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12/2017

Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 <strong>12</strong>/Dezember <strong>2017</strong> 1/Januar 2018<br />

Multiple Sklerose<br />

Alina ist 6, als sie<br />

an MS erkrankt.<br />

Eine Reportage.<br />

Generation Sandwich<br />

Kinder erziehen und<br />

die Eltern pflegen:<br />

Für viele ist das<br />

kräftezehrender Alltag.<br />

Exklusiv-Interview mit Europas grossem Pädagogen:<br />

Wer er ist, wie er lebt, was ihn hoffen lässt<br />

Jesper Juul


Alter<br />

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Feuer spucken wie ein grosser Drache,<br />

das möchte Torch auch können. P2-38593401<br />

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in CHF. Gültig bis 24. <strong>12</strong>. <strong>2017</strong> oder solange Vorrat. Satz- und Druckfehler sowie Preisänderungen vorbehalten.


Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Flug und Hotel waren gebucht, die Reise nach Dänemark Anfang August fest geplant. Doch<br />

es kam anders: «Jesper Juul war vier Wochen im Spital. Sein Gesundheitszustand ist<br />

instabil», schrieb mir Caroline Märki von familylab am 24. Juni. «Er fühlt sich zu schwach,<br />

um dich zum Interview zu empfangen.» Was nur wenige wissen: Jesper Juul, der<br />

bedeutendste Familientherapeut Europas und Autor zahlreicher Ratgeberbücher, ist<br />

seit vier Jahren schwer krank und in seiner Mobilität stark eingeschränkt.<br />

Dass wir Ihnen in dieser Ausgabe dennoch ein exklusives Interview mit Jesper Juul<br />

präsentieren können, ist vor allem Caroline Märki zu verdanken. Sie hat Jesper Juul im<br />

Rahmen eines familylab-Seminars in Dänemark am Abend des 7. August zu Hause in Odder<br />

besucht. Während zwei Stunden konnte sie ihm einen Teil der Fragen stellen, die meine<br />

Kollegin Evelin Hartmann und ich zusammengetragen hatten. Auf einige weitere Fragen<br />

hat Juul später schriftlich geantwortet. Wie Jesper Juul lebt, warum er Eltern mit seinen<br />

Thesen immer wieder provoziert – und wovon er träumt: das grosse Interview – ab Seite 32.<br />

«Im Prinzip kommt es nur<br />

auf eines an: Kinder<br />

erleben zu lassen, dass sie<br />

eine konstruktive<br />

Bedeutung für das Leben<br />

ihrer Eltern haben und<br />

dieses seit ihrer Geburt<br />

bereichern.»<br />

Jesper Juul (aus: Familienkalender <strong>2017</strong>)<br />

Unsere Spendenaktion «Ein Begleithund für Joel» (siehe November-Heft)<br />

geht weiter. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe betrug der Spendenstand<br />

knapp 11 000 Franken. Das bedeutet: Ein Drittel des benötigten Geldes ist<br />

inzwischen zusammengekommen. Die Suche nach einem passenden Labrador<br />

ist aufwendig und zeitintensiv. Im Februar 2018 wird Joel mit mehreren<br />

Begleithunden und ihren Trainern zusammenkommen. Dann soll sich zeigen,<br />

welcher Hund sich als Begleiter von Joel am besten eignet. Über unsere<br />

Spendenaktion (inkl. Spendenbarometer) informieren wir Sie laufend auf<br />

unserer Website und auf www.elternsein.ch. Ich danke Ihnen im Namen der<br />

Familie Bettschen ganz herzlich für Ihre Unterstützung.<br />

Neulich schrieb mir eine Kollegin: «Es tut mir leid, dass ich letzte Woche<br />

fehlte! Mein Schwiegervater liegt immer noch auf der Intensivstation, wir<br />

wissen nicht, wie es weitergeht. Heute bringen wir meine Schwiegermutter in<br />

eine temporäre Betreuungseinrichtung, sie hat Mühe mit dem Alleinsein, ist<br />

zu allem Übel noch gestürzt. Wir müssen jetzt die nächsten Tage organisieren.<br />

Wie das parallel mit Job und Familie gehen soll, ist mir schleierhaft!»<br />

Meine Kollegin ist nicht allein mit ihrem Spagat zwischen Job, der Verantwortuung für die<br />

eigenen Kinder und der Fürsorge für die Eltern. Rund 220 000 Menschen in der Schweiz<br />

pflegen oder betreuen Angehörige inner- oder ausserhalb des eigenen Haushalts. Wie sehr<br />

sie dabei an die Grenze ihrer Belastbarkeit stossen und welche Unterstützung sie dringend<br />

benötigen, beschreiben wir in unserem Dossier «Sandwich-Generation» – ab Seite 10.<br />

Nun wünsche ich Ihnen spannende Einsichten mit dieser Doppelnummer. Unsere nächste<br />

Ausgabe erscheint am 6. Februar 2018. Wie immer finden Sie ausgewählte Geschichten aus<br />

unserem Magazin und Texte, die wir nur online publizieren, unter www.fritzundfraenzi.ch.<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt<br />

Ausgabe <strong>12</strong> / Dezember <strong>2017</strong> 1 / Januar 2018<br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

30 Nehmt euch die Zeit!<br />

Gemeinsame Unternehmungen mit der<br />

Familie bleiben in Zeiten vollgepackter<br />

Agenden oft auf der Strecke – das sollte<br />

nicht sein.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Bild: Franz Bischof<br />

10<br />

Dossier: Generation<br />

Sandwich<br />

10 Wer kümmert sich?<br />

Immer mehr Menschen zwischen<br />

40 und 60 sind zwischen zwei<br />

Generationen eingeklemmt: Sie<br />

tragen die Verantwortung für ihre<br />

eigenen Kinder und ihre Eltern.<br />

Was könnte diese Mütter und<br />

Väter entlasten?<br />

28 Für das Alter gewappnet<br />

Kinder sollten sich mit ihren Eltern<br />

frühzeitig darüber verständigen,<br />

wie eine mögliche Versorgung im Alter<br />

gestaltet werden kann, sagt<br />

die Pflegewissenschaftlerin<br />

Iren Bischofberger im Interview.<br />

Cover<br />

Jesper Juul ist einer<br />

der bedeutendsten<br />

Pädagogen Europas –<br />

und schwer krank.<br />

Trotzdem hat er uns<br />

ein grosses Interview<br />

gegeben.<br />

Bilder: Ed Kashi, Franz Bischof, Gabi Vogt / 13 Photo, fotolia<br />

4


32<br />

60<br />

68<br />

Jesper Juul, was würden Sie als Vater heute<br />

anders machen?<br />

Alina hat MS und ist oft müde. Ansonsten<br />

merkt man ihr die Krankheit kaum an.<br />

Rund 8700 Kinder und Erwachsene erkranken<br />

hierzulande jedes Jahr an Keuchhusten.<br />

Erziehung & Schule<br />

42 Abwechselnd bei Mami und Papi<br />

Nach einer Trennung muss geklärt<br />

werden, bei wem die Kinder wohnen.<br />

Das Modell der alternierenden Obhut<br />

wird immer beliebter.<br />

46 Was will ich werden?<br />

Ein Lehrer berichtet, wie die Schule<br />

Jugendliche bei der Berufsfindung<br />

begleitet.<br />

50 Frohes Schreiben!<br />

Die Weihnachtszeit bietet zahlreiche<br />

Möglichkeiten, das Schreiben zu<br />

üben. Wir stellen die schönsten vor.<br />

52 AD(H)S? Oder hochsensibel?<br />

Expertin Corinna Huber klärt auf und<br />

beschreibt im Interview, welches die<br />

grösste Falle im Umgang mit<br />

betroffenen Kindern ist.<br />

56 Geldgeschenke<br />

Viele Jugendliche wünschen sich<br />

Bares. Was Eltern beachten sollten.<br />

60 Multiple Sklerose<br />

Die Nervenkrankheit trifft auch Kinder<br />

und Jugendliche – zum Beispiel Alina<br />

und Tina.<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

68 Mehr als ein bisschen Husten<br />

Keuchhusten wird oft spät erkannt.<br />

Dabei ist die Atemwegserkrankung<br />

nicht zu unterschätzen.<br />

Digital & Medial<br />

72 Familienblogs<br />

Geschichten aus der eigenen Familie<br />

erzählen und damit Geld verdienen?<br />

Die Welt der Schweizer Mamablogs.<br />

76 Die Helden meiner Kindheit<br />

Pippi Langstrumpf, Sindbad, Silas:<br />

gemeinsam mit den Kindern in<br />

TV-Erinnerungen schwelgen.<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

32 Jesper Juul<br />

Millionen Eltern lesen seine Bücher.<br />

In einem Exklusiv-Interview blickt<br />

Jesper Juul auf sein Lebenswerk<br />

zurück.<br />

48 Fabian Grolimund<br />

Müssen Eltern in der Erziehung<br />

immer einer Meinung sein? Der<br />

Elterncoach meint nein.<br />

57 Mikael Krogerus<br />

Unser Kolumnist über das ständige<br />

Streben nach Selbstoptimierung.<br />

58 Leserbriefe<br />

82 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Wie tröstet man einen 17-Jährigen,<br />

der noch keine Freundin hat?<br />

Service<br />

75 Verlosung<br />

78 Ein Wochenende …<br />

… in Nendaz<br />

80 Sponsoren/Impressum<br />

81 Buchtipps<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 6. Februar 2018.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 20185


Entdecken<br />

Mit Kindern die<br />

Region erkunden<br />

Was tun am Wochenende? Wieder<br />

ins Naturmuseum? Auf den Weihnachtsmarkt<br />

oder doch lieber mal<br />

etwas anderes kennenlernen – aber<br />

was? Auf der Online-Plattform<br />

www.kinderregion.ch finden Familien<br />

aus den Regionen Baden, Winterthur,<br />

Zug und Zürich ganz auf<br />

ihre Bedürfnisse zugeschnittene<br />

Freizeitangebote – und die liegen<br />

direkt vor ihrer Haustür. Zudem<br />

erzählen Bloggerinnen und Blogger<br />

aus ihrem (Familien-)Alltag.<br />

3 FRAGEN<br />

www.kinderregion.ch<br />

an Cornelia Mackuth-Wicki, Geschäftsleiterin von Pro Pallium<br />

«Trauer braucht Zeit»<br />

Wenn ein Kind stirbt, steht für seine Eltern die Welt still. Die Organisation<br />

Pro Pallium habe es sich zur Aufgabe gemacht, trauernde Mütter und<br />

Väter in ihrem Schmerz nicht alleinzulassen, sagt Geschäftsleiterin und<br />

Trauerbegleiterin Cornelia Mackuth-Wicki.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Frau Mackuth-Wicki, wie können Sie trauernde Eltern<br />

unterstützen?<br />

Pro Pallium bietet diesen Müttern und Vätern beispielsweise Einzelbetreuung,<br />

aber auch Väter- und Müttertrauergruppen, Informationen zum<br />

Thema oder Aktivitäten an, bei denen Familien, die ähnliche Schicksale<br />

teilen, etwas zusammen unternehmen können.<br />

Welches Angebot wird am meisten nachgefragt, oder anders gefragt:<br />

Was brauchen diese Eltern am meisten?<br />

Am besten besucht werden die Müttergruppen – vielleicht, weil sich für<br />

Mütter im Alltag am meisten verändert oder sie anders umgehen mit ihrer<br />

Trauer als Väter. Hier können sie immer wieder über ihren Verlust reden,<br />

mit Leuten, die nicht müde werden zuzuhören – aber sich auch untereinander<br />

austauschen, was ihnen in ihrer Trauer geholfen hat.<br />

Was kann man tun, wenn im eigenen Umfeld ein Kind stirbt?<br />

Man sollte den betroffenen Eltern nicht aus dem Weg gehen, sagen, dass<br />

es einem leidtut, und konkrete Hilfestellung anbieten. Beispielsweise die<br />

Geschwister des verstorbenen Kindes einmal zu einem Ausflug mitnehmen,<br />

ein Nachtessen zubereiten, die Mutter oder den Vater zum Friedhof<br />

begleiten, falls sie das wünschen. Und man sollte keinen Druck aufbauen:<br />

Die Welt der betroffenen Familie dreht sich nicht nach drei Monaten<br />

normal weiter. Trauer braucht Zeit.<br />

Alle Infos auf www.pro-pallium.ch<br />

In den 3 Wochen nach dem Start der Netflix-Serie<br />

«13 Reasons Why» (deutsche Fassung: «Tote<br />

Mädchen lügen nicht») googelten Internetnutzer in<br />

den USA bis zu 26 % häufiger nach Suizidmethoden.<br />

In der fiktiven Teenie-Serie erzählt die<br />

Protagonistin über 13 Folgen hinweg ihrer Nachwelt,<br />

warum sie sich das Leben nahm.<br />

(Quelle: JAMA Internal Medicine, eine wissenschaftliche Zeitschrift,<br />

die von der American Medical Association veröffentlicht wird)<br />

Teilnehmer für<br />

Studie gesucht!<br />

Das Institut für Unternehmensentwicklung<br />

der Berner Fachhochschule<br />

beteiligt sich aktuell an<br />

einer Studie zur Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf im internationalen<br />

Vergleich. Gesucht werden Studienteilnehmer, die mit mindestens<br />

einem Kind im selben Haushalt zusammenleben und einer abhängigen<br />

Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgehen.<br />

Die Angaben werden ausschliesslich in anonymisierter Form für<br />

Forschungszwecke verwendet. Als Dankeschön werden unter allen<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmern fünf Einkaufsgutscheine im Wert<br />

von je 50 Franken verlost.<br />

Studie auf: www.wirtschaft.bfh.ch/umfrage-iswaf<br />

Bilder: iStockphoto, fotolia<br />

6 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


www.volkswagen.ch<br />

Raum für alle und alles.<br />

Der neue Tiguan Allspace.<br />

Mehr Kofferraum und 21.5 cm länger.<br />

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Raumangebots mit optionaler umklappbarer dritter Sitzreihe 1 bis zu sieben Passagiere Platz.<br />

Nur für eines ist kein Platz: Langeweile.<br />

Wir bringen die Zukunft in Serie.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2017</strong> / Januar 20187<br />

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24 Geschenkideen<br />

Was schenke ich nur zu Weihnachten?<br />

Für Unentschlossene haben wir einen<br />

Online-Adventskalender mit<br />

24 Geschenkideen gefüllt. Wie wäre<br />

es zum Beispiel mit einem Bastelnachmittag<br />

für das Gottimädchen<br />

oder einem Wimmelbuch über den<br />

Zoo Zürich? Das könnte auch gleich<br />

als Gutschein für den nächsten<br />

gemein samen Zoobesuch dienen.<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Und die Moral von der Geschichte ... Kindern fällt es leichter,<br />

die berühmte «Moral von der Geschichte» zu begreifen, wenn in der Erzählung Menschen<br />

die Hauptrolle spielen. Das entdeckten Forscher von der University of Toronto in Kanada<br />

in einer Untersuchung mit vier- bis sechsjährigen Kindern. So waren diejenigen Kinder,<br />

denen eine Geschichte mit Menschen vorgelesen wurde, eher bereit, das ihnen überlassene<br />

Spielzeug zu teilen, als dies Kinder aus der Vergleichsgruppe waren – diesen wurde gar<br />

nicht vorgelesen oder Geschichten, in denen Tiere die Hauptrolle spielten. Kinder können<br />

also leichter Wissen aus Geschichten ziehen, wenn diese realistisch sind, so die Forscher.<br />

«Die Jugendlichen heutzutage verfügen<br />

über einen gesunden Menschenverstand,<br />

messen einem progressiven Eintritt in die<br />

Sexualität einen sehr hohen Stellenwert<br />

und der Intimität, der Partnerwahl, dem<br />

richtigen Moment und geeigneten Alter<br />

eine grosse Bedeutung bei.»<br />

(Annamaria Colombo in einem Interview auf<br />

www.tagesanzeiger.ch über Ergebnisse aus ihre Studie<br />

«Sex, Beziehungen ... und du?»)<br />

Annamaria Colombo ist<br />

Professorin und die<br />

Verantwortliche für<br />

angewandte Forschung und<br />

Entwicklung an der<br />

Hochschule für soziale<br />

Arbeit in Freiburg.<br />

Besser Lernen<br />

Egal ob Geschichte, Biologie oder<br />

Geografie: Sehr oft müssen wir<br />

beim Lernen Texte lesen, verstehen<br />

und das Wichtigste daraus wiedergeben<br />

können. Viele Jugend liche lernen<br />

aber mit einer schlechten Strategie: Sie<br />

lesen die Texte mehrmals durch in der<br />

Hoffnung, dass genügend Wissen «hängenbleibt». Doch<br />

um uns Inhalte zu merken, müssen wir den Stoff nicht<br />

nur lesen, sondern auch vernetzen – indem wir das<br />

Gelesene in eigenen Worten wiedergeben, mit Beispielen<br />

und bildhaften Vorstellungen anreichern und uns<br />

überlegen, welche Fragen zu den behandelten Themen<br />

gestellt werden könnten. In der neuen Folge von Adi und<br />

Jess zeigen Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund, wie<br />

diese wirkungsvollen Lernstrategien eingesetzt werden.<br />

Zu finden auf www.fritzundfraenzi.ch > Video.<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie den<br />

neuen Lernfilm<br />

mit Adi und Jess.<br />

Bilder: iStockphoto, Pexels Torsten Dettlaff, ZVG<br />

8 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 20189


Generation<br />

Sandwich<br />

Sie sind eingeklemmt zwischen der Verantwortung für die<br />

eigenen Kinder und jener für die Eltern: Ein Fünftel aller<br />

Schweizer Frauen betreut einen pflegebedürftigen Angehörigen<br />

und gerät damit an die Grenzen der Belastbarkeit. Zwei Mütter<br />

erzählen. Text: Yvonne Kiefer-Glomme Bilder: Ed Kashi<br />

10 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201811


Dossier<br />

<strong>12</strong> <br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Als der 83-jährige Herbie Winokur erste<br />

Anzeichen von Demenz zeigte, zogen seine<br />

Tochter, die Filmerin Julie Winokur, und ihr<br />

Mann, der Fotojournalist Ed Kashi, mit ihren<br />

zwei Kindern von San Francisco zu ihm<br />

nach New Jersey. Die Bilder in diesem<br />

Dossier zeigen Szenen aus ihrem Alltag.<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

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und sehen Sie den Trailer zu<br />

Julie Winokurs Film «The<br />

Sandwich Generation».<br />

Willkommen im<br />

Irrenhaus!»,<br />

sagt Jasmin<br />

Dubois* und<br />

lä chelt. Kaum<br />

hat die 44-Jährige ihr Haus in<br />

Emmenbrücke LU betreten, klingelt<br />

das Telefon. Gestern hat ihre 76-jährige<br />

Schwiegermutter – sie lebt seit<br />

20 Jahren auf Mallorca – einen<br />

Schlaganfall erlitten und musste in<br />

eine Klinik eingeliefert werden. Nun<br />

ist deren Nachbarin am Apparat und<br />

drängt darauf, dass ein Familienmitglied<br />

anreist. Trotz begrenzter Spanischkenntnisse<br />

steht Jasmin Dubois<br />

nun in ständigem Kontakt mit den<br />

Ärzten und bemüht sich um Unterstützung<br />

vor Ort. Ihr Mann und sein<br />

Bruder sind beruflich so eingebunden,<br />

dass sie nicht sofort nach Palma<br />

fliegen können. Und auch sie selbst<br />

müsste zuerst ihre Töchter, zwölf<br />

und acht Jahre, bei Freunden unterbringen.<br />

Immer unter Strom<br />

Auch Jasmin Dubois’ eigene Eltern<br />

sind auf Hilfe angewiesen. Seit drei<br />

Jahren fährt die gebürtige Französin<br />

alle zwei Wochen zu ihnen ins 130<br />

Kilometer entfernte Mulhouse, kauft<br />

für sie ein und putzt deren Haus. Ihr<br />

Bruder kümmert sich um alle schriftlichen<br />

und finanziellen Angelegenheiten.<br />

Grund dafür ist ihre 80-jährige<br />

Mutter: Sie leidet an einer<br />

unheilbaren Autoimmunerkran-<br />

kung. Ausser einer Pflegefachfrau<br />

lässt ihr 86-jähriger Vater jedoch<br />

keine fremde Hilfe zu. Auch einen<br />

Umzug in die Nähe ihrer Tochter<br />

lehnt er ab. Ihrer Mutter zuliebe<br />

beugt sich Jasmin Dubois diesen<br />

Umständen. Vor Ort bleiben ihr fünf<br />

Stunden, dann muss sie wieder<br />

zurück. Denn zu Hause warten ihre<br />

Töchter, die nach der Schule bei<br />

Nachbarn zu Mittag essen. Für den<br />

eigenen Haushalt sowie die Kinderbetreuung<br />

hat sie keine professionelle<br />

Unterstützung. «Das liegt finanziell<br />

nicht drin», sagt sie. Ihr Alltag<br />

ist durchgeplant. Stress machen ihr<br />

nur die nicht kalkulierbaren Punkte,<br />

die Wutausbrüche ihrer pubertierenden<br />

Tochter, die Eifersüchteleien der<br />

Jüngeren oder wenn eine der beiden<br />

nicht zur verabredeten Zeit nach<br />

Hause kommt. «Dann brauche ich<br />

Geduld und Nerven, die ich nicht<br />

mehr habe.»<br />

Rund 220 000 Menschen, davon<br />

140 000 im erwerbsfähigen Alter,<br />

betreuen oder pflegen Personen in<br />

oder ausserhalb ihres eigenen >>><br />

In mehr als zwei Drittel der<br />

Fälle übernehmen die Frauen<br />

die Pflege der Angehörigen.<br />

13


Dossier<br />

Einmal im Monat wünscht<br />

sich Sidonia Gianellas Sohn<br />

einen Nachmittag allein<br />

mit seiner Mutter.<br />

>>> Haushalts, so die Hochrechnungen<br />

der Schweizer Arbeitskräfteerhebung<br />

(SAKE) von 2013. Laut<br />

dem Spitex Verband Schweiz leisteten<br />

Angehörige im Jahr 2013 64 Millionen<br />

Pflege- und Betreuungsstunden,<br />

sogenannte Care-Arbeit. Das<br />

entspricht einer Gratisarbeit im<br />

Wert von 3,5 Milliarden Franken.<br />

Durchschnittlich 30 Betreuungsstunden<br />

pro Woche übernehmen<br />

die erwachsenen Töchter und Söhne<br />

der Betroffenen.<br />

Die Älteren wollen selbstbestimmt<br />

leben – und wohnen weit weg<br />

Besonders hart trifft es die Paare im<br />

Alter von 40 bis 60 Jahren, die erst<br />

spät eine eigene Familie gegründet<br />

haben – sie sind die Sandwich-Generation.<br />

Ihr Problem: Nicht nur die<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

will erfolgreich gemanagt werden,<br />

sondern auch die Fürsorge für die<br />

Eltern oder andere ältere Angehörige.<br />

Und diese Aufgabe stellt sich<br />

nicht erst – wie in den Generationen<br />

davor – , nachdem die eigenen Kinder<br />

aus dem Haus sind, sondern<br />

während diese noch heranwachsen.<br />

In mehr als zwei Drittel der Fälle<br />

übernehmen die Frauen diese<br />

Betreuungsaufgabe.<br />

Das bedeutet: Die aufgrund von<br />

langen Ausbildungszeiten und Er -<br />

werbstätigkeit zunehmend älteren<br />

Mütter sind gerade dabei, beruflich<br />

wieder durchzustarten, da müssen<br />

sie erneut ihre Bedürfnisse zurückstellen.<br />

Und dies zu einem Zeitpunkt,<br />

an dem sie angesichts hoher<br />

Kita- und Hortkosten selbst noch<br />

Unterstützung bei der Kinderbe-<br />

treuung gebrauchen könnten. Hinzu<br />

kommt, dass die älteren Familienmitglieder<br />

heute meist so lange wie<br />

möglich selbstbestimmt in ihrem<br />

eigenen Haushalt leben möchten –<br />

und dieser durch die steigende<br />

berufliche Mobilität häufig in grösserer<br />

räumlicher Entfernung liegt.<br />

Chronische Besorgnis<br />

Diese Situation kennt Sidonia Gianella<br />

aus Gelterkinden BL nur zu gut.<br />

Die 51-Jährige besucht zwei bis drei<br />

Mal pro Woche ihre 77-jährige Mutter,<br />

die allein im 30 Minuten entfernten<br />

Lupsingen BL wohnt. Ihre Mutter,<br />

die gelernte Damenschneiderin,<br />

konnte auf einmal keine Schnittmuster<br />

mehr zuordnen und irrte während<br />

eines Ferienaufenthaltes eine<br />

Stunde lang vergeblich im Hotel<br />

umher, um sich einen Pfefferminztee<br />

zu besorgen.<br />

Nach diesen ersten Krankheitszeichen<br />

wurde bei ihr im Dezember<br />

2015 eine seltene Form der Demenz<br />

diagnostiziert. «Seitdem bin ich ihre<br />

Hauptbezugsperson, organisiere<br />

ihren Alltag, begleite sie zu Arztterminen<br />

und versuche, sie emotional<br />

zu unterstützen», so Sidonia Gianella.<br />

Aus einem geplanten halben Tag<br />

vor Ort werden schnell acht Stunden.<br />

Denn die klaren Momente der<br />

Mutter sind rar. Dazwischen fällt sie<br />

oft in eine depressive Stimmung und<br />

muss getröstet werden. Gianellas<br />

Schwester kümmert sich um die Post<br />

und die Finanzen der Mutter und<br />

besucht sie, so oft es geht.<br />

Um sich zu entlasten, versuchte<br />

Sidonia Gianella sechs Wochen lang,<br />

ihre Mutter für zwei Nachmittage<br />

pro Woche in eine Tagesstätte einzugewöhnen.<br />

Doch der erste Versuch<br />

scheiterte: Ihre Mutter weigerte sich,<br />

allein dorthin zu gehen. Zur Unterstützung<br />

im eigenen Haushalt hat<br />

sich Sidonia Gianella zu einer Putzfrau<br />

durchgerungen. «Eigentlich<br />

scheue ich die Kosten hierfür, aber<br />

auf diese Weise kann ich mir etwas<br />

Zeitdruck aus meinem Alltag nehmen.»<br />

Jeweils am<br />

>>><br />

Wochenen-<br />

14


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201815


Dossier<br />

16 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> de bespricht sie gemeinsam mit<br />

ihrem Mann und ihrem 14-jährigen<br />

Sohn ihre Agenda für die nächste<br />

Woche. So weiss der Achtklässler<br />

immer, wann er auf seine Mutter<br />

verzichten muss und wo er sie erreichen<br />

kann. Bei Engpässen zu Hause<br />

versucht Gianellas Mann einzuspringen,<br />

muss dies jedoch durch<br />

Arbeit am Wochenende ausgleichen.<br />

Ressource Angehörige<br />

Dank medizinisch-therapeutischer<br />

Fortschritte hat sich die Lebenserwartung<br />

in den letzten Jahrzehnten<br />

deutlich erhöht: Bis 2050 wird sich<br />

die Zahl der über 80-Jährigen in der<br />

Schweiz von 442 000 (<strong>2017</strong>) auf<br />

knapp 1,2 Millionen fast verdreifachen,<br />

so die Schätzungen des Bundesamts<br />

für Statistik. «Der medizinische<br />

Fortschritt bringt aber auch<br />

mit sich, dass immer mehr diagnostiziert<br />

und therapiert wird – und dies<br />

bis ins hohe Alter. Menschen mit<br />

chronischen Erkrankungen, wie beispielsweise<br />

Demenz und Parkinson,<br />

leben daher heute viel länger als<br />

noch vor 10 bis 20 Jahren und müssen<br />

entsprechend länger betreut<br />

werden», erklärt die Pflegewissenschaftlerin<br />

Iren Bischofberger, Programmleiterin<br />

«work & care» bei<br />

Careum Forschung und der Kalaidos<br />

Fachhochschule Gesundheit.<br />

Laut dem «Angehörigenbericht»<br />

des Bundesrats von 2014 wird die<br />

Zahl der pflegebedürftigen älteren<br />

Menschen bis 2030 um 46 Prozent<br />

zunehmen. «Dem steht ein Wandel<br />

der Familienstrukturen hin zur<br />

Kleinfamilie, eine Zunahme kinderloser<br />

Paare und eine höhere Er -<br />

werbsquote der Frauen gegenüber»,<br />

betont Philippe Gnaegi, Geschäftsführer<br />

von Pro Familia Schweiz.<br />

Diese gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

verringern die Zahl der<br />

Angehörigen, die ihre älteren Familienmitglieder<br />

unterstützen können.<br />

Den wachsenden Betreuungsbedarf<br />

älterer Menschen kann das Schweizer<br />

Gesundheitswesen jedoch nicht<br />

>>><br />

allein durch professionelle<br />

Linktipps<br />

• info-workcare.ch Nationales,<br />

organisationsübergreifendes,<br />

dreisprachiges Internetportal von<br />

Travail Suisse für berufstätige,<br />

pflegende Angehörige<br />

• careinfo.ch Informationsplattform<br />

der Fachstelle für Gleichstellung<br />

der Stadt Zürich zum Thema Pflege<br />

und Betreuung durch 24-Stunden-<br />

Betreuerinnen<br />

• alz.ch (Schweizerische Alzheimervereinigung):<br />

Beratung, Entlastungs-<br />

und Besuchsdienste, Ferienangebote<br />

und Angehörigengruppen<br />

• angehoerige-pflegen.ch Internetauftritt<br />

zum Tag für pflegende<br />

und betreuende Angehörige<br />

• caritas.ch Vermittlung professioneller<br />

24-Stunden-Betreuerinnen<br />

aus dem europäischen Caritas-Netz<br />

• entlastungsdienste.ch Entlastungsangebote<br />

für einzelne<br />

Stunden, Tage, Wochenenden<br />

oder die Ferien<br />

• pflege-entlastung.ch (Schweizerisches<br />

Rotes Kreuz) Beratung,<br />

Besuchs-, Begleit-, Fahr- und<br />

Entlastungsdienste, Tagesstätten<br />

und -zentren<br />

• prosenectute.ch Beratung, Mahlzeiten-<br />

und Entlastungsdienst,<br />

Haushaltshilfe<br />

• proinfirmis.ch Entlastungs- und<br />

Fahrdienste, Hilfsmittel- und Sozialberatung<br />

für behinderte Menschen<br />

und ihre Angehörigen<br />

• spitex.ch Kranken- und Gesundheitspflege,<br />

hauswirtschaftliche<br />

Unterstützung, Beratung, Koordination<br />

und sozialbetreuerische<br />

Begleitung<br />

Die Zahl der<br />

pflegebedürftigen älteren<br />

Menschen wird bis 2030<br />

um 46 Prozent zunehmen.<br />

17


Dossier<br />

>>> und institutionelle Anbieter<br />

wie Entlastungsdienst Schweiz, Caritas,<br />

Pro Senectute, Spitex oder<br />

Schweizerisches Rotes Kreuz abdecken.<br />

«Es fehlen die notwendigen<br />

Pflegekräfte und die finanziellen<br />

Mittel», heisst es im Bericht des Bundesrats<br />

weiter. Die unentgeltliche<br />

Betreuung und Pflege durch Angehörige<br />

sei für die Zukunft des<br />

Gesundheitssystems somit bedeutend.<br />

Andererseits sollen angesichts<br />

des Fachkräftemangels sowie der<br />

Wachstumspolitik des Bundes möglichst<br />

viele Frauen erwerbstätig bleiben.<br />

Was den Druck auf pflegende<br />

Angehörige noch verstärkt.<br />

«Auch die gesundheitspolitische<br />

Prämisse ‹ambulant vor stationär›<br />

darf nicht zu einer Überstrapazierung<br />

der Ressourcen von Angehörigen<br />

führen», kommentiert Iren<br />

Bischofberger. Vor diesem Hintergrund<br />

hat der Bundesrat beschlossen,<br />

dass der Vereinbarkeit von<br />

Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege<br />

mehr Aufmerksamkeit gewidmet<br />

werden muss (siehe Seite 22).<br />

Wenn der Spagat zu gross wird<br />

«Keine Leergänge», dieser Leitsatz<br />

aus dem Gastroservice könnte Jasmin<br />

Dubois’ persönlicher Wahlspruch<br />

sein. Bis zu ihrem 36. Lebensjahr,<br />

in dem ihre zweite Tochter zur<br />

Welt kam, arbeitete die Gastronomin<br />

Vollzeit. Danach pausierte sie mehrere<br />

Jahre, um schliesslich mit zwei<br />

halben Tagen pro Woche wieder einzusteigen.<br />

Durch die Erkrankung<br />

ihrer Mutter musste sie diese Teilzeitstelle<br />

jedoch aufgeben. Seitdem<br />

zahlt sie nur noch ein Mini- >>><br />

Lücken in der Altersvorsorge<br />

können die Existenz von<br />

pflegenden Angehörigen<br />

bedrohen.<br />

18


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201819


20 <br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> mum in ihre 3. Säule ein. Um<br />

sowohl den Bedürfnissen ihrer Töchter<br />

als auch denen ihrer älteren Familienmitglieder<br />

gerecht zu werden,<br />

stellt Jasmin Dubois ihre eigenen<br />

hintan. Die einzigen «Leergänge»,<br />

die sie sich zurzeit erlaubt, sind kurze<br />

Kaffeepausen auf ihrer Terrasse.<br />

Ihr Mann arbeitete bis vor kurzem<br />

in Solothurn, sodass er erst spätabends<br />

zu Hause war. Wichtige Dinge<br />

konnten sie unter der Woche oft<br />

nur telefonisch besprechen.<br />

Das Verständnis ist begrenzt<br />

Ähnlich erging es Sidonia Gianella.<br />

Als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin<br />

führte sie 40 bis 70 Mitarbeiter.<br />

Auch für sie stand bis zur Geburt<br />

ihres Sohnes – zu diesem Zeitpunkt<br />

war sie 38 – der Beruf an erster Stelle.<br />

Danach pausierte sie drei Jahre<br />

und stieg mit einer Teilzeitstelle im<br />

Spielwarenfachhandel wieder in die<br />

Erwerbstätigkeit ein. Diesen Job<br />

behielt sie zunächst auch bei, als bei<br />

ihrer Mutter eine Demenz diagnostiziert<br />

wurde. «Um flexibel in einem<br />

Teilzeitpensum arbeiten zu können,<br />

habe ich darauf verzichtet, in meinem<br />

erlernten Beruf zu arbeiten, und<br />

war bereit, mich auf Stundenlohnbasis<br />

anstellen zu lassen.» Ein Jahr<br />

später kündigte jedoch auch sie: Der<br />

Spagat zwischen den beruflichen<br />

und den privaten Anforderungen<br />

wurde zu gross. «Wenn eine Mutter<br />

mit ihrem Kind ins Spital muss, hat<br />

man am Arbeitsplatz Verständnis.<br />

Muss man dies mit einem Elternteil,<br />

ist das Verständnis nur begrenzt», so<br />

Gianella.<br />

Bei Absenzen für kranke und<br />

pflegebedürftige Angehörige über<br />

15 Jahren sind Erwerbstätige gemäss<br />

Arbeitsgesetz auf freiwillige Vereinbarkeitsarrangements<br />

ihres Arbeitgebers<br />

angewiesen. Daraus resultierende<br />

Einkommenseinbus sen oder<br />

Vorsorgelücken können für pflegende<br />

Angehörige jedoch existenzgefährdend<br />

sein. Betreuende Angehörige<br />

entwickeln Kompetenzen in der<br />

Care-Arbeit. Manche gewin­ >>><br />

Um den Bedürfnissen<br />

ihrer Familie gerecht zu<br />

werden, stellt Jasmin<br />

Dubois ihre eigenen<br />

Bedürfnisse hintan.<br />

Literaturtipps<br />

Ich kann doch nicht immer für dich<br />

da sein: Wege zu einem besseren<br />

Miteinander von erwachsenen<br />

Kindern und ihren Eltern C. Kazis,<br />

B. Ugolini, Piper Verlag München, 2010<br />

Berufstägige erzählen aus ihrem<br />

Alltag mit pflegebedürftigen<br />

Angehörigen K. van Holten, M. Schäfer,<br />

I. Bischofberger; Hrsg. Careum<br />

F+E Forschungsinstitut Kalaidos,<br />

Fachhochschule Departement<br />

Gesundheit, Careum Verlag Zürich, 2011<br />

Pflegend begleiten: Ein Ratgeber für<br />

Angehörige und Freunde<br />

pflegebedürftiger Menschen – In<br />

Kooperation mit Pro Senectute und<br />

dem Schweizerischen Roten Kreuz,<br />

Careum Verlag Zürich, 2010<br />

Irgendwie kriegen wir das schon hin:<br />

Betroffene erzählen vom<br />

Pflegealltag in den Familien E. Worg ;<br />

Pattloch Verlag München, 2013<br />

Die Vereinbarkeit von häuslicher<br />

Pflege und Beruf W. Keck; Verlag<br />

Huber Bern, 20<strong>12</strong><br />

Wohnen und Pflege im Alter Katrin<br />

Stäheli Hass, Beobachter-Edition, 2011<br />

21


Dossier<br />

Betreuende Angehörige<br />

entwickeln Kompetenzen in<br />

der Care-Arbeit – viele setzen<br />

diese auch beruflich um.<br />

>>> nen Freude daran, diese fachlich<br />

zu vertiefen und ihre Erfahrungen<br />

weiterzugeben. «Dies kann<br />

ihnen neue Perspektiven für ihre<br />

berufliche Entwicklung eröffnen»,<br />

so Iren Bischofberger.<br />

Sidonia Gianella hat diese Chance<br />

ergriffen: Mitte 2016 fasste sie den<br />

Entschluss, sich beruflich neu zu<br />

orientieren. «Wenn nicht jetzt, dann<br />

nicht mehr», kommentiert sie ihr<br />

Vorhaben. Nach Abschluss einer<br />

Pflegehelfer-Schulung lässt sie sich<br />

nun zur «Fachperson Aktivierung<br />

und Kognitionstraining für De -<br />

menzkranke» ausbilden. Parallel<br />

dazu arbeitet sie mit einem 60-Prozent-Pensum<br />

als Alltagsgestalterin<br />

in der Demenzstation eines Seniorenheimes.<br />

Dadurch hat sie gelernt,<br />

noch besser mit dem Verhalten ihrer<br />

Mutter umzugehen. Auch Betroffenen<br />

in späteren Krankheitsstadien<br />

eine feste Umarmung oder ein Danke<br />

zu entlocken, gibt ihr ein gutes<br />

Gefühl.<br />

Während Gianella arbeitet, kümmert<br />

sich einmal pro Woche eine<br />

Mitarbeiterin von Dementia Care,<br />

einem speziellen Betreuungsdienst<br />

des Schweizerischen Roten Kreuzes,<br />

um ihre Mutter. An einem weiteren<br />

Wochentag besucht ihre Mutter eine<br />

Tagesstätte des SRK. «Diesmal hat es<br />

geklappt», erklärt Sidonia Gianella<br />

«Aktionsplan»<br />

des Bundesrats<br />

In den letzten Jahren wurden verschiedene<br />

parlamentarische Initiativen beim Bundesrat<br />

eingereicht, um pflegende Angehörige finanziell<br />

und zeitlich zu entlasten. Daraufhin<br />

hat das Bundesamt für Gesundheit eine<br />

schweizweite Bestandsaufnahme der Betreuungszulagen<br />

und Entlastungsangebote durchführen<br />

lassen. Auf dessen Basis erstellte der<br />

Bundesrat im Dezember 2014 einen «Angehörigenbericht»<br />

sowie einen «Aktionsplan<br />

zur Unterstützung von betreuenden und<br />

pflegenden Angehörigen». Im Februar dieses<br />

Jahres beauftragte er das Innendepartement,<br />

bis Ende <strong>2017</strong> eine Vernehmlassungsvorlage<br />

vorzubereiten, wie Angehörige sich für ältere<br />

Familienmitglieder engagieren können, ohne<br />

sich zu überfordern oder in finanzielle Engpässe<br />

zu geraten: Arbeitnehmer sollen das<br />

Recht erhalten, sich an ihrem Arbeitsplatz<br />

kurzzeitig freistellen zu lassen, um ein Familienmitglied<br />

zu pflegen. Dabei soll eine Variante<br />

mit Lohnfortzahlung ausgearbeitet werden. Ein<br />

längerer Betreuungsurlaub wird nur für Eltern<br />

schwer kranker Kinder diskutiert. Um Lücken<br />

in der Altersversorgung abzumildern, soll das<br />

Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung<br />

ergänzt werden: Künftig sollen<br />

auch jene Personen Betreuungsgutschriften<br />

erhalten, die Verwandte mit leichter Hilflosigkeit<br />

betreuen oder pflegen. Entlastungsangebote,<br />

wie etwa die Unterstützung durch<br />

Freiwillige oder das Bereitstellen von Ferienbetten<br />

in Alters- und Pflegeheimen, sollen ausgebaut<br />

werden. Hierzu hat das Bundesamt für<br />

Gesundheit im Rahmen der Fachkräfteinitiative<br />

das Förderprogramm «Entlastungsangebote<br />

für pflegende Angehörige <strong>2017</strong>–2020» lanciert.<br />

Es soll dazu dienen, die Situation und die<br />

Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen zu<br />

erforschen, gute Praxisbeispiele für Unterstützungsangebote<br />

zu sammeln und zu dokumentieren.<br />

Erste Ergebnisse werden 2018 erwartet.<br />

22 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

lächelnd. Was ihren Mann und<br />

ihren Sohn betrifft, so stehen beide<br />

hinter ihrer neuen Tätigkeit. Nur<br />

manchmal beschwert sich ihr Sohn,<br />

dass er sie wenigstens einmal im<br />

Monat einen Tag für sich haben<br />

möchte.<br />

Auch Jasmin Dubois ist mittlerweile<br />

wieder berufstätig. Sie arbeitet<br />

zwei Tage pro Woche bis 16 Uhr in<br />

einem Personalrestaurant. Damit<br />

ihre Töchter mittags versorgt sind,<br />

kocht sie ihnen das Essen vor. Am<br />

Nachmittag haben beide Unterricht.<br />

Danach eilt die Mutter nach Hause,<br />

um sie beim Lernen zu unterstützen<br />

und sich um ihren Haushalt zu<br />

kümmern. Und alle zwei Wochen<br />

steht – wie bisher – der «Besuch» bei<br />

ihren Eltern in Mulhouse an.<br />

Grenzen abstecken<br />

Es tue gut, die von den Eltern erfahrene<br />

Unterstützung zurückzugeben,<br />

da sind sich beide Frauen einig. Dennoch<br />

räumen beide ein, dass sie aufgrund<br />

ihrer Mehrfachbelastung<br />

bereits gesundheitliche Probleme<br />

hatten. «Moralische Wertvorstellungen,<br />

Dankbarkeit und Verant- >>><br />

Sidonia Gianella und Jasmin<br />

Dubois sind sich einig:<br />

«Es tut gut, die Unterstützung<br />

zurückzugeben.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201823


In die Betreuungssituation<br />

rutschen viele Angehörige<br />

hinein – ohne zuvor die<br />

eigenen Grenzen abzustecken.<br />

>>> wortungsgefühl dürfen die<br />

betreuenden Angehörigen nicht<br />

dazu verleiten, ihre eigenen Belastbarkeitsgrenzen<br />

zu überschreiten»,<br />

warnt Bettina Ugolini, Leiterin der<br />

psychologischen Beratungsstelle<br />

«Leben im Alter» (LiA) des Zentrums<br />

für Gerontologie der Universität<br />

Zürich. Nehmen Frauen einen<br />

Job an, prüfen sie zuvor genau, ob<br />

sie diesen tatsächlich leisten können.<br />

In die Betreuungssituation geraten<br />

viele Angehörige jedoch einfach hinein,<br />

ohne sich zuvor deren Umfang<br />

bewusst zu machen und die eigenen<br />

Grenzen abzustecken.<br />

«Mögliche Schicksalsschläge der<br />

Eltern mit ihnen gemeinsam auszuhalten<br />

und Beistand zu leisten, be ­<br />

deutet nicht, diese durch Selbstaufgabe<br />

kompensieren zu müssen»,<br />

sagt Bettina Ugoli ni. Nur wenn es<br />

gelinge, ein Gleichgewicht zwischen<br />

den Anforderungen des älteren<br />

Familienmitglieds und den eigenen<br />

Bedürfnissen zu finden, könne eine<br />

längere Betreuungsphase zusammen<br />

gemeistert werden. Dazu brauche es<br />

jedoch Kompromisse von beiden<br />

Seiten (siehe Interview auf Seite 28).<br />

Werden die beiden Frauen ge ­<br />

fragt, was sie sich für die Zukunft am<br />

meisten wünschen, so ist es etwas<br />

mehr Zeit für sich selbst sowie mit<br />

ihrer gesamten Familie. «Dass die<br />

verschiedenen Generationen einer<br />

Familie heute eine grössere Lebensspanne<br />

miteinander teilen dürfen,<br />

ist ein Privileg», so Philippe Gnaegi.<br />

Nur schade, wenn im streng getakteten<br />

Alltag keine Zeit dafür bleibe,<br />

dies auch zu geniessen.<br />

Unabhängig davon, welche<br />

Lö sungswege der Bundesrat zur<br />

Entlastung der betreuenden Angehörigen<br />

anstreben wird, ist sicher<br />

entscheidend, dass Angehörige<br />

nicht nur zum «Defizitausgleich im<br />

Gesundheitssystem» genutzt werden,<br />

resümiert Iren Bischofberger.<br />

«Niemand darf gezwungen sein, seine<br />

Gesundheit und wirtschaftliche<br />

24 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Existenz für ältere Angehörige zu<br />

opfern, weil keine bezahlbaren,<br />

bedarfsgerechten oder qualitativ<br />

ausreichenden Unterstützungsangebote<br />

zur Verfügung stehen.»<br />

Es bleibt ein Balanceakt<br />

Jasmin Dubois’ Schwiegermutter hat<br />

sich mittlerweile von ihrem Schlaganfall<br />

erholt. Doch es bleibt ein<br />

Balanceakt: Seit mehreren Jahren<br />

betreut die betagte Dame mit Hilfe<br />

einer Pflegerin ihren Mann, der<br />

durch einen Schlaganfall halbseitig<br />

gelähmt ist. Er sitzt im Rollstuhl und<br />

kann nur noch Flüssignahrung zu<br />

sich nehmen. Um die Pflege zu Hause<br />

zu erleichtern, haben ihre Söhne<br />

die Dusche umbauen und einen<br />

Hebelift am Bett anbringen lassen.<br />

Die Schwiegermutter hat sich vom<br />

Schlaganfall erholt – und betreut<br />

nun wieder ihren halbseitig<br />

gelähmten Mann.<br />

Die Familie hofft, dass sich die betagte<br />

Dame mit der Pflege ihres Mannes<br />

nicht erneut übernimmt. Sonst wäre<br />

der Umzug in ein Heim auf Mallorca<br />

oder in der Schweiz vermutlich<br />

unvermeidbar. Denn eine weitere<br />

Betreuungsaufgabe kann Jasmin<br />

Dubois nicht schultern.<br />

*Name der Redaktion bekannt<br />

>>><br />

Yvonne<br />

Kiefer-Glomme<br />

ist Biologin und arbeitet als freie<br />

Journalistin. Die 44-Jährige kennt das<br />

Thema Sandwich-Generation aus eigener<br />

Erfahrung: Zusammen mit ihrer 7-jährigen<br />

Tochter und ihrem Mann wohnt sie im<br />

Aargau. Parallel zu Beruf und Familie<br />

kümmerte sie sich in den letzten fünf Jahren<br />

um ihren sehbehinderten Vater.<br />

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Dossier<br />

«Kneif mich, wenn ich wie<br />

ein Erstklässler mit dir rede»<br />

Mehrmals pro Woche fährt Sidona Gianella zu ihrer demenzkranken Mutter<br />

und begleitet sie zu Arztterminen, trifft Absprachen mit den Dienstleistern,<br />

die ihr die Bewältigung ihres Alltags ermöglichen. Oder sie hört ihr einfach<br />

zu. «Ich weiss nie, was mich erwartet, jeder Tag ist anders», sagt die Tochter.<br />

Ein Protokoll. Aufgezeichnet: Yvonne Kiefer-Glomme<br />

Sobald mein Sohn in der<br />

Schule ist und ich dienstfrei<br />

habe, fahre ich zu meiner<br />

Mutter. Wenn kein<br />

Arzt- oder Coiffeurtermin<br />

ansteht, können wir uns erst einmal<br />

unterhalten. Meist sind es banale<br />

Dinge, über die wir reden. Doch<br />

dabei kann ich abtasten, in welcher<br />

Stimmung sie ist.<br />

Manchmal erzählt mir meine<br />

Mutter zwei- oder dreimal das Gleiche,<br />

und ich muss versuchen, unserer<br />

Unterhaltung eine Struktur zu<br />

geben. Ich mache uns einen Kaffee<br />

und versuche die Punkte anzusprechen,<br />

die ich heute mit ihr besprechen<br />

möchte. Bei manchen Themen<br />

blockt sie erst einmal ab. «Mama, es<br />

wird einmal die Woche eine Dame<br />

vom Roten Kreuz zu dir kommen,<br />

damit du nicht alleine bist, während<br />

ich arbeite.» In solchen Fällen brauche<br />

ich drei bis vier Besuche bei ihr<br />

und muss mich immer wieder zu<br />

dem kritischen Thema vortasten.<br />

«Ich habe gehört und verstanden,<br />

was du mir gesagt hast», sagt sie<br />

dann irgendwann.<br />

Meine Mutter hat eine seltene<br />

Form von Demenz. Ihr Zustand<br />

kann von einer Minute auf die andere<br />

wechseln. «Kneif mich in den<br />

Arm, wenn ich wie ein Erstklässler<br />

mit dir rede», habe ich daher mit ihr<br />

vereinbart. In diesen klaren Momenten<br />

bin ich die Tochter, die mit ihr<br />

spricht, sie tröstet, ihr Mut macht,<br />

wenn sie ihren Gesundheitszustand<br />

realisiert. Ich sage ihr, dass sie nun,<br />

mit 77, einfach Leute hat, die für sie<br />

denken.<br />

Ist sie in ihrer eigenen Welt, ist es<br />

besser, ich wechsle in die Rolle der<br />

Betreuerin. Diese Distanz tut mir<br />

gut. So kann ich ihr helfen, ohne zu<br />

stark mitzuleiden. Gegen das zunehmende<br />

Vergessen kann ich nichts<br />

tun. Es ist ein Abschiednehmen auf<br />

Raten.<br />

Die meiste Zeit verbringen wir<br />

damit, ihre Termine in ihre Agenden<br />

einzutragen. Dafür hat meine Mutter<br />

einen grossen Wandkalender,<br />

einen Tischkalender und eine Handtaschenagenda.<br />

Die Agenden helfen<br />

ihr, sich zeitlich zu orientieren. Diese<br />

Fähigkeit möchte ich ihr so lange<br />

wie möglich erhalten. In alle drei<br />

trägt sie mit Bleistift ihre Termine<br />

ein und markiert sie jeweils mit<br />

einem Leuchtstift. Das Gedächtnistraining<br />

ist gelb, die Besuche der<br />

Spitex-Mitarbeitenden grün.<br />

Pro Be such nehmen wir uns<br />

meist nur einen bestimmten Wo -<br />

chentag vor. Das kann bis zu fünf<br />

Stunden dauern. Oft kann sie nur<br />

zwanzig Minuten am Stück bei der<br />

Sache bleiben.Wenn ihre Konzen-<br />

«Gegen das zunehmende<br />

Vergessen meiner Mutter kann<br />

ich nichts machen. Es ist ein<br />

Abschiednehmen auf Zeit.»<br />

26 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«Manchmal wird alles zu viel.<br />

Dann fahre ich in die oberste<br />

Etage eines Parkhauses,<br />

schaue in den Himmel.<br />

Zehn Minuten nur für mich.»<br />

tration nachlässt, schauen wir uns<br />

draussen Blumen an oder sehen<br />

nach ihrer Katze. Manchmal hat sie<br />

zwischendurch eine depressive Phase.<br />

Dann versuche ich sie zu trösten<br />

und abzulenken. In solchen Momenten<br />

fragt sie mich manchmal, ob sie<br />

nun ihre Koffer packen und in ein<br />

Heim ziehen muss. Natürlich möchte<br />

ich ihr das ersparen. Es ist schwer,<br />

sich abzugrenzen. Sobald ihr das<br />

Mittagessen gebracht wird, versuche<br />

ich mich zu verabschieden. «Wie, du<br />

gehst schon?», fragt sie manchmal,<br />

auch wenn wir schon Stunden<br />

zusammensitzen. Ich darf ihr nicht<br />

böse sein.<br />

Zu Hause wartet mein 14-jähriger<br />

Sohn. Ich weiss, dass er sich<br />

mehr Zeit mit seiner Mutter<br />

wünscht, er hat es mir gesagt. Ich<br />

merke, wie ich seine Bedürfnisse<br />

vernachlässige – und fühle mich oft<br />

schuldig deswegen. Meine Mutter,<br />

mein Sohn, mein Mann: Einer muss<br />

immer auf mich warten. Aber meine<br />

neue Stelle wieder aufgeben? Das<br />

möchte ich nicht. Die Arbeit im<br />

Seniorenheim ist ein wichtiger Ausgleich<br />

für mich und hilft mir, Grenzen<br />

gegenüber meiner Mutter abzustecken.<br />

Und sie gibt mir die<br />

Selbstbestätigung, die ich brauche.<br />

Denn von meiner Mutter kann ich<br />

keine Dankbarkeit mehr erwarten.<br />

Hierzu ist sie aufgrund ihrer Erkrankung<br />

nicht mehr in der Lage.<br />

Sobald mein Sohn am Nachmittag<br />

Besuch von Freunden hat, kümmere<br />

ich mich um all das, was im<br />

Haushalt liegen geblieben ist. Und<br />

trotzdem habe ich immer das Ge -<br />

fühl, meiner To-do-Liste hinterherzuhinken.<br />

Manchmal wird alles zu viel.<br />

Dann muss ich für einen kurzen<br />

Moment aus meinem «festen Stundenplan»<br />

ausbrechen und irgendwo<br />

hinfahren. Nach dem Einkauf für<br />

eine Tasse Kaffee. Oder ich fahre in<br />

die oberste Etage eines Parkhauses<br />

und schaue in den Himmel. Zehn<br />

Minuten nur für mich, durchatmen,<br />

niemandem Rechenschaft ablegen.<br />

Dann bin ich wieder einsatzbereit.<br />

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Dossier<br />

«Die Betreuung von Angehörigen<br />

bringt viele aus dem Tritt»<br />

Jeder fünfte Erwerbstätige würde sein Berufsleben anders organisieren, wenn die Betreuung<br />

für kranke und pflegebedürftige Angehörige besser gelöst wäre. Iren Bischofberger, Leiterin des<br />

Forschungs- und Entwicklungsprogramms «work & care», über Eltern, die bei der Care-Arbeit<br />

an ihre Grenzen stossen – und wie sie besser unterstützt werden können. Interview: Yvonne Kiefer-Glomme<br />

Frau Bischofberger, warum kommen<br />

Angehörige betreuungsbedürftiger<br />

älterer Menschen trotz des bisherigen<br />

Entlastungsangebots häufig an ihre<br />

Grenzen?<br />

Manche Angehörige geraten plötzlich<br />

– andere eher schleichend – in<br />

die Pflege- und Betreuungsrolle.<br />

Wichtig ist immer, dass sie ihre Aufgaben<br />

nicht allein schultern müssen.<br />

Dazu brauchen sie jedoch eine passgenaue<br />

und finanzierbare Unterstützung.<br />

Je länger Angehörige alles<br />

selber machen, desto schwieriger<br />

wird das Delegieren an andere Personen.<br />

Manchmal scheitert dieses<br />

aber auch am Widerstand des zu<br />

betreuenden Familienmitglieds.<br />

Hinzu kommt, dass bestimmte Hilfsangebote<br />

und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten<br />

nicht bekannt<br />

sind oder im Informationsdschungel<br />

nicht gefunden werden.<br />

Was braucht es also?<br />

Angehörige benötigen alltagsnahe<br />

und mehrsprachige Informationsangebote<br />

in Form von Internetplattformen<br />

und individueller Beratung<br />

am Telefon, im betreffenden Haushalt<br />

oder in Schulungen. Auch der<br />

Austausch mit Gleichgesinnten in<br />

Angehörigengruppen, die von<br />

geschulten Personen geleitet werden,<br />

kann hilfreich sein.<br />

Welche Rolle spielen die Kosten und<br />

die Verfügbarkeit der Angebote?<br />

Die Kosten für Hilfsangebote beziehungsweise<br />

der hohe Eigenanteil<br />

sind ein häufiges Problem. Beratungsangebote,<br />

betreutes Wohnen,<br />

alltägliche Handreichungen im<br />

Haushalt, Fahr- und Entlastungsdienste,<br />

die nach Hause kommen,<br />

und der Verleih von Hilfsmitteln<br />

sind in der Regel kostenpflichtig und<br />

werden nur bedingt subventioniert.<br />

Dabei wäre es sowohl sozial als auch<br />

volkswirtschaftlich wünschenswert,<br />

wenn ältere Menschen möglichst<br />

lange in ihrem gewohnten Umfeld<br />

verbleiben können. Werden Kosten<br />

übernommen, sind die Anspruchsbedingungen<br />

oft restriktiv und die<br />

Antragsverfahren bedeuten eine<br />

zusätzliche Hürde. Dafür haben<br />

Angehörige oft weder Zeit noch<br />

Kraft.<br />

Gibt es weitere Hürden?<br />

Auch die mangelnde regionale und<br />

zeitliche Verfügbarkeit bestimmter<br />

Dienstleistungen und deren fehlende<br />

Koordination können die Annahme<br />

externer Hilfe erschweren. Angehörige<br />

benötigen bedarfsgerechte,<br />

flexible und aufeinander abgestimmte<br />

Angebote, die auch kurzfristig<br />

genutzt werden können.<br />

Was sollte bei der Unterstützung von<br />

Angehörigen verbessert werden?<br />

In manchen Gemeinden können sich<br />

pflegende Angehörige bei der Spitex<br />

anstellen lassen. Dies ermöglicht<br />

ihnen ein Einkommen und Sozialleistungen.<br />

Da die Stellenprozente<br />

nur für Pflegeleistungen vergeben<br />

werden, die gemäss dem Krankenversicherungsgesetz<br />

anerkannt sind,<br />

bringt eine solche Anstellung jedoch<br />

nur eine geringe Stundenzahl. Der<br />

hauswirtschaftliche und betreuerische<br />

Teil der Care-Arbeit der Angehörigen,<br />

der eine Bewältigung des<br />

Alltags ermöglicht, kann bisher leider<br />

nicht angerechnet werden.<br />

Ein Teil der Angehörigenbetreuung<br />

besteht aus organisatorischen Aufgaben,<br />

die nicht zwingend vor Ort<br />

erbracht werden müssen – wie etwa<br />

die Suche nach Dienstleistern und<br />

deren Koordina tion.<br />

Bisher wurde noch kaum erkannt,<br />

welcher zeitliche Aufwand mit diesen<br />

koordinativen Aufgaben verbunden<br />

ist. Und was es bedeutet, wenn<br />

diese zusätzlich zu Beruf, eigenem<br />

Haushalt und der Kinderbetreuung<br />

28 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


geleistet werden müssen. Entlastungsangebote<br />

und ihre finanzielle<br />

Unterstützung müssen ein modernes<br />

Familienbild berücksichtigen und<br />

daher breiter angelegt sein. Sie sollten<br />

auch für Angehörige gelten, die<br />

aus grösserer räumlicher Entfernung<br />

ihre älteren Familienmitglieder<br />

unterstützen.<br />

Wie kann ich mich aktiv auf die<br />

Versorgung eines älteren Angehörigen<br />

vorbereiten?<br />

Setzen Sie sich mit Ihrem Angehörigen<br />

zusammen, um dessen Unterstützungsbedarf<br />

und seine Erwartungen<br />

zu eruieren. Erstellen Sie<br />

gemeinsam einen typischen Zeitplan,<br />

in dem alle seine Aufgaben<br />

aufgeführt sind, und besprechen Sie,<br />

welche ihm am schwersten fallen.<br />

Listen Sie alle Familienmitglieder,<br />

Freunde und Nachbarn auf, die mithelfen<br />

könnten. Besprechen Sie diesen<br />

Plan vorausschauend mit allen<br />

Beteiligten. Analysieren Sie auch<br />

Ihre eigenen Stärken und Grenzen.<br />

Dann können Sie – nach Absprache<br />

mit ihrem Partner und ihren Kindern<br />

– entscheiden, welche Aufgaben<br />

Sie leisten können und welche<br />

andere übernehmen sollten.<br />

Gibt es institutionelle Unterstützung?<br />

Informieren Sie sich bei der örtlichen<br />

Spitex, dem Sozialdienst oder<br />

einer anderen Fachstelle, welche<br />

Aufgaben delegiert werden und welche<br />

Organisationen diese übernehmen<br />

können. Dazu gehört auch die<br />

Abklärung von Hilfsmitteln und<br />

gegebenenfalls die Anpassung der<br />

Wohnsituation. Schlagen Sie Ihrem<br />

Angehörigen verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten<br />

vor und<br />

beziehen Sie falls nötig eine Fachkraft<br />

als Vermittlerin ins Gespräch<br />

mit ein. Im Idealfall übernimmt diese<br />

dann die Absprachen mit den<br />

Dienstleistern sowie den Kostenträgern.<br />

Ausserdem sollte die Fachperson<br />

den Betreuungs- oder Pflegeprozess<br />

begleiten und in Abständen<br />

immer wieder eine Standortbestimmung<br />

mit allen Beteiligten vornehmen.<br />

Pflegeexperten, die die Funktion<br />

eines solchen Gesundheitslotsen<br />

übernehmen können, bezeichnet<br />

man als «Case Manager» oder<br />

«Angehörigen-Supporter».<br />

Woran erkennen Angehörige, dass sie<br />

sich überfordern?<br />

Hilfreich kann ein sogenanntes<br />

Belastungsinventar sein. Dieser spezielle<br />

Fragebogen sollte gemeinsam<br />

mit einer Fachperson ausgefüllt und<br />

besprochen werden. Dieses Instrument<br />

ist auch nützlich, wenn sich ein<br />

Elternteil noch um den anderen<br />

kümmert, aber Anzeichen von<br />

Erschöpfung zeigt oder Mühe hat,<br />

den Alltag zu bewältigen.<br />

Was ist im Umgang mit dem Arbeitgeber<br />

zu beachten?<br />

Bevor erwerbstätige Angehörige<br />

Unterstützungsaufgaben übernehmen,<br />

sollten sie frühzeitig mit Ihrem<br />

Arbeitgeber abklären, ob eine Änderung<br />

der Arbeitszeiten respektive des<br />

Arbeitsmodells oder notfalls ein längerer<br />

unbezahlter Urlaub möglich<br />

sind. Allerdings muss der Arbeitnehmer<br />

genau prüfen, welche langfristige<br />

Festlegung mit den einzelnen<br />

Arbeitszeitmodellen verbunden ist.<br />

Zur Person<br />

Iren Bischofberger ist Pflegefachfrau<br />

und studierte betriebliches<br />

Gesundheits management und<br />

Pflegewissenschaft an der Universität Basel,<br />

wo sie auch doktorierte. Heute arbeitet sie<br />

als Prorektorin an der Kalaidos<br />

Fachhochschule Gesundheit in Zürich,<br />

leitet den Studiengang Master of Science in<br />

Nursing und ist seit zehn Jahren<br />

verantwortlich für das Programm «work &<br />

care» am departementseigenen<br />

Forschungsinstitut Careum Forschung.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Familie der Zukunft<br />

Bild: iStockphoto<br />

Gleichgeschlechtliche Partnerschaft, Co- Parenting,<br />

Leihmutterschaft: Ist die traditionelle bürgerliche<br />

Kleinfamilie ein Auslaufmodell? Unser Dossier im<br />

Februar 2018.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201829


Psychologie & Gesellschaft<br />

Mehr Zeit mit der Familie<br />

Zeit ist ein rares Gut geworden. Umso wichtiger ist es, sich bewusst<br />

Freiräume mit der Familie zu gönnen: Zeit zum Ausspannen, zum Spielen,<br />

zum Zuhören. Gemeinsame Momente mit den Kindern schaffen Nähe<br />

und helfen, den Alltag besser zu meistern. Text: Susan Edthofer<br />

Ständig stehen wir unter Zeitdruck und hetzen<br />

von Termin zu Termin. Gedanklich befinden<br />

wir uns immer ein Stück weit in der Zukunft.<br />

Weil wir so eingespannt sind, wünschen wir<br />

uns mehr Freiräume – ein Wunsch, den auch<br />

Kinder hegen. Sie möchten sich mit Freundinnen und<br />

Freunden treffen und unverplant in den Tag hineinleben.<br />

Auch Zeit zum Spielen ist notwendig, und es ist<br />

schön, wenn Mama oder Papa einfach mal mitspielt.<br />

Auf die Bedürfnisse der Kinder achten<br />

Vor allem jüngere Kinder geniessen es, wenn sich die<br />

Eltern mit ihnen abgeben oder die Familie gemeinsam<br />

etwas unternimmt. Bei den älteren Kindern verändern<br />

sich die Bedürfnisse: Teenager streben zwar nach mehr<br />

Unabhängigkeit, schätzen es aber ebenfalls, wenn sich<br />

Eltern für ihre Belange interessieren. Trotz Berufstätigkeit<br />

und voller Agenda nehmen sich Eltern heutzutage<br />

mehr Zeit für ihre Kinder als beispielsweise vor fünfzig<br />

Jahren. Wichtig ist jedoch, die gemeinsame Zeit auch<br />

kindgerecht zu nutzen. Gemeinsame Erlebnisse stärken<br />

die Bindung zwischen Eltern und Kindern und schaffen<br />

eine Vertrauensbasis. Auf einer soliden Grundlage fällt<br />

es leichter, schwierige Themen anzusprechen.<br />

Zeitfresser im Alltag<br />

Eine zentrale Aufgabe der Eltern besteht darin, den<br />

Familienalltag zu managen. Arbeits- und Stundenpläne<br />

müssen koordiniert werden, und man hat sich mit Gegebenheiten<br />

zu arrangieren, die Zeit wegfressen. Geplant<br />

werden muss auch, welcher Elternteil für die Betreuung<br />

der Hausaufgaben zuständig ist, wer einkauft, die Kinder<br />

zum Training oder Musikunterricht bringt und dort<br />

abholt. Auch inhaltlich fallen anspruchsvolle Aufgaben<br />

an. Weil es nicht allen Eltern möglich ist, das Kind etwa<br />

beim Hausaufgabenmachen zu unterstützen, braucht es<br />

Angebote, die für alle Kinder zugänglich sind.<br />

Familienzeit bewusst einplanen<br />

Nicht jede Familie verfügt über die entsprechenden Mittel,<br />

um dem Kind jede Art von Freizeitbeschäftigung zu<br />

ermöglichen. Der Anspruch auf Familienzeit ist also<br />

auch eng verknüpft mit den finanziellen<br />

Möglichkeiten. Statt teure Geschenke<br />

unter den Weihnachtsbaum zu legen,<br />

könnte man sich zum Jahresende vornehmen,<br />

die Momente mit der Familie<br />

bewusster zu gestalten. Vielleicht schenkt<br />

man einander nur ein kleines Päckchen<br />

und fügt Zeitgutscheine hinzu, die man<br />

übers Jahr einlösen darf. Im Vorfeld könnte man die<br />

Anzahl der Gutscheine in einem Familienrat festlegen<br />

und sie mit der Auflage verknüpfen, dass die Aktivitäten<br />

nichts kosten dürfen. So wird das Budget geschont und<br />

die Fantasie der Familienmitglieder angeregt. Zudem<br />

profitieren alle, wenn innerhalb der Familie mehr<br />

Gemeinsamkeiten gepflegt werden.<br />

Was Eltern tun können – vier Tipps<br />

«Schenken Sie<br />

Ihrem Kind<br />

spontan ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit.»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

• Achten Sie darauf, die Zeit, die Sie mit Ihrem Kind verbringen, nach<br />

seinen Wünschen zu gestalten. Lassen Sie sich von seinen<br />

Bedürfnissen leiten, machen Sie aber auch Einschränkungen, damit<br />

Sie Ihr Programm realistisch planen können.<br />

• Schenken Sie Ihrem Kind immer mal wieder spontan einen Moment<br />

ungeteilter Aufmerksamkeit. Lassen Sie diese Augenblicke durch<br />

nichts unterbrechen. Kinder freuen sich, wenn Eltern sich<br />

unerwartet für sie Zeit nehmen, um mitzuspielen oder zuzuhören.<br />

• Überlegen Sie zusammen mit Ihren Kindern, wie gemeinsame<br />

Zeitgefässe gefüllt werden könnten.<br />

• Schenken Sie einander Zeitgutscheine, die mit der Auflage<br />

verbunden sind, dass die Aktivitäten nichts kosten dürfen. So regen<br />

Sie die Fantasie Ihres Kindes an. Zudem lernt Ihre Tochter, Ihr Sohn,<br />

sich aktiv an der Freizeitplanung zu beteiligen.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />

Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />

(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu<br />

Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen<br />

keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern<br />

Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch<br />

30 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychologie & Gesellschaft<br />

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Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201831


Monatsinterview<br />

>>>


Monatsinterview<br />

«Mein Ding ist<br />

die Provokation»<br />

Jesper Juul ist einer der bedeutendsten Familientherapeuten Europas.<br />

Millionen Menschen kennen seine Bücher, suchen seinen Rat. Was nur<br />

wenige wissen: Der 69-Jährige ist vom Brustkorb abwärts gelähmt. Mit<br />

uns sprach Jesper Juul über seine Arbeit nach dem grossen<br />

Schicksalsschlag, den Zwang nach Harmonie – und er erklärt, warum<br />

Erziehung nicht funktioniert. Interview: Caroline Märki, Evelin Hartmann, Nik Niethammer<br />

Übersetzung: Claudia Landolt Bilder: Franz Bischof<br />

Jesper Juul auf der<br />

Dachterrasse seiner<br />

Penthousewohnung<br />

im 3. Stock eines<br />

Backsteinhauses in<br />

Odder im Osten<br />

Dänemarks.


Monatsinterview<br />

Odder südlich von Aarhus im Osten<br />

Dänemarks. Eine Kleinstadt mit knapp<br />

<strong>12</strong> 000 Einwohnern. Einzige Sehenswürdigkeit:<br />

die Odder-Kirche von 1150<br />

n. Chr., die älteste Gemeindekirche<br />

des Landes.Jesper Juul wohnt in<br />

einem Backsteinhaus im dritten Stock.<br />

Die Besucher gelangen über eine<br />

Aussentreppe nach oben. Auf der<br />

Dachterrasse stehen Kräuterbeete. An<br />

der grauen Wohnungstür ist ein Schild<br />

angebracht: Jesper Juul.<br />

Die Tür öffnet sich automatisch.<br />

Jesper Juul rollt in seinem elektrischen<br />

Rollstuhl heran. Der Familientherapeut<br />

lebt allein. Die Wohnung ist<br />

rollstuhlgängig, hell, aufgeräumt,<br />

modern. Parkett, kaum Möbel, viele<br />

Dachschrägen. Auf dem Esstisch<br />

liegen Medikamente, an einer Wand<br />

hängen Bilder von seinen Enkelkindern.<br />

Jesper Juul kann nicht am<br />

Tisch arbeiten. Er hat sich ein Tablett<br />

auf den Schoss gelegt. Darauf ist sein<br />

Notebook. So schreibt er seine Bücher<br />

und Kolumnen.<br />

Es ist kurz nach 18 Uhr. Die Medikamente<br />

wirken und machen Jesper Juul<br />

müde. Er hat Mühe, sich zu konzentrieren.<br />

Trotzdem hört er aufmerksam zu,<br />

beantwortet geduldig unsere Fragen.<br />

Erzählt von seiner Hoffnung auf weniger<br />

Schmerzen. Und seiner Idee, seinen<br />

70. Geburtstag im nächsten Frühjahr<br />

mit vielen Freunden zu feiern.<br />

Herr Juul, für viele Eltern sind Sie<br />

Europas bedeutendster Pädagoge,<br />

eine Art Übervater der Erziehung.<br />

Wie fühlt sich das an?<br />

Es ist nichts, was ich anstrebe. Als<br />

ich 1975 mit Familien zu arbeiten<br />

begann, hat niemand über Erziehungsmethoden<br />

gesprochen. Deshalb<br />

unterscheidet sich mein Ansatz<br />

auch von jenen der anderen Experten.<br />

Meine Gedanken entspringen<br />

der Ansicht, dass nicht ich, sondern<br />

die Millionen Mütter und Väter auf<br />

der Welt die besten Experten für ihre<br />

Kinder sind. Sie verdienen diesen<br />

Titel mehr als ich.<br />

Also all jene, die Ihren Rat suchen und<br />

Ihre Bücher kaufen.<br />

Sie sind es, die täglich ihr Bestes<br />

geben. Genau deshalb interessieren<br />

mich die rein intellektuellen Debatten<br />

über Erziehung nicht. Wir sind<br />

alle grundverschieden. Wir sind von<br />

unserer eigenen Geschichte, von<br />

unserer Herkunftsfamilie, von Konventionen,<br />

Kultur und Gesellschaft<br />

beeinflusst. Stellen Sie in einer Familie<br />

eine Kamera auf und beobachten<br />

Sie die Eltern, wenn sie jeweils alleine<br />

mit ihren Kindern sind. Sie werden<br />

staunen! Nicht einmal innerhalb<br />

«Europas<br />

bedeutendster<br />

Pädagoge?<br />

Millionen Mütter<br />

und Väter<br />

verdienen diesen<br />

Titel mehr als ich.»<br />

der Familie ist man sich über Erziehung<br />

einig, selbst wenn man dieselben<br />

Wertvorstellungen hat und sich<br />

auf der gleichen intellektuellen Ebene<br />

befindet. Wie soll man da allgemeingültige<br />

Ratschläge geben?<br />

Man bezeichnet Sie auch als Familienflüsterer.<br />

Diese Bezeichnung mag ich. Ich verstehe<br />

sie als ein Kompliment.<br />

Für einige klingt sie provokativ.<br />

Mein Ding ist die Provokation. Darin,<br />

glaube ich, bin ich erfolgreich. Ich<br />

provoziere, weil ich mir erhoffe, dass<br />

Erzieher und Eltern so über den eigenen<br />

Tellerrand blicken und eine<br />

andere Perspektive einnehmen können.<br />

Im Englischen nennt man dies<br />

«out of the box»-Denken.<br />

Sie bedauerten Kinder, die von ihren<br />

Eltern nach dem juulschen Gedankengut<br />

erzogen würden, sagten Sie in<br />

einem Interview. Warum?<br />

Weil ich stark der Meinung bin, dass<br />

zwischen zwei Menschen, die sich in<br />

einer liebesbasierten Beziehung zueinander<br />

befinden, keine intellektuel-<br />

le Methode stehen soll. Auch keine<br />

Juul-Methode. Ich möchte gar keine<br />

Methode. Ich glaube vielmehr, dass<br />

wir spontan im Hier und Jetzt agieren<br />

und aus unseren ureigenen<br />

Erfahrungen lernen sollten. Wollen<br />

wir uns verändern und etwas lernen,<br />

müssen wir unser Tun reflektieren<br />

und in einen Dialog treten mit den<br />

Personen, die wir lieben.<br />

Sie sagten einmal, es sei furchtbar<br />

gewesen, Kind zu sein. Was war an<br />

Ihrer Kindheit furchtbar?<br />

Furchtbar war, dass weder meine<br />

Eltern noch meine Lehrpersonen<br />

sich für mich interessierten; dafür,<br />

wer ich war und wie ich mich fühlte,<br />

was ich dachte und welche Ideen ich<br />

34


hatte. Sie interessierten sich einzig<br />

für mein Verhalten – wie ich mit der<br />

Aussenwelt agierte und kooperierte.<br />

Über Ihre Mutter äusserten Sie sich<br />

so: «Sie war wie viele Mütter, sie dachte<br />

nur an sich und nie daran, was für<br />

diesen Jungen gut wäre.» Das klingt<br />

sehr hart.<br />

Meine Mutter gehörte zu einer Generation,<br />

in der Mütter zu ihren Kindern<br />

eine viel engere Bindung hatten<br />

als zu ihren Männern. Diese Frauen<br />

kamen emotional zu kurz, waren<br />

ausgehungert nach Zuneigung und<br />

Liebe. Unter anderem deshalb wurden<br />

ihre Kinder zu ihren engsten<br />

Verbündeten. Diese Beziehungen<br />

zwischen Müttern und Kindern<br />

waren aber oft auch befrachtet mit<br />

Erlebnissen und Emotionen, die in<br />

die Erwachsenenwelt gehörten und<br />

nicht in die Kinderwelt.<br />

Sie haben einen erwachsenen Sohn,<br />

Nicolai, aus erster Ehe. Er ist heute<br />

44 Jahre alt. Was ist das Wichtigste,<br />

das Sie ihm mitgegeben haben?<br />

Ich habe gerade kürzlich mit ihm<br />

darüber geredet. Er sagt, das Wichtigste<br />

sei für ihn gewesen, dass seine<br />

persönliche Integrität immer unangetastet<br />

geblieben sei und er seine<br />

Persönlichkeit habe frei entfalten<br />

können. Da bin ich mit ihm gleicher<br />

Meinung. Ich habe nicht versucht,<br />

ihn nach meinen Vorstellungen zu<br />

Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Ihrem<br />

Sohn?<br />

Wir haben eine enge, aber entspannte<br />

Beziehung. Wir sind beide eher<br />

introvertierte Menschen. Wir lieben<br />

es zusammenzusitzen, zu kochen<br />

und zu schweigen. Wir können stundenlang<br />

zusammen sein und keiner<br />

sagt ein Wort.<br />

Welchen Erziehungsstil haben Sie<br />

vertreten, eher partnerschaftlich oder<br />

antiautoritär?<br />

Als wir eine Familie gründeten,<br />

waren meine Frau und ich uns einig,<br />

dass wir das patriarchale Familienkonzept<br />

für uns nicht wollen. Ich war<br />

vielleicht der erste oder mindestens<br />

erziehen. einer der wenigen Väter, der >>><br />

Jesper Juul hat<br />

mehr als zwei<br />

Dutzend Bücher<br />

geschrieben.<br />

Dennoch sagt er:<br />

«Ich gebe keine<br />

Ratschläge.»


Monatsinterview


Monatsinterview<br />

Jesper Juul<br />

leidet an einer<br />

Entzündung des<br />

Rückenmarks. Die<br />

Krankheit kam<br />

ohne Vorwarnung.<br />

>>> die Geburt des eigenen Kindes<br />

im Gebärsaal miterlebte. Das war<br />

eine sehr lehrreiche und prägende<br />

Erfahrung für mich! Sicher hatte<br />

meine Entscheidung, als Vater zu<br />

Hause zu bleiben, damit zu tun.<br />

Sie sind zu Hause geblieben?<br />

Als mein Sohn zehn Monate alt wurde,<br />

blieb ich tagsüber zu Hause bei<br />

ihm. Zwei Jahre lang. Meine Frau<br />

studierte damals noch und ging zur<br />

Universität. Sie kam gegen 15 Uhr<br />

nach Hause. Meine Arbeit in einem<br />

Kinderheim begann um 16 Uhr und<br />

dauerte bis 23 Uhr.<br />

Was war das für ein Kinderheim?<br />

Dort wurden Kinder platziert – von<br />

der Gemeinde oder vom Staat – , die<br />

nicht mehr zu Hause bei den Eltern<br />

bleiben und auch keine Regelschule<br />

besuchen konnten. Sie waren zwischen<br />

9 und 15 Jahre alt und blieben<br />

8 bis 24 Monate.<br />

«Ich provoziere,<br />

weil ich mir erhoffe,<br />

dass Erzieher und<br />

Eltern so über den<br />

Tellerrand blicken.»<br />

Sie und Ihre damalige Frau haben<br />

Ihren Sohn gemeinsam erzogen.<br />

War das für Sie stimmig?<br />

Zum damaligen Zeitpunkt war es<br />

stimmig. Aber ich war nie zufrieden<br />

mit meiner Vaterrolle.<br />

Warum?<br />

Ich war ein weicher, vielleicht sogar<br />

fauler Vater – in dem Sinne, dass ich<br />

viel weniger eingriff, als man das<br />

von Vätern erwartet hätte. Ich<br />

erkannte, dass Nicolai Dinge für<br />

sich selbst herausfand, wenn ich ein<br />

paar Minuten wartete. Oder ein paar<br />

Stunden. Oder Tage. Ohne meine<br />

Besserwisserei entstanden Konflikte<br />

gar nicht erst. Ich hatte allerdings<br />

auch Angst, dass ich Nicolai schaden<br />

könnte. Deshalb war ich sicher<br />

manchmal passiver, als ich es hätte<br />

sein sollen.<br />

Inwiefern?<br />

Mein Sohn war ein talentierter Badmintonspieler.<br />

Er trat auch bei Turnieren<br />

an. Doch plötzlich wollte er<br />

nicht mehr spielen, weil sein Trainer<br />

ihn zu sehr unter Druck setzte.<br />

Damals verstand ich seine Gründe.<br />

Heute glaube ich, ich hätte ihn stärker<br />

überzeugen sollen, weiterzumachen.<br />

Aber ich hatte eben Angst, den<br />

Druck, den er eh schon gespürt hatte,<br />

noch zu verstärken.<br />

Wie haben Sie Ihren ganz persönlichen<br />

«Erziehungsstil» gefunden?<br />

Wie alle Eltern: nach dem Prinzip<br />

Versuch und Irrtum. Also die<br />

Methode, bei der so lange zulässige<br />

Lösungsmöglichkeiten ausprobiert<br />

werden, bis die gewünschte Lösung<br />

gefunden wird. Oder sich die eigene<br />

Sicht auf das Ganze verändert hat.<br />

Fehlschläge gehören dazu. Was bei<br />

uns noch hinzukam, war der<br />

Wunsch, es besser zu machen als die<br />

Generation vor uns.<br />

Gibt es etwas, das Sie heute als Vater<br />

anders machen würden?<br />

Ich würde in den ersten Jahren weniger<br />

tyrannisch sein.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Wenn wir in den ersten drei bis vier<br />

Jahren mit unseren Dickköpfen aneinandergeraten<br />

sind, habe ich meinen<br />

Sohn hart am Arm gepackt. Ich war<br />

auch zornig und laut. Diese Jahre<br />

waren für mich sehr lehrreich – für<br />

Nicolai eher weniger, fürchte ich.<br />

Was ist das Beste, das Ihnen im Leben<br />

passiert ist?<br />

Ich mache in meinem Leben keine<br />

Unterscheidungen zwischen gut und<br />

schlecht. Jede Erfahrung war und ist<br />

wertvoll und hat mein Leben bereichert.<br />

Auch die schmerzvollen.<br />

Sie haben über zwei Dutzend Bücher<br />

geschrieben, in denen Sie Eltern Erziehungsratschläge<br />

geben.<br />

Ich gebe keine Ratschläge. Ich plädiere<br />

für Dasein, nicht für Pädagogik.<br />

Ich habe oft gesehen, dass Eltern<br />

ihre eigenen Maximen einfach durch<br />

meine Werte und Prinzipien ersetzt<br />

haben. Das ist nie meine Absicht<br />

gewesen.<br />

Welches Buch möchten Sie unbedingt<br />

noch schreiben?<br />

Ich möchte unbedingt eine neue Version<br />

meines 1996 erschienenen<br />

Buches «Das kompetente Kind» verfassen.<br />

Ein Buch über Selbstwert und<br />

Selbstvertrauen liegt mir ganz be ­<br />

«Ich will nicht, dass<br />

Eltern ihre eigenen<br />

Maximen durch<br />

meine Werte und<br />

Prinzipien ersetzen.»<br />

sonders am Herzen. Beides sind ganz<br />

essenzielle Fähigkeiten in der heutigen<br />

Gesellschaft und wichtige Voraussetzungen<br />

für die psychische<br />

Gesundheit.<br />

Ihre Kolumnen, auch in diesem Magazin,<br />

sind nach wie vor sehr gefragt.<br />

Wie schwer fällt Ihnen heute, angesichts<br />

Ihrer Krankheit, das Schreiben?<br />

Kolumnen oder Texte zu verfassen,<br />

die Fragen von Eltern zu beantworten,<br />

die Alltagssituationen oder Probleme<br />

betreffen, ist für mich nie<br />

anstrengend. Auch heute nicht.<br />

Sie haben nur noch wenig persönlichen<br />

Kontakt zu Eltern und Kindern.<br />

Woher nehmen Sie die Gewissheit,<br />

dass Ihre Tipps und Empfehlungen<br />

«aktuell» sind?<br />

Die grösste Veränderung ist, dass<br />

immer mehr Eltern Erziehung nicht<br />

mehr nach dem Prinzip Belohnung<br />

und Strafe verstehen. Das bedeutet,<br />

dass sie ganz tief innen interessiert<br />

sind, neue Wege zu gehen und eine<br />

neue Sprache mit ihren Kindern zu<br />

sprechen. Sie sind also an einem sehr<br />

kreativen und fruchtbaren Punkt<br />

angelangt, in dem Inputs wie meine<br />

nicht einfach per se abgelehnt werden,<br />

sondern auf mehr Interesse<br />

stossen. Nur so wird ein Perspektivenwechsel<br />

möglich. >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201837


Monatsinterview<br />

>>> Wurden Sie je missverstanden? man Gefahr, den Kontakt zu sich<br />

1997 schrieb ich über Gleichwürdigkeit.<br />

Dieses Wort bringt zum Ausdruck,<br />

dass Kindern von Geburt an<br />

die gleiche Würde innewohnt wie<br />

Erwachsenen. Viele verstanden dies<br />

falsch und meinten, dass Kinder im<br />

demokratischen Sinne gleich sind<br />

wie Erwachsene.<br />

Was ist denn der Unterschied<br />

zwischen Gleichheit und Gleichwürdigkeit?<br />

In einer Familie haben die Erwachsenen<br />

die ganze Macht, auch wenn<br />

sie sich dessen nicht bewusst sind<br />

und diese gar nicht haben wollen.<br />

Gleichwürdigkeit heisst, dass Eltern<br />

ihre Kinder genauso ernst nehmen<br />

wie sich selbst, indem sie deren<br />

Bedürfnisse, Wünsche, Träume und<br />

Ambitionen einbeziehen und nicht<br />

auf den Hinweis des Geschlechtes,<br />

des Alters oder der Behinderung<br />

abtun.<br />

selbst und seinem Gegenüber zu verlieren.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Eltern wollen wissen, was man mit<br />

einem acht Monate alten Baby macht,<br />

das nicht schlafen will. Sie fragen<br />

mich, was man mit diesem Kind<br />

machen soll, und setzt es so einem<br />

Objekt gleich. Sie sagen: Herr Juul,<br />

geben Sie mir eine Methode, ein<br />

Werkzeug. Aber so etwas gibt es<br />

nicht. Die Frage ist vielmehr: Bin ich<br />

bereit, dieses Kind als Mensch wahrzunehmen,<br />

oder will ich ein Funktionskind?<br />

Eine Ihrer Kernthesen lautet:<br />

Erziehung funktioniert nicht.<br />

Kinder werden mit allen sozialen<br />

und menschlichen Eigenschaften<br />

geboren. Um diese weiterzuentwickeln,<br />

brauchen sie nichts als die<br />

Gegenwart von Erwachsenen, die<br />

sich menschlich und sozial verhalten.<br />

Jede Methode ist nicht nur überflüssig,<br />

«Kinder brauchen sondern kontraproduktiv.<br />

Reicht es als Eltern nicht, sich auf ihr<br />

Gefühl zu verlassen?<br />

nichts als die<br />

Das geht nur, wenn man Herz und<br />

Gegenwart von Verstand gebraucht. Und zwar in<br />

dieser Reihenfolge. Sich nur auf das<br />

Erwachsenen, die<br />

Gefühl zu verlassen, reicht nicht.<br />

sich menschlich und Was brauchen Kinder heute?<br />

Kinder brauchen Rückenwind von<br />

sozial verhalten.»<br />

ihren Eltern. So sagt man es in Dänemark.<br />

Es bedeutet: eine liebevolle<br />

Warum ziehen Eltern den Ausdruck<br />

Gleichheit vor?<br />

Weil vermutlich viele den Begriff<br />

Gleichwürdigkeit nicht kennen. Sie<br />

hören sofort das Wort Gleichheit<br />

und interpretieren es so, dass Kinder<br />

den Erwachsenen gleichgestellt sind.<br />

Aber darum geht es ja nicht. Es geht<br />

um Gleichwürdigkeit. Kinder von<br />

Anfang an als gleichwürdige Menschen<br />

zu akzeptieren, heisst, sie als<br />

Subjekt wahrzunehmen, statt sie<br />

zum Erziehungs-, Liebes- oder<br />

andersartigen Objekt zu machen.<br />

Das müssen Sie genauer erklären.<br />

Erziehungsmethoden zielen auf eine<br />

Verhaltensänderung und machen<br />

Menschen zu Objekten. Damit läuft<br />

Begleitung, kein Zurechtweisen.<br />

Kinder brauchen so viel Selbstwertgefühl<br />

wie möglich. Das ist das Allerwichtigste.<br />

Warum?<br />

Es liegt daran, dass Erwachsene die<br />

Kinder von klein auf schubladisieren.<br />

Sie haben ein Bild von ihrem Kind<br />

und sagen: «So bist du!» Es ist hyperaktiv,<br />

schüchtern, sensibel oder<br />

aggressiv. Das Kind als solches, ohne<br />

Attribute und Schablonen, existiert<br />

nicht mehr. Aus Kindersicht braucht<br />

es sehr viel Kraft, sich dagegenzustemmen.<br />

Dazu wiederum ist es nicht<br />

fähig, wenn es sich nicht gut kennt.<br />

Was bedeutet ein gutes Selbstwertgefühl<br />

im juulschen Sinne?<br />

Trotz seiner<br />

schweren<br />

Erkrankung hat<br />

Jesper Juul nicht<br />

aufgehört zu<br />

arbeiten.<br />

Es bedeutet: Ich kenne mich und<br />

nehme mich mit allen Ecken und<br />

Kanten an. Ein gutes Selbstwertgefühl<br />

ist wie ein soziales Immunsystem:<br />

Es wehrt Angriffe auf die eigene<br />

Persönlichkeit von aussen ab. Denn<br />

Eltern, Lehrpersonen und auch Therapeuten<br />

gehen oft von einem universalen<br />

Kind aus: So solltest du sein,<br />

und wenn du nicht so bist, bist du<br />

falsch.<br />

Sie halten nichts davon, Kindern<br />

Grenzen zu setzen?<br />

Heute meinen alle, man müsse Grenzen<br />

setzen. Das hat für mich so einen<br />

halbreligiösen Touch. Kinder brauchen<br />

keine Grenzen. Sie haben doch<br />

schon überall Grenzen. Was wichtig<br />

ist: Jeder Mensch hat seine eigenenen<br />

38 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview<br />

Grenzen, die er nach aussen hin wahren<br />

muss – auch gegenüber Kindern.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Ich habe gerade eine Familie in<br />

Deutschland mit einer fünfjährigen<br />

Tochter beraten. Das Mädchen war<br />

für die Eltern und die grosse Schwester<br />

sehr provozierend. Die Eltern<br />

haben immer Ja zu ihm gesagt, weil<br />

sie einem Konflikt aus dem Weg<br />

gehen wollten. Und manchmal<br />

haben sie versucht, Nein zu sagen.<br />

Aber Nein sagen kann man nicht<br />

versuchen. Man kann «Vielleicht»<br />

sagen oder «Bitte warte, ich muss<br />

darüber nachdenken» – aber ein<br />

Nein sagen, ohne es auch wirklich so<br />

zu meinen, geht nicht.<br />

Was haben Sie ihnen geraten?<br />

Diese Eltern mussten lernen, dass<br />

sich das Kind abgelehnt fühlt und<br />

wütend oder traurig wird, wenn sie<br />

Nein sagen. Dass diese Gefühle in<br />

Ordnung sind und ihre Berechtigung<br />

haben. So ist das Leben eben, manchmal<br />

fühlt man sich abgelehnt.<br />

Wie war es für das Mädchen?<br />

Wenn Eltern Nein sagen, bedeutet<br />

es einfach Nein. Das zu erkennen<br />

und es nicht als unangenehm zu<br />

empfinden, war für alle in der Familie<br />

eine grosse Erleichterung, weil die<br />

Mutter in der Familie eine Kultur<br />

definiert hatte, die eine Harmonie<br />

anstrebte.<br />

Ist Harmonie unmöglich?<br />

Sagen wir: Es ist möglich, aber es<br />

nicht immer Harmonie zu haben. Ich<br />

plädiere dafür, sich zu fragen: Will<br />

ich in ständiger Harmonie leben<br />

oder mit ganz normalen, lebenden<br />

Menschen aufwachsen?<br />

Welche Motivation gibt es, sich von<br />

diesem Harmoniezwang zu befreien?<br />

Ist es der Leidensdruck?<br />

Die Anregung kann aus einer Frustration<br />

kommen. Wenn Eltern oder<br />

das Kind frustriert sind, kommt ein<br />

Impuls, etwas anderes zu probieren.<br />

Meine eigene Motivation und auch<br />

die von meiner damaligen Frau war,<br />

es nicht so machen zu wollen wie<br />

unsere eigenen Eltern. Wir wollten<br />

modern sein. Aber was das heissen<br />

soll, wussten wir nicht. Das gilt auch<br />

kostet uns alle viel. Nein sagen heisst, für Lehrpersonen. Sie sollten >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201839


Monatsinterview<br />

Zur Person<br />

Jesper Juul wurde am 18. April 1948 in<br />

Dänemark geboren. Mit 16 Jahren fuhr er als<br />

Koch zur See. Sie wurde sein Zufluchtsort.<br />

Der Zeit in der Kombüse folgten Jobs als<br />

Tellerwäscher in Bars und als Beton arbeiter<br />

auf dem Bau. Später erinnerte ihn sein<br />

Vater daran, dass er in jungen Jahren Lehrer<br />

werden wollte. Juul war sich unsicher. In der<br />

Bar, in der er jobbte, holte er den Oberkellner<br />

und würfelte. Das Schicksal entschied für<br />

den Lehrerberuf.<br />

Er arbeitete in einem Kinderheim mit<br />

verhaltensauffälligen und kriminellen<br />

Jugendlichen. Dort wurde ihm bewusst, wie<br />

wichtig die Beziehung zwischen Eltern und<br />

Kindern ist.<br />

Auf einer Fortbildung lernte er den<br />

amerikanischen Psychiater und Familientherapeuten<br />

Walter Kempler kennen. Dessen<br />

Einfluss führte zu vielen der Methoden und<br />

Ansichten, die Therapeut Juul bis heute<br />

vertritt. Gemeinsam gründeten Kempler und<br />

Juul 1979 das «Kempler Institute of<br />

Scandinavia», das Juul 25 Jahre später<br />

verliess, um in Dänemark die erste Familien ­<br />

werkstatt familylab aufzubauen.<br />

Familylab ist eine gemeinnützige Organisation,<br />

die inzwischen in 21 Ländern aktiv<br />

ist. «Mit familylab wollen wir die psychosoziale<br />

Gesundheit und das Wohlergehen der<br />

heutigen und zukünftigen Eltern und Kinder<br />

wie auch der Fachpersonen verbessern»,<br />

sagt Jesper Juul. «Ziel ist es, eine optimale<br />

Umgebung für ein gemeinsames, soziales,<br />

emotionales, kreatives und akademisches<br />

Lernen zu schaffen.»<br />

Jesper Juul ist Autor von mehr als zwei<br />

Dutzend Büchern, die in viele Sprachen<br />

übersetzt wurden. Zu seinen bekanntesten<br />

Werken gehören: «Pubertät. Wenn Erziehen<br />

nicht mehr geht», «Wem gehören unsere<br />

Kinder?», «Die kompetente Familie»,<br />

«Leitwölfe sein» und «Grenzen. Nähe.<br />

Respekt».<br />

Privat lebt Juul zurückgezogen in seiner<br />

Wohnung in Odder, Dänemark. Er ist zweimal<br />

geschieden und heute Single. 20<strong>12</strong> erkrankte<br />

Jesper Juul an Transverser Myelitis, einer<br />

Entzündung des Rückenmarks. Er verbrachte<br />

16 Monate in Rehabilitation in einem<br />

dänischen Krankenhaus und sitzt seither im<br />

Rollstuhl. Seit 2014 schreibt er wieder.


Monatsinterview<br />

>>> sich fragen: Fühle ich mich<br />

erfolgreich und zufrieden damit, wie<br />

ich die Konflikte mit meinen Schülern<br />

löse? Wenn man diese Frage mit<br />

Ja beantworten kann, muss man<br />

nichts ändern.<br />

Was wäre Ihre ideale Welt?<br />

Familien, Institutionen und Gesellschaften<br />

mit viel weniger Gewalt,<br />

Missbrauch, Sucht und Vernachlässigung.<br />

Ich möchte, dass Familien,<br />

Organisationen und die Gesellschaft<br />

dazu inspiriert werden, sich und ihr<br />

Gegenüber ernst zu nehmen, liebevolle<br />

Beziehungen zu leben und sich<br />

gegenseitig von innen heraus mit<br />

Respekt zu behandeln.<br />

Was ist, wenn Sie einmal nicht mehr<br />

da sind?<br />

Mir ist es wichtig, dass meine Prinzipien<br />

auch ohne mich weiterleben.<br />

Ich will nicht, dass diese Haltung<br />

alleine an mir hängt. Wenn meine<br />

Person wichtiger wird als die Vision<br />

meiner Organisation familylab, ist<br />

das nicht gut. Ich mag die Personenzentriertheit<br />

nicht. Sie ist mir unangenehm.<br />

Mein Wunsch ist es, dass<br />

«Mein Wunsch ist<br />

es, dass Werte gelebt<br />

werden und<br />

Menschen anständig<br />

miteinander<br />

umgehen.»<br />

Werte gelebt werden und Menschen<br />

anständig miteinander umgehen.<br />

Stellen Sie sich vor, man trifft sich in<br />

zehn Jahren und streitet noch immer<br />

über den Wert Gleichwürdigkeit,<br />

statt diesen Wert zu leben und einen<br />

gleichwürdigen Dialog zu führen.<br />

Ich hoffe, es wird nicht so sein. Aber<br />

vielleicht ist das naiv. Ich weiss es<br />

nicht.<br />

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Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201841


Erziehung & Schule<br />

«Ich lebe bei Mami –<br />

und bei Papi»<br />

Seit Anfang dieses Jahres ist die alternierende Obhut als mögliche Betreuungsform explizit im<br />

Zivilgesetzbuch aufgeführt. In diesem Fall leben die Kinder nach einer Scheidung abwechselnd bei<br />

der Mutter und beim Vater. Das hat Vorteile. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Text: Gisela Kilde<br />

Bild: iStockphoto<br />

42 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Beim Nestmodell bleiben die<br />

Kinder in derselben Wohnung,<br />

und die Eltern wechseln sich<br />

dort mit der Betreuung ab.<br />

Als werdendem Vater<br />

war Robert klar, dass<br />

er seine Tätigkeit als<br />

Informatiker reduzieren<br />

wird. Seine Frau<br />

Mara wollte in ihrem Beruf als<br />

Buchhalterin in einem kleinen KMU<br />

Teilzeit weiterarbeiten. Bei der Ge ­<br />

burt des ersten Kindes reduzierte<br />

Robert sein Arbeitspensum auf 80<br />

Prozent, Mara senkte ihre Tätigkeit<br />

zuerst auf 20 Prozent, stockte später,<br />

nachdem für das zweite Kind die<br />

obligatorische Schulzeit begonnen<br />

hatte, auf 40 Prozent auf. An einem<br />

von Maras beiden Arbeitstagen blieb<br />

Robert zu Hause bei den Kindern,<br />

den zweiten verbrachten die Kinder<br />

bei einer Tagesmutter, die in der<br />

Nachbarschaft wohnt.<br />

Verschiedene Modelle der<br />

Kindesobhut<br />

an sich in der Gestaltung sehr frei.<br />

Sind sie sich einig, wird das Gericht<br />

oder die Kindesschutzbehörde die<br />

Betreuungsaufteilung nicht infrage<br />

stellen – soweit nicht ersichtlich ist,<br />

dass das Kindeswohl darunter leiden<br />

wird. Gemeinhin wird unterschieden<br />

zwischen dem Residenzmodell,<br />

dem Nestmodell und der alternierenden<br />

Obhut.<br />

Das Residenzmodell vermittelt<br />

dem Kind einen klaren Lebensmittelpunkt<br />

bei einem Elternteil. Zu<br />

bestimmten Zeiten «besucht» das<br />

Kind den anderen Elternteil bei ihm<br />

zu Hause und verbringt in den Ferien<br />

Zeit mit ihm. Viele Scheidungseltern<br />

wählen das Residenzmodell,<br />

etwa weil es der zuvor gelebten Rollenverteilung<br />

entspricht oder weil<br />

die geografische Distanz zwischen<br />

den Wohnorten der Eltern kein an ­<br />

deres Betreuungsmodell er laubt.<br />

Beim sogenannten Nestmodell<br />

bleiben die Kinder in derselben<br />

Wohnung respektive in demselben<br />

Haus, und die Eltern wechseln sich<br />

dort mit der Betreuung der Kinder<br />

ab. Gleichzeitig tragen die Eltern<br />

also Verantwortung für zwei Haushalte<br />

– denjenigen der Kinder und<br />

den jeweils eigenen. Dieses Modell<br />

wäre für die Kinder von Vorteil, da<br />

sie immer in derselben Umgebung<br />

bleiben dürfen. Für die Eltern stehen<br />

jedoch hohe Anforderungen im<br />

Raum: Mutter und Vater müssen<br />

einerseits über grosszügige finanzielle<br />

Ressourcen verfügen, andererseits<br />

eine ausserordentlich gute<br />

Kooperationsfähigkeit mitbringen,<br />

müssen sie doch abwechselnd, in<br />

permanenter Absprache miteinander,<br />

den Kinderhaushalt weiterfüh­<br />

ren. Daher wählt kaum eine Familie<br />

diese Betreuungsform.<br />

Die alternierende Obhut zielt auf<br />

eine zeitlich ausgewogene Betreuung<br />

der Kinder durch beide Elternteile.<br />

Die Kinder wechseln in regelmässigem<br />

Abstand – häufig alle paar<br />

Tage oder jeweils nach einer Woche<br />

– vom einen zum anderen Elternteil.<br />

Von den Kindern verlangt diese<br />

Lösung eine gewisse Flexibilität, die<br />

je nach Persönlichkeit mehr oder<br />

weniger vorhanden ist. Durch die<br />

häufigen Wechsel zwischen den<br />

Elternteilen muss vor allem bei jungen<br />

Kindern ebenfalls eine konfliktfreie<br />

Übergabe möglich sein.<br />

Antragsrecht für alternierende<br />

Obhut<br />

Mit den Bestimmungen zum Kindesunterhalt,<br />

die seit dem 1. Januar<br />

<strong>2017</strong> gelten, wurde ein ausdrückliches<br />

Antragsrecht für die alternierende<br />

Obhut in das Zivilgesetzbuch<br />

eingeführt. Stellt ein Elternteil einen<br />

entsprechenden Antrag, ist dieser<br />

von den Gerichten zu prüfen. Dabei<br />

hat das Gericht oder die Behörde<br />

eine Prognose zu fällen, ob die von<br />

den Eltern gewählte Betreuungslösung<br />

dem Kindeswohl entspricht.<br />

Um diese Prognose fällen zu können,<br />

zieht das Gericht einen breiten<br />

Katalog an Kriterien heran. Auf der<br />

Elternseite müssen Vater und Mutter<br />

ihre Kinder den Be dürfnissen<br />

und Fähigkeiten entsprechend erziehen<br />

können. Sie müssen in dem<br />

Ausmass gemeinsam Ab sprachen<br />

treffen und zusammen arbeiten können,<br />

das eine gemeinsame (Kinder-)<br />

Alltags bewältigung erlaubt. Eine<br />

abwechselnde Betreuung ver­<br />

Mittlerweile sind die Kinder zehn<br />

und sieben Jahre alt, und die Ehe<br />

ihrer Eltern kriselt: Robert und Mara<br />

wollen sich trennen. Nachdem diese<br />

wichtige Entscheidung gefallen ist,<br />

beginnt die Diskussion um die Re ­<br />

organisation ihres Familienlebens.<br />

Robert will auch zukünftig seinen<br />

«Papitag» wahrnehmen. Noch lieber<br />

würde er jedoch seine Betreuungszeit<br />

ausweiten und sein Arbeitspensum<br />

weiter reduzieren. Mara ist zwar<br />

froh um seine Unterstützung, ist sich<br />

aber auch im Klaren darüber, dass<br />

durch die Trennung Zusatzkosten<br />

für zwei getrennte Haushalte anfallen<br />

werden.<br />

Trennen sich die Eltern, steht<br />

nebst den finanziellen Sorgen häufig<br />

die Reorganisation der Kinderbetreuung<br />

im Raum. Die Eltern sind >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201843


Erziehung & Schule<br />

Eine abwechselnde Betreuung<br />

verlangt in höherem Mass<br />

organisatorische Absprachen<br />

und gegenseitige Information.<br />

>>> langt in höherem Mass organisatorische<br />

Absprachen und gegenseitige<br />

Information als die anderen<br />

Betreuungsformen. Je höher der<br />

Koordinationsbedarf – vor allem bei<br />

jüngeren Kindern – ist, desto höher<br />

sind die Anforderungen an die<br />

Eltern.<br />

Der Schulweg muss bewältigt<br />

werden können<br />

Robert und Mara stellen die Erziehungsfähigkeit<br />

des anderen nicht<br />

infrage. Sie sind sich ebenfalls be ­<br />

wusst, dass sie ihre Eheprobleme<br />

nicht auf die Kinder übertragen wollen.<br />

Insofern können sie sich sachlich<br />

über ihre Kinder austauschen und<br />

dem anderen die notwendigen Informationen<br />

mitteilen. Weiter muss die<br />

geografische Distanz zwischen den<br />

Wohnorten so gering sein, dass die<br />

Kinder den Schulweg von beiden<br />

Wohnorten bewältigen können.<br />

Robert ist gern bereit, im gleichen<br />

Quartier eine Wohnung zu suchen,<br />

damit die Kinder problemlos zwischen<br />

den Wohnungen pendeln<br />

können.<br />

Mit dem Verbleib im gleichen<br />

Quartier würde auch einem weiteren<br />

Kriterium, nämlich der Stabilität<br />

im sozialen Umfeld und einer möglichst<br />

persönlichen Be treuung durch<br />

die Eltern, entsprochen. Für die<br />

Kinder wären immer noch dieselben<br />

Betreuungspersonen verantwortlich.<br />

Ist für Kinder bereits die<br />

Trennung der Eltern eine Belastung,<br />

erschwert darüber hinaus ein allfälliger<br />

Wechsel ihres sozialen Umfelds<br />

und ihrer Betreuungsstrukturen die<br />

Verarbeitung dieser herausfordernden<br />

Neuorganisation der Familie.<br />

Robert und Mara besprechen<br />

gemeinsam mit ihren Kindern ihre<br />

Vorlieben und Wünsche. So berücksichtigen<br />

sie in ihrer Betreuungslösung<br />

etwa, dass ihr Sohn auch<br />

weiterhin am Samstag und zweimal<br />

unter der Woche Fussball spielen<br />

will. Auch die Gerichte haben bei<br />

einer hoheitlichen Entscheidung die<br />

Wünsche der Kinder zu berücksichtigen.<br />

Können sich Robert und<br />

Mara gemeinsam auf eine Vereinbarung<br />

einigen, die auch den Bedürfnissen<br />

und den Wünschen der Kinder<br />

entspricht, so wird eine wichtige<br />

Grundlage für eine nachhaltige<br />

Lösung gelegt.<br />

>>><br />

Gisela Kilde<br />

Dr. iur., ist Koordinatorin und<br />

Lehrbeauftragte am Institut für<br />

Familienforschung und -beratung an<br />

der Universität Freiburg.<br />

Ideale Voraussetzungen für alternierende Obhut<br />

• Vater und Mutter können ihr Kind an dessen Bedürfnissen und Fähigkeiten orientiert erziehen.<br />

• Die Eltern können betreffend Fragen der Kinder zusammenarbeiten und miteinander sprechen.<br />

• Die geografische Distanz zwischen den Eltern lässt eine alternierende Betreuung zu.<br />

• Die persönliche Betreuung der jungen Kinder beziehungsweise bei zunehmendem Alter die<br />

Stabilität des sozialen Umfelds wird durch diese Lösung gewahrt.<br />

• Der Wunsch des Kindes darf ebenfalls in den Entscheid einfliessen.<br />

Je nach Alter erhalten die verschiedenen Voraussetzungen ein anderes Gewicht. Der Entscheid hat<br />

sich nicht an den Interessen der Eltern, sondern am Wohl des Kindes auszurichten.<br />

44 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Erziehung & Schule<br />

Buchhalter? Malerin? Pilot?<br />

Es ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben: Welchen Beruf will ich lernen? Ein Lehrer<br />

erzählt, wie die Schule die Jugendlichen in der Berufswahl begleitet und wie die Eltern ihre<br />

Kinder am besten unterstützen. Text: Samuel Zingg<br />

«Die Jugendlichen müssen<br />

sich von Gruppendynamiken<br />

lösen – dann gelingt die<br />

Berufswahl meist.»<br />

Samuel Zingg ist Lehrperson an der<br />

Sekundarstufe I in Buchholz GL und Mitglied<br />

der Geschäftsleitung des LCH. Der Vater einer<br />

vierjährigen Tochter und eines zweijährigen<br />

Sohnes wohnt in Mollis GL.<br />

Meist wissen Jugendliche beim<br />

Besuch eines Betriebs bereits<br />

nach zwei Stunden, ob ihnen ein<br />

Beruf zusagt oder nicht.<br />

Arbeiten Sie noch in<br />

dem Beruf, den Sie<br />

einst gelernt haben?<br />

Wenn ja, sind Sie<br />

heute eher die Ausnahme.<br />

Die Zeiten, als man Schreiner,<br />

Lehrer, Maurer oder Kaufmann<br />

lernte im Glauben, diesen Beruf bis<br />

zur Pensionierung auszuüben, sind<br />

vorbei. Auch definiert man sich in<br />

der heutigen Gesellschaft zunehmend<br />

nicht mehr nur über den<br />

Beruf. Der Druck auf Jugendliche,<br />

sich für den einen richtigen Beruf zu<br />

entscheiden, müsste also abgenommen<br />

haben.<br />

Meine Erfahrung ist eine andere.<br />

Ich bin Klassenlehrperson einer<br />

zweiten Sekundarklasse und stehe<br />

mit den Jugendlichen gerade mitten<br />

im Berufswahlprozess. Es zeigt sich:<br />

Aus über 230 Berufen den richtigen<br />

zu wählen, stellt immer noch eine<br />

grosse Herausforderung dar. Was<br />

machen wir in der Schule? Und was<br />

können Eltern zu einem gelungenen<br />

Berufswahlprozess beitragen?<br />

Auch Fächer wie Musik, Werken und<br />

Sport sind wichtig<br />

Die «Berufliche Orientierung», so<br />

heisst das Fach im neuen Lehrplan,<br />

startet im Frühling der ersten Sekundarschulklasse<br />

und dauert bis in den<br />

Herbst des letzten obligatorischen<br />

Schuljahres. Bis dann sollten sich die<br />

meisten Schülerinnen und Schüler<br />

in einem Bewerbungsprozess befinden.<br />

Bis dahin sollten sie wissen, was<br />

sie können und was sie mit ihren<br />

Voraussetzungen machen wollen.<br />

In einem ersten Schritt habe ich<br />

versucht, den Schülern viele Möglichkeiten<br />

zu geben, um sich selbst<br />

kennenzulernen: Worin bin ich gut?<br />

Was mache ich gerne? Welches sind<br />

meine Stärken und Schwächen? Die<br />

Schule fördert die persönlichen<br />

Kompetenzen der Schülerinnen und<br />

Schüler, um sie zu befähigen, eine<br />

gute Entscheidung zu treffen: Sie<br />

schreiben über sich selbst, lernen<br />

Ad jektive und Verben, werden –<br />

auch provokativ – mit persönlichen<br />

Fragen konfrontiert, be kommen<br />

verschiedene Aufgaben, die unterschiedliche<br />

Kompetenzen wie Fingerspitzengefühl,<br />

logisches Denken<br />

oder Handgeschick erfordern.<br />

Wir versuchen, an der Schule ein<br />

Umfeld zu schaffen, in welchem die<br />

Jugendlichen ihre Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten entdecken können.<br />

46 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Wichtig sind auch Fächer wie Musik,<br />

Werken, Handarbeit, Kochen und<br />

Sport, die ich als Klassenlehrperson<br />

nicht oder nur selten mit allen unterrichte<br />

– ich vernetze mich dafür mit<br />

den anderen Lehrpersonen. Gelingt<br />

der Prozess der ersten Selbstfindung<br />

gut, können sich die Jugendlichen in<br />

der Regel gut auf die Berufswahl<br />

einlassen. Können sie sich von Gruppendynamiken<br />

lösen, dann kommen<br />

sie meist auch zu einer guten Entscheidung.<br />

Jugendliche unter Druck<br />

Oftmals stehen die Jugendlichen<br />

jedoch unter Druck – oder sie empfinden<br />

es zumindest so: von den<br />

Peers, von den Eltern, die sie zufriedenstellen<br />

wollen, und nicht zuletzt<br />

von sich selber, weil sie noch nicht<br />

wissen, was sie überhaupt wollen,<br />

und weil sich dies in den hormonellen<br />

Schwankungen jeden Tag anders<br />

anfühlt.<br />

In diesem Prozess sind Sie, liebe<br />

Eltern, wichtige Ansprechpersonen.<br />

So können Sie Ihr Kind unterstützen:<br />

• Seien Sie Ihrem Kind ein Sparringpartner,<br />

interessieren Sie sich<br />

für seine Fragen und Gedanken.<br />

• Formulieren Sie Ihre Erwartungen:<br />

Die Jugendlichen können<br />

mit klaren Erwartungen besser<br />

umgehen als mit einer vermeintlichen<br />

Freiheit.<br />

• Eltern haben eine Vorbildfunktion,<br />

was das berufliche Engagement<br />

betrifft. Eine positive Einstellung<br />

zum Arbeiten hilft den<br />

Jugendlichen, auch selber den<br />

Schritt ins Berufsleben positiv<br />

anzugehen.<br />

• Gelassenheit hilft: Es nützt nichts,<br />

Ihr Kind zu drängen. Umgekehrt<br />

sollten Sie auch nicht einfach<br />

zuschauen, wie es sich nicht mit<br />

der Berufswahl befasst. Auf die<br />

richtige Mischung aus Vertrauen<br />

und sanftem Druck kommt es an.<br />

• Unterstützen Sie ihr Kind bei der<br />

Organisation seiner Schnuppertage<br />

oder Schnupperwochen.<br />

Nehmen Sie ihm aber die Arbeit<br />

nicht ab: Zu telefonieren, vorbeizugehen,<br />

sich Situationen mit<br />

Erwachsenen zu stellen, stärkt das<br />

Selbstbewusstsein.<br />

• Unterstützen Sie die Berufswünsche<br />

Ihres Kindes. Oft sind die<br />

ersten Traumberufe nicht diejenigen,<br />

welche die Jugendlichen<br />

dann auch wirklich erlernen wollen<br />

– doch sie weisen auf Interessen<br />

hin. Fragen Sie nach: Was<br />

macht diesen oder jenen Beruf<br />

für dich spannend?<br />

Nachdem der Prozess der Selbstfindung<br />

gestartet ist, ist das Kennenlernen<br />

der Berufswelt der nächste wichtige<br />

Schritt. Selten kennen wir<br />

Er wachsenen mehr als 40 Ausbildungsberufe,<br />

bei Jugendlichen sind<br />

es meist noch weniger. An Berufsmessen<br />

und bei Besuchen von Grossunternehmen<br />

können sie viele verschiedene<br />

Berufe kennenlernen.<br />

Meist wissen die Jugendlichen<br />

bereits nach zwei Stunden, spätestens<br />

jedoch nach einem halben Tag,<br />

ob ihnen ein Beruf zusagt oder nicht.<br />

Diese Kurzbesuche, auch Berufserkundungen<br />

genannt, sind wichtig,<br />

um in einer nächsten Phase die zwei<br />

bis drei interessantesten Berufe weiterzuverfolgen<br />

und in einer Berufswahlschnupperlehre,<br />

die etwa zwei<br />

bis drei Tage dauert, zu erleben.<br />

Lehrpersonen in Sorge<br />

Erst im dritten Oberstufenjahr finden<br />

die Bewerbungsschnupperlehren<br />

statt. Hier geht es um das gegenseitige<br />

Kennenlernen in einem<br />

Be trieb. Dabei wird entschieden, ob<br />

die Lehrstelle passt oder nicht. Wir<br />

Lehrpersonen beobachten mit Sorge,<br />

dass Lehrstellen teilweise bereits im<br />

zweiten Oberstufenschuljahr vergeben<br />

werden. Oft folgt dann im<br />

dritten Jahr die Ernüchterung. Wir<br />

be stehen deshalb darauf, dass der<br />

1. November als Stichtag für die<br />

Lehrstellenvergabe eingehalten wird.<br />

Heute können wir in fast allen Situationen<br />

noch beinahe jeden Beruf<br />

erlernen. Sogar ein Universitätsstu­<br />

Es gibt zwar gute Gründe,<br />

das Gymnasium zu besuchen,<br />

doch damit ist der<br />

Berufsfindungsprozess<br />

nur aufgeschoben.<br />

dium kann einer Lehre noch folgen.<br />

Es gibt zwar gute Gründe, das Gymnasium<br />

zu besuchen, oft aber erliegen<br />

Eltern dem Irrtum, dass die<br />

Matura der höchste Abschluss sei.<br />

Denn in Tat und Wahrheit beginnt<br />

der Berufsfindungsprozess erst nach<br />

dem Gymi-Abschluss.<br />

Lehrabschliessende mit Berufsmatura<br />

hingegen haben nicht nur<br />

die Reifeprüfung in der Tasche, sondern<br />

auch bereits einen Beruf er ­<br />

lernt. An den Berufsweltmeisterschaften<br />

WorldSkills Ende Oktober<br />

<strong>2017</strong> konnte man den Wert einer<br />

Schweizer Berufslehre deutlich<br />

sehen: Unsere Berufsleute holten<br />

13 Weltmeistertitel!<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201847


Elterncoaching<br />

«Bei Papa dürfen wir<br />

das aber!»<br />

Unterschiedliche Erziehungsstile in einer Familie können<br />

Bereicherung und Belastung sein. Konflikte entstehen dann,<br />

wenn die Eltern Extrempositionen einnehmen.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 37-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 4,<br />

und einer Tochter, 1. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Meine Kinder und<br />

ich sitzen im Bus.<br />

Nach einem Blick<br />

in die Einkaufstaschen<br />

gibt mir<br />

mein damals dreijähriger Sohn in<br />

voller Lautstärke den Tarif durch:<br />

«Papa! Das ist Weissbrot! Und<br />

Chips! Das ist schlecht für den<br />

Bauch! Das kaufst du nie mehr!»<br />

Während ich ziemlich verdattert<br />

dasitze, können sich die anderen<br />

Leute das Lachen nicht verkneifen.<br />

Danach fügt er hinzu: «Du kannst<br />

Mama sagen, dass ich schon mit dir<br />

geschimpft habe. Dann muss sie es<br />

nicht mehr machen.»<br />

Das Essen sorgt bei uns immer<br />

wieder für Diskussionen. Während<br />

meine Frau auf die Gesundheit achtet,<br />

hat mein Essen oft mehr E-Nummern<br />

als Vitamine. Sagt mir je mand,<br />

ich sehe jünger aus, als ich sei, kann<br />

ich es mir nicht verkneifen, das den<br />

Konservierungsstoffen zuzuschreiben,<br />

die mir die Fertig-Lasagnen<br />

über die Jahre geliefert haben.<br />

Wahrscheinlich geht es Ihnen in<br />

Ihrer Partnerschaft ähnlich, und es<br />

Kinder haben kein Problem,<br />

sich auf unterschiedliche<br />

Bezugspersonen einzustellen.<br />

Sie wissen, was bei wem gilt.<br />

gibt Dinge, die Sie im Umgang mit<br />

den Kindern unterschiedlich handhaben.<br />

Meist entzünden sich Diskussionen<br />

an Punkten wie Ernährung,<br />

Schlafenszeiten, Strukturen,<br />

Grenzen und Ritualen. Wie soll man<br />

mit diesen Unterschieden umgehen?<br />

Benötigen Kinder die oft beschworene<br />

«gemeinsame Front» oder darf<br />

die individuelle Persönlichkeit der<br />

Eltern auch in der Erziehung Ausdruck<br />

finden?<br />

Kinder können mit Unterschieden<br />

umgehen<br />

Generell lässt sich sagen, dass Kinder<br />

kein Problem damit haben, sich auf<br />

unterschiedliche Bezugspersonen<br />

einzustellen. Sie wissen, was bei Mutter<br />

und Vater, den Grosseltern oder<br />

der Lehrerin gilt, und können sich<br />

danach ausrichten.<br />

Gleichzeitig sind Unterschiede<br />

eine Bereicherung. Sie sorgen dafür,<br />

dass Kinder verschiedene Modelle<br />

erhalten. Wenn Eltern diese Vielfalt<br />

zulassen können, erweitert sich der<br />

Erfahrungsspielraum des Kindes. Es<br />

kann mit Eltern, Grosseltern und<br />

weiteren Bezugspersonen unterschiedliche<br />

Erfahrungen sammeln<br />

und verschiedene Aspekte seiner<br />

Persönlichkeit entdecken. Dabei<br />

gestalten Kinder ihre Entwicklung<br />

aktiv mit, indem sie sich Modelle<br />

und Vorbilder suchen, die zu ihnen<br />

passen.<br />

Unterschiede werden dann problematisch,<br />

wenn sie zu unüber-<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

48 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


windbaren Konflikten zwischen<br />

Eltern führen. Wenn sich Mutter<br />

und Vater nicht mehr respektieren,<br />

sich gegenseitig abwerten oder ein<br />

Elternteil an den Rand gedrängt<br />

wird, weil seine Erziehungskompetenz<br />

scheinbar nicht genügt. Oft<br />

sind die Konflikte und Machtspiele<br />

und deren Folgen für die Partnerschaft<br />

für das Kind viel schwerer<br />

auszuhalten als die unterschiedlichen<br />

Erziehungsstile der Eltern.<br />

Konflikte entstehen häufig, wenn<br />

die Eltern in der Erziehung Extremposi<br />

tionen einnehmen. Wenn er<br />

spontan und chaotisch ist und sie<br />

auf klare Strukturen und Abläufe<br />

Wert legt. Wenn sie den Kindern<br />

vieles durchgehen lässt und er darauf<br />

beharrt, dass Kinder klare Grenzen<br />

brauchen und Konsequenzen<br />

spüren müssen. Wenn sie verantwortungsbewusst<br />

ist und den Kindern<br />

das Motto «ohne Fleiss kein<br />

Preis» mitgeben möchte, während<br />

er sein Leben nach dem Lustprinzip<br />

gestaltet.<br />

Unterschieden auf die Schliche<br />

kommen<br />

Es ist hilfreich, wenn man sich be ­<br />

wusst wird, dass extreme Positionen<br />

oft eher eine Reaktion als eine Entscheidung<br />

sind. Sie können als Folge<br />

der eigenen Kindheit entstehen. Sind<br />

wir etwa mit strengen und strafenden<br />

Eltern aufgewachsen, können<br />

wir diese An sichten übernehmen<br />

(«das hat uns auch nicht geschadet!»)<br />

oder versuchen, alles anders<br />

zu machen.<br />

Unser Umgang mit dem Kind<br />

kann auch eine Reaktion auf den<br />

anderen Elternteil sein. Ist der eine<br />

eher autoritär und fordernd, kann<br />

dies beim anderen den Wunsch auslösen,<br />

dies durch Nachsicht auszugleichen.<br />

Sieht der strenge Elternteil,<br />

wie nachsichtig der andere mit den<br />

Kindern umgeht, verstärkt dies seine<br />

Ängste: «Die Kinder tanzen dir<br />

auf der Nase rum!» Es entsteht das<br />

Bedürfnis, dem durch noch mehr<br />

Härte entgegenzuwirken.<br />

Dieses «Ausgleichen» ist jedoch ab<br />

einem bestimmten Punkt für alle<br />

Beteiligten ungesund. Die Kinder<br />

beginnen, die Eltern gegeneinander<br />

auszuspielen, während sich diese<br />

gegenseitig immer weniger respektieren<br />

oder sogar das Gefühl entwickeln,<br />

die Kinder vor dem negativen<br />

Einfluss des anderen schützen zu<br />

müssen.<br />

Wieder in die Mitte finden<br />

Wie finden Eltern in dieser Situation<br />

wieder zueinander? Wenn beide<br />

noch offen miteinander reden können,<br />

ist mit einem Gespräch ein<br />

guter Anfang gemacht. Die Eltern<br />

können miteinander die folgenden<br />

Fragen durchgehen:<br />

• Was macht dir Angst oder welche<br />

Befürchtungen hast du, wenn du<br />

siehst, wie ich mit den Kindern<br />

umgehe?<br />

• Was wünschst du dir von mir?<br />

• Wie wollen wir mit unseren Differenzen<br />

umgehen?<br />

So könnte der «strenge» Elternteil<br />

befürchten, dass der andere die Kinder<br />

verzieht und diese in der Folge<br />

zu Egoisten werden, die sich nicht<br />

an Regeln halten können und nur<br />

ihre eigenen Bedürfnisse im Kopf<br />

haben. Vielleicht stört er sich auch<br />

daran, dass die Bedürfnisse der<br />

Eltern vernachlässigt werden.<br />

Der «nachlässige» Elternteil be ­<br />

fürchtet vielleicht, dass die strenge<br />

Erziehung dazu führt, dass die Kinder<br />

Ängste entwickeln, ihre Lebensfreude<br />

verlieren und mit ihren<br />

Bedürfnissen nicht gesehen werden.<br />

Es ist hilfreich, diese Befürchtungen<br />

auszusprechen, vielleicht sogar aufzuschreiben<br />

und sich zu fragen, ob<br />

die Einschätzung des anderen nicht<br />

ein Körnchen Wahrheit enthält.<br />

Es lohnt sich auch nachzufragen,<br />

ob sich das Gegenüber in seiner Rolle<br />

wohlfühlt. Vielleicht möchte der<br />

strenge Teil auch einmal nachgiebig<br />

sein und nicht immer den «Bösen»<br />

spielen müssen – wenn er sich darauf<br />

verlassen kann, dass der andere<br />

wichtige Regeln mitträgt. Und viel­<br />

Oft sind die Konflikte und<br />

Machtspiele der Eltern für das<br />

Kind schwerer auszuhalten als<br />

verschiedene Erziehungsstile.<br />

leicht ist es für den nachgiebigen<br />

Elternteil befreiend, wenn er lernt,<br />

sich ab und zu abzugrenzen und den<br />

Kindern nicht alles durchgehen zu<br />

lassen – im Wissen, dass auch der<br />

andere Elternteil ab und zu ein Auge<br />

zudrückt und die Kinder insgesamt<br />

auf ihre Kosten kommen.<br />

Einfach mal die Rolle wechseln<br />

Falls das Thema Erziehung so belastet<br />

ist, dass ein Gespräch kaum mehr<br />

möglich ist, kann ein Experiment für<br />

Veränderung sorgen. Dabei übernimmt<br />

man einfach in bestimmten<br />

Situationen die Rolle des anderen.<br />

Ein nachgiebiger Vater könnte beispielsweise<br />

ganz bewusst auf die<br />

Einhaltung einer Regel bestehen:<br />

«Wir haben abgemacht, dass ihr diese<br />

Sendung sehen dürft und nicht<br />

mehr. Jetzt machen wir den Fernseher<br />

aus.» Er könnte den Protest der<br />

Kinder stoisch ertragen, anstatt wie<br />

sonst nachzugeben, und schauen,<br />

wie sich das für ihn anfühlt – und<br />

wie seine Partnerin darauf reagiert.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Warum es so wichtig ist, dass Schule<br />

und Elternhaus zusammenarbeiten.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201849


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Erziehung & Schule<br />

Frohes Schreiben!<br />

Festtage sind Familientage. Das gemeinsame Basteln und Backen, Singen und Geschichtenerzählen<br />

bietet auch Gelegenheiten, spielerisch das Schreiben zu entdecken. Einige Ideen zur Weihnachtszeit.<br />

Text: Johanna Oeschger<br />

Weihnachts-Faltgeschichten<br />

Dieses gemeinsame Geschichtenschreiben<br />

kann zu überraschenden Wendungen<br />

in der Handlung führen: Der erste<br />

Schreiber notiert den Anfangssatz einer<br />

Weihnachtsgeschichte auf ein Blatt und<br />

reicht es an den nächsten Schreiber weiter.<br />

Dieser liest den Satz, faltet das Blatt<br />

so, dass der erste Satz nicht mehr zu<br />

sehen ist, schreibt einen Fortsetzungssatz<br />

und reicht das Blatt weiter.<br />

Briefwichteln<br />

Bei dieser Wichtelvariante werden statt<br />

Geschenke liebe Botschaften oder gute<br />

Wünsche getauscht: Jeder Teilnehmer<br />

zieht den Namen eines anderen Familienmitglieds<br />

(jüngere Familienmitglieder<br />

ziehen mit einem «Co-Wichtel»)<br />

und beschenkt dieses mit einem selbst<br />

gestalteten Brief. Um es spannend zu<br />

machen, können die Botschaften über<br />

eine Woche hinweg jeden Tag irgendwo<br />

«versteckt» werden (im Zahnglas, zwischen<br />

den Buchseiten usw.). Am Weihnachtsabend<br />

wird aufgelöst, wer der<br />

Wichtel war.<br />

Süsse Grüsse<br />

So werden die Weihnachts-, Neujahrsoder<br />

Dankesgrüsse zu einer ganz per-<br />

sönlichen Überraschung: Mit den Kindern<br />

gemeinsam eine kleine Botschaft<br />

an den Götti, das Grosi oder den Onkel<br />

ausdenken (z. B. einen Wunsch zum<br />

neuen Jahr, «DANKE» …) und die passenden<br />

Buchstaben aus Guetsli-Teig<br />

formen oder mit Buchstabenförmchen<br />

ausstechen. Auf dem Begleitkärtchen<br />

kann ein Hinweis zum «Buchstaben-Guetsli-Rätsel»<br />

mitgeschickt werden<br />

(«Wir wünschen dir … zum neuen<br />

Jahr!»).<br />

Kooperatives Schreiben<br />

Wenn man gemeinsam einen Text verfasst, gibt es nicht<br />

nur zu schreiben, sondern auch einiges zu besprechen<br />

und auszuhandeln: Wie gehen wir vor? Was gehört<br />

un bedingt in den Text, was können wir weglassen? Wie<br />

könnte man das besser formulieren? Im Team kommen<br />

die Schreibenden auf neue Ideen und entwickeln eigene<br />

Strategien zum Verfassen von Texten. Das «kooperative<br />

Schreiben» wird deshalb als wirkungsvolle Methode zur<br />

Förderung der Schreibkompetenz eingesetzt.<br />

App-Tipp<br />

Die grosse Wörterfabrik<br />

Ein lebendig gewordenes Bilderbuch mit wunderschönen<br />

Illustrationen zum spielerischen Erlernen von neuen Wörtern.<br />

Für Kinder ab Vorschulalter. Erhältlich für iOS und Android.<br />

Kosten: ca. 3 Franken.<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch<br />

auf der Sekundarstufe II und arbeitet als<br />

Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

Bild: iStockphoto<br />

50 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

Haben Kind und Karriere<br />

genug Platz in einer Familie?<br />

Wir denken an Familien. Zum Beispiel, indem wir<br />

Ange bote auf deren Bedürfnisse zuschneiden und sie<br />

ausserhalb der Bürozeiten beraten, familienfreundliche<br />

Arbeitszeitmodelle bieten oder beim Wiedereinstieg<br />

ins Berufsleben helfen. Zeit für eine neue Bank. cler.ch<br />

Zeit, über Geld zu reden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201851


Erziehung & Schule<br />

«Hochsensible können<br />

schüchtern und<br />

extrovertiert sein»<br />

Die Grenze zwischen AD(H)S und Hochsensibilität ist schwammig. Der These, dass<br />

AD(H)S-betroffene Kinder eigentlich «nur» extrovertierte Hochsensible seien, stimmt<br />

Corinne Huber, Expertin für beide Bereiche, jedoch nicht zu. Die Erscheinungsbilder seien<br />

so vielfältig und vielschichtig wie die Menschen selbst. Interview: Irena Ristic<br />

52 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Frau Huber, was unterscheidet hochsensible<br />

Kinder von anderen Kindern?<br />

Zuerst einmal sind wohl alle Kinder<br />

zu Beginn ihres Lebens feinfühlig.<br />

Doch einige Kinder bringen neuronale<br />

Veranlagungen mit, die sie in<br />

der Wahrnehmung und im Denken<br />

sensibler machen. Hochsensible<br />

sind viel reizoffener als andere. Das<br />

bedeutet gleichzeitig, dass das<br />

Gehirn länger braucht, um alle Sinneseindrücke<br />

zu verarbeiten. Dies<br />

kann zu einer Reizüberflutung führen.<br />

Die Folge: Betroffene Kinder<br />

sind oft zappeliger, zurückgezogener<br />

und ermüden schneller.<br />

Wie erleben Sie hochsensible Kinder<br />

in Ihrer Praxis?<br />

Oft sehnen sie sich nach mehr innerer<br />

Ruhe und sind tief dankbar fürs<br />

Verstandenwerden. Für reizoffene<br />

Kinder ist unsere schnelllebige und<br />

stetig Reize produzierende Umwelt<br />

eine noch grössere Herausforderung,<br />

als sie es für die meisten ohnehin<br />

ist. Sich zu orientieren, Halt zu<br />

finden und nicht auszubrennen, ist<br />

für sie besonders anstrengend. Das<br />

ist es für hochsensible Erwachsene<br />

übrigens ebenso.<br />

Es gibt die Ansicht, dass Kinder und<br />

Jugendliche, bei denen AD(H)S diagnostiziert<br />

wurde, eigentlich extrovertierte<br />

Hochsensible sind. Wie sind<br />

Ihre Erfahrungen dazu?<br />

Ich kann nicht sagen, dass der<br />

hyper aktive Hochsensible per se<br />

extrovertiert ist und der hypoaktive<br />

Typus nur introvertiert. Es gibt viele<br />

verschiedene Erscheinungsbilder.<br />

Die Varianten scheinen so vielfältig<br />

zu sein wie der Mensch selbst. Viele<br />

Hochsensible beschreiben sich als<br />

schüchtern – doch in bestimmten<br />

Situationen sind sie manchmal ex ­<br />

trovertiert. Diese Ambivalenz ist<br />

auffällig und man findet sie nicht<br />

selten auch bei Künstlern.<br />

«Die Ambivalenz<br />

zwischen<br />

Schüchternheit und<br />

extrovertiertem<br />

Verhalten<br />

findet man nicht<br />

selten bei<br />

Künstlern.»<br />

Dennoch: Die Unterscheidung zwischen<br />

AD(H)S und Hochsensibilität ist<br />

nicht immer einfach.<br />

AD(H)S ist besser erforscht als die<br />

Hochsensibilität. Hier steckt die Forschung<br />

noch in den Kinderschuhen.<br />

Zudem scheiden sich in der Fachwelt<br />

die Geister: Die einen anerkennen<br />

deren eigenständige Existenz oder<br />

sehen sie zumindest als Teil-Erscheinungsbild<br />

von AD(H)S. Die anderen<br />

vertreten die Meinung, dass >>><br />

Buchtipp<br />

Elaine Aron: Das hochsensible<br />

Kind. mvg, 20<strong>12</strong>, 350 S., Fr. 25.90<br />

Brigitte Schorr: Hochsensibilität<br />

– Empfindsamkeit leben und<br />

verstehen. SCM Hänssler, 2015,<br />

79 S., Fr. 11.90<br />

Georg Parlow: Zart besaitet.<br />

Festland, 2015, 248 S., Fr. 32.90<br />

FUNCTIONALITY IS<br />

PART OF OUR FAMILY<br />

Genf | Zürich | Brunnen | Luzern<br />

SHOP ONLINE AT VICTORINOX.COM<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201853<br />

ESTABLISHED 1884


Erziehung & Schule<br />

>>> Hochsensibilität ein Hype ist<br />

und letztlich nur eine andere Bezeichnung<br />

für AD(H)S – und dass<br />

es darum gehe, dieser Diagnose auszuweichen.<br />

Warum wollen Eltern einer AD(H)S-<br />

Diagnose ausweichen?<br />

Vereinfacht gesagt ist die Diagnose<br />

AD(H)S für Eltern häufig belastend,<br />

während Eltern von als hochsensibel<br />

bezeichneten Kindern eher stolz darauf<br />

sind, ein «aussergewöhnliches»<br />

Kind erziehen zu dürfen. Erzieherische<br />

oder schulische Probleme, die<br />

sich bei Betroffenen beider «Diagnosen»<br />

ergeben können, sind meiner<br />

Erfahrung nach aber oft ähnlich.<br />

Sie coachen auch Eltern und Lehrpersonen<br />

von hochsensiblen Kindern<br />

und von Kindern mit AD(H)S. Was<br />

raten Sie?<br />

«Eltern und<br />

Lehrpersonen sollten<br />

Betroffenen nicht<br />

vermitteln, dass sie<br />

ein Problem hätten –<br />

sonst kultivieren sie<br />

Fehlverhalten und<br />

Versagen.»<br />

Eltern und Lehrpersonen sollten<br />

darauf achten, nicht unbewusst zu<br />

vermitteln, dass die betroffenen Kinder<br />

ein Problem hätten. Was ich<br />

damit sagen will: Fördern Eltern und<br />

Lehrpersonen die Stärken und Bega­<br />

bungen, vermittelt dies dem hochsensiblen<br />

Kind und Jugendlichen<br />

eine positive Grundhaltung. Das<br />

stärkt das Selbstwertgefühl und die<br />

Widerstandskraft. Prasseln hingegen<br />

zu viele negative Feedbacks oder<br />

Ablehnung auf ein Kind ein, wird<br />

Fehlverhalten und Versagen kultiviert.<br />

Speziell hochsensible Kinder,<br />

Jugendliche und junge Erwachsene<br />

verzweifeln regelrecht daran, es nie<br />

«richtig» machen zu können.<br />

Welche Tipps geben Sie hochsensiblen<br />

Kindern und Jugendlichen mit?<br />

Ein Aufenthalt in der Natur ist für<br />

hochsensible Kinder und Jugendliche<br />

meiner Erfahrung nach sehr<br />

wohltuend. Auch sich kreativ zu<br />

betätigen, etwa mit Musik und Kunst<br />

oder Sport – fern von Leistungsdruck<br />

–, fördert die körperliche wie<br />

Fragebogen: Diese Aussagen können helfen, ein Kind in Bezug auf<br />

Hochsensibilität einzuschätzen<br />

Mein Kind …<br />

• erschrickt leicht<br />

• hat eine empfindliche Haut,<br />

verträgt keine kratzenden Stoffe<br />

oder keine Nähte in Socken oder<br />

Etiketten in T-Shirts<br />

• mag keine Überraschungen<br />

• profitiert beim Lernen eher durch<br />

sanfte Belehrung als harte Strafe<br />

• hat einen für sein Alter ungewöhnlich<br />

gehobenen Wortschatz<br />

• scheint meine Gedanken lesen zu<br />

können<br />

• ist geruchsempfindlich, sogar bei<br />

sehr schwachen Gerüchen<br />

• hat einen klugen Sinn für Humor<br />

• scheint sehr einfühlsam zu sein<br />

• kann nach einem aufregenden Tag<br />

schlecht einschlafen<br />

• hat Mühe mit grossen<br />

Veränderungen<br />

• findet nasse oder schmutzige<br />

Kleidung unangenehm<br />

• stellt viele Fragen<br />

• ist ein Perfektionist<br />

• bemerkt, wenn andere<br />

unglücklich sind<br />

• bevorzugt leise Spiele<br />

• stellt tiefgründige Fragen, die<br />

nachdenklich stimmen<br />

• ist sehr schmerzempfindlich<br />

• ist lärmempfindlich<br />

• registriert Details (Veränderungen<br />

in der Einrichtung oder im<br />

Erscheinungsbild eines Menschen<br />

usw.)<br />

• denkt über mögliche Gefahren<br />

nach, bevor es ein Risiko eingeht<br />

• erzielt die beste Leistung, wenn<br />

keine Fremden dabei sind<br />

• hat ein intensives Gefühlsleben<br />

Auswertung:<br />

Treffen mindestens 13 Aussagen<br />

auf das Kind zu, kann davon<br />

ausgegangen werden, dass es<br />

hochsensibel ist.<br />

Wichtiger Hinweis:<br />

Der Fragebogen dient als<br />

Orientierungshilfe für Eltern und<br />

Bezugspersonen und kann nicht<br />

mit einer psychologischen<br />

Testdiagnostik verglichen werden.<br />

Ziel der Einschätzung ist es, ein<br />

tieferes Verständnis für das Kind<br />

und seine Verhaltensweisen zu<br />

bekommen. Viele Situationen<br />

können so verstanden und neu<br />

beurteilt werden.<br />

Quelle: Elaine Aron: Das<br />

hochsensible Kind, MVG, 2008.<br />

Weitere Fragebögen finden sich auf<br />

den Websites hochsensibel.org und<br />

zartbesaitet.net.<br />

54 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


psychische Stabilität. Auf diese Weise<br />

schaffen sich Hochsensible Rückzugsorte,<br />

wo sie Kraft und Energie<br />

tanken können. Sich abzusondern,<br />

ist damit aber nicht gemeint. Im<br />

Gegenteil: Ich empfehle, den Kontakt<br />

mit Gleichaltrigen zu pflegen,<br />

um das Zugehörigkeitsgefühl zu<br />

stärken. Ausserdem können Betroffene<br />

auch in einem Achtsamkeitstraining<br />

oder mit asiatischen<br />

Kampfsportarten ihre Konzentrationsfähigkeit<br />

und Selbstwahrnehmung<br />

trainieren.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Corinne Huber berät in ihrer Praxis in Basel<br />

Erwachsene, Kinder, Eltern und junge Erwachsene<br />

mit Hochsensibilität und AD(H)S. Sie ist eidg. dipl.<br />

Coach, Heilpädagogin, diplomierte Craniosacral-<br />

Therapeutin und Mutter von drei erwachsenen<br />

Kindern. Sie ist zudem als Fachreferentin und<br />

Gastdozentin tätig.<br />

Hochsensibilität<br />

Experten gehen davon aus, dass 15 bis<br />

20 Prozent der Menschen hochsensibel<br />

sind. Sie empfinden äussere Reize wie<br />

Gerüche, Geräusche oder Bilder viel stärker<br />

als ihre Mitmenschen und verarbeiten sie<br />

intensiver. Typisch sind auch<br />

Charakter eigenschaften wie eine Neigung zu<br />

Selbstkritik und Perfektionismus, ein starkes<br />

Harmoniebedürfnis sowie ein ausgeprägter<br />

Gerechtigkeitssinn und eine hohe<br />

Begeisterungsfähigkeit. Erstmals<br />

beschrieben wurde Hochsensibilität von der<br />

amerikanischen Psychologin Elaine Aron, die<br />

das Phänomen in den 90er-Jahren bekannt<br />

machte und den Begriff prägte. Obwohl es<br />

immer mehr empirische Erkenntnisse gibt,<br />

existiert in der Forschung keine einstimmige<br />

neuropsychologische Theorie und somit<br />

auch kein einheitliches Diagnoseverfahren<br />

zur Hochsensibilität. Als wahrscheinlich für<br />

die Ausbildung dieser speziellen<br />

neuronalen Konstitution werden erbliche<br />

und auch entwicklungspsychologische<br />

Faktoren diskutiert. Innerhalb der<br />

Hochsensibilitäts-Forschung wird diese<br />

spezielle neuronale Konstitution nicht als<br />

Krankheit oder psychische Störung gesehen.<br />

www.landesmuseum.ch


In Zusammenarbeit mit der Credit Suisse<br />

Erziehung & Schule<br />

Ist Geld ein<br />

gutes Geschenk?<br />

Bares schenken liegt im Trend. Was Eltern und V erwandte<br />

beachten müssen. Und warum zum Geldverschenken<br />

ein konkreter Anlass bestehen sollte. Text: Florence Schnydrig Moser<br />

Spielkonsole<br />

Smartphone<br />

Velo Töffli<br />

Computer<br />

Lego<br />

Spielzeug<br />

Reitstunden<br />

Kleidung<br />

Der Wunsch nach Geld<br />

zum Geburtstag, zu<br />

Weihnachten oder<br />

anderen Anlässen<br />

nimmt zu, wenn die<br />

Kinder älter werden. Dafür verschwinden<br />

Legos, neue Turnschuhe<br />

und die Barbie-Puppe vom Wunschzettel.<br />

Wie sollen Eltern damit<br />

umgehen? Drei Tipps:<br />

1. Das Gespräch suchen<br />

Äussert das Kind den Wunsch nach<br />

Geld, ist es wichtig, dass Eltern sich<br />

mit der schenkenden Person austauschen.<br />

Dadurch wissen Eltern, wie<br />

viel ihre Kinder von wem geschenkt<br />

erhalten. Auch die Häufigkeit spielt<br />

eine Rolle. Die Situation, dass Kinder<br />

öfter mal vom Grosi oder dem Onkel<br />

ein «Nötli zugesteckt erhalten», kann<br />

die von den Eltern aufgestellten Prin-<br />

Spezielle Geldgeschenke<br />

Geschenksparkonto<br />

Auf das Geschenksparkonto<br />

können Göttis und Co. Geld<br />

einzahlen und so für Kinder<br />

sparen – und das meist zum<br />

Vorzugszins.<br />

Goldvreneli<br />

Die kleine Münze wirft zwar<br />

keinen Ertrag ab – bleibt aber<br />

aufgrund seiner speziellen Form<br />

umso länger in Erinnerung.<br />

zipien der Finanzerziehung untergraben.<br />

Ein klärendes Gespräch<br />

kann helfen.<br />

2. Gemeinsam mit dem Kind über<br />

das Geldgeschenk sprechen<br />

Haben Eltern ein Mitspracherecht<br />

bei der Verwendung des Geldes? Ja.<br />

Am besten sprechen sie mit ihren<br />

Kindern und überlegen, ob und wie<br />

das Geld verwendet werden soll.<br />

Zum Beispiel für die Erreichung<br />

eines Sparzieles oder aber auch für<br />

gemeinsame Unternehmungen mit<br />

dem Schenkenden.<br />

Älteren Kindern können Eltern<br />

nach dem Gespräch Optionen offen<br />

lassen. Damit zeigen sie, dass sie<br />

ihnen vertrauen und ihnen die Verantwortung<br />

überlassen.<br />

Jüngere Kinder benötigen mehr<br />

Unterstützung. Hat ein Kind schon<br />

länger einen Wunsch, können Eltern<br />

ihm beim Sparen helfen, indem sie<br />

das Geld gemeinsam auf das Sparkonto<br />

einzahlen. Erst wenn der<br />

benötigte Betrag erreicht ist, kann<br />

der Wunsch erfüllt werden. So lernt<br />

das Kind eine wichtige Lektion: Sparen<br />

bedeutet, sich in Geduld zu üben<br />

und manchmal auch Bedürfnisse<br />

aufzuschieben. Dafür ist die Freude<br />

über das selbst zusammengesparte<br />

Velo noch grösser.<br />

Wenn Geld für einen bestimmten<br />

Zweck geschenkt wird, soll dieser<br />

auch eingehalten werden. Optimal<br />

ist, wenn der Götti oder das Grosi<br />

bereits vor der Übergabe des Geld-<br />

geschenks mit dem Kind über mögliche<br />

Sparziele gesprochen hat.<br />

3. Geldgeschenke verdanken<br />

Wie bei jedem Geschenk sollten<br />

auch Geldgeschenke verdankt werden.<br />

Die Verdankungen können<br />

ebenfalls dem Alter angepasst werden.<br />

Während bei jüngeren Kindern<br />

vielleicht eine Zeichnung eine schöne<br />

Art des Dankeschöns ist, kann es<br />

bei älteren eine nette Nachricht sein.<br />

Mit der richtigen Begleitung<br />

durch die Eltern sind Geldgeschenke<br />

eine gute Alternative, die sogar<br />

einen Lerneffekt bewirken kann.<br />

Das ist auf jeden Fall besser als<br />

ungewünschte Sachgeschenke, die<br />

ungenutzt auf dem Estrich verschwinden.<br />

Dieser Text entstand mit freundlicher<br />

Unterstützung der Stiftung Pro Juventute.<br />

Florence<br />

Schnydrig Moser<br />

ist Leiterin von Products & Investment<br />

Services bei der Credit Suisse und<br />

Auftraggeberin der Taschengeldstudie.<br />

Dafür sparen<br />

Kinder (aus der<br />

Taschengeldstudie<br />

der Credit Suisse).<br />

In der Viva Kids World der Credit Suisse finden<br />

Eltern Tipps und Tricks für die Finanz erziehung.<br />

Kinder entdecken Finanzthemen gemeinsam<br />

mit der Viva-Kids-Bande.<br />

credit-suisse.com/vivakidsworld<br />

56 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Kolumne<br />

Was kann dein Kind<br />

besser als alle anderen?<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

Als Kind wollte ich zuerst Eishockeyprofi werden, dann<br />

Archäologe, dann Detektiv. Allerdings hatte ich weder eine<br />

besonders gute Beobachtungsgabe, noch war ich in Latein<br />

eine Leuchte. Schlittschuhlaufen konnte ich auch nicht.<br />

Meine Mutter sagte nichts; ich glaube, sie wollte mir nicht<br />

das Kostbarste rauben, was ich besass: Illusionen. Es waren halt die<br />

1980er, und man ging davon aus, dass alle Menschen einen Job<br />

bekommen, selbst die, die ausser Träumen nichts können. Ich erinnere<br />

mich nicht daran, je mit meiner Mutter über meine Fähigkeiten oder,<br />

Gott verbitte, meine Talente gesprochen zu haben. Sie sagte angesichts<br />

meiner Berufsvorstellungen bloss: Versuch doch etwas zu finden, was dir<br />

Freude bereitet. Was sie meinte, war: Du musst den Shit 45 Jahre lang<br />

machen, such dir also etwas, was dir wenigstens ein bisschen Spass<br />

macht. Wenn man darüber nachdenkt: ein ziemlich guter Rat.<br />

Heute klingt das alles etwas anders. Die Frage «Was machst du gern?»<br />

ist abgelöst worden von «Worin bist du gut?». Genauer: «Was kannst du<br />

besser als die anderen?»<br />

Wir leben in einer Kultur der konstanten Bewertbarkeit. Alles wird<br />

geliked und gerated. Überall gibt es Empfehlungen, Evaluationen, Kritik,<br />

Kommentare, Abklärungen, Vergleiche: Unter dem Mathetest meiner<br />

Tochter stehen nicht nur ihre Note, der Klassendurchschnitt und ein<br />

trauriger Smiley, nein, sie wird auch noch zur Selbsteinschätzung<br />

aufgefordert. Wie siehst du dich? Im Vergleich zu den anderen? Und wo<br />

im nächsten Jahr? Geübt wird der Blick auf sich selbst von aussen. Das<br />

ist vermutlich gut für den Job, aber ganz sicher schlecht für die Seele.<br />

Denn die Botschaft dahinter lautet: Du bist nie (gut) genug. Du kannst<br />

immer an dir arbeiten. Genauer: Du darfst nicht an dir arbeiten. Es<br />

ist die Sieger-Rhetorik der Exzellenz-Cluster und Talent-Shows, in denen<br />

mittelmässiges Abschneiden, unentschlossenes Herumdrucksen oder gar<br />

Versagen nicht vorgesehen sind. Das Streben bedeutet eine ewige<br />

Aufrechterhaltung von Leistungsbereitschaft bis in die Mikrophysik<br />

unseres Handelns. Denn auf dem Prüfstand stehen ja nicht mehr nur ein<br />

Job oder mathematische Grundlagenkenntnisse, sondern wir als<br />

Menschen, unsere Identität und unser Sein. Und das Feedback ist die<br />

Währung solcher Selbstoptimierung.<br />

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich rede hier nicht einer ambitionslosen<br />

Mittelmässigkeit oder genügsamen Selbstzufriedenheit das Wort.<br />

Ich begrüsse Einsatzwillen, Hartnäckigkeit und Grössenwahn. Aber das<br />

Problem permanenter Bewertung ist noch ein anderes: Was wir unseren<br />

Kindern vorleben, ist eine Welt, in der dein Handeln keinen Sinn macht,<br />

wenn du nicht in einen Resonanzrahmen eingebunden bist. Es ist der<br />

Grund, warum Leute ihr Leben und ihre Leistungen auf Facebook posten:<br />

Du bist nur etwas wert, wenn andere es sehen – und für gut befinden.<br />

Damit rauben wir unseren Kindern etwas, das wir eigentlich von ihnen<br />

lernen könnten: den Antrieb, etwas zu tun, nicht weil wir gut darin sind,<br />

sondern weil es uns wichtig ist.<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer Tochter<br />

und eines Sohnes, lebt in Biel<br />

und schreibt regelmässig für<br />

das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201857


«Mein autistisches Kind<br />

zeigt mir die wichtigen Dinge»<br />

«Mit Freude verteile ich<br />

das Kindergartenheft»<br />

(Kindergartenheft «Endlich Chindsgi»,<br />

Sommer <strong>2017</strong>)<br />

Herzlichen Dank für das tolle Heft «Endlich Chindsgi». Mit<br />

Freude verteile ich das Heft den neuen Kindergarteneltern und<br />

-kindern. Als Kindergärtnerin (mit 27 Jahren Berufserfahrung)<br />

schätze ich Ihr Heft mit den vielseitigen praktischen Beiträgen<br />

und Tipps. Ich freue mich schon heute auf die nächste Post,<br />

die ich den Kindern mit nach Hause geben kann.<br />

Renate Spahr, Kindergarten Dürrenroth (per Mail)<br />

«Viele Eltern sind verunsichert – trotz<br />

grossem pädagogischem Wissen»<br />

Liebe Frau Ringier<br />

Die Ziele der Stiftung Elternsein sind vollkommen unterstützungswürdig.<br />

Ich bin der Meinung, dass Konflikten im Schulalter<br />

schon schwierige Situationen im Kleinkindalter vorausgehen. Ein<br />

grosses Thema ist meiner Meinung nach Verwöhnung – nicht die<br />

materielle Verwöhnung, sondern die Entmutigung von Kleinkindern,<br />

selbstwirksam zu werden und somit Verantwortung zu<br />

erlernen. Es gibt noch so viele grundlegende Themen für Familien<br />

mit Kleinkindern, dass die Begleitung von Familien auch in dieser<br />

frühen Phase wünschenswert wäre. Ich erlebe immer wieder<br />

Eltern, die sich viel pädagogisches Wissen erlesen haben und<br />

dennoch hoch verunsichert im Umgang mit ihren Kindern sind.<br />

«Ich bilde ehrenamtlich<br />

Begleithunde aus»<br />

(«Ein Hund nach Mass für Joel», Heft 11/<strong>2017</strong>)<br />

Mit grossem Interesse habe ich den Artikel über Joel und seine<br />

Familie gelesen. Ich wünsche ihnen, dass der Spendenaufruf<br />

Wirkung zeigt und der Wunsch nach einem Therapie- und<br />

Begleithund für Joel in Erfüllung geht. Mir ist es ein Anliegen, an<br />

dieser Stelle auf die noch junge Organisation Farah-Dogs mit Sitz<br />

in Siders, Wallis, aufmerksam zu machen. Farah-Dogs bildet<br />

ebenfalls Begleithunde für autistische Kinder sowie Diabetes-<br />

Warnhunde aus. Es werden verschiedene für diese Arbeit<br />

geeignete Rassehunde ausgebildet. Die Welpen, die durch<br />

Farah-Dogs bei entsprechenden Züchtern ausgesucht werden,<br />

werden bei Patenfamilien platziert, welche die Hunde in den<br />

ersten 15 bis 18 Monaten sozialisieren. Eine Begleitung und<br />

Beratung während dieser Zeit durch die Instruktorinnen der<br />

Organisation ist ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit,<br />

damit die Hunde später ihre grosse Aufgabe übernehmen<br />

können. Sobald die Hunde ihr Ausbildungsalter erreicht haben,<br />

werden sie in der Organisation durch die Instruktorinnen auf ihre<br />

zukünftige Arbeit als Therapie- und Begleithunde vorbereitet und<br />

geschult.<br />

Ich selbst arbeite seit über zwei Jahren ehrenamtlich für<br />

Farah-Dogs und habe zurzeit bereits meinen zweiten Patenhund,<br />

welchen ich mit grosser Freude auf seine zukünftige Aufgabe<br />

vorbereite. Die Organisation (www.farah-dogs.ch) sucht auch<br />

immer wieder Patenfamilien, die einen Welpen oder Junghund in<br />

den ersten 15 bis 18 Monaten aufnehmen und sozialisieren.<br />

Mirjam Koch-Ritter,<br />

Bremgarten (per Mail)<br />

Jeanette Jutzi (per Mail)<br />

58 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Leserbriefe<br />

«Danke, mein Kind!»<br />

(«Hilfe, mein Kind ist ein Träumer!», Heft 10/<strong>2017</strong>)<br />

kann ich in der Regel in die Tonne treten: Ich muss mich nur<br />

auf mein Kind einlassen und ausprobieren, wie es ist,<br />

Umwege zu gehen, stehen zu bleiben, mich hinzulegen ...<br />

All das habe ich mir selbst ja nie erlaubt! Danke, mein Kind!<br />

Danke für die weisen Worte von Fabian Grolimund in seiner<br />

Kolumne. Ich bin mit einem verträumten Bruder aufgewachsen,<br />

um den ich mich lange kümmerte. Und nun habe ich ein<br />

verträumtes Kind ... Und obwohl ich immer wieder kurz vor<br />

der Verzweiflung stehe, tut mir genau dieses Kind unglaublich<br />

gut. Es entschleunigt mich und zeigt mir die wirklich<br />

wichtigen Dinge im Leben. Meinen optimal getimten und<br />

durchstrukturierten Tag als alleinerziehende Unternehmerin<br />

Anna Glaubrecht<br />

(auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />

Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />

wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />

oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich.<br />

Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi oder<br />

Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />

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Erziehung Rubrik & Schule<br />

60 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung Rubrik & Schule<br />

Alina, 7 Jahre<br />

Diagnose MS<br />

Multiple Sklerose kann zu schweren Behinderungen<br />

führen. Doch nicht jede Diagnose hat ein Leben im<br />

Rollstuhl zur Folge. Dies macht Eltern Mut, deren Kinder<br />

bereits im Schulalter erkranken. Zwei betroffene<br />

Familien erzählen.<br />

Text: Andres Eberhard Bilder: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201861


Zurzeit geht es Alina<br />

gut. Doch auf lange<br />

Sicht führt kein Weg an<br />

einer medikamentösen<br />

Behandlung vorbei.<br />

62 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

rungen führen kann. Nur wenige<br />

hingegen wissen, dass die Krankheit<br />

bereits bei Kindern und Jugendlichen<br />

auftreten kann. Man geht von<br />

3 bis 5 Prozent pädiatrischer Fälle<br />

aus, bei denen die Diagnose vor dem<br />

16. Lebensjahr gestellt wird. Weil<br />

sich die Kinder aber oft schnell und<br />

vollständig von den ersten Symptomen<br />

erholen, wird MS häufig erst<br />

viele Jahre später diagnostiziert<br />

(siehe Interview auf Seite 64).<br />

Weniger bekannt ist auch, dass<br />

MS-Patienten nicht in jedem Fall ein<br />

Leben im Rollstuhl bevorsteht. In<br />

vielen Fällen leben Betroffene jahrzehntelang<br />

behinderungsfrei. «Die<br />

Krankheit mit den 1000 Gesichtern»<br />

wird MS wegen der sehr unterschiedlichen<br />

Verläufe auch genannt.<br />

Die Krankheit verläuft in Schüben,<br />

wobei ein Schub irgendwann auftreten<br />

kann – am kommenden Tag,<br />

aber auch erst in 20 Jahren. Dies löst<br />

bei Betroffenen Angst und Hoffnung<br />

gleichzeitig aus. Man rechnet mit<br />

dem Schlimmsten. Und hofft doch<br />

immer das Beste.<br />

Nicht minder intelligent, aber<br />

langsamer<br />

Alinas Sehprobleme waren schnell<br />

behoben. Kortison half gegen die<br />

Entzündung, eine Brille gegen die<br />

anhaltende Sehschwäche. Alinas MS<br />

wurde mit «Rebif» therapiert –<br />

einem Präparat, das unter die Haut<br />

gespritzt wird. Doch nicht nur die<br />

dreimal wöchentlichen Prozeduren<br />

wurden für Alina zur Tortur. In den<br />

Kontrollen zeigte sich auch, dass sich<br />

ihr Leberwert erhöht hatte. Erst<br />

reduzierten die Ärzte die Dosierung,<br />

dann verschrieben sie ihr ein neues<br />

Medikament namens Copaxone.<br />

Dieses hatte aber Nebenwirkungen,<br />

die zwar unregelmässig, aber gravierend<br />

waren. Nach der Einnahme<br />

bekam Alina mehrmals Atemnot,<br />

manchmal erbrach sie. «Zwei Minuten<br />

spritzen, 15 Minuten Panik»,<br />

umschreibt es die Mutter.<br />

Für die Ärzte war das eine unangenehme,<br />

aber ungefährliche Reak­<br />

An Besuche beim Kinderarzt<br />

war man in<br />

der Familie gewöhnt.<br />

«Alina* hatte immer<br />

etwas», sagt Monika<br />

Baumann*, die Mutter. Das von Zeit<br />

zu Zeit auftretende Kopfweh in den<br />

frühen Morgenstunden erklärten<br />

sich die Ärzte mit dem Heuschnupfen,<br />

die Müdigkeit am Mittag mit<br />

den Medikamenten gegen Asthma<br />

und Neurodermitis.<br />

Als aber das Kopfweh regelmässig<br />

wurde und einmal sogar Erbrechen<br />

dazukam, sagte sich die Mutter:<br />

«Das kann nicht sein.» Auf<br />

Anraten einer befreundeten Arztgehilfin<br />

liess sie Alinas Augen untersuchen.<br />

Alina sah auf dem rechten<br />

Auge nur drei Prozent. Diagnose:<br />

Sehnerventzündung. Drei Monate<br />

und viele Untersuchungen später<br />

war klar: Alina, 6 Jahre alt, eben in<br />

die erste Klasse eingeschult, hat<br />

Multiple Sklerose (MS).<br />

Monika Baumann sitzt auf ihrem<br />

Balkon, Alina spielt in ihrem Zimmer<br />

mit Legoklötzen. «Die Diagnose<br />

war ein Schock», sagt die<br />

Mutter.<br />

Es hätte ein tolles Jahr werden<br />

können für die Familie Baumann:<br />

Im Frühling hatte man sich den<br />

Traum einer Eigentumswohnung in<br />

der Nähe des Sempachersees verwirklicht.<br />

Und Alina freute sich auf<br />

die Schule, die Mitte August beginnen<br />

sollte. Doch die Diagnose veränderte<br />

alles. «Die folgenden Monate<br />

waren die schlimmsten», sagt die<br />

Mutter rückblickend, «das war kein<br />

schönes Jahr.»<br />

Bekannt ist, dass die Nervenkrankheit<br />

MS unheilbar ist. Und<br />

auch, dass sie zu schweren Behindetion.<br />

Für Monika Baumann war sie<br />

angsteinflössend. Sie liess die Therapie<br />

stoppen.<br />

Obwohl MS nicht heilbar ist,<br />

wird die Krankheit mit Medikamenten<br />

behandelt. Diese bewirken, dass<br />

der Verlauf der Krankheit beziehungsweise<br />

der nächste Schub hinausgezögert<br />

wird. «Wir wissen, dass<br />

wiederkehrende entzündliche Attacken<br />

auf das sich noch entwickelnde<br />

Gehirn schwere Auswirkungen<br />

haben können», sagt Oberärztin<br />

Sandra Bigi vom Inselspital Bern,<br />

die einzige Kinderneurologin in der<br />

Schweiz mit Spezialisierung auf MS<br />

bei Kindern und Jugendlichen. Mit<br />

einer Therapie stellt sie jungen MS-<br />

Patienten gute Prognosen: «Es ist ein<br />

sehr realistisches Ziel, eine normale<br />

Jugend zu erleben und ein unabhängiges<br />

Leben zu führen.»<br />

Ohne die Spritzen ging es Alina<br />

besser. «Sie ging wieder raus, spielte<br />

und lachte. Ich dachte: Das ist endlich<br />

wieder mein Kind», sagt die<br />

Mutter. Doch auch sie weiss, dass auf<br />

Dauer kein Weg an der medikamentösen<br />

Therapie vorbeiführt. Derzeit<br />

informiert sie sich über ein neues<br />

Präparat, das einen grossen Vorteil<br />

hat: Es wird per Infusion verabreicht<br />

und nicht gespritzt. Ob Alinas<br />

Immunsystem bei diesem >>><br />

Man rechnet mit dem<br />

Schlimmsten. Und hofft<br />

doch immer das Beste.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201863


Erziehung & Schule<br />

>>> dritten Versuch besser reagieren<br />

wird, kann sie allerdings nicht<br />

wissen.<br />

Typisch für pädiatrische MS-<br />

Patienten sind kognitive Probleme<br />

wie Aufmerksamkeits-, Konzentrations-<br />

oder Gedächtnisstörungen.<br />

Kinderneurologin Sandra Bigi<br />

erklärt: «Die Nerven leiten um<br />

Bruchteile von Millisekunden langsamer,<br />

was zur Folge hat, dass die<br />

Betroffenen eine längere Verarbeitungszeit<br />

haben.» Das bedeutet:<br />

«Kinder mit MS sind nicht weniger<br />

intelligent, aber sie brauchen mehr<br />

Zeit, um sich zu organisieren und zu<br />

strukturieren.» In solchen Fällen<br />

werden Schulanpassungen notwendig<br />

– also etwa Nachteilsausgleiche<br />

in Form von mehr Zeit oder reduziertem<br />

Umfang bei Prüfungen.<br />

«Manchmal ist das bei den Schulen<br />

schwierig durchzubringen, da Kindern<br />

und Jugendlichen mit MS<br />

äusserlich häufig nichts anzumerken<br />

ist», sagt die Kinderneurologin.<br />

Erzieherischer Balanceakt<br />

Im vergangenen Jahr absolvierte Alina<br />

zur Abklärung von allfälligen<br />

kognitiven Einschränkungen einen<br />

umfassenden Test. Sie schnitt für ihr<br />

Alter überdurchschnittlich ab. Doch<br />

der Erstklässlerin macht im Schulalltag<br />

anderes zu schaffen. Einerseits<br />

plagt sie häufig eine grosse Müdigkeit<br />

– ein typisches MS-Symptom.<br />

Andererseits leidet sie unter Inkontinenz.<br />

Aus diesen Gründen entschied<br />

sich die Familie dafür, Schule<br />

und Lehrer über die Krankheit zu<br />

informieren. Alina durfte in der<br />

Folge selber entscheiden, ob ihre<br />

Klassenkameraden von der MS<br />

erfahren sollten – sie entschied sich<br />

dafür. Seither sorgt eine Fachperson<br />

für integrierte Förderung dafür, dass<br />

Alina nicht ausgelacht wird, wenn<br />

sie mal in die Hosen machen sollte.<br />

Nicht nur für die Kinder, auch für<br />

die Eltern kann die Diagnose MS<br />

eine grosse Herausforderung sein.<br />

So in der Erziehung, wenn es ums<br />

Ausloten von Über- und Unterforderung<br />

sowie von Verständnis und<br />

autoritärem Anspruch geht. «Alina<br />

sagt mittlerweile bei allem, was sie<br />

nicht will, dass sie müde ist», sagt<br />

Monika Baumann. Ihr, die an sechs<br />

Tagen der Woche bei der Tochter<br />

ist, bereite das keine grossen<br />

Schwierigkeiten. «Ich sehe Alina an,<br />

wenn sie wirklich nicht mehr<br />

kann.» Ihrem Mann, der einen Tag<br />

pro Woche zu Hause bei den Kindern<br />

bleibt, falle das aber schwerer.<br />

Neben diesem erzieherischen<br />

Balanceakt stellt auch der Umgang<br />

mit den eigenen Ängsten Eltern vor<br />

Schwierigkeiten. «Bin ich ängstlich,<br />

überträgt sich das auf das Kind»,<br />

sagt die Mutter. Also versucht sie,<br />

nicht ängstlich zu sein.<br />

Wenn Alina in die Pubertät<br />

kommt, stellen sich neue Pro bleme.<br />

Sandra Bigi, die am Inselspital Bern<br />

viele betroffene Familien berät, >>><br />

«Bin ich ängstlich, überträgt<br />

sich das auf das Kind»,<br />

sagt die Mutter. Also versucht<br />

sie, nicht ängstlich zu sein.<br />

«MS wird häufig zu<br />

spät diagnostiziert»<br />

Im Schnitt sind minderjährige<br />

MS-Patienten 13 Jahre alt, wenn die<br />

Krankheit bei ihnen erkannt wird.<br />

Mädchen seien öfter betroffen als<br />

Jungen, sagt der Mediziner Pasquale<br />

Calabrese. Interview: Andres Eberhard<br />

Wie häufig tritt Multiple Sklerose bereits<br />

im Kindesalter auf?<br />

Die Diagnose wird in rund 10 Prozent der<br />

Fälle vor dem 20. Lebensjahr gestellt.<br />

Meistens befinden sich die Patienten in der<br />

Pubertät, im Schnitt sind sie etwa 13 Jahre<br />

alt. Ausserdem sind mehr Mädchen<br />

betroffen. Man geht davon aus, dass dieser<br />

Geschlechterüberhang genetisch mitbedingt<br />

ist, denn er zeigt sich auch bei erwachsenen<br />

MS-Patienten. Dort ist das Verhältnis<br />

beinahe zwei zu eins.<br />

Das ist nicht wenig. Trotzdem ist kaum<br />

bekannt, dass die Krankheit bereits bei<br />

Minderjährigen auftritt. Warum?<br />

MS kaschiert sich oft hinter alterstypischen<br />

Erscheinungen. Ein typisches Symptom wie<br />

eine Entzündung des Sehnervs kann bei<br />

Kindern auch ganz andere Ursachen haben<br />

– zum Beispiel eine Allergie. Auch Müdigkeit<br />

ist ein typisches Symptom für MS, bei<br />

heranwachsenden Jugendlichen aber ganz<br />

normal. Kommt hinzu, dass sich Kinder viel<br />

besser von Schüben erholen als Erwachsene.<br />

Auf den ersten Schub folgt oft eine lange<br />

behinderungsfreie Krankheitsphase. Aus<br />

diesen Gründen wird MS häufig zu spät<br />

diagnostiziert.<br />

Mit welchen Folgen?<br />

Allgemeine Prognosen lassen sich nicht<br />

anstellen. Sicher ist: Je früher therapiert<br />

wird, desto besser ist die Chance, dass es<br />

nicht oder erst viel später zu einer<br />

relevanten Behinderung kommt. Allgemein<br />

gilt, dass bei Kindern oft bis zu 20 Jahre<br />

64 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Alina schnitt<br />

bei IQ-Tests sehr<br />

gut ab, leidet<br />

aber oft unter<br />

Müdigkeit.<br />

vergehen, bis es zu bleibenden Beeinträchtigungen<br />

kommt, während dieser<br />

Zeitraum bei Erwachsenen nur etwa die<br />

Hälfte beträgt. Das gilt aber nicht für sogenannte<br />

Risikopatienten. Von solchen<br />

spricht man, wenn bereits in den ersten<br />

Krankheitsjahren Behinderungen sichtbar<br />

werden oder eine hohe Schub frequenz<br />

feststellbar ist.<br />

MS verläuft in Schüben. Wie erkennt man<br />

solche?<br />

Häufig sind Sehnerventzündungen.<br />

Sichtbare Symptome sind zudem Gleichgewichtsstörungen<br />

oder Lähmungserscheinungen<br />

an Armen und Beinen, was eine<br />

verminderte Gehfähigkeit zur Folge hat. Fast<br />

noch problematischer sind unsichtbare<br />

Symptome: Gedächtnis-, Konzentrationsoder<br />

Aufmerksamkeitsprobleme. Auch<br />

Depressivität oder Sprachstörungen<br />

gehören dazu.<br />

Welche Folgen haben diese kognitiven<br />

Störungen für schulpflichtige Kinder?<br />

Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten,<br />

den Schulstoff aufzunehmen oder abzuspeichern.<br />

Möglicherweise braucht das Kind also<br />

mehr Pausen oder einen Nachteilsausgleich<br />

bei Prüfungen. Für solche Anpassungen<br />

sowie für eine gezielte Förderung ist eine<br />

Allianz von Kindern, Eltern, den Neuropädiatern<br />

und den betroffenen Schulpädagogen<br />

nötig. Das passiert leider noch viel zu wenig.<br />

Kann es auch ein Nachteil sein, Freunde<br />

und Schule zu informieren?<br />

Stigmatisierung und Diskriminierung<br />

kommen vor. Jugendliche befinden sich in<br />

einer Phase, in der sie sich mit sich selbst<br />

und ihren Peers auseinandersetzen. Sie<br />

wollen dazugehören. Die Krankheit kann hier<br />

grosse Rückschläge zur Folge haben: im<br />

Sport, beim Disco-Besuch, beim Kennenlernen<br />

von Mädchen oder Jungs. Aus diesen<br />

Gründen empfehle ich eine altersadäquate<br />

psychologische Begleitung oder Beratung<br />

als Ergänzung zur medikamentösen<br />

Therapie.<br />

Welche Schwierigkeiten ergeben sich für<br />

betroffene Eltern?<br />

Für Eltern ist es eine Gratwanderung<br />

zwischen Unterforderung und Überforderung.<br />

Viele tun sich schwer damit, trotz der<br />

Erkrankung gewisse autoritäre Ansprüche<br />

geltend zu machen wie die Einhaltung von<br />

Zeiten oder Ordnung. Ist die Erschöpfung<br />

krankheitsbedingt oder ist das Kind zu faul?<br />

Um solche Fragen besser einschätzen zu<br />

können, ist eine Beratung auch für betroffene<br />

Eltern empfehlenswert.<br />

Zur Person<br />

Prof. Dr. Pasquale Calabrese leitet die<br />

Arbeitsgruppe Neuropsychologie und<br />

Verhaltensneurologie der Universität Basel.<br />

Er forscht zu MS bei Kindern und Jugendlichen,<br />

berät aber auch betroffene Familien. Er ist zudem<br />

als Berater für die Schweizerische Multiple<br />

Sklerose Gesellschaft tätig.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201865


Nützliche Links und Adressen:<br />

• Die Schweizerische MS-Gesellschaft bietet<br />

für Betroffene, Angehörige, Fachpersonen und<br />

Interessierte eine soziale, medizinische und<br />

­pflegerische Telefon- und Videoberatung an:<br />

MS-Infoline 0844 674 636;<br />

www.multiplesklerose.ch<br />

• Auf einer speziellen Kinderwebsite wird MS<br />

­kindgerecht erklärt: www.ms-kids.ch<br />

• Das Inselspital Bern treibt unter der Leitung<br />

von Oberärztin Dr. Sandra Bigi zusammen mit<br />

der MS-Gesellschaft die Thematisierung und<br />

Behandlung der pädiatrischen MS in der Schweiz<br />

voran. Eines der Ziele ist, Forschungsergebnisse<br />

zu pädiatrischer MS in anonymisierter Form<br />

in einem Schweizer MS-Register aufzunehmen,<br />

um wirksame Unterstützungs- und<br />

Begleit massnahmen anbieten zu können.<br />

www.kinderkliniken.insel.ch<br />

• Die Arbeitsgruppe Neuropsychologie und<br />

­Verhaltensneurologie der Universität Basel unter<br />

der Leitung von Professor Pasquale Calabrese<br />

forscht zu MS bei Kindern und Jugendlichen,<br />

berät aber auch betroffene Familien.<br />

npvn.mcn.unibas.ch<br />

Monika Baumann<br />

möchte ihrer<br />

Tochter eine<br />

normale Kindheit<br />

ermöglichen.<br />

Die Mutter macht sich Sorgen,<br />

dass sich Alinas Bruder<br />

vernachlässigt fühlen könnte.<br />

>>> sagt: «Vielen Jugendlichen<br />

fällt es schwer, in einer Zeit, in der<br />

sie alles andere im Kopf haben, die<br />

Krankheit zu akzeptieren, dass sie<br />

anders sind als ihre Peers.» Ausserdem<br />

würden die Jugendlichen die<br />

Krankheit oft als Rückschritt in<br />

einem Prozess der Ablösung von<br />

den Eltern erleben. Die Kinderneurologin<br />

empfiehlt den betroffenen<br />

Familien jeweils eine psychologische<br />

Begleitung. Zentral sei, dass<br />

die Jugendlichen von sich aus mitmachen,<br />

selber in die Verantwortung<br />

gezogen werden. «Die Aufgabe<br />

der Eltern ist es, sie darin zu be ­<br />

stärken.»<br />

So weit voraus denkt man bei<br />

Baumanns noch nicht. «Wir müssen<br />

es nehmen, wie es kommt», sagt Alinas<br />

Mutter. Wie für jede Mutter sei<br />

es ihr Ziel, dass die Kinder eine<br />

glückliche Kindheit erleben dürfen.<br />

Sorgen bereitet ihr derzeit, dass sich<br />

wegen der Krankheit das zweite<br />

gemeinsame Kind, der 9-jährige<br />

Marco, vernachlässigt fühlen könnte.<br />

Über solche Dinge würde sich<br />

Monika Baumann gerne mit anderen<br />

betroffenen Eltern austauschen.<br />

Dieser Wunsch ist wegen der geringen<br />

Anzahl an Betroffenen – weniger<br />

als 1 Prozent der MS-Diagnosen<br />

wird unter 10 Jahren gestellt – gar<br />

nicht so einfach zu erfüllen.<br />

«Ich wusste gar nicht, was MS ist»<br />

Tina Furer, eine junge Frau aus dem<br />

Kanton Solothurn, hatte ihren ersten<br />

Schub, als sie <strong>12</strong> Jahre alt war. Sie war<br />

66 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Tina weiss nie, wann<br />

der nächste Schub kommen<br />

wird – aber sie weiss,<br />

dass er kommen wird.<br />

damals in der sechsten Klasse und<br />

auf Abschlussreise in Bern. Mitschüler<br />

und Lehrer hätten ihr gesagt, dass<br />

sie schiele. «Selber habe ich das gar<br />

nicht gemerkt.» Der Kinderarzt diagnostizierte<br />

eine Sehnerventzündung,<br />

worauf Tina ins Spital überwiesen<br />

wurde, wo sie eine Woche<br />

blieb. Nach mehreren Untersuchungen,<br />

unter anderem einer Magnetresonanztomografie<br />

(MRI) und einer<br />

sogenannten Lumbalpunktion – der<br />

Entnahme von Nervenwasser aus<br />

der Wirbelsäule –, stand die Diagnose<br />

fest. Dass sie MS habe, habe<br />

sie damals nicht sonderlich bewegt,<br />

sagt Tina. «Ich wusste ja gar nicht,<br />

was MS ist. Ausserdem hatte ich keine<br />

Schmerzen.»<br />

Wie Alina erholte sich auch Tina<br />

Furer vom unmittelbaren Schub<br />

nach der Verabreichung von Kortison<br />

innerhalb weniger Monate. Das<br />

Medikament, das sie zur Therapie<br />

der MS spritzte, vertrug sie gut.<br />

Doch nach zwei Jahren brachte ein<br />

MRI «versteckte Schübe» zum Vorschein,<br />

die Tina gar nicht mitbekommen<br />

hatte. Seither erhält sie ein<br />

neues Medikament, mit dem sie<br />

keine Probleme hatte. Auch die<br />

Untersuchungen, die sie zweimal<br />

jährlich am Kopf und einmal jährlich<br />

am Rückenmark machen lässt,<br />

verliefen positiv.<br />

Heute ist Tina Furer 18 Jahre alt<br />

und lebt das Leben eines normalen<br />

Teenagers. Kognitive Einschränkungen<br />

hat sie keine. Im Gegenteil: Sie<br />

hat eben das Gymnasium abgeschlossen<br />

– mit der Bestnote 6 im<br />

Schwerpunktfach Mathematik. Seit<br />

sechs Jahren und dem ersten Schub<br />

hat sich die MS äusserlich nie mehr<br />

bemerkbar gemacht. An ihre Krankheit<br />

erinnert sie nur, dass sie alle vier<br />

Wochen ins Berner Inselspital fährt,<br />

wo ihr das Medikament zur Therapie<br />

intravenös verabreicht wird. «Im<br />

Alltag merke ich davon nichts», sagt<br />

Tina. Ihre Mutter ergänzt: «Wir<br />

gehen davon aus, dass das auch so<br />

bleibt.» Und der Vater hofft: «Vielleicht<br />

gibt es bald schon ein Medikament,<br />

das MS nicht nur stoppt,<br />

sondern auch heilt.»<br />

Tina weiss, dass der nächste<br />

Schub ganz bestimmt kommt. Aber<br />

sie kann nicht wissen, wann das ist<br />

und in welcher Form er auftritt. Nie­<br />

mand weiss, welches der 1000<br />

Gesichter die Krankheit bei ihr zeigen<br />

wird. Und wie MS das Leben,<br />

das Tina für sich im Kopf hat, beeinträchtigen<br />

wird.<br />

«Ich muss es so nehmen, wie es<br />

kommt», sagt Tina. «Ich habe gelernt,<br />

damit zu leben.» Bald beginnt sie ihr<br />

Mathe-Studium mit Nebenfach<br />

Informatik. Vielleicht gehe sie vorher<br />

noch reisen, sagt sie.<br />

>>><br />

* Namen der Redaktion bekannt.<br />

Andres Eberhard<br />

ist freischaffender Reporter und lebt mit<br />

seiner Familie in Zürich. Gelesen hatte er<br />

über MS schon viel. Doch erst durch diese<br />

Recherche wurde ihm klar, welche Ängste<br />

und welches Leid eine Diagnose auslösen<br />

kann – und dies lange bevor die ersten<br />

Beeinträchtigungen eintreten.<br />

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Ernährung & Gesundheit<br />

Mehr als nur<br />

ein bisschen Husten<br />

Der Schweizerische Impfplan empfiehlt ab dem zweiten Lebensmonat eine Impfung gegen<br />

Keuchhusten. Trotzdem erkranken hierzulande jedes Jahr rund 8700 Kinder und Erwachsene an<br />

der Atemwegserkrankung – zum Teil mit schwerem Verlauf. Text: Claudia Füssler<br />

Trockener Reizhusten,<br />

Schnupfen, leichtes Fieber<br />

– die ersten Keuchhustensymptome<br />

erinnern<br />

an eine Erkältung.<br />

Die Kinder werden ins Bett gepackt,<br />

mit Tee, Nastüchern und einer guten<br />

Geschichte versorgt. Erwachsene<br />

ignorieren die Krankheitsanzeichen<br />

meist und schleppen sich angeschlagen<br />

ins Büro. Bis die Symptome –<br />

bei Klein und Gross – schlimmer<br />

und die Hustenattacken so heftig<br />

werden, dass man sich erbricht.<br />

Bestenfalls ist das einfach un ­<br />

angenehm. Doch für Säuglinge und<br />

Menschen mit einem schwachen<br />

Immunsystem oder einer schweren<br />

Grunderkrankung kann Keuchhusten<br />

schnell lebensgefährlich werden:<br />

Sie leiden unter Atemaussetzern,<br />

und die Lunge kann sich entzünden<br />

oder dauerhaft geschädigt werden.<br />

«Die Erkrankungszeichen sind<br />

anfangs häufig noch untypisch, das<br />

heisst, sie können der Krankheit<br />

Keuchhusten nicht eindeutig zugeordnet<br />

werden, sodass die Diagnose<br />

zu dem Zeitpunkt oft nicht gestellt<br />

wird. Gleichzeitig sind die Erkrankten<br />

genau dann schon hochinfektiös»,<br />

sagt Cornelia Feiterna-Sperling<br />

von der Klinik für Pädiatrie mit<br />

Schwerpunkt Pneumologie und<br />

Immunologie an der Charité Universitätsmedizin<br />

Berlin.<br />

So werden Kranke, die den<br />

Keuchhusten selbst gut wegstecken<br />

und ihn als hartnäckige Erkältung<br />

Bild: zVg<br />

68 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


oder Bronchitis fehldeuten, zur Ge ­<br />

fahr für andere. Denn Betroffene<br />

sind mindestens drei Wochen lang<br />

ansteckend und infizieren in dieser<br />

Zeit durchschnittlich 17 weitere Personen.<br />

Hinzu kommt, dass Keuchhusten<br />

häufig atypisch verläuft, die<br />

bekannten Stadien (siehe Infobox<br />

Seite 70) also überhaupt nicht in dieser<br />

Form auftreten.<br />

So macht sich das zweite Stadium<br />

bei Säuglingen unter sechs Monaten<br />

meist nicht mit den charakteristischen<br />

Hustenanfällen, sondern mit<br />

Atemstillständen bemerkbar. «Säuglinge<br />

im ersten Lebensjahr haben<br />

zudem ein erhöhtes Risiko für<br />

schwerwiegende Komplikationen<br />

wie Apnoen, Lungenentzündungen<br />

oder Krampfanfälle», sagt Feiterna-<br />

Sperling. Jugendliche und Erwachsene<br />

werden oft nicht mit Keuchhusten<br />

diagnostiziert, weil sie als einziges<br />

Symptom einen trockenen Husten<br />

haben. Das Problem: In ihrem Blut<br />

ist der Erreger dennoch nachweisbar,<br />

sie können also andere anstecken.<br />

Die Behandlung ist langwierig<br />

Keuchhusten ist weltweit eine der<br />

häufigsten Infektionserkrankungen<br />

der Atemwege. Die Betroffenen husten<br />

über mehrere Wochen oder<br />

sogar Monate. Der Volksmund<br />

nennt die Erkrankung daher auch<br />

den 100-Tage-Husten. Der Erreger<br />

des Keuchhustens heisst Bordetella<br />

pertussis. Dieses Stäbchenbakterium<br />

produziert Giftstoffe, welche die<br />

Schleimhäute der Atemwege schädigen.<br />

Das wiederum verursacht die<br />

Symptome. Zugleich fühlt sich Bordetella<br />

pertussis in diesen Schleimhäuten<br />

sehr wohl und vermehrt sich<br />

dort.<br />

Der Erreger Bordetella parapertussis<br />

kann ebenfalls Keuchhusten<br />

verursachen. Allerdings er kranken<br />

weniger als 20 Prozent der von diesem<br />

Bakterium befallenen Menschen<br />

an Keuchhusten, der Grossteil<br />

bekommt eine einfache akute Bronchitis<br />

oder merkt überhaupt nichts<br />

von der Infektion.<br />

Der Keuchhusten, sagt Ulrich Heininger,<br />

sei auf vielen Ebenen kompliziert.<br />

Der Professor ist Leitender<br />

Arzt in der Pädiatrischen Infektiologie<br />

und Vakzinologie des Universitäts-Kinderspitals<br />

beider Basel und<br />

hat sich zu Pertussis – so der medizinische<br />

Name für Keuchhusten –<br />

habilitiert. «Die Krankheit ist sehr<br />

langwierig. Die Symptome ähneln<br />

anfangs denjenigen einer Erkältung,<br />

die Diagnostik ist deshalb schwierig.<br />

Und eine Therapie muss so früh wie<br />

möglich begonnen werden – dann,<br />

wenn man eigentlich noch gar keinen<br />

Verdacht hat, dass es Keuchhusten<br />

sein könnte», sagt Heininger.<br />

Immerhin: Es gibt Impfstoffe, die<br />

wirksam und gut verträglich sind.<br />

Diese sogenannten azellulären<br />

Keuchhustenimpfstoffe erreichen<br />

einen Wirkungsgrad von 85 Prozent.<br />

Das heisst, von sechs Geimpften<br />

bleibt einer ungeschützt. Um<br />

einen Erreger, der nur bei Menschen<br />

vorkommt, vollständig auszurotten,<br />

wären ein Wirkungsgrad des Impfstoffes<br />

von 95 Prozent und gleichzeitig<br />

eine Durchimpfungsrate von<br />

95 Prozent nötig.<br />

Die Wissenschaft hat bereits in<br />

den 1940er-Jahren einen Impfstoff<br />

gegen Keuchhusten entwickelt, der<br />

einen höheren Wirkungsgrad hat als<br />

die heutigen Varianten. Doch dieser<br />

sogenannte Ganzkörperimpfstoff<br />

war deutlich schlechter verträglich:<br />

Viele Kinder bekamen nach der<br />

Impfung Fieber, Schwellungen und<br />

Schmerzen, in den 1990er-Jahren<br />

kam sogar der Verdacht auf, die<br />

Pertussis-Impfung sei Ursache für<br />

schwere Hirnschäden oder Todesfälle<br />

bei kleinen Kindern.<br />

Der Erreger zirkuliert weiter<br />

«Das wurde intensiv untersucht.<br />

Heute weiss man, dass dem nicht so<br />

ist, doch das alles war Anlass genug,<br />

um neue Impfstoffe zu entwickeln»,<br />

sagt Heininger. Heute werden Kinder<br />

– und in vielen Ländern auch<br />

Erwachsene – mit Ausnahme von<br />

Polen in ganz Europa mit den >>><br />

Keuchhustenkeime können<br />

in der Luft bis zu einem<br />

Meter zurücklegen.<br />

Wie stecke ich mich an?<br />

Der Keuchhustenerreger wird per Tröpfcheninfektion<br />

von Mensch zu Mensch übertragen. Die Bakterien<br />

gelangen von einem Erkrankten über winzige Tropfen<br />

aus Nase oder Rachen zu einem Gesunden – beim<br />

Sprechen, Husten oder Niessen. Bis zu einem Meter<br />

können die Keime dabei in der Luft zurücklegen.<br />

Keuchhusten ist hoch ansteckend, fast jeder Kontakt<br />

zwischen einem erkrankten und einem gesunden<br />

Menschen führt zur Ansteckung. Ist der Gesunde durch<br />

Impfung geschützt, kann er vermutlich dennoch die<br />

Bakterien an andere weitergeben und diese infizieren –<br />

die genauen Wege erforscht die Wissenschaft noch.<br />

Was muss ich bei einer Erkrankung<br />

beachten?<br />

Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Kind an Keuchhusten<br />

leidet, informieren Sie vor einem Arztbesuch unbedingt<br />

die Praxis, so dass andere Patienten vor einer<br />

Ansteckung geschützt werden können. Gegebenenfalls<br />

verschreibt der Arzt ein Antibiotikum. Das kann die<br />

Hustenattacken aber nur dann mildern, wenn es früh<br />

genommen wird. Ansonsten können Sie nur versuchen,<br />

Ihrem Kind das Durchstehen des Keuchhustens ein<br />

wenig zu erleichtern. Wichtig ist etwa, dass es während<br />

eines Hustenanfalls aufrecht sitzt und den Kopf leicht<br />

nach vorne beugt. Viel trinken hilft, den trockenen<br />

Husten etwas zu lindern. Verteilen Sie das Essen am<br />

besten auf viele kleine Mahlzeiten und Snacks, der<br />

ständige Würgereiz und das Erbrechen machen die<br />

Nahrungsaufnahme in dieser Zeit schwierig. Ihr Kind<br />

sollte frühestens drei Wochen nach Beginn des Hustens<br />

wieder in die Schule oder den Kindergarten gehen, um<br />

Ansteckungen zu vermeiden. Der beste Schutz vor<br />

einer Ansteckung ist eine Impfung.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201869


Ernährung & Gesundheit<br />

Die Krankheitsstadien<br />

Keuchhusten ist eine langwierige<br />

Erkrankung, die in der Regel drei<br />

Stadien durchläuft: Stadium<br />

catarrhale, Stadium convulsivum<br />

und Stadium decrementi. Das<br />

Tückische an der Erkrankung ist,<br />

dass es sowohl im Säuglings- und<br />

Kindesalter als auch bei<br />

Jugendlichen und Erwachsenen<br />

häufig atypische Verläufe gibt.<br />

1 Stadium catarrhale<br />

Etwa sieben bis vierzehn Tage<br />

nach der Infektion bekommt der<br />

Erkrankte für ein bis zwei Wochen<br />

grippeähnliche Symptome:<br />

leichtes Fieber, Schnupfen, einen<br />

trockenen Reizhusten. Jetzt ist<br />

der Patient am ansteckendsten.<br />

2 Stadium convulsivum<br />

Zwei bis sechs Wochen lang<br />

treten die charakteristischen<br />

krampfartigen Hustenanfälle auf,<br />

an deren Ende der Betroffene<br />

meist laut keuchend einatmet.<br />

Er würgt Schleim hoch oder<br />

erbricht sich. Die Hustenattacken<br />

sind häufig und werden vor allem<br />

nachts oder bei körperlicher<br />

Anstrengung schlimmer.<br />

3 Stadium decrementi<br />

In dieser mindestens drei bis<br />

sechs Wochen dauernden Phase<br />

werden die Hustenattacken nach<br />

und nach weniger häufig und<br />

schliesslich auch weniger schwer.<br />

Bekommt der Patient keine<br />

Antibiotika, kann sich das dritte<br />

Stadium auch sechs bis zehn<br />

Wochen hinziehen.<br />

>>> azellulären Impfstoffen immunisiert,<br />

die Mediziner haben damit<br />

eine bessere Verträglichkeit gegen<br />

eine etwas schlechtere Wirksamkeit<br />

eingetauscht.<br />

Das hat zur Folge, dass der Erreger<br />

weiter in der Bevölkerung zirkuliert<br />

und es mal hier, mal dort zu<br />

Ausbrüchen kommt. In den Jahren<br />

1994/95 trat laut Bundesamt für<br />

Gesundheit in der Schweiz eine Epidemie<br />

mit insgesamt etwa 46 000<br />

Erkrankten auf. Danach sei eine stetige<br />

Abnahme der Anzahl von Fällen<br />

zu verzeichnen gewesen, seit 2010<br />

sei aber wieder ein steigender Trend<br />

zu beobachten.<br />

Im Zeitraum von 2010 bis 2014<br />

wurden jährlich durchschnittlich<br />

8700 Fälle gemeldet. Der Anteil an<br />

Jugendlichen und Erwachsenen<br />

unter den Patienten stieg in den vergangenen<br />

Jahren tendenziell an.<br />

Aktuell werden in der Schweiz jedes<br />

Jahr rund 30 Kinder aufgrund einer<br />

Vor allem wegen der<br />

Impfmüdigkeit bei Erwachsenen<br />

steigt die Zahl der<br />

Krankheitsfälle wieder an.<br />

Keuchhustenerkrankung hospitalisiert,<br />

davon am häufigsten Säuglinge.<br />

In den letzten 15 Jahren wurden<br />

vier keuchhustenbedingte Todesfälle<br />

gemeldet. «Das ist kein nationaler<br />

Notstand, doch das Tückische am<br />

Keuchhusten ist eben, dass es jederzeit<br />

zu einem grösseren Ausbruch<br />

kommen kann und dann plötzlich<br />

in einem Jahr 15 Säuglinge daran<br />

sterben», sagt Heininger.<br />

Keine reine Kinderkrankheit mehr<br />

In den letzten fünfzig Jahren hat sich<br />

viel getan: Die Zahl der Krankheitsfälle<br />

ist erheblich zurückgegangen.<br />

Dass sie jetzt dennoch wieder steigt,<br />

vor allem bei Jugendlichen und Er ­<br />

wachsenen, ist der Impfmüdigkeit<br />

zuzuschreiben. Während rund 95<br />

Prozent der Säuglinge geimpft sind,<br />

schätzen Experten, dass die Auffrischungsquote<br />

bei Erwachsenen bei<br />

weniger als acht Prozent liegt. Die<br />

klassische Kinderkrankheit ist also<br />

zu einer Erkrankung geworden, an<br />

der jetzt auch – meist unwissend –<br />

viele Erwachsene leiden. Sicher, für<br />

sie und für ältere Kinder ist ein<br />

Keuchhusten meist nur lästig. Dennoch<br />

können auch hier schwerere<br />

Symptome wie Gewichtsverlust,<br />

Atempausen, Erbrechen auftreten.<br />

Der starke Husten kann zudem<br />

Schlafstörungen, Inkontinenz, Einblutungen<br />

in die Augen oder sogar<br />

Rippen-, Leisten- oder Nabelbrüche<br />

verursachen. Als häufige Komplikationen<br />

sind Krampfanfälle sowie<br />

Lungen- und Mittelohrentzündungen<br />

be kannt.<br />

Nicht auf die leichte Schulter<br />

nehmen<br />

Keuchhusten ist also nichts, was man<br />

unter «ein bisschen Husten» auf die<br />

leichte Schulter nehmen sollte. Das<br />

grösste Risiko besteht jedoch darin,<br />

dass Nichtgeimpfte den Erreger weitergeben<br />

an Menschen, für die der<br />

Keuchhusten lebensgefährlich werden<br />

kann.<br />

Da Neugeborene erst nach dem<br />

vollendeten zweiten Lebensmonat<br />

geimpft werden können, ist es umso<br />

wichtiger, dass sich Kontaktpersonen<br />

gegen Keuchhusten schützen:<br />

Das sind neben Eltern und Ge ­<br />

schwistern auch Oma und Opa, Tan­<br />

70 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


ten, Onkel oder Erzieher der älteren<br />

Geschwister.<br />

Eine Auffrischung der Keuchhustenimpfung<br />

ist wichtig, weil der<br />

Impfschutz im Laufe der Jahre nachlässt.<br />

«Weder eine durchgemachte<br />

Erkrankung noch eine Impfung<br />

gegen Keuchhusten bietet einen<br />

langfristigen Schutz vor einer Er ­<br />

krankung oder einer erneuten Infektion<br />

und Erkrankung», sagt Cornelia<br />

Feiterna-Sperling.<br />

Wie lange eine Impfung wirkt,<br />

darüber streiten die Mediziner. Als<br />

Pi-mal-Daumen-Regel gelten derzeit<br />

rund zehn Jahre. Allerdings verschwindet<br />

so ein Impfschutz nicht<br />

einfach über Nacht. Es ist davon<br />

auszugehen, dass er über die Jahre<br />

sukzessive weniger und der Geimpfte<br />

anfälliger für den Erreger wird.<br />

Als Grundimmunisierung empfiehlt<br />

der Schweizerische Impfplan insgesamt<br />

sechs Impfdosen: Im Alter von<br />

2, 4, 6 sowie zwischen 15 und 24<br />

Monaten, dann zwischen 4 und 7<br />

sowie zwischen 11 und 15 Jahren.<br />

Erwachsenen wird zudem eine einmalige<br />

Keuchhustenimpfung im<br />

Alter von 25 bis 29 Jahren empfohlen,<br />

doch Experten gehen davon aus,<br />

dass das zu wenig ist, um einen lang<br />

anhaltenden Schutz zu erreichen.<br />

Eine Möglichkeit, den Erreger<br />

weiter einzudämmen, wäre ein neuer<br />

Impfstoff mit einem höheren Wirkungsgrad.<br />

Die Wissenschaft versucht<br />

derzeit, den immunologischen<br />

Marker für Keuchhusten zu finden<br />

und dort mit der Entwicklung eines<br />

neuen Impfstoffes anzusetzen. Doch<br />

auch der kann nur funktionieren,<br />

wenn man sich impfen lässt.<br />

>>><br />

Erwachsenen wird eine<br />

einmalige Impfung empfohlen.<br />

Experten gehen davon aus,<br />

dass das zu wenig ist.<br />

Claudia Füssler<br />

ist gegen Keuchhusten geimpft. Den<br />

klassischen Erkältungshusten zwingt sie<br />

nach Omas Rezept nieder: mehrmals täglich<br />

zwei Esslöffel selbst gemachten Zwiebelsaft.<br />

Mein Leben, mein Lachen.<br />

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Digital<br />

Wenn Mama bloggt<br />

Über seine Kinder im Internet zu schreiben, liegt im Trend. Ein Grund: An einem Blog kann Mama<br />

von zu Hause aus arbeiten. Aber Blogs zu Geld machen ist ein hartes Geschäft.<br />

Text: Bianca Fritz Bilder: zVg, Bianca Fritz<br />

Während Ellen<br />

Girod ihre<br />

Tochter stillt,<br />

tippt sie auf<br />

ihrem Handy<br />

Textentwürfe. Nachts sitzt sie dann<br />

an ihrem Laptop, überträgt Texte in<br />

ihren Blog, bastelt an Fotos und am<br />

Webdesign und tüftelt an Strategien,<br />

mit denen ihr Blog «Chez Mama<br />

Poule» bekannter werden und Geld<br />

einbringen könnte. Die 33-Jährige<br />

hat einen Traum: «In zwei Jahren<br />

möchte ich vom Bloggen leben können»,<br />

sagt die freie Journalistin und<br />

Mutter. Ein Traum, den viele Mamablogger<br />

und sicher auch einige der<br />

wenigen Papablogger teilen. Denn<br />

Bloggen verspricht Freiheit: «Beim<br />

Bloggen kann ich orts- und zeitunabhängig<br />

arbeiten – und immer<br />

dann für meine Kinder da sein,<br />

wenn sie mich brauchen», erklärt<br />

Ellen Girod.<br />

Ein ähnliches Ziel verfolgt auch<br />

Reisefan und Dreifachmama Andrea<br />

Jansen. Die Journalistin und ehemalige<br />

TV-Moderatorin ist 2016 mit<br />

ihrem Blog gestartet und hatte schon<br />

am ersten Tag 1000 Besucherinnen<br />

72 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«In zwei Jahren<br />

möchte ich vom<br />

Bloggen leben<br />

können», sagt<br />

die Mutter und<br />

freie Journalistin<br />

Ellen Girod.<br />

und Besucher. «Wenn man öffentlich<br />

bekannt ist, kann man sich nicht<br />

einfach mal ausprobieren – da muss<br />

jeder Text sitzen – von Anfang an»,<br />

sagt sie. Mit ihrem Blog anyworkingmom<br />

ist sie ein Shootingstar in<br />

der Schweizer Elternblogger-Szene.<br />

Schon nach einem Jahr hat sie rund<br />

30 000 Leserinnen und Leser pro<br />

Monat und mit Anja Knabenhans<br />

eine Partnerin mit an Bord.<br />

Anyworkingmom entstand auch<br />

nie neben dem Wickeltisch. Andrea<br />

Jansen geht zum Schreiben ins Büro<br />

– in ihrem Fall in einen hippen Co-<br />

Working-Space in Zürich. Bloggen<br />

passiert in ihrer offiziellen Arbeitszeit<br />

von etwa 60 Prozent. Der Blog<br />

ist, neben Beratungstätigkeiten,<br />

Vorträgen und journalistischen<br />

Artikeln, zu einem beruflichen Projekt<br />

geworden – und das war auch<br />

von Anfang an so geplant. Nach<br />

einigen Werbekooperationen wollen<br />

die beiden Frauen im nächsten Jahr<br />

auf langfristige Partner setzen und<br />

versuchen, mit innovativen Ideen<br />

den Blog zu finanzieren. So zum<br />

Beispiel mit einem eigenen Produkt:<br />

lustigen Karten für Mütter, die dem<br />

Mutterberuf mit einem Augenzwinkern<br />

huldigen.<br />

gibt es nicht, und sie sind schwierig<br />

zu erheben: Viele Schweizer Blogs<br />

fischen auch in Deutschland nach<br />

Leserinnen und umgekehrt. Über<br />

2000 deutschsprachige Familienblogs<br />

sind in einer Datenbank der<br />

Frauenzeitschrift Brigitte verzeichnet.<br />

In der Schweiz zeigt sich das<br />

wachsende Interesse auch an der<br />

Teilnehmerzahl der speziell für<br />

Familienblogger ins Leben gerufenen<br />

Konferenz Swiss Blog Family:<br />

Kamen 2016 bei der ersten Durchführung<br />

noch knapp 50 Mütter<br />

(Männer gab es keine) zusammen,<br />

um sich über Bildrechte, Privatsphäre<br />

und Vermarktung auszutauschen,<br />

haben die Veranstalter diesmal 100<br />

Plätze locker besetzt.<br />

Obwohl die Familie bei den Bloggern<br />

im Zentrum ihres Schaffens<br />

steht, krabbelt nur ein einziges<br />

Kleinkind durch den grossen Seminarraum<br />

eines Kongresshotels in<br />

Basel – alle anderen haben ihre Kinder<br />

zu Hause gelassen. Die Sponsoren<br />

mit Buntstiften und Malbüchern<br />

warten vergeblich auf gelangweilte<br />

Kinder. Unter den Frauen (und vereinzelten<br />

Männern) herrscht die<br />

fröhliche Stimmung eines grossen<br />

Klassentreffens. Man kennt und liest<br />

ja viel Persönliches voneinander.<br />

Eines wird auf der Konferenz<br />

schnell klar: Wer mit seinem Blog<br />

Geld verdienen oder gar sein Einkommen<br />

bestreiten möchte, muss zu<br />

einem kleinen Medienunternehmen<br />

werden. Mamabloggerinnen müssen<br />

sich mit Webdesign, Suchmaschinenoptimierung<br />

und Social-Media-<br />

Marketing ebenso auskennen wie<br />

mit der Frage, wie man Mediakits<br />

mit relevanten Informationen für<br />

Werbepartner erstellt und mit<br />

potenziellen Geldgebern verhandelt.<br />

Die Kugelschreiber sausen nur so<br />

über das Papier, als Svenja Walter<br />

von meinesvenja.de, einem der er -<br />

folgreichsten deutschen Familienblogs,<br />

über ihre Strategien spricht.<br />

«Ich schreibe schon lange nicht<br />

mehr, worauf ich gerade Lust habe»,<br />

stellt sie klar. «Und wenn ihr eine<br />

grosse Reichweite erzielen wollt,<br />

könnt ihr das auch nicht mehr.» Die<br />

Geschäftsfrau legt ihren beeindruckenden<br />

Verdienst offen und betont<br />

gleichzeitig: «Ja, ich kann mittags für<br />

meine Kinder kochen – aber >>><br />

Mütter ohne Kinder an der<br />

Elternbloggerkonferenz<br />

Elternblogs liegen im Trend – in den<br />

USA und in Deutschland schon lange,<br />

aber auch in der Schweiz werden<br />

es immer mehr. Offizielle Zahlen<br />

«Ich schreibe schon lange nicht mehr,<br />

worauf ich gerade Lust habe», sagt<br />

Svenja Walter, eine der erfolgreichsten<br />

deutschen Familienbloggerinnen.<br />

Praktische Ausbildung<br />

Kleinkinderbetreuung<br />

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch


Digital<br />

Andrea Jansen<br />

hat auf ihrem<br />

Blog<br />

anyworkingmom<br />

bereits nach<br />

einem Jahr<br />

30 000 Leserinnen<br />

pro Monat.<br />

>>> ich arbeite schon seit Jahren und wundert sich. Sie gehört zu den<br />

an sieben Tagen pro Woche.»<br />

Nach dem energiegeladenen Auftritt<br />

von Svenja gibt es spannende<br />

Diskussionen im Foyer. «Ich weiss<br />

nicht, ob ich so strategisch werden<br />

will», sagt eine Mama. «Vielleicht<br />

sollte ich doch endlich mal wieder<br />

mein Layout überarbeiten, wenn ich<br />

sehe, wie professionell die anderen<br />

Seiten wirken», meint eine andere.<br />

Mittendrin steht Karin alias «Frau<br />

Brüllen» von bruellen.blogspot.de<br />

Bloggerinnen, die einfach täglich<br />

ihre Erlebnisse festhalten und teilen<br />

wollen, ohne dafür Geld zu kassieren.<br />

Dass immer mehr Bloggerinnen<br />

das Schreiben zum Beruf machen<br />

möchten, sieht Karin kritisch: «Zum<br />

einen werden sich die Blogs doch<br />

immer ähnlicher, wenn alle strategisch<br />

denken. Zum anderen wird die<br />

Bloglandschaft langweilig und glattgebügelt,<br />

wenn sich immer mehr<br />

Bloggerinnen selbst zensieren und<br />

sich nicht mehr trauen, eine vielleicht<br />

nicht mehrheitsfähige Meinung<br />

zu äussern, um keine Werbekunden<br />

oder Leser zu verschrecken.<br />

Ausserdem kommen viele dieser<br />

Frauen nicht mehr ins ‹richtige›<br />

Berufsleben zurück – und das finde<br />

ich einfach schade.»<br />

Enttäuschte Leserinnen<br />

Was sie anspricht, wird im englischsprachigen<br />

Raum bereits lange diskutiert.<br />

2016 untersuchte die Concordia-Universität<br />

im kanadischen<br />

Montreal den Blog «Get off my internets<br />

(GOMI)», wo Internetnutzer<br />

öffentlich über das Internet jammern,<br />

und stellte fest: Dort wimmelt<br />

es von ehemaligen Mamablog-Leserinnen,<br />

die sich bitter enttäuscht von<br />

ihren geliebten Blogs abwenden.<br />

Weil diese zu Werbeplattformen verkommen<br />

seien, es viele gesponserte<br />

Werbe-Inhalte gebe und der Rest zu<br />

einer viel zu sauberen Welt mit rosa<br />

Zuckerguss verkommen sei.<br />

Noch 2005 hatten sich Mama-<br />

Bloggerinnen weltweit dem Credo<br />

der New Yorker Bloggerin Alice<br />

Breadley angeschlossen, die schrieb,<br />

dass das Verbloggen des Privatlebens<br />

ein «radikaler Akt» sei. Weil<br />

die Frauen hier das Mamasein genau<br />

so darstellen könnten, wie sie es täglich<br />

erleben. Mamablogs seien eine<br />

wichtige Ergänzung zu den von<br />

Männern dominierten Medien, wo<br />

Mütter nur als perfekte Werbeschablonen<br />

oder als zickige Problemwesen<br />

inszeniert würden. Genau<br />

diese «feministische Seite» des Bloggens<br />

gehe verloren, wenn die Mütter<br />

vor allem darauf aus seien, Geld zu<br />

machen, zu diesem Schluss kam<br />

auch die Studie aus Montreal.<br />

Die Schweizer Bloggerinnen und<br />

Blogger scheinen sich zu einem<br />

gros sen Teil noch nicht sicher zu<br />

sein, in welche Richtung sie gehen<br />

wollen. Auf die Frage, wer mit seinem<br />

Blog Geld verdienen wolle oder<br />

sich als Influencerin sehe, also als<br />

jemand, der Kaufentscheidungen<br />

beeinflusst, heben bei der Swiss Blog<br />

Family nur wenige die Hände. Aber<br />

die Workshops am Nachmittag, bei<br />

denen es um Monetisierung geht,<br />

sind besonders gut besucht.<br />

Noch ist die Bloglandschaft in der<br />

Schweiz vielfältig: Einige Blogs sind<br />

tagebuchartige Erlebniserzählungen,<br />

andere beschäftigen sich mit<br />

bestimmten Erziehungsansätzen wie<br />

dem Attachment Parenting und der<br />

Umsetzung im Alltag oder stellen<br />

Themen wie Ernährung oder Basteln<br />

in den Mittelpunkt. Und manche<br />

wollen auch gesellschaftlich<br />

etwas bewirken. So betont Andrea<br />

Jansen, dass ihr primäres Ziel nicht<br />

das Geldverdienen sei, sondern Themen<br />

anzusprechen, über die zu<br />

wenig geredet wird.<br />

Eines der Hauptthemen auf anyworkingmom<br />

ist die Vereinbarkeit.<br />

«Vor allem, aber nicht nur von Beruf<br />

und Familie, sondern auch die Vereinbarkeit<br />

der neuen Situation mit<br />

dem Ich», sagt Andrea Jansen. Sie<br />

will damit nicht nur andere Mütter<br />

erreichen, die mit ähnlichen Themen<br />

zu kämpfen haben, sondern vor<br />

allem junge Frauen, die sich überlegen,<br />

ob sie ein Kind bekommen sollen.<br />

«Ich höre noch immer viel zu oft<br />

den Satz: ‹Ich habe nicht gewusst,<br />

was mit einem Kind auf mich<br />

zukommt.› Das muss sich ändern.»<br />

Wie privat ist zu privat?<br />

Allen Elternblogs gemeinsam ist die<br />

Suche nach dem richtigen Umgang<br />

mit der Privatsphäre – besonders mit<br />

jener der Kinder. Frau Brüllens Kin-<br />

74 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


der sind alt genug, dass sie Artikel,<br />

in denen es um sie geht, gegenlesen<br />

können – was ihnen nicht gefällt,<br />

wird auch nicht veröffentlicht. Die<br />

Kinder von Andrea Jansen und Ellen<br />

Girod aber sind noch zu klein, um<br />

ihre eigene Meinung zu äussern oder<br />

um mögliche Folgen der Texte abzuschätzen.<br />

Also müssen das ihre Mütter<br />

übernehmen.<br />

Andrea Jansen wählt bewusst<br />

einzelne Bilder ihrer Kinder zur Veröffentlichung<br />

aus und versieht sie<br />

mit einem Wasserzeichen. «Da ich<br />

prominent bin, kann man sowieso<br />

herausfinden, wie meine Kinder<br />

aussehen, wenn man es denn unbedingt<br />

will. Ich finde auch, dass Kinder<br />

im öffentlichen Raum stattfinden<br />

müssen. Aber ich überlege mir<br />

jedes Bild sehr genau», erklärt sie.<br />

Ellen Girod nimmt ihre Kinder<br />

nie frontal auf. Ausserdem überlegt<br />

sie sich bei jedem Text vor der Veröffentlichung:<br />

«Könnte er meinen<br />

Töchtern einmal schaden, im un -<br />

wahrscheinlichen Fall, dass eine von<br />

ihnen Bundesrätin wird?» Andrea<br />

Jansen umgeht diese Frage so gut als<br />

möglich, indem sie über sich und<br />

ihre Gefühle als Mutter schreibt –<br />

peinliche Erlebnisse ihrer Kinder<br />

bleiben draussen. «Man muss die<br />

Hosen runterlassen, damit es ein<br />

guter Text wird», sagt sie. «Aber<br />

doch bitte die eigenen und nicht die<br />

der Kinder.» Blogliste finden Sie eine<br />

Sammlung von Schweizer Mamaund<br />

Papa bloggern, sortiert nach<br />

thematischen Schwerpunkten. Wenn<br />

Sie einen Blog vermissen, schicken<br />

Sie uns bitte den Link an<br />

online@fritzundfraenzi.ch.<br />

Bloggen macht glücklich<br />

Laut einer Studie der Pennsylvania State<br />

University aus dem Jahr 2011 wirkt sich das<br />

Bloggen positiv auf das Wohlbefinden von<br />

Müttern aus. Die Onlinekontakte und der<br />

Austausch über die Unsicherheiten in der<br />

Mutterrolle helfen den 157 befragten<br />

Neu-Müttern, sich eingebunden und sozial<br />

stabil zu fühlen. Nur auf den sozialen<br />

Medien unterwegs zu sein, habe diesen<br />

positiven Effekt nicht – hier erhalten die<br />

Frauen offenbar nicht dieselbe<br />

Unterstützung wie beim Mamabloggen.<br />

Bianca Fritz<br />

leitet die Online-Redaktion von Fritz und<br />

Fränzi. Sie findet, dass Blogs eine wichtige,<br />

weil wunderbar subjektive Ergänzung zu den<br />

klassichen Medien sind.<br />

Jetzt<br />

gewinnen!<br />

Mehr unter: faber-castell.ch<br />

Dezember-Verlosung<br />

Fritz+Fränzi verlost …<br />

edle Schreibsets* für Kinder und Erwachsene<br />

im Wert von Fr. 1000.–<br />

Faber-Castell gehört weltweit zu den<br />

Pionieren für hochwertige Produkte zum<br />

Schreiben, Malen und Gestalten. Die<br />

Bleistifte und Farbstifte von Faber-<br />

Castell sind so bekannt, dass sie in fast<br />

jedem Schüleretui zur Standardausrüstung<br />

gehören. Die Oberfläche<br />

der Farb- und Malstifte ist besonders<br />

schreibfreundlich und lässt jedes<br />

Kinderherz höherschlagen, gelten doch<br />

die Minen der Stifte als beinahe un -<br />

Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung<br />

Teilnahmeschluss: 31. Dezember <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF FABER an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />

zerbrechlich und deshalb lange haltbar.<br />

Aber auch Erwachsene erfreuen sich an<br />

den hochwertigen Schreibwaren aus<br />

ausgewählten Materialien – sei es für<br />

sich selbst oder zum Schenken.<br />

* 7 Malsets für Kinder<br />

1 × Filzstifte-Box im praktischen Köfferchen<br />

1 × Metalletui mit 48 Farbstiften<br />

1 × 1 Spitzer in Rot oder Blau<br />

* 3 Schreibsets für Erwachsene<br />

1 Ambition Füllhalter Edelharz Rhombus, M<br />

1 Ambition Kugelschreiber Edelharz Rhombus<br />

Beide Sets können auf Wunsch individuell graviert werden


Digital & Medial<br />

Fernsehserien Ihrer<br />

Kindheit<br />

Wer die Serienhelden seiner Kindheit an einem<br />

lustigen Familienfernsehabend noch einmal<br />

aufleben lässt, hat viel Spass – und einen guten<br />

Anlass, über Medienregeln von damals und<br />

heute zu diskutieren. Text: Michael In Albon<br />

Bild: PeopleImages<br />

Sind Sie ein Kind der 1970er<br />

oder 1980er? Dann erinnern<br />

Sie sich gewiss an die<br />

damaligen Fernsehserien.<br />

Und wenn Ihnen die Ge ­<br />

schichten nicht mehr in Erinnerung<br />

sind: Die Bilder und Melodien<br />

erkennen Sie sicher wieder. Schauen<br />

Sie mit Ihren Kindern Ausschnitte<br />

daraus an, das ist eine gute Gelegenheit,<br />

sich mit ihnen auszutauschen<br />

über Lieblingsfilme, -figuren, -melodien.<br />

Darüber, wie Figuren wahrgenommen<br />

wurden und werden. Darüber,<br />

welche Medienregeln bei Ihnen<br />

früher galten, an welche Sie sich gern<br />

und leicht hielten und an welche<br />

nicht. Auch das ist Medienbildung.<br />

Und erst noch unterhaltend.<br />

Zwei mal drei macht vier …<br />

Pippi Langstrumpf ist die Tochter<br />

eines Piratenkapitäns, der sich auf<br />

den Weltmeeren tummelt. Deshalb<br />

lebt sie allein in der Villa Kunterbunt<br />

– mit Äffchen Herr Nilsson und<br />

Pferd Kleiner Onkel. Mit den Nachbarskindern<br />

Tommy und Annika<br />

erlebt Pippi Abenteuer um Abenteuer.<br />

Pippi ist ein starkes Mädchen –<br />

unerschrocken, frech, unabhängig.<br />

In einem unbekannten Land, vor<br />

gar nicht allzu langer Zeit<br />

Hören Sie auch die Titelmelodie von<br />

Karel Gott, der «goldenen Stimme<br />

von Prag»? Von dieser Biene namens<br />

Maja, von ihren Freunden Willi, Flip<br />

und weiteren Insekten sprachen wir<br />

Kinder damals wirklich oft. Auch<br />

diese drei fliegen und hüpfen von<br />

Abenteuer zu Abenteuer. Dabei zeigt<br />

sich Maja abenteuerlustig, bleibt aber<br />

stets freundlich. Und Willi ist ängstlich,<br />

faul und immer hungrig.<br />

Wer hat an der Uhr gedreht, ist es<br />

wirklich schon so spät?<br />

Der rosarote Panther Paulchen produziert<br />

Chaos, das ist Programm.<br />

Egal, wer ihm über den Weg läuft –<br />

vor dem rosaroten Nervenbündel ist<br />

niemand sicher. Paulchen Panther<br />

ist schlau, gewitzt und für seine Mitmenschen<br />

ein wandelndes Desaster<br />

auf zwei rosa Beinen.<br />

Die rote Zora und ihre Bande<br />

Die Titelheldin Zora führt eine Bande<br />

von Waisenkindern an, die wie<br />

Aussätzige behandelt werden und<br />

sich vereint gegen die alltäglichen<br />

Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen.<br />

Die 13-teilige Serie, eine Koproduktion<br />

aus der Schweiz, Deutschland<br />

und Jugoslawien, spielt in der kroatischen<br />

Küstenstadt Senj.<br />

Mutiger Junge, schwarzes Pferd<br />

Der Zirkusjunge Silas flieht vor dem<br />

brutalen Zirkusdirektor Philipp und<br />

erlebt auf seinem schwarzen Hengst<br />

spannende Abenteuer. Er ist die Gutmütigkeit<br />

in Person, keiner Fliege<br />

könnte er etwas zu Leide tun. Teenager<br />

liebten die sechsteilige Weihnachts<br />

serie von 1981 – Jungs bewunderten<br />

Silas, Mädchen schwärmten<br />

für Darsteller Patrick Bach.<br />

Abenteuer aus «Tausendundeiner<br />

Nacht»<br />

Sindbad der Seefahrer erlebt Abenteuer<br />

wie aus den Geschichten aus<br />

«Tausendundeiner Nacht». Im Klassiker<br />

der Weltliteratur nutzt die kluge<br />

Scheherazade ein Stilmittel: Sie<br />

bricht die Geschichten, die sie ihrem<br />

König erzählt, jede Nacht im spannendsten<br />

Moment ab. So verhindert<br />

sie, dass er sie am Morgen hinrichten<br />

lässt. In der Kinderserie aus den<br />

1970er-Jahren ist Sindbad ein kleiner<br />

Junge.<br />

Michael In Albon<br />

ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />

und Experte Medienkompetenz von<br />

Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

76 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Publireportage<br />

Dank dem breiten Angebot an Schweizer Milchprodukten findet sich für jedes Bedürfnis etwas Passendes.<br />

Das Beste für Eltern und Kinder<br />

Für echte Milch gibt’s keinen Ersatz<br />

Milch ist ein nährstoffreiches, gesundes Grundnahrungsmittel für<br />

alle, besonders aber für Kinder. Glücklicherweise gibt es auch bei<br />

Laktoseintoleranz passende Lösungen, denn auf Milchprodukte<br />

zu verzichten ist keine gute Idee.<br />

Eltern wollen für ihre Kinder natürlich das Beste.<br />

Wenn sie vermuten, dass ihr Kind bestimmte<br />

Lebensmittel nicht verträgt, streichen sie diese oft<br />

in guter Absicht vom Menüplan oder ersetzen sie<br />

durch Alternativen. Das ist aber nicht immer eine<br />

gute Lösung.<br />

Fragen Sie Ihren Arzt<br />

Klagt ein Kind häufig über Bauchweh, liegt die<br />

Vermutung nahe, dass ein Lebensmittel schuld ist.<br />

Oft folgen dann Selbstdiagnosen und individuelle<br />

Ernährungsexperimente. Diese können aber Nährstoffmängel<br />

nach sich ziehen und führen meist<br />

nur kurzfristig zu einer Besserung. Sinnvoller ist es,<br />

die Beschwerden durch eine Fachperson abklären<br />

zu lassen, denn die Gründe können vielfältig sein.<br />

Wenn tatsächlich eine Laktoseintoleranz vorliegt –<br />

die bei Kindern jedoch nur äusserst selten vorkommt<br />

–, dann sollten Milchprodukte nicht gestrichen,<br />

sondern gezielt ausgewählt werden. Es gibt<br />

ein grosses Angebot an passenden, fermentierten<br />

Milchprodukten. Gut verträglich sind Hart- und<br />

Halbhartkäse wie etwa Emmentaler oder Tilsiter<br />

sowie alle Jogurtsorten.<br />

Pflanzendrinks sind kein Milchersatz<br />

Keine gute Lösung ist es, Milch durch Pflanzendrinks<br />

zu ersetzen. Die Ernährungswissenschaft<br />

zeigt immer wieder, dass insbesondere Kinder<br />

von Milch profitieren. Drei Milchportionen täglich<br />

unterstützen den Aufbau und die Entwicklung von<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Knochen und Muskeln. Zudem liefern sie generell<br />

viele Nährstoffe in idealem Verhältnis zueinander,<br />

was für ein gesundes Wachstum äusserst vorteilhaft<br />

ist.<br />

Niemand kann heute abschätzen, wie sich der<br />

Ersatz von Kuhmilch durch Pflanzendrinks langfristig<br />

auf die Gesundheit von Kindern auswirken<br />

wird. Es gibt dafür weder Langzeitstudien noch<br />

genügend Erfahrung. Ernährungsfachpersonen<br />

und Kinderärzte schätzen das Risiko eines Nährstoffmangels<br />

mit Folgen für die körperliche und<br />

geistige Entwicklung der Kinder als hoch ein. Denn<br />

Pflanzendrinks sind nährstoffarm und enthalten<br />

keine Baustoffe für das Wachstum.<br />

!<br />

Milchprodukte bei Laktoseintoleranz<br />

Milch liefert ein reichhaltiges Spektrum an<br />

Inhaltsstoffen. Davon profitieren Personen<br />

jeden Alters, insbesondere aber Kinder.<br />

Milchprodukte tragen viel zu einer gesunden<br />

Ernährung bei. Deshalb sollten sie auch bei<br />

Laktoseintoleranz auf dem Menüplan zu finden<br />

sein. Welche Milchprodukte besonders<br />

geeignet sind, erfahren Sie unter<br />

www.swissmilk.ch/unvertraeglichkeiten ><br />

Laktoseintoleranz > verträgliche Milchprodukte.<br />

Mehr erfahren?<br />

Weitere Informationen<br />

und Tipps bei Unverträglichkeiten<br />

unter<br />

www.swissmilk.ch/<br />

unvertraeglichkeiten<br />

Wer von einer Laktoseintoleranz<br />

betroffen ist, wählt<br />

am besten gereiften Käse.<br />

Auch Jogurt wird häufig gut<br />

vertragen.<br />

Schweizer Milch ist ein<br />

Naturprodukt, sie wird<br />

standortgerecht auf Familienbetrieben<br />

produziert<br />

und braucht nur kurze<br />

Transportwege.<br />

Milch liefert Eiweiss, Kalzium,<br />

Vitamine und Fette für den<br />

Aufbau von Muskeln und<br />

Knochen. Drei Portionen am<br />

Tag sind genau richtig.<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201877


Ein Wochenende …<br />

in Nendaz<br />

Martigny<br />

Rhone<br />

Kinderkrippe<br />

«P’tit Bec»<br />

Piste la Jean Pierre<br />

Eisbahn<br />

Sitten/Brig<br />

Nendaz<br />

Hotel Les Etagnes<br />

Restaurant und<br />

Lac de Tracouet,<br />

Seebar<br />

Piste Siviez<br />

Siviez<br />

… Vollmond heisst in Nendaz: Full Moon Party. Der Abend<br />

beginnt mit einem Themendinner oder einem Entrecôte im<br />

Restaurant de Tracouet, danach ist die Piste «Jean-Pierre»<br />

bis nach 22 Uhr geöffnet, beleuchtet vom Mondschein.<br />

6. Januar: «Racler comme jamais», Raclette à discrétion mit<br />

Konzert von David Charles; 3. Februar: «Rockabilly night»,<br />

Double Steak Burger Royal mit Konzert von den Coconut Kings;<br />

3. März: «Vintage», Paella mit 80er-, 90er- und 00er-Party;<br />

31. März: «Traditions» mit Kilbi-Menü.<br />

Mit Themendinner im Selfservice 43 Franken für Erwachsene<br />

und 31 Franken für Kinder, mit Entrecôte im bedienten<br />

Restaurant 55 bzw.38 Franken. Platzzahl begrenzt, Infos und<br />

Buchung unter 027 289 52 00.<br />

Geniessen …<br />

Erleben …<br />

Mont Fort<br />

… Der vom Schweizerischen Tourismus-Verband mit dem<br />

Label «Family destination» ausgezeichnete Walliser Skiort<br />

Nendaz verfügt über Pisten für jeden Geschmack: von<br />

anspruchsvollen, steilen Pisten für sportliche Eltern und<br />

fortgeschrittene Sprösslinge bis zu Babyliften. Künftigen<br />

Skistars stehen zwei Anfängerparks zur Verfügung: Siviez,<br />

mit Borer-Babylift, Snowtube-Karussell und einer Mini-Slalomstrecke,<br />

und der im Winter gefrorene, ruhige und sonnige<br />

Lac de Tracouet. Auch dort gibt es Snowtubing und ein<br />

Snowtube-Karussell und der Anfängerpark bietet Zauberteppich,<br />

Anfängerlift sowie Borer-Babylift, mit dem auch die<br />

Kleinsten ihre ersten Versuche auf zwei Brettern machen<br />

können. Dies können sie auch unter Anleitung eines Skilehrers,<br />

während sich die Eltern in der Seebar eine Pause gönnen<br />

oder eine Abfahrt vom Mont-Fort (3300 m ü. M.) wagen.<br />

Sind Sie selber noch Anfänger, finden Sie beim Lac de<br />

Tracouet auch flache Einsteigerpisten.<br />

Tageskarte 4 Vallées: Erwachsene: 75 Franken (Nebensaison<br />

71), Jugendliche bis 24: 64 Franken (60), Kinder bis 10:<br />

38 Franken (36), 10 % Rabatt auf Skipässe für Familien.<br />

Snowtubing beim Lac de Tracouet ist im Preis inbegriffen.<br />

… Haben Sie genug von den Pisten gesehen, dann wagen Sie<br />

sich doch aufs Glatteis: Auf der Eisbahn des Sportzentrums<br />

können Sie Pirouetten drehen, dem Puck nachjagen oder an<br />

der Eisdisco tanzen, bis das Eis schmilzt. Die Disco findet in<br />

der Hochsaison einmal pro Woche statt.<br />

Eisbahn täglich offen von 10 bis 11.45 Uhr und von 14 bis<br />

16.30 Uhr. Während der Hochsaison verlängerte Öffnungszeiten<br />

am Abend. Hockeyspielen ist vormittags erlaubt. Erwachsene<br />

6 Franken, Kinder 4 Franken, Schlittschuhmiete 4 Franken.<br />

… Auf sieben ausgeschilderten Schneeschuhrouten können<br />

Sie in die Winterlandschaft abseits der Pisten eintauchen. Eine<br />

davon ist speziell für Kinder geeignet. Auf einer Schatzsuche<br />

erfahren die Jüngsten etwas über die Natur, die Tiere und die<br />

Geschichte von Nendaz.<br />

Eine Karte mit den beschriebenen Routen ist gratis auf dem<br />

Tourismusbüro erhältlich. Dort ist auch Startpunkt der<br />

Schatz suche. Schneeschuhe vermieten alle grösseren<br />

Sport geschäften im Ort für 20 bis 30 Franken pro Tag.<br />

Übernachten …<br />

… Mehrere Agenturen bieten familienfreundliche<br />

Wohnungen in Zentrumsnähe an. Sie sind mit Spielen,<br />

Babyfon, Kinderbetten, -stühlen und -besteck ausgestattet.<br />

Bei Espace-Vacances, Inter­ Agence und Interhome. Mehrere<br />

Hotels gewähren einen Kinder rabatt. Siehe www.nendaz.ch ><br />

Praktische Infos > Für Familien > Familienunterkunft<br />

78 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Vergnügen aller Art:<br />

beim Snowtubing<br />

auf Tracouet, beim<br />

Schlittschuhlaufen<br />

auf der Eisbahn im<br />

Zentrum und bei der<br />

Schatzsuche.<br />

Bilder: Etienne Bornet, Florian Bouvet, Aline Fournier<br />

… Neben der Talstation der Gondelbahn befindet sich das<br />

Hotel Les Etagnes. Es bietet acht Zimmer, zuoberst ein<br />

Familienzimmer mit Elternschlafzimmer mit Doppelbett und<br />

Kinderzimmer mit Kajütenbetten. Beide sind mit Fernseher<br />

und DVD-Player ausgestattet.<br />

Hotel Les Etagnes, Route de la Télécabine 69, 078 659 90 <strong>12</strong>.<br />

Das Familienzimmer (35 Quadratmeter) kostet für 4 Personen<br />

320 Franken, für 5 Personen 350 Franken pro Nacht.<br />

Gut zu wissen …<br />

im Voraus gebucht werden kann. Wer am Abend ausschwärmen<br />

will, der kann die Babysitterliste konsultieren, die auf der<br />

Tourismus-Website geführt wird.<br />

Kinderkrippe «P’tit Bec», Route des Ecluses 71, Haute-Nendaz.<br />

Kosten: ein Morgen 35 Franken, Morgen mit Mittagessen<br />

50 Franken, Nachmittag mit Mittagessen 70 Franken, Nachmittag<br />

40 Franken und ein ganzer Tag (8.30 bis 16.45 Uhr)<br />

90 Franken, Anmeldung im Winter bei Nendaz Tourisme,<br />

41 27 289 55 89, info@nendaz.ch.<br />

www.nendaz.ch > Praktische Infos > Für Familien > Kinderhort<br />

& Babysitting<br />

… Wer einmal einen halben oder einen ganzen Tag ohne Kinder<br />

unterwegs sein will: In Nendaz gibt es eine Kinderkrippe, die<br />

ganzjährig von Montag bis Samstag geöffnet ist und einen Tag<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201879


Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsor<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Happel Foundation<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

Nik Niethammer (Chefredaktor),<br />

Evelin Hartmann (stv. Chefredaktorin),<br />

Bianca Fritz (Leitung Online),<br />

Florian Blumer, Claudia Landolt,<br />

Irena Ristic, Florina Schwander, Leo Truniger<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigenverkauf<br />

Corina Sarasin, Tel. 044 277 72 67,<br />

c.sarasin@fritzundfraenzi.ch<br />

Jacqueline Zygmont, Tel. 044 277 72 65,<br />

j.zygmont@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigenadministration<br />

Dominique Binder, Tel. 044 277 72 62,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt <strong>2017</strong>)<br />

total verbreitet 102 108<br />

davon verkauft 24 846<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />

Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />

Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />

Schweiz / Schweizerischer Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />

Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

Publireportage<br />

Unser Winter in der SkiArena<br />

Andermatt-Sedrun<br />

Neue Bahnen, neue Pisten und die MATTI KidsArena mit Familienrestaurant erwarten Sie.<br />

Das neue MATTI Familienrestaurant bei der Mittelstation<br />

des Gütsch-Express mit einem grossen Spielbereich.<br />

Copyright: pronatour<br />

Skifahren ab 37 Franken (Kinder ab 13 Franken).<br />

Die Ski-Ticketpreise in der SkiArena Andermatt-Sedrun<br />

sind neu von verschiedenen Faktoren<br />

abhängig. Haupt- oder Nebensaison,<br />

Wochentag, Wetter oder Frühbucher-Bonus<br />

beeinflussen den Preis.<br />

Vom 8. – <strong>12</strong>. und 15. – 19. Januar 2018 gibt es<br />

alle Tageskarten für 10 Franken. Die Skitickets<br />

Viel Spass im Schnee ist in Valtgeva garantiert.<br />

Copyright: Christof Sonderegger<br />

können entweder online unter www.skiarena.ch<br />

oder an den Kassen der SkiArena Andermatt-<br />

Sedrun bezogen werden.<br />

Per Saison 17/18 wird das grösste und modernste<br />

Skigebiet der Zentralschweiz eröffnet.<br />

Neu fahren die Gondeln des Gütsch-Express<br />

und die Sessel-Flyer Lutersee und Schneehüenerstock<br />

in die SkiArena. Die Ski-Verbindung<br />

von Andermatt nach Sedrun steht offen. Der<br />

Andermatter Sonnenhang Nätschen-Gütsch ist<br />

perfekt für spannende Abenteuer im Schnee.<br />

Die ganze Familie vergnügt sich neu an der<br />

Mittelstation Nätschen im Restaurant mit<br />

einem grossen Spielbereich und der «MATTI<br />

Bärenhöhle». Rund um die Mittelstation<br />

entsteht die KidsArena von MATTI – dem<br />

Kinderhelden der Arena-Gang. Ein neues<br />

Schneeparadies für Familien und Kinder mit<br />

Übungshängen und Schneespielplatz.<br />

Neu: Allen Restaurants der SkiArena Andermatt-Sedrun<br />

gemeinsam sind die Wasserquellen<br />

mit dem unentgeltlichen Gotthardwasser<br />

«Our Mountain Water». www.skiarena.ch


Buchtipps<br />

Vorbilder für Rebellinnen<br />

Sie gewann<br />

36 Radrennen<br />

gegen Männer<br />

und bestritt 1924<br />

den Giro d’Italia:<br />

Alfonsina Strada.<br />

Starke Mädchen brauchen starke<br />

Vorbilder. Über ausser gewöhnliche und<br />

mutige Frauen der Weltgeschichte<br />

wie Malala Yousafzai, Frida Kahlo<br />

und viele weitere berichten Biografien<br />

für Kinder und Jugendliche.<br />

Monica Brown /<br />

John Parra: Frida<br />

Kahlo und ihre<br />

Tiere<br />

Frida Kahlo war<br />

eine aussergewöhnliche<br />

Künstlerin. Und sie<br />

hatte einen ganzen Zoo von Tieren.<br />

Das Bilderbuch stellt diese ins<br />

Zentrum und hält sich stilistisch an<br />

die Farbenfülle von Kahlos Bildern<br />

– auch für Grössere ein lehrreicher<br />

Augenschmaus!<br />

NordSüd <strong>2017</strong>, Fr. 20.00,<br />

ab 4 Jahren<br />

Malala Yousafzai /<br />

Patricia McCormick:<br />

Malala. Meine<br />

Geschichte<br />

Die Pakistanerin<br />

Malala Yousafzai<br />

wurde zum Symbol<br />

für das Recht der Mädchen auf<br />

Bildung. Zu sammen mit der<br />

Jugendbuchautorin Patricia<br />

McCormick erzählt sie von ihrem<br />

Weg vom Schulmädchen zur<br />

Friedensnobelpreisträgerin.<br />

Fischer KJB 2014, Fr. <strong>12</strong>.00<br />

(Taschenbuch), ab <strong>12</strong> Jahren<br />

Bilder: zVg<br />

Die Mathematikerin<br />

und Philosophin Hy ­<br />

patia von Alexandria<br />

lehrte um 400 nach<br />

Christus in Alexandria<br />

Astronomie und entwickelte<br />

neue Theorien zu Geometrie und<br />

Arithmetik. Die Schwestern Mirabal<br />

kämpften in den 1950er-Jahren<br />

gegen die Diktatur in der Dominikanischen<br />

Republik. Die irakische<br />

Architektin Zaha Hadid entwarf<br />

Gebäude, die sich niemand ausser<br />

ihr vorstellen konnte.<br />

Sie alle und viele Frauen aus allen<br />

Weltgegenden und Jahrhunderten<br />

werden im Buch «Good night stories<br />

for rebel girls» porträtiert. «Mädchen<br />

müssen wissen, dass sie auf<br />

ihrem Weg mit Hindernissen rechnen<br />

müssen. Doch sie müssen ebenso<br />

wissen, dass Hindernisse überwunden<br />

werden können», schreiben<br />

die Herausgeberinnen Elena Favilli<br />

und Francesca Cavallo im Vorwort.<br />

Ihre Gutenachtgeschichten über die<br />

rebellischen Frauen sind jeweils nur<br />

eine Seite lang, daneben strahlt eine<br />

ganzseitige Porträtillus tration der<br />

Rebellin, geschaffen von einer von<br />

über 60 Illustratorinnen aus der<br />

ganzen Welt.<br />

Die Vielfalt der vorgestellten<br />

Frauen ist eindrücklich und macht<br />

Mut: So viele Frauen aus der ganzen<br />

Welt und in allen Zeiten haben sich<br />

nicht unterdrücken lassen. Zeit, es<br />

ihnen nachzutun: Dazu lädt das<br />

Buch die jungen Leserinnen auch<br />

gleich ein – zuhinterst ist Platz, um<br />

sich mit der eigenen Geschichte und<br />

dem eigenen Bild zu verewigen.<br />

Elena Favilli /<br />

Francesca<br />

Cavallo: Good<br />

night stories for<br />

rebel girls – 100<br />

aussergewöhnliche<br />

Frauen.<br />

Hanser <strong>2017</strong>,<br />

Fr. 35.00,<br />

ab 11 Jahren<br />

Ute Daenschler /<br />

Kerstin Lücker:<br />

Weltgeschichte für<br />

junge Leserinnen<br />

Für einmal rückt ein<br />

Geschichtsbuch jene<br />

ins Rampenlicht, die<br />

sonst in der Weltgeschichte gerne<br />

vergessen werden: die Frauen. Ein<br />

umfangreicher Schmöker für alle<br />

geschichtsinteressierten Leserinnen<br />

– und Leser!<br />

Kein&Aber <strong>2017</strong>, Fr. 30.00,<br />

ab <strong>12</strong> Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201881


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Mein Sohn, 17, macht sich grosse Sorgen, weil er noch keine Freundin hat.<br />

Wie kann ich ihn trösten? Simone, 45, Basel<br />

Nicole Althaus<br />

Dass Ihr 17-jähriger Sohn<br />

sein Liebesleben so ehrlich<br />

vor Ihnen ausbreitet, ist ein<br />

Zeichen grossen Vertrauens.<br />

Es spricht für die Sensibilität,<br />

die Offenheit und das<br />

Kommunikationsvermögen<br />

Ihres Sohnes. Alles wichtige<br />

Voraussetzungen für eine<br />

befriedigende romantische Beziehung. Sagen Sie<br />

Ihrem Sohn das. Erinnern Sie ihn daran, dass es kein<br />

Alter gibt, in dem man den ersten Schatz gehabt haben<br />

muss. Und dass manche junge Männer in seinem<br />

Alter einfach gern und laut mit sexuellen Eroberungen<br />

bluffen, ohne dass dahinter viel mehr als ein<br />

schüchternes Lächeln stecken muss.<br />

Tonia von Gunten<br />

Indem Sie das kleine Kind,<br />

das Ihr Sohn einmal war,<br />

loslassen und danach den<br />

jungen Erwachsenen, der Ihr<br />

Sohn heute ist, willkommen<br />

heissen. Geben Sie ihm die<br />

Zeit, die er dazu braucht. Eine<br />

Freundin für ihn herzaubern<br />

können Sie nicht, doch wenn<br />

er zuhören will, erzählen Sie ihm, wie sich Ihr Leben<br />

mit 17 Jahren angefühlt hat. Besuchen Sie zusammen<br />

einen schönen Ort und spendieren Sie ihm etwas<br />

Süsses. Er kann sich dabei ja schon mal ein bisschen<br />

um sehen ...<br />

Peter Schneider<br />

Ich schätze, gar nicht. Es sei<br />

denn, er bittet Sie um Trost.<br />

Und selbst dann wird Ihr<br />

Trost ihn kaum wirklich<br />

trösten, denn was wollen Sie<br />

ihm auch anderes sagen, als<br />

dass man in diesen Dingen<br />

nichts erzwingen kann und<br />

dass ihm nichts anderes übrig<br />

bleibt, als geduldig allzeit bereit zu sein. Am besten<br />

helfen Sie ihm, indem Sie (im Rahmen Ihrer<br />

Möglichkeiten) ein cooles Mami sind, das ihren Sohn<br />

so erwachsen wie möglich nimmt. Die Attraktivität der<br />

Mütter färbt manchmal auf die Söhne ab.<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am<br />

Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />

eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />

ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter<br />

von zwei Kindern, 16 und <strong>12</strong>.<br />

Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8.<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

82 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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