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Stadt-Anzeiger 629

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<strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong> Nr. <strong>629</strong> 9. November 2017 Seite 3<br />

Ab Montag läuft der Verkehr anders<br />

Eine fehlende Ampel verzögerte den Beginn der einjährigen Versuchsphase für die neue Verkehrsregelung<br />

in der Horner Innenstadt. Die Firma Stührenberg hat inzwischen die neue Signalanlage installiert, es kann<br />

losgehen. Rainer Holste (<strong>Stadt</strong> Horn-Bad Meinberg nennt jetzt auch einen konkreten Termin: Am Montag,<br />

dem 13. November 2017 um 10 Uhr geht die Ampel in Betrieb und die abgehängten Schilder erlangen<br />

Gültigkeit.<br />

Foto: Manfred Hütte<br />

„Gemeinwohl-Ökonomie“: Christian Felber im Interview mit dem <strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong><br />

„Ein Herz fassen und auf den Weg machen“<br />

Die Steinheimer Reineccius Medaille wird traditionell<br />

an Querdenker verliehen. Menschen, die<br />

den Pfad des Normalen, des Gewohnten verlassen<br />

und eine Alternative suchen. Der 45-jährige<br />

Österreicher Christian Felber steht für eine<br />

ethische Marktwirtschaft. Sein Hauptwerk ist<br />

die „Gemeinwohl-Ökonomie“, in der er eine Alternative<br />

zum Kapitalismus und dem derzeitigen<br />

marktwirtschaftlichen System entwickelt.<br />

Seit 2010 haben sich mehr als 2200 Unternehmen<br />

in 35 Staaten der Initiative angeschlossen. Die<br />

Bewegung wächst seither international. Auch in<br />

Ostwestfalen existieren bereits einige Regionalgruppen<br />

und auch Betriebe, die das Gemeinwohl-<br />

Ökonomie-Modell (GWÖ) favorisieren. Vor<br />

Christian Felber weist den Weg in eine neue ethische Marktwirtschaft.<br />

einem halben Jahr gründete sich in Steinheim<br />

die Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Höxter/Lippe.<br />

Mit dabei in dieser lokalen Gruppe<br />

ist Albrecht Binder, Inhaber der Bad–Apotheke<br />

in Bad Meinberg. Die GWÖ-Regionalgruppe<br />

Höxter/Lippe wird sich in Steinheim rund um<br />

die Preisübergabe am Sonntag, 12. November ab<br />

11.30 Uhr mit einem Informationsstand bei der<br />

Reiner-Reineccius-Preisverleihung präsentieren.<br />

Hier können sich Interessierte vor und nach der<br />

Veranstaltung informieren.<br />

Manfred Hütte vom <strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong> befragte den<br />

Hochschullehrer und Autor mehrerer Wirtschaftsbücher<br />

und nun neuen Träger der Reineccius<br />

Medaille Christian Felber.<br />

Foto: privat<br />

<strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong>: Herr Felber, sagt<br />

Ihnen Reiner Reineccius etwas?<br />

Christian Felber: Ich hielt ihn für<br />

eine Mischung aus Wilhelm Tell und<br />

einem deutschen Galileo Galilei.<br />

Vielleicht, weil der Name alliteriert<br />

und neckisch, keck klingt. Von<br />

„Syntagma“, der Zusammenstellung<br />

historischer Schriften, habe ich schon<br />

im Geschichtsunterricht gehört.<br />

StAz: Er machte sich verdient um<br />

die Erforschung der Geschichte des<br />

Altertums und gilt als größter Sohn<br />

der <strong>Stadt</strong> Steinheim. Außerdem verleiht<br />

die <strong>Stadt</strong> Steinheim seit 2008<br />

die „Reiner Reineccius-Medaille“<br />

für Menschen, die sich als „Querdenker<br />

und Pioniere“ im Sinne<br />

von Reiner Reineccius wider dem<br />

Zeitgeist verhalten. Sehen auch Sie<br />

sich als Querdenker und Pionier?<br />

Felber: Ich sehe mich eher als Vorausdenker<br />

und biege verbogene Begriffe<br />

gerade oder stelle sie vom Kopf auf die<br />

Füße, wie zum Beispiel Uni-Versität,<br />

Ökonomie oder Souveränität. Ich sehe<br />

es mehr so, dass die Gesellschaft quer<br />

denkt und hängt, nicht vorankommt,<br />

das leite ich durch Erkenntnisse, freien<br />

Esprit und Innovationen nach vorne:<br />

Gemeinwohl-Ökonomie, Ethischer<br />

Welthandel, Souveräne Demokratie.<br />

StAz: Inwieweit kann die von Ihnen<br />

ins Leben gerufene Gemeinwohl-<br />

Ökonomie auch ein Modell für die<br />

Region sein?<br />

Felber: Indem sie sich ein Herz fasst<br />

und auf den Weg macht. Das Gemeinwohl<br />

gehört allen. Jede <strong>Stadt</strong> kann<br />

Gemeinwohl-<strong>Stadt</strong>, jeder Landkreis<br />

Gemeinwohl-Region werden. Es<br />

braucht nur eine Willensentscheidung<br />

der Bürger und Bürgerinnen und der<br />

Politik. Jede Region kann Steueroase<br />

werden, Atommüllendlager oder<br />

Gemeinwohl-Region.<br />

StAz: Welche Vorteile bietet das<br />

Kommunen und Gemeinden?<br />

Felber: Eine so klare Vision wie<br />

die des Gemeinwohls und der Lebensqualität<br />

schafft Zusammenhalt,<br />

Identifikation und ganz einfach Wohlbefinden.<br />

Wer möchte nicht in einer<br />

Gemeinwohl-Oase leben? Wichtig ist,<br />

dass es nicht beim Schlagwort bleibt.<br />

Wir schlagen die Entwicklung eines<br />

lokalen Gemeinwohl-Index durch<br />

die Bürger selbst vor: Was ihnen am<br />

allerwichtigsten ist, wird in Zielindikatoren<br />

übersetzt und einmal jährlich<br />

gemessen. Dann wissen die Menschen,<br />

ob es ihnen besser geht – nach<br />

ihren eigenen Prioritäten und Werten.<br />

Die Anstrengungen von Politik, Wirtschaft<br />

und privaten Initiativen können<br />

sich dann auf Verbesserungen und die<br />

immer weitergehende Erreichung der<br />

Ziele orientieren.<br />

StAz: Wie könnten die ersten<br />

Schritte aussehen? Es hat sich ja<br />

eine Gemeinwohlökonomie-Gruppe<br />

für Höxter und Lippe gegründet…<br />

Felber: Am Beginn könnte ein Gemeinderatsbeschluss<br />

stehen – idealerweise<br />

einstimmig, wie er zuletzt<br />

in Wielenbach (Bayern) gelang.<br />

Hilfreich ist auch die Einladung eines<br />

Vertreters einer Gemeinde, die schon<br />

unterwegs oder bilanziert ist. Als erste<br />

konkrete Maßnahme könnten kommunale<br />

Pionierbetriebe bilanziert und<br />

die privaten Unternehmen eingeladen<br />

werden, die Gemeinwohl-Bilanz zu<br />

erstellen. Gute ethische Leistungen<br />

und Bilanzergebnisse werden belohnt:<br />

über die Förderung von Beratung und<br />

Audit, Vorrang in der öffentlichen<br />

Beschaffung, günstige Kredite und<br />

Knüpfung der Wirtschaftsförderung<br />

an die Gemeinwohl-Bilanz. Die<br />

städtischen Banken könnten dazu<br />

ebenso eingebunden werden die<br />

Gründerzentren und die Hochschulen.<br />

Die „Krone“ sind dann die Bürger-<br />

Beteiligungsprozesse, über die globale<br />

Macht- und Demokratiefragen<br />

gemeinsam erarbeitet und von den<br />

Bürgern (mit)entschieden werden:<br />

souveräne Demokratie.<br />

StAz: Was kann ein Unternehmen<br />

tun, was der Bürger, um ökologischnachhaltig,<br />

krisenfest, menschenfreundlich<br />

und demokratisch zu<br />

leben und zu wirtschaften?<br />

Felber: Den Blick aufs Ganze lenken:<br />

den sozialen Zusammenhalt, globale<br />

Gerechtigkeit, den Planeten, das Weltklima,<br />

zukünftige Generationen. Und<br />

die Auswirkungen des eigenen Tuns<br />

auf diese Umfelder mit Hilfe einer<br />

Gemeinwohl-Bilanz prüfen. Jeder<br />

Bürger kann mit einem Gemeinwohl-<br />

Selbsttest beginnen, im Einkauf nach<br />

dem Gemeinwohl-Label Ausschau<br />

halten, zu einer ethischen Bank wechseln<br />

und in nachhaltige Unternehmen<br />

investieren. Als Konsumenten können<br />

wir langlebige und regionale Produkte<br />

bevorzugen, den Fleischkonsum<br />

verringern und auf nichtmotorisierte<br />

Mobilitätsformen umsteigen. Als<br />

Staatsbürger können wir den <strong>Stadt</strong>rat<br />

ermutigen, Gemeinwohl-Gemeinde zu<br />

werden und demokratische Konvente<br />

initiieren, in denen die Spielregeln für<br />

die Finanz-, Handels- und Wirtschaftsordnung<br />

von morgen entstehen

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