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TIM_nov_2017

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Foto: Bryan Adams<br />

Seelenstrip selbst gemacht<br />

Die Suche nach Anerkennung ist verständlich:<br />

In „Desire“ steckten Hurts ihr gesamtes<br />

Herzblut, ist es doch das erste Album in<br />

ihrer Karriere, das die Jungs vollends allein<br />

produzierten. Adam: „Unsere Popmusik<br />

war schon immer stark von einer Do-ityourself-Attitüde<br />

geprägt. Keine großen<br />

Studios, kein fancy Equipment. Wir haben<br />

in den letzten Jahren viel gelernt und hatten<br />

diesmal das erste Mal das Gefühl, auf unseren<br />

eigenen zwei Beinen stehen zu können.<br />

Wir sind sehr stolz darauf, wie das neue<br />

Album klingt.“<br />

Die Arbeit an „Desire“ begann nur eine<br />

Woche nach Ende der erfolgreichen „Surrender“-Tour,<br />

das pulsierende Hochgefühl<br />

und die inspirierenden Eindrücke waren<br />

also noch stark genug, um davon zehren<br />

zu können. „Beautiful Ones“ und „Ready<br />

2 Go“, die ersten beiden Singles des Albums,<br />

entstanden innerhalb weniger Stunden<br />

„und sind einfach so aus uns rausgeflossen“,<br />

erinnert sich Theo. „Die Songs fühlten sich<br />

sehr vertraut an, klangen aber progressiv<br />

und frisch.“ Genau dieses Eins-Sein mit<br />

den innersten Emotionen und dem eigenen<br />

Seelenleben sei es, was die Musik von Hurts<br />

immer schon ausgemacht habe, betont er,<br />

und das habe sich auch am neuen Album<br />

nicht geändert, auch wenn dieses bewusst<br />

mit seinem fröhlicheren Sound neue Wege<br />

beschreitet: „Unsere Musik spiegelt stets<br />

unsere aktuelle Stimmung wieder. Wir können<br />

gar nicht anders, haben das nicht unter<br />

Kontrolle.“ Zudem, ergänzt Adam, während<br />

er sich seinen Bart zum wiederholten Mal<br />

zurechtmacht, haben sie nun endlich die<br />

Chance, auch eine andere, unbeschwertere<br />

Seite zu zeigen: „Das macht natürlich auch<br />

die Live-Shows spannender.“<br />

Fluchtweg<br />

Hurts wäre aber nicht Hurts, hätte der neue<br />

Sound keine tiefere emotionale Bedeutung:<br />

„Die Welt ist aktuell schon düster und kompliziert<br />

genug“, findet Theo klare<br />

Worte und sieht einen dabei<br />

direkt in die Augen.<br />

„Wir wollen mit unserer<br />

Musik eine Möglichkeit<br />

geben, diese Welt, aber<br />

auch den individuellen<br />

Alltag für eine<br />

Weile hinter sich zu<br />

lassen. Denn genau<br />

darum sollte es in<br />

der Musik gehen.<br />

‚Desire‘ ist so etwas<br />

wie eine positive,<br />

aufmunternde Antithese<br />

zur gegenwärtigen<br />

gesellschaftlichen<br />

Lage.“<br />

So komplex die Welt, so divers auch Hurts<br />

Ansage an den Seelenfrieden: „Beautiful<br />

Ones“ ist eine Mut machende Hymne auf<br />

queere Identitäten, „Something I need to<br />

know“ eine klassische Hurts-Ballade, „Boyfriend“<br />

eine funky-spielerische Prince-Hommage<br />

und „Chaperone“ ein stark reduziertes<br />

Singer-Songwriter-Stück, das laut Theo<br />

zwar ebenfalls von Prince inspiriert wurde,<br />

aber stark an Ed Sheeran erinnert. „Klar<br />

fühlen sich Balladen für uns immer noch<br />

am natürlichsten an“, gibt Theo ohne Umschweife<br />

zu. „Es war jedoch spannend, erstmals<br />

die Herangehensweise zu verändern<br />

und uns mehr mit Rhythmen und Grooves<br />

zu beschäftigen. ‚Boyfriend‘ ist vielleicht<br />

der unbeschwerteste und fröhlichste Song,<br />

den wir je geschrieben haben.“ Und in diesem<br />

Moment ist da auch wieder das Leuchten<br />

in seinen Augen, wenn er den Song als<br />

„frech“, „spaßig“ und „sexy“ beschreibt.<br />

Ganz leise schwingt hier vielleicht auch Erleichterung<br />

mit, endlich aus der düsteren<br />

Schublade ausbrechen zu können. Ist Musikmachen<br />

eigentlich auch Selbsttherapie<br />

für die Jungs? „Hundertprozentig“, betont<br />

Adam. „Nirgendwo anders kannst du dich<br />

so sehr im Moment verlieren wie in der<br />

Musik.“<br />

Schrittweises Kennenlernen<br />

Weil Seelenstrip im sicheren Rahmen vielleicht<br />

auch süchtig macht, denken Hurts<br />

bereits jetzt an den Nachfolger. „Kaum haben<br />

wir ein Album fertiggestellt, können<br />

wir nicht erwarten, das nächste zu beginnen<br />

und dort jene Dinge umzusetzen, die wir<br />

neu gelernt haben.“ Dabei scheint der Drang<br />

zum horizonterweiterten Perfektionismus<br />

keine unwesentliche Rolle zu spielen: „Mit<br />

jedem Album verstehen wir uns als Band,<br />

unseren Sound mehr. Wir lernen ständig<br />

dazu.“ Man darf also gespannt sein, was da<br />

noch kommen wird von den Pop-Exzentrikern,<br />

die endlich die Fröhlichkeit für sich<br />

entdeckt haben. Denn, das wissen wir: Erst<br />

wenn man den Schmerz loslässt, ist man<br />

bereit für die Zukunft.<br />

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