Steinobst_1A_17-2
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Prunus avium L., Vogel-Kirsche<br />
Europäisch-westasiatische Prunus-Arten<br />
Die Vogel-Kirsche ist ein sommergrüner, langschäftiger, 20–30 m hoher Baum<br />
mit einem geraden, bis zum Wipfel durchgehenden Stamm. Mit seinen aufstrebenden<br />
Ästen bildet er im Freistand eine mehr oder weniger kugelige Krone. Im<br />
Bestand werden dagegen schlanke Kronen entwickelt, die deutlich länger als breit<br />
sind. Stamm und Äste werden von einer dünnen, glänzend dunkelroten oder graubraunen<br />
Rinde bedeckt, die von waagerecht verlaufenden Korkwarzenbändern<br />
unterbrochen wird. Die äußeren Rindenschichten lösen sich in schmalen Streifen<br />
und rollen sich auf. So entsteht die für einige Prunus-Arten charakteristische Ringelborke.<br />
Der Stamm solitär stehender Bäume kann im Alter beträchtliche Ausmaße<br />
annehmen, wie die Stammumfänge, in den Jahren 2003 bis 2007 gemessen,<br />
bei einigen Kirschbäumen in folgenden deutschen Orten beweisen : Damme, Kreis<br />
Vechta ( 4,47 m ) ; Blofeld, Wetteraukreis ( 5,00 m ) ; Grünwinkel bei Karlsruhe<br />
( 2,95 m ) ; Kieselbronn, Enzkreis ( 3,70 m ). Stammumfänge werden im Allgemeinen<br />
in Brusthöhe ( 1,3 m über dem Boden ) gemessen ( Ulrich, Kühn und Kühn<br />
2009 ). Michel Brunner ( 2010 ) berichtet in seinem großartigen Fotoband » Baumriesen<br />
der Schweiz « von einer solitär stehenden, um 1910 gepflanzten Wild -<br />
Kirsche in Oberhelfenschwil SG mit einem Taillenumfang von 3,70 m.<br />
Kirschbaumwurzeln entwickeln sich ziemlich gleichmäßig in Tiefe und<br />
Breite, sie entwickeln so ein Herzwurzelsystem. Wie bei vielen anderen Prunus-<br />
Arten tritt auch bei der Vogel-Kirsche, meist in Stammnähe, Wurzelbrut aus bodennah<br />
verlaufenden Hauptwurzeln auf, aus denen sich junge Schösslingen entwickeln,<br />
die eine vegetative Vermehrung möglich machen. Wurzelbrut spielt bei<br />
der Naturverjüngung der Vogel-Kirsche eine große Rolle. An alten Kirschbäumen<br />
können sich starke Wurzelanläufe bilden, die bis zu 1,5 m den Stamm hinauf reichen.<br />
Sie erinnern entfernt an die Brettwurzeln tropischer Bäume, die allerdings<br />
deutlich größere Dimensionen erreichen.<br />
Junge Kirschzweige sind stielrund bis schwach gerieft, braun, kahl und mit<br />
rundlichen Korkwarzen bedeckt. Das Sprosssystem ist deutlich in Lang- und<br />
Kurztriebe gegliedert. Langtriebe sind mit einer Endknospe ausgestattet, sie sorgen<br />
für das Längenwachstum und für die Ausdehnung der Krone in den Raum. An<br />
den Kurztrieben werden Blütenknospen und Früchte angelegt. Langtriebe können<br />
bei dem raschen Jugendwachstum der Wild-Kirsche innerhalb weniger Jahre Längen<br />
von 70 cm erreichen, veredelte Pflanzen erreichen in der Baumschule innerhalb<br />
eines Jahres durchaus Mannshöhe. Kurztriebe zeichnen sich dagegen durch<br />
ein außerordentlich geringes Längenwachstum aus, das sehr dicht aufeinanderfolgende<br />
Blattnarben hinterlässt.<br />
Die Blätter haben eine länglich-eiförmige bis elliptische, spitz zulaufende<br />
bis geschwänzte, 7–12( –15 ) cm lange, an der Basis keilförmige Spreite. Der Blattrand<br />
ist regelmäßig gesägt. Oberseits sind die Blätter kahl, unterseits auf den<br />
Nerven behaart und z. T. achselbärtig. Am oberen Ende des 2–4 cm langen Blattstieles<br />
befinden sich zwei bis vier auffallende Nektardrüsen, die wissenschaftlich<br />
als extraflorale Nektarien bezeichnet werden. ( Im Unterschied zu den Vogel-Kirschen<br />
und den daraus entwickelten Süß-Kirschen befinden sich die Nektarien bei<br />
den Sauer-Kirschen am unteren Ende eines nur 1–2 cm langen Blattstieles ). Diese<br />
Nektarien scheiden nur zur Entwicklungszeit der Blätter zuckerhaltige Säfte aus.<br />
Diese dienen nicht etwa den zur Blütezeit anfliegenden und Nektar suchenden<br />
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