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Lange Warteschlangen – Syrer warten sehnlichst auf das<br />
Geld ihrer geflüchteten Verwandten.<br />
Nahrung und medizinische Versorgung, aber auch<br />
Terrorunterstützung und Menschenhandel – das Geld, das<br />
über Western Union fließt, ist nicht immer sauber.<br />
Bank GmbH, ist sich dessen bewusst und sagt dazu ganz<br />
klar: „Wir wollen kein schlechtes Geld.“ Um das „schlechte<br />
Geld“ ausfindig zu machen, läuft jede Transaktion durch<br />
Sanktionslisten. Auf den Sanktionslisten befinden sich<br />
individuelle Personen, aber auch Länder, in denen WU<br />
nicht tätig ist, wie der Iran oder Nordkorea. Zwei Hundert<br />
Millionen gibt Western Union jährlich für die Überprüfung<br />
aus und über 2000 Mitarbeiter, mehr als 15 Prozent der<br />
Western Union Mitarbeiter weltweit, sind für die Compliance<br />
zuständig.<br />
6000€ LÖSEGELD<br />
Auch der 35-jährige Syrer Ahmad hat zuerst über einen<br />
„Hawaladar“ Geld nach Syrien geschickt. „Mein Bruder<br />
wurde entführt, sie forderten 6000 Euro Lösegeld“, erzählt<br />
er. Leider kein Einzelschicksal, Entführungen gehören in<br />
Syrien zum Alltag. Ahmads Familie in Syrien schafft es,<br />
2000 Euro aufzutreiben. Ahmad ist ihre letzte Hoffnung.<br />
Der 35-Jährige kratzt alles, was er hat, zusammen und<br />
borgt sich von Freunden Geld, dann schickt er die 4000<br />
Euro über den Kontaktmann nach Syrien. „Wenn ich so<br />
eine große Summe legal über Western Union verschickt<br />
hätte, wäre Österreich bestimmt misstrauisch geworden.<br />
Der Staat würde sich fragen, woher ich das Geld habe und<br />
mir die Mindestsicherung kürzen“, ist sich Ahmad sicher.<br />
Dabei ist die Mindestsicherung alles, was er hat. Mit dem<br />
Geld versorgt er sich und seine Frau, schickt monatlich<br />
<strong>10</strong>0 Euro an seine Eltern und zahlt mit 200 Euro pro Monat<br />
seine Schulden bei seinen Freunden, bei denen er sich<br />
das Geld geborgt hat, ab. Ahmad und seine Frau suchen<br />
täglich nach Arbeit, damit sie ihre Familien in Syrien noch<br />
besser unterstützen können. Sein Bruder konnte mit<br />
seinem Geld zwar befreit werden, doch in Syrien herrscht<br />
Krieg, jeder Cent ist bitter nötig.<br />
WICHTIGE ENTWICKLUNGSHILFE<br />
Das weiß auch die 26-jährige Syrerin Suzana. Sie arbeitet<br />
geringfügig angestellt in einem Friseursalon in Wien.<br />
Dort verdient sie 400 Euro und bekommt noch rund 400<br />
Euro von Beihilfen. In ihrer Heimat war Suzana politische<br />
Aktivistin, deshalb musste sie fliehen und ihre zwei Kinder<br />
bei ihrem Mann zurücklassen. Suzana fehlen ihre Kinder,<br />
das schlechte Gewissen plagt sie. Deshalb schickt sie<br />
so gut wie alles, was sie verdient, nach Syrien. Auch sie<br />
hat früher das Geld über einen „Hawaladar“ nach Syrien<br />
geschickt. „Vor ungefähr einem Jahr hat dann einer auf<br />
Facebook geschrieben, dass er sein Geld über Western<br />
Union nach Syrien gesendet hat und dass sie von Flüchtlingen<br />
keine Gebühr verlangen und das Geld schnell und<br />
sicher angekommen ist.“ Tatsächlich verlangt Western<br />
Union seit dem Sommer 2015 bis heute keine Gebühren<br />
für Transaktionen von Österreich nach Syrien. Seitdem<br />
schickt Suzana das Geld über Western Union. Genauso<br />
wie Fadi und Ahmad. In der syrischen Community hat<br />
sich mittlerweile herumgesprochen, dass Western Union<br />
zuverlässiger und preiswerter ist als Privatpersonen oder<br />
dubiose Händler.<br />
Trotzdem bleibt die Angst: „Was, wenn Western Union<br />
öffentlich macht, dass wir Geld an unsere Familien in<br />
Syrien schicken? Dann kürzt uns der Staat die Beihilfen<br />
und wir landen auf der Straße und unsere Familien in<br />
Syrien verhungern“, dessen sind sich alle drei sicher.<br />
Dabei gibt Western Union gar keine offiziellen Zahlen<br />
heraus, wie viel Geld Syrer von Österreich nach Syrien<br />
schicken. Doch das Thema Geld und Flüchtlinge sorgt<br />
eben immer für Aufregung. Das bekommen auch die<br />
Syrer mit. „Unser Geld für unsere Leute“, plakatierte die<br />
FPÖ bereits 2015. „Was, wenn Österreicher nicht wollen,<br />
dass „ihr“ Geld an unsere Familien geht?“, fragt sich<br />
Fadi. Dabei unterstützt Fadi mit seinen Überweisungen<br />
nicht nur seine Familie, er leistet eine wichtige Form von<br />
Entwicklungshilfe. Experten halten die Rücküberweisungen<br />
für die größere und bessere Entwicklungshilfe, denn<br />
das Geld kommt direkt in den Familien an, statt dass es<br />
in möglicherweise korrupten Staatsstrukturen untergeht.<br />
Auch Peter Buchner bestätigt, wie wichtig die Transaktionen<br />
für die Entwicklungshilfe sind (siehe Interview).<br />
Aber die Flüchtlinge wollen nicht nur ihrer alten, sondern<br />
auch ihrer neuen Heimat Österreich etwas zurückgeben,<br />
versichern Ahmad und die anderen: „Wir möchten keine<br />
Mindestsicherung, sondern einen Job. Damit wir endlich<br />
Geld verdienen, das wirklich uns gehört. Damit zahlen<br />
wir Steuern an Österreich und können unsere Familien<br />
in Syrien unterstützen, ohne Angst zu haben, dass<br />
Österreicher uns das übel nehmen. Unser eigenes Geld<br />
verdienen, das ist alles, was wir wollen.“ ●<br />
HAWALA<br />
Hawala, was auf Arabisch „Transfer“ oder „Vertrauen“<br />
bedeutet, ist eine alte Praxis aus dem<br />
Orient, die das informelle Weitergeben von Geld<br />
beinhaltet. Ein Zahler gibt sein Geld einem Mittelsmann.<br />
Der hat Kontakt zu einem zweiten, ihm<br />
vertrauten Mittelsmann. Der wiederum zahlt die<br />
Summe dem Empfänger aus. Der Zahler erhält<br />
vorab einen Code, der an den vorgesehenen<br />
Empfänger in Syrien gesendet werden soll. Sobald<br />
der Code eingetroffen ist - per SMS oder E-Mail<br />
- geht diese Person zum Mittelsmann in Syrien<br />
und bekommt das Geld - abzüglich einer kleinen<br />
Provision. Diese Gebühr variiert. Das Hawala-<br />
System ist besonders in Ländern mit schwacher<br />
finanzieller Infrastruktur beliebt und wird auch<br />
von Kriminellen missbraucht, da der Geldtransfer<br />
unaufspürbar ist. In Deutschland ist das Hawala-<br />
System strafbar.<br />
Interview mit Peter Bucher<br />
CEO Western Union International Bank<br />
<strong>BIBER</strong>: Von Syrern nehmen Sie keine Gebühren (bei Transaktionen<br />
bis zu 300 Euro). Von allen anderen schon. Wie<br />
hoch sind diese Gebühren?<br />
PETER BUCHER: Im Schnitt 5-6 Prozent. Bei uns ist es in<br />
Krisensituationen, beispielsweise der Erdbebenkatastrophe<br />
in Haiti oder eben dem Syrienkrieg, üblich keine Gebühren<br />
zu verlangen, damit das Geld rasch dort ankommt, wo es<br />
gerade dringend gebraucht wird.<br />
Was genau bewirkt diese Art der Entwicklungshilfe?<br />
Die meisten schicken das Geld, damit ihre Familien in der<br />
Heimat Ausbildung genießen können, damit die medizinische<br />
Versorgung gewährleistet wird und die Kosten für<br />
den täglichen Bedarf gedeckt werden können. Damit wird<br />
enorme Entwicklungshilfe geleistet.<br />
Wie viel überweisen WU Kunden durchschnittlich in die<br />
Heimat?<br />
300 US-Dollar ist der weltweite Durchschnitt bei Western<br />
Union.<br />
Gibt es einen Maximalbetrag?<br />
Western Union ist in mehr als 200 Ländern und Territorien<br />
mit mehr als 550,000 Filialen tätig. 80 Milliarden<br />
Euros werden jährlich mit Western Union überwiesen. Die<br />
Maximalbeträge variieren von Land zu Land. Nach Syrien<br />
können maximal 2000 US-Dollar überwiesen werden.<br />
Wie viele WU Filialen gibt es in Syrien?<br />
Derzeit 37.<br />
Wie viele WU Filialen gibt es in Osterreich?<br />
Derzeit 1.300 Filialen.<br />
Western Union steht in Kritik, mit Migranten Geld zu<br />
machen. Wie rechtfertigen Sie das?<br />
Dass wir etwas für unseren Service verlangen, ist Voraussetzung<br />
dafür, dass wir diesen Service anbieten können.<br />
Uns würde es sonst nicht geben und damit die Entwicklungshilfe,<br />
die die Transaktionen leisten, auch nicht.<br />
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