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Bühne Sachsen

Ein Kulturmagazin über die mannigfaltige Theaterlandschaft in Sachsen.

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3<br />

EDITORIAL<br />

Titel: Nikolaus Brade. Illustration: Anja Stiehler-Patschan/Jutta Fricke Illustrators<br />

Kunst ist Energie<br />

Man muss gönnen können. Das dachte<br />

sich Theodor Fontane, Preuße aus Prinzip<br />

und Leidenschaft, als er in seiner<br />

Lebenserinnerung zu einer „<strong>Sachsen</strong>hymne“<br />

anhob, die ihn fast erschreckte:<br />

Die <strong>Sachsen</strong>, schrieb Fontane am Ende<br />

des 19. Jahrhunderts, seien entgegen der<br />

allgemeinen Wahrnehmung nicht gemütlich,<br />

sondern energisch. Ihre Energie<br />

charakterisiere sie. Darum seien sie<br />

„noch lange nicht in der Art überholt,<br />

wie man sich’s hierzulande so vielfach<br />

einbildet“. Gepaart mit einem hohen<br />

Sinn für Bildung und Kultur, seien<br />

deshalb „Anachronismen innerhalb der<br />

gesamten Anschauungswelt, Rückschraubungen,<br />

in <strong>Sachsen</strong> unmöglich“.<br />

Das war Lob aus überraschendem<br />

Mund, ist doch die Rivalität zwischen<br />

<strong>Sachsen</strong> und Preußen legendär. Ganz<br />

im Sinn Fontanes haben wir uns für Sie,<br />

liebe Leserin, lieber Leser, aufgemacht<br />

in den Freistaat und die Probe aufs<br />

Exempel gewagt: Wo gibt es energische<br />

<strong>Bühne</strong>nkünstler, die sich aller „Rückschraubung“<br />

enthalten und kraftvoll<br />

nach vorn schauen? Wir wurden fündig,<br />

und wir hätten mit den Funden ein<br />

zweites „<strong>Bühne</strong> <strong>Sachsen</strong>“-Magazin<br />

füllen können. <strong>Sachsen</strong> hat viele Tanzund<br />

Puppen- und Kinder- und Musikund<br />

Sprechtheater, über die es sich<br />

nicht nur „hierzulande“ zu reden lohnt.<br />

Christian Thielemann, Chefdirigent<br />

der Sächsischen Staatskapelle, greift den<br />

preußisch-sächsischen Gegensatz auf<br />

und versteht im exklusiven Interview<br />

das Sächsische als die Kunst, „die Sachen<br />

auch mal laufen zu lassen“. Womit er<br />

eine Bestimmung der Kunst an sich liefert:<br />

Kunst ist Bewegung, Kunst setzt<br />

in Bewegung. Wir trafen Künstlerinnen,<br />

Alexander Kissler,<br />

Ressortleiter Kultur beim<br />

Monatsmagazin Cicero<br />

denen die Bewegung die authentische<br />

Ausdrucksform des Menschlichen ist.<br />

Die Choreografin Heike Hennig verwandelt<br />

die Gegenwart in mitreißende<br />

Tanzstücke. Die gebürtige Leipzigerin<br />

setzte sich auch persönlich in Bewegung,<br />

wurde im Sommer 1989 „Republikflüchtling“<br />

gen Ungarn, kam später<br />

mit ihrer Arbeit bis in die Vereinigten<br />

Staaten, nach Brasilien, Portugal. Die<br />

Sächsin lässt das Reisen nicht?<br />

Auch der in Bautzen geborene<br />

Schauspieler Roman Knižka floh im<br />

denk würdigen Jahr nach Ungarn. Ob er<br />

auf Heike Hennig traf? Das wissen wir<br />

nicht. Wohl aber erzählt einer der<br />

meistbeschäftigten Charakterköpfe des<br />

deutschen Fernsehens von<br />

seinen Anfängen als Theatertischler<br />

an der Dresdner<br />

Oper. Und von einem<br />

regimekritischen Flashmob<br />

zu DDR-Zeiten, Codename:<br />

gelber Koffer. Pst.<br />

Manchmal setzt die<br />

Kunst ganze Städte in<br />

Bewegung. Görlitz wird<br />

<strong>Bühne</strong>, wenn das drittgrößte<br />

Straßentheaterfestival<br />

Deutschlands die Perle an der Neiße ins<br />

Licht der Gaukler taucht. Freiberg<br />

wiederum beherbergt das älteste Stadttheater<br />

der Welt und ist mit dem bis<br />

heute quicklebendigen Musentempel<br />

und dessen internationalem Ensemble<br />

fest verschmolzen. Kluge Stadtväter<br />

wussten 1790, was Fontane später zum<br />

Lob des „hohen Bildungsmaßes“ veranlasste:<br />

„Durch die Schauspiele“ gewinne<br />

„der Nahrungsstand der Bürgerschaft“.<br />

Mit der Freiberger Theatergründung<br />

wurde der Traum der großen Theaterreformerin<br />

Friederike Caroline Neuber<br />

wahr. Die 1760 gestorbene „Neuberin“<br />

kämpfte für ein bürgerliches Theater.<br />

Sie fände heute Gefallen am Formenreichtum<br />

von „Floor on Fire“ im Festspielhaus<br />

Hellerau, wo die Tanzstile<br />

sich treffen.<br />

„<strong>Bühne</strong> <strong>Sachsen</strong>“ will eine Einladung<br />

sein: Lassen Sie sich gedanklich in Bewegung<br />

bringen, blättern Sie, schauen,<br />

lesen, lachen, lernen Sie von Seite zu<br />

Seite – und dann an den Orten des Geschehens<br />

in Dresden, Leipzig, Radebeul,<br />

Gohrisch, dem übrigen <strong>Sachsen</strong>. Vielleicht<br />

stimmen Sie dann Fontane zu:<br />

Überholt ist hier noch lange nichts. •<br />

Covermotiv:<br />

Unser Titelfoto zeigt den<br />

Schauspieler Roman<br />

Knižka in den Werkstätten<br />

der Semperoper. In<br />

Händen hält er die<br />

Abschlussarbeit zu seiner<br />

Gesellenprüfung als<br />

Theatertischler aus dem<br />

Jahr 1989<br />

BÜHNE SACHSEN

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