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Neue Szene Augsburg 2017-11

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ZOOM<br />

Nur Mut!<br />

Was bedeutet der Siegesmarsch der Rechtspopulisten?<br />

Ein Essay von Marcus Ertle<br />

Trump ist US-Präsident, in Österreich regieren wahrscheinlich bald Rechtsextreme mit und die AfD sitzt im Bundestag.<br />

Die Populisten sind anscheinend überall auf dem Vormarsch und die deutsche Gesellschaft ist gespalten in Rechts und Links.<br />

Wie kann die Antwort darauf aussehen?<br />

Die Opferrolle<br />

Neulich auf der Frankfurter Buchmesse konnte man auf engstem<br />

Raum ein Abbild der aktuellen Stimmungslage im Land beobachten.<br />

Björn Höcke von der AfD und eine Handvoll rechter Verleger wollten<br />

ihre neuesten Werke vorstellen. Bevor es allerdings dazu kam, ging die Veranstaltung<br />

in einem Tumult zwischen Linken Gegendemonstranten und<br />

Rechten Sympathisanten unter. Am Ende konnten beide Seiten zufrieden<br />

sein. Die Linken hatten verhindert, dass die Rechten ihr Gedankengut<br />

vortragen konnten und die Rechten fanden sich in ihrer Rolle als Opfer<br />

bestätigt. Die Bösen waren immer die Extremen der anderen Seite. Wer<br />

sich allerdings in Ruhe das anhören wollten, was die Rechtspopulisten<br />

intellektuell zu bieten hatten, musste enttäuscht weiterziehen und durfte<br />

sich stattdessen Roberto Blancos Autobiographie vorlesen lassen.<br />

Die Milieus<br />

Jetzt kann man natürlich sagen, dass es ein Sieg der Demokraten und<br />

der besseren Hälfte der Gesellschaft ist, wenn rechte Demagogen nicht zu<br />

Wort kommen, aber wer so denkt, befindet sich gedanklich noch tief in<br />

den 1990er Jahren. Damals waren die Rechten gleichbedeutend mit dem<br />

Mob, der Asylbewerberheime in Brand setzte, Glatze trug und intellektuell<br />

schlicht nicht mithalten konnte. Das ist Vergangenheit. Die Rechten<br />

von heute mögen zwar nicht dem Idealbild des liberalen Bürgertums entsprechen,<br />

aber das tut ohnehin nur, wer zum liberalem Bürgertum gehört.<br />

Dieses Milieu ist klein, aber es ist meinungsbildend, die meisten Journalisten<br />

gehören zu ihm. Das ist für sich genommen weder ein Verdienst<br />

noch ein Vergehen, aber es macht einen Teil des Problems kenntlich: Die<br />

Milieus in Deutschland sind sich fremd.<br />

Das waren sie natürlich schon immer und wenn man ehrlich ist, sind<br />

wir damit eigentlich ganz zufrieden. Der Akademiker, der abends Arte<br />

einschaltet, lebt in einer anderen Welt als der RTL-Zuschauer, der auf dem<br />

Bau arbeitet und für den ein Urlaub auf Malle die Verkörperung des Paradieses<br />

ist. Viel zu sagen hatten und haben sich die beiden Milieus nie, aber<br />

seit es Facebook gibt, haben die einfacheren Milieus ein Medium und<br />

merken: Wir sind nicht allein mit unserer Wut auf Die da oben.<br />

Wer sind Die da oben? Gar nicht so einfach zu sagen. Wenn man<br />

diverse rechte Facebookprofile und Gruppen anschaut, sind Die da oben<br />

eine Mischung aus gleichgeschalteten Medienleuten, besserwisserischen<br />

Links-Grünen und volksverräterischen Politikern der sogenannten Altparteien.<br />

Diese Haltung ist allerdings nicht neu. Wer vor Facebook die<br />

Gespräche diverser Stammtische und Mittagspausenrunden verfolgte,<br />

konnte sie in verschiedenen Variationen schon immer hören. Aber wir<br />

haben nicht so genau hingehört. Wieso eigentlich nicht?<br />

Die Verachtung<br />

Weil wir, damit meine ich jetzt grob gesagt die liberalere Hälfte der<br />

Gesellschaft, die wütenden Menschen verachtet haben. Der engstirnige<br />

Stammtischbruder, der heuchlerische Spießer, der ungebildete Pöbler<br />

am Zaun, der Hauptschüler in Bomberjacke – diese Leute waren uns<br />

immer zuwider, sind es heute noch. Aber sie machen es uns heute nicht<br />

mehr so einfach wie früher. Bis vor ein paar Jahren dachten wir, dass<br />

die Forderung von Franz-Josef-Strauß, es dürfe keine legale Partei rechts<br />

der CSU in den Parlamenten geben, einem Grundgesetzartikel gleichkäme.<br />

Die CSU war ja vielen schon zu rechts, aber man akzeptierte sie<br />

so einigermaßen. Eine Partei, die weiter rechts steht, durfte es einfach<br />

nicht geben und es gelang den liberalen Teilen der Gesellschaft auch,<br />

die rechten Parteien klein zuhalten. Republikaner, DVU, NPD - sie alle<br />

scheiterten an der Mitte der Gesellschaft und an der eigenen Unfähigkeit,<br />

Politik zu machen, die mehr zu bieten hat als Hass und das dumpfe<br />

Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Die AfD ist anders, zumindest<br />

oberflächlich betrachtet.<br />

Die Oberfläche<br />

Und das ist das Tückische. Ins Netz geht man Populisten nicht in<br />

erster Linie dadurch, dass man sie ernst nimmt und damit salonfähig<br />

macht. Ins Netz geht man ihnen dadurch, dass man sie einerseits<br />

öffentlich verdammt und andererseits zulässt, dass sie, wenn sie an Diskussionen<br />

teilnehmen, nicht wie normale Parteien behandelt werden.<br />

Es wirkt oft so, als wäre die AfD ein ungezogenes Kind, das ein Tabu

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