Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Foto: Bryan Adams<br />
Seelenstrip selbst gemacht<br />
Die Suche nach Anerkennung ist verständlich:<br />
In „Desire“ steckten Hurts ihr gesamtes<br />
Herzblut, ist es doch das erste Album in<br />
ihrer Karriere, das die Jungs vollends allein<br />
produzierten. Adam: „Unsere Popmusik<br />
war schon immer stark von einer Do-ityourself-Attitüde<br />
geprägt. Keine großen<br />
Studios, kein fancy Equipment. Wir haben<br />
in den letzten Jahren viel gelernt und hatten<br />
diesmal das erste Mal das Gefühl, auf unseren<br />
eigenen zwei Beinen stehen zu können.<br />
Wir sind sehr stolz darauf, wie das neue<br />
Album klingt.“<br />
Die Arbeit an „Desire“ begann nur eine<br />
Woche nach Ende der erfolgreichen „Surrender“-Tour,<br />
das pulsierende Hochgefühl<br />
und die inspirierenden Eindrücke waren<br />
also noch stark genug, um davon zehren<br />
zu können. „Beautiful Ones“ und „Ready<br />
2 Go“, die ersten beiden Singles des Albums,<br />
entstanden innerhalb weniger Stunden<br />
„und sind einfach so aus uns rausgeflossen“,<br />
erinnert sich Theo. „Die Songs fühlten sich<br />
sehr vertraut an, klangen aber progressiv<br />
und frisch.“ Genau dieses Eins-Sein mit<br />
den innersten Emotionen und dem eigenen<br />
Seelenleben sei es, was die Musik von Hurts<br />
immer schon ausgemacht habe, betont er,<br />
und das habe sich auch am neuen Album<br />
nicht geändert, auch wenn dieses bewusst<br />
mit seinem fröhlicheren Sound neue Wege<br />
beschreitet: „Unsere Musik spiegelt stets<br />
unsere aktuelle Stimmung wieder. Wir können<br />
gar nicht anders, haben das nicht unter<br />
Kontrolle.“ Zudem, ergänzt Adam, während<br />
er sich seinen Bart zum wiederholten Mal<br />
zurechtmacht, haben sie nun endlich die<br />
Chance, auch eine andere, unbeschwertere<br />
Seite zu zeigen: „Das macht natürlich auch<br />
die Live-Shows spannender.“<br />
Fluchtweg<br />
Hurts wäre aber nicht Hurts, hätte der neue<br />
Sound keine tiefere emotionale Bedeutung:<br />
„Die Welt ist aktuell schon düster und kompliziert<br />
genug“, findet Theo klare<br />
Worte und sieht einen dabei<br />
direkt in die Augen.<br />
„Wir wollen mit unserer<br />
Musik eine Möglichkeit<br />
geben, diese Welt, aber<br />
auch den individuellen<br />
Alltag für eine<br />
Weile hinter sich zu<br />
lassen. Denn genau<br />
darum sollte es in<br />
der Musik gehen.<br />
‚Desire‘ ist so etwas<br />
wie eine positive,<br />
aufmunternde Antithese<br />
zur gegenwärtigen<br />
gesellschaftlichen<br />
Lage.“<br />
So komplex die Welt, so divers auch Hurts<br />
Ansage an den Seelenfrieden: „Beautiful<br />
Ones“ ist eine Mut machende Hymne auf<br />
queere Identitäten, „Something I need to<br />
know“ eine klassische Hurts-Ballade, „Boyfriend“<br />
eine funky-spielerische Prince-Hommage<br />
und „Chaperone“ ein stark reduziertes<br />
Singer-Songwriter-Stück, das laut Theo<br />
zwar ebenfalls von Prince inspiriert wurde,<br />
aber stark an Ed Sheeran erinnert. „Klar<br />
fühlen sich Balladen für uns immer noch<br />
am natürlichsten an“, gibt Theo ohne Umschweife<br />
zu. „Es war jedoch spannend, erstmals<br />
die Herangehensweise zu verändern<br />
und uns mehr mit Rhythmen und Grooves<br />
zu beschäftigen. ‚Boyfriend‘ ist vielleicht<br />
der unbeschwerteste und fröhlichste Song,<br />
den wir je geschrieben haben.“ Und in diesem<br />
Moment ist da auch wieder das Leuchten<br />
in seinen Augen, wenn er den Song als<br />
„frech“, „spaßig“ und „sexy“ beschreibt.<br />
Ganz leise schwingt hier vielleicht auch Erleichterung<br />
mit, endlich aus der düsteren<br />
Schublade ausbrechen zu können. Ist Musikmachen<br />
eigentlich auch Selbsttherapie<br />
für die Jungs? „Hundertprozentig“, betont<br />
Adam. „Nirgendwo anders kannst du dich<br />
so sehr im Moment verlieren wie in der<br />
Musik.“<br />
Schrittweises Kennenlernen<br />
Weil Seelenstrip im sicheren Rahmen vielleicht<br />
auch süchtig macht, denken Hurts<br />
bereits jetzt an den Nachfolger. „Kaum haben<br />
wir ein Album fertiggestellt, können<br />
wir nicht erwarten, das nächste zu beginnen<br />
und dort jene Dinge umzusetzen, die wir<br />
neu gelernt haben.“ Dabei scheint der Drang<br />
zum horizonterweiterten Perfektionismus<br />
keine unwesentliche Rolle zu spielen: „Mit<br />
jedem Album verstehen wir uns als Band,<br />
unseren Sound mehr. Wir lernen ständig<br />
dazu.“ Man darf also gespannt sein, was da<br />
noch kommen wird von den Pop-Exzentrikern,<br />
die endlich die Fröhlichkeit für sich<br />
entdeckt haben. Denn, das wissen wir: Erst<br />
wenn man den Schmerz loslässt, ist man<br />
bereit für die Zukunft.<br />
| 29