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BIBER 10_17-2

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Lange Warteschlangen – Syrer warten sehnlichst auf das<br />

Geld ihrer geflüchteten Verwandten.<br />

Nahrung und medizinische Versorgung, aber auch<br />

Terrorunterstützung und Menschenhandel – das Geld, das<br />

über Western Union fließt, ist nicht immer sauber.<br />

Bank GmbH, ist sich dessen bewusst und sagt dazu ganz<br />

klar: „Wir wollen kein schlechtes Geld.“ Um das „schlechte<br />

Geld“ ausfindig zu machen, läuft jede Transaktion durch<br />

Sanktionslisten. Auf den Sanktionslisten befinden sich<br />

individuelle Personen, aber auch Länder, in denen WU<br />

nicht tätig ist, wie der Iran oder Nordkorea. Zwei Hundert<br />

Millionen gibt Western Union jährlich für die Überprüfung<br />

aus und über 2000 Mitarbeiter, mehr als 15 Prozent der<br />

Western Union Mitarbeiter weltweit, sind für die Compliance<br />

zuständig.<br />

6000€ LÖSEGELD<br />

Auch der 35-jährige Syrer Ahmad hat zuerst über einen<br />

„Hawaladar“ Geld nach Syrien geschickt. „Mein Bruder<br />

wurde entführt, sie forderten 6000 Euro Lösegeld“, erzählt<br />

er. Leider kein Einzelschicksal, Entführungen gehören in<br />

Syrien zum Alltag. Ahmads Familie in Syrien schafft es,<br />

2000 Euro aufzutreiben. Ahmad ist ihre letzte Hoffnung.<br />

Der 35-Jährige kratzt alles, was er hat, zusammen und<br />

borgt sich von Freunden Geld, dann schickt er die 4000<br />

Euro über den Kontaktmann nach Syrien. „Wenn ich so<br />

eine große Summe legal über Western Union verschickt<br />

hätte, wäre Österreich bestimmt misstrauisch geworden.<br />

Der Staat würde sich fragen, woher ich das Geld habe und<br />

mir die Mindestsicherung kürzen“, ist sich Ahmad sicher.<br />

Dabei ist die Mindestsicherung alles, was er hat. Mit dem<br />

Geld versorgt er sich und seine Frau, schickt monatlich<br />

<strong>10</strong>0 Euro an seine Eltern und zahlt mit 200 Euro pro Monat<br />

seine Schulden bei seinen Freunden, bei denen er sich<br />

das Geld geborgt hat, ab. Ahmad und seine Frau suchen<br />

täglich nach Arbeit, damit sie ihre Familien in Syrien noch<br />

besser unterstützen können. Sein Bruder konnte mit<br />

seinem Geld zwar befreit werden, doch in Syrien herrscht<br />

Krieg, jeder Cent ist bitter nötig.<br />

WICHTIGE ENTWICKLUNGSHILFE<br />

Das weiß auch die 26-jährige Syrerin Suzana. Sie arbeitet<br />

geringfügig angestellt in einem Friseursalon in Wien.<br />

Dort verdient sie 400 Euro und bekommt noch rund 400<br />

Euro von Beihilfen. In ihrer Heimat war Suzana politische<br />

Aktivistin, deshalb musste sie fliehen und ihre zwei Kinder<br />

bei ihrem Mann zurücklassen. Suzana fehlen ihre Kinder,<br />

das schlechte Gewissen plagt sie. Deshalb schickt sie<br />

so gut wie alles, was sie verdient, nach Syrien. Auch sie<br />

hat früher das Geld über einen „Hawaladar“ nach Syrien<br />

geschickt. „Vor ungefähr einem Jahr hat dann einer auf<br />

Facebook geschrieben, dass er sein Geld über Western<br />

Union nach Syrien gesendet hat und dass sie von Flüchtlingen<br />

keine Gebühr verlangen und das Geld schnell und<br />

sicher angekommen ist.“ Tatsächlich verlangt Western<br />

Union seit dem Sommer 2015 bis heute keine Gebühren<br />

für Transaktionen von Österreich nach Syrien. Seitdem<br />

schickt Suzana das Geld über Western Union. Genauso<br />

wie Fadi und Ahmad. In der syrischen Community hat<br />

sich mittlerweile herumgesprochen, dass Western Union<br />

zuverlässiger und preiswerter ist als Privatpersonen oder<br />

dubiose Händler.<br />

Trotzdem bleibt die Angst: „Was, wenn Western Union<br />

öffentlich macht, dass wir Geld an unsere Familien in<br />

Syrien schicken? Dann kürzt uns der Staat die Beihilfen<br />

und wir landen auf der Straße und unsere Familien in<br />

Syrien verhungern“, dessen sind sich alle drei sicher.<br />

Dabei gibt Western Union gar keine offiziellen Zahlen<br />

heraus, wie viel Geld Syrer von Österreich nach Syrien<br />

schicken. Doch das Thema Geld und Flüchtlinge sorgt<br />

eben immer für Aufregung. Das bekommen auch die<br />

Syrer mit. „Unser Geld für unsere Leute“, plakatierte die<br />

FPÖ bereits 2015. „Was, wenn Österreicher nicht wollen,<br />

dass „ihr“ Geld an unsere Familien geht?“, fragt sich<br />

Fadi. Dabei unterstützt Fadi mit seinen Überweisungen<br />

nicht nur seine Familie, er leistet eine wichtige Form von<br />

Entwicklungshilfe. Experten halten die Rücküberweisungen<br />

für die größere und bessere Entwicklungshilfe, denn<br />

das Geld kommt direkt in den Familien an, statt dass es<br />

in möglicherweise korrupten Staatsstrukturen untergeht.<br />

Auch Peter Buchner bestätigt, wie wichtig die Transaktionen<br />

für die Entwicklungshilfe sind (siehe Interview).<br />

Aber die Flüchtlinge wollen nicht nur ihrer alten, sondern<br />

auch ihrer neuen Heimat Österreich etwas zurückgeben,<br />

versichern Ahmad und die anderen: „Wir möchten keine<br />

Mindestsicherung, sondern einen Job. Damit wir endlich<br />

Geld verdienen, das wirklich uns gehört. Damit zahlen<br />

wir Steuern an Österreich und können unsere Familien<br />

in Syrien unterstützen, ohne Angst zu haben, dass<br />

Österreicher uns das übel nehmen. Unser eigenes Geld<br />

verdienen, das ist alles, was wir wollen.“ ●<br />

HAWALA<br />

Hawala, was auf Arabisch „Transfer“ oder „Vertrauen“<br />

bedeutet, ist eine alte Praxis aus dem<br />

Orient, die das informelle Weitergeben von Geld<br />

beinhaltet. Ein Zahler gibt sein Geld einem Mittelsmann.<br />

Der hat Kontakt zu einem zweiten, ihm<br />

vertrauten Mittelsmann. Der wiederum zahlt die<br />

Summe dem Empfänger aus. Der Zahler erhält<br />

vorab einen Code, der an den vorgesehenen<br />

Empfänger in Syrien gesendet werden soll. Sobald<br />

der Code eingetroffen ist - per SMS oder E-Mail<br />

- geht diese Person zum Mittelsmann in Syrien<br />

und bekommt das Geld - abzüglich einer kleinen<br />

Provision. Diese Gebühr variiert. Das Hawala-<br />

System ist besonders in Ländern mit schwacher<br />

finanzieller Infrastruktur beliebt und wird auch<br />

von Kriminellen missbraucht, da der Geldtransfer<br />

unaufspürbar ist. In Deutschland ist das Hawala-<br />

System strafbar.<br />

Interview mit Peter Bucher<br />

CEO Western Union International Bank<br />

<strong>BIBER</strong>: Von Syrern nehmen Sie keine Gebühren (bei Transaktionen<br />

bis zu 300 Euro). Von allen anderen schon. Wie<br />

hoch sind diese Gebühren?<br />

PETER BUCHER: Im Schnitt 5-6 Prozent. Bei uns ist es in<br />

Krisensituationen, beispielsweise der Erdbebenkatastrophe<br />

in Haiti oder eben dem Syrienkrieg, üblich keine Gebühren<br />

zu verlangen, damit das Geld rasch dort ankommt, wo es<br />

gerade dringend gebraucht wird.<br />

Was genau bewirkt diese Art der Entwicklungshilfe?<br />

Die meisten schicken das Geld, damit ihre Familien in der<br />

Heimat Ausbildung genießen können, damit die medizinische<br />

Versorgung gewährleistet wird und die Kosten für<br />

den täglichen Bedarf gedeckt werden können. Damit wird<br />

enorme Entwicklungshilfe geleistet.<br />

Wie viel überweisen WU Kunden durchschnittlich in die<br />

Heimat?<br />

300 US-Dollar ist der weltweite Durchschnitt bei Western<br />

Union.<br />

Gibt es einen Maximalbetrag?<br />

Western Union ist in mehr als 200 Ländern und Territorien<br />

mit mehr als 550,000 Filialen tätig. 80 Milliarden<br />

Euros werden jährlich mit Western Union überwiesen. Die<br />

Maximalbeträge variieren von Land zu Land. Nach Syrien<br />

können maximal 2000 US-Dollar überwiesen werden.<br />

Wie viele WU Filialen gibt es in Syrien?<br />

Derzeit 37.<br />

Wie viele WU Filialen gibt es in Osterreich?<br />

Derzeit 1.300 Filialen.<br />

Western Union steht in Kritik, mit Migranten Geld zu<br />

machen. Wie rechtfertigen Sie das?<br />

Dass wir etwas für unseren Service verlangen, ist Voraussetzung<br />

dafür, dass wir diesen Service anbieten können.<br />

Uns würde es sonst nicht geben und damit die Entwicklungshilfe,<br />

die die Transaktionen leisten, auch nicht.<br />

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