den Schülern Geschenke<br />
überreichen können, die zur<br />
Bewegung animieren wie Terrabänder<br />
und Schrittzähler. Eine Schulklasse in<br />
Frankfurt (Oder) hat nach unserem<br />
Vortrag beschlossen, ein internes Forschungsprojekt<br />
zu starten: Bewegung<br />
in der Schule soll gemessen und analysiert<br />
werden – toll!<br />
?<br />
Was sind die Ziele der Regionalgesellschaft<br />
für die nächsten Jahre?<br />
Dr. Schade: Die Anti-Diabetes-<br />
Strategie ist ein Meilenstein in<br />
unserer Arbeit. Ursächlich sind in<br />
Brandenburg sicher auch demografische<br />
und soziale Faktoren zu<br />
beurteilen. Die Herausforderung in<br />
den nächsten Jahren liegt neben der<br />
Prävention auch in der Versorgung<br />
unserer Patienten. Diabetologische<br />
Schwerpunktpraxen haben Probleme,<br />
Nachfolger zu finden. Um der<br />
„Patienten-Flut“ gerecht zu werden,<br />
DR. MED.<br />
TOBIAS SCHADE<br />
Facharzt für Innere Medizin und<br />
Diabetologie<br />
Diabetologische Schwerpunktpraxis<br />
Ladeburger Chausee 73<br />
16321 Bernau<br />
Fotos: fotolia/VRD, thinkstock<br />
»Auch Kliniker<br />
sind Mitglieder«<br />
sollten mehr Praxen öffnen und<br />
nicht geschlossen werden.<br />
Hier ist auf die Bedeutung der sprechenden<br />
Medizin hinzuweisen, die<br />
den wesentlichen Teil einer erfolgreichen<br />
Diabetestherapie ausmacht.<br />
Besonders die Zunahme des Typ-<br />
2-Diabetes – und damit verbunden<br />
des metabolischen Syndroms – wird<br />
uns weiter beschäftigen. Wenn sich<br />
etwa in der Stadt Brandenburg nach<br />
wenigen Jahren die Anschaffung<br />
eines Schwertransporters für den<br />
Krankentransport amortisiert, sollte<br />
uns das zu denken geben.<br />
?<br />
Wie entwickelt sich die Mitgliederstruktur<br />
der Regionalgesellschaft?<br />
Dr. Schade: In den letzten drei Jahren<br />
hat sich unsere Mitgliederzahl vervierfacht<br />
und das geschah auf mehreren<br />
Ebenen: Seit 2010 haben wir die<br />
Arbeit in zwei Vereine verteilt. Es gibt<br />
in Brandenburg den Berufsverband<br />
Brandenburger Diabetologen und<br />
uns, die Fachgesellschaft. Während<br />
im Berufsverband nur die niedergelassenen<br />
Diabetologen Mitglied sind<br />
und dieser sich um berufspolitische<br />
Belange kümmert, haben wir auch<br />
die Kliniker bei uns. Die Vertretung<br />
der Krankenhäuser und klinischen<br />
Einrichtungen war uns sehr wichtig.<br />
So können wir uns auf die inhaltliche<br />
Arbeit rund um den Diabetes konzentrieren.<br />
Wir haben auch die DiabetesberaterInnen<br />
als beitragsfreie<br />
Mitglieder aufgenommen.<br />
Letztlich kommen mit jeder Tagung<br />
und Veranstaltung mehr Mitglieder<br />
dazu. Neben unserer Frühjahrs- und<br />
Herbsttagung gibt es nun auch ein<br />
Sommer- und Winter-Kolloquium<br />
für Brandenburger Diabetesberater-<br />
Innen und -assistentInnen. In diesem<br />
Jahr organisieren wir sogar noch eine<br />
fünfte Tagung, quasi einen Nachschlag<br />
zur Frühjahrstagung, weil das Interesse<br />
an der Transition jugendlicher Typ-<br />
1-Diabetes-Patienten sehr groß war<br />
und inhaltlich noch vertieft werden<br />
soll. Wir freuen uns sehr, wenn „zahlende<br />
Tagungsgäste“ sich entscheiden,<br />
Mitglied der Brandenburger Diabetesgesellschaft<br />
zu werden.<br />
?<br />
Wie sieht die Kooperation mit der<br />
<strong>DDG</strong> konkret aus? Was wünschen<br />
Sie sich für die Zukunft?<br />
Dr. Schade: Wir als Diabetologen sind<br />
froh, bundesweit eine starke Fachgesellschaft<br />
im Rücken zu haben. Wir<br />
nehmen an den <strong>DDG</strong>-Kongressen<br />
und -Weiterbildungen teil und beteiligen<br />
uns aktiv an der Qualitätsverbesserung<br />
in unserem Fachgebiet,<br />
indem wir die Standards erfüllen und<br />
entsprechende Zertifikate erlangen.<br />
Die Arbeit unserer Landesfachgesellschaft<br />
fordert allerdings schon einen<br />
beträchtlichen Teil unserer Freizeit.<br />
Insofern haben wir uns bisher auf<br />
diese konzentriert.<br />
Für die Zukunft wünschen wir uns<br />
stärkere Aktivitäten der Politik, insbesondere<br />
präventive Maßnahmen für<br />
vermeidbare Erkrankungsfälle zu initiieren.<br />
Hier sollte auch von der Seite<br />
der <strong>DDG</strong> der Druck erhöht werden.<br />
Es ist erforderlich, die Möglichkeiten<br />
moderner Diabetestherapie für unsere<br />
Patienten zugänglich zu erhalten.<br />
Wir haben in den letzten Jahren<br />
mehrfach erlebt, dass erfolgreiche<br />
Therapiekonzepte aus der Versorgung<br />
entfernt wurden. Teilweise geraten<br />
wir als Ärzte deshalb in Erklärungsnot<br />
gegenüber unseren Patienten.<br />
Drohende Regresse bei komplizierten<br />
Verordnungsvorschriften,<br />
die sich zum Beispiel aus Subgruppenanalysen<br />
der Nutzenbewertung<br />
nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />
ergeben, sind ein<br />
großes Hemmnis bei dem Bemühen,<br />
junge Kollegen für die Arbeit<br />
auf dem Land zu motivieren. Auf<br />
diesem Gebiet benötigen wir die<br />
Unterstützung der <strong>DDG</strong>, um bundesweite<br />
Regelungen zu erreichen.<br />
Interview: Maya Hüss