MEDIEN BULLETIN 4/2017 Vorschau
Das Magazin bietet umfassende Reports zu großen Sport-Produktionen, Interviews zu brennenden Branchen-Fragen, Berichte über Messen und Kongresse über Dienstleister, neue Technologien und Geschäftsmodelle. Top-Themen: IBC 2017 Special, RTL City Luxemburg und Sky Sport HQ Sendezentren, VR-Studios, eine Marktüberblick zu Sport-Live-Streaming Angeboten sowie Interviews mit Thomas Riedel und Volker Herres
Das Magazin bietet umfassende Reports zu großen Sport-Produktionen, Interviews zu brennenden Branchen-Fragen, Berichte über Messen und Kongresse über Dienstleister, neue Technologien und Geschäftsmodelle.
Top-Themen: IBC 2017 Special, RTL City Luxemburg und Sky Sport HQ Sendezentren, VR-Studios, eine Marktüberblick zu Sport-Live-Streaming Angeboten sowie Interviews mit Thomas Riedel und Volker Herres
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BUSINESS / LINEARES FERNSEHEN z<br />
Aber unterscheiden Zuschauer heute überhaupt noch zwischen<br />
klassisch linearem TV und Online-Content?<br />
Ich denke schon. Ein lineares Vollprogramm mit festen<br />
verlässlichen Sendeplätzen wie Das Erste strukturiert und<br />
synchronisiert den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess<br />
und auch den individuellen Tagesablauf. Die „Tagesschau“ um<br />
20 Uhr, die übrigens weiter Zuwächse verzeichnet, ist für rund<br />
zehn Millionen Zuschauer tagtäglich der Beginn des Abends,<br />
die „Sportschau“ ist das Ritual für alle Fußballfans am Samstagabend,<br />
der „Tatort“ am Sonntag und der politische Talk im<br />
Anschluss der Ausklang des Wochenendes, die Serien am<br />
Dienstag ein habitualisierter Unterhaltungsplatz. Natürlich bietet<br />
die zeitsouveräne Online-Nutzung viele Vorzüge und<br />
Freiheiten für den User. Der Mensch ist freiheitsliebend, aber<br />
eben auch ein Gewohnheitstier. Der überwiegende Teil der<br />
Bevölkerung will eben nicht sein eigener Programmdirektor<br />
im Netz sein und sich sein Programm aus einer Angebotsüberfülle<br />
von Online-Content Tag für Tag neu zusammenstellen.<br />
Lineare und zeitsouveräne Nutzung konkurrieren bisher<br />
kaum, sondern ergänzen sich.<br />
Ist es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, klassische TV-<br />
Inhalte und Online-Content zu einem Entertainment-Angebot<br />
zusammenzuführen?<br />
Das Erste ist kein Entertainment-Channel, sondern ein nationales<br />
Vollprogramm. Wo es sinnvoll und für die Zuschauer von<br />
echtem Mehrwert ist, nutzen wir natürlich die Synergieeffekte,<br />
die sich aus der Verzahnung von TV-Inhalten und Online-Content<br />
ergeben. Auch wir bieten unsere Inhalte im gesetzlich<br />
zulässigen Rahmen nonlinear an, teils auch bereits vor der<br />
Ausstrahlung. Und wir werden hier zukunftsfähige Plattformen<br />
entwickeln, auf denen beliebte ARD-Inhalte noch attraktiver<br />
zugänglich gemacht werden können.<br />
Amazon, Netflix, Sky, Maxdome, Google & Co. attackieren das<br />
duale Rundfunksystem mit eigenproduzierten Serien und einer<br />
wahren Content-Offensive. Spüren Sie die Konkurrenzsituation<br />
und was tun Sie dagegen?<br />
Zunächst ein Wort zur Konkurrenzsituation. Einerseits: Seriöse<br />
Abrufzahlen der Streamingdienste für den deutschen Markt gibt<br />
es nicht. Die Anbieter geben keine Zahlen heraus. Andererseits:<br />
Wir bemerken bei den Serien im Ersten keine Einbrüche, die<br />
darauf hindeuten würden, dass wir Publikum an die Streamingdienste<br />
verlieren. Dennoch: Wir versuchen, mit Serien wie etwa<br />
„Charité“ und besonders „Babylon.Berlin“, eine Produktion<br />
gemeinsam mit Sky, hochwertige serielle Formate herzustellen,<br />
die Eventcharakter haben und auch international konkurrenzfähig<br />
sind. Das Erste darf den Anschluss an den „state of the art“<br />
nicht verlieren, wenn die global player bei den Streamingdiensten<br />
für ihre Eigenproduktionen auch mit ganz anderen Produktionsetats<br />
operieren können.<br />
Angesichts dieser enormen Budgets von Streamingdienstleistern<br />
– wird Das Erste auch in digitalen Zeiten bei den Nutzern in<br />
der ersten Reihe sitzen?<br />
Natürlich trägt Das Erste den veränderten Nutzungsgewohnheiten<br />
der Öffentlichkeit Rechnung. Wir bauen unsere Onlineangebote<br />
entsprechend aus (tagesschau-app etc.) und verlängern<br />
unsere Programmvielfalt ins Netz. In unseren Mediatheken können<br />
die Zuschauer Sendungen zeitsouverän abrufen. Auch in<br />
der digitalen Welt wollen wir mit der Qualität und Originalität<br />
unserer Angebote überzeugen und diese auf allen relevanten<br />
Verbreitungswegen zur Verfügung stellen. Wir optimieren unsere<br />
Inhalte für die mobile Nutzung ebenso wie für HbbTV/Smart<br />
TV oder die sozialen Medien und bieten immer mehr Sendungen<br />
online first an.<br />
„The Times They Are A-Changin“: Ein Steffen Henssler soll der<br />
neue Stefan Raab werden, alte Shows werden recycelt, Sportrechte<br />
wandern zu Pay-Content-Anbietern. Eine Sendung gleicht<br />
der anderen. Auch bei den Nachrichten informieren sich manche<br />
lieber im Netz. Wie sieht die Zukunft von linearem TV aus?<br />
Ich sehe die Perspektive für das öffentlich-rechtliche Gesamtangebot<br />
und für das lineare Fernsehen ausgesprochen optimistisch.<br />
Besonders was die Nachrichten anbelangt, lernen wir<br />
doch gerade, wie wichtig es ist, im Zeitalter von Fake News, all<br />
den Filterblasen und Echokammern im Netz, verlässliche,<br />
eigenrecherchierte Informationen und unabhängigen Journalismus<br />
anzubieten. Aber auch jenseits der harten Information bin<br />
ich der Überzeugung, dass der Mensch – aller Digitalisierung<br />
und Diversifizierung zum Trotz – nach verbindenden und verbindlichen,<br />
gemeinschaftsbildenden Erfahrungen sucht. Er ist<br />
ein soziales Wesen und will nicht als digitaler Nomade im Netz<br />
vereinsamen.<br />
Neben der strukturierenden Funktion linearen Fernsehens im<br />
Tagesverlauf wird der Event-Charakter bei der Fernsehnutzung<br />
zukünftig mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Fernsehen ist<br />
das Medium der Live-Teilhabe, etwa bei großen Sportereignissen<br />
oder in der Unterhaltung, beim Eurovision Song Contest ebenso<br />
wie bei der Übertragung von Debatten und politischen Diskussionen<br />
bis zum selbstgesetzten TV-Ereignis wie z.B. „Terror – Ihr<br />
Urteil“. Wenn das lineare öffentlich-rechtliche Fernsehen genug<br />
Gesprächsstoff bietet, wird es auch in Zukunft eine Rolle spielen.<br />
Herr Herres, wird es in zwanzig Jahren noch verschiedene<br />
Geräte für TV und Online geben?<br />
Der Hingucker unter allen auf der IFA <strong>2017</strong> ausgestellten Geräten<br />
der Zukunft waren die Fernseher, die immer flacher werden<br />
und für das Publikum inzwischen eine Aura besitzen wie „Bilder<br />
an der Wand“. Ich denke, dass der Fernsehapparat auch weiterhin<br />
zur Wohnungsausstattung und dort zur Privatsphäre der<br />
Menschen gehören wird, während der Arbeitscomputer doch<br />
mehr der beruflichen Nutzung dient. Aber mit Sicherheit werden<br />
die Fernsehgeräte der Zukunft immer „smarter“ werden und<br />
vernetzt funktionieren.<br />
❮Wolfgang Scheidt<br />
<strong>MEDIEN</strong><strong>BULLETIN</strong> LIVE 4.<strong>2017</strong><br />
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