Erziehung & Schule «Ich lebe bei Mami – und bei Papi» Seit Anfang dieses Jahres ist die alternierende Obhut als mögliche Betreuungsform explizit im Zivilgesetzbuch aufgeführt. In diesem Fall leben die Kinder nach einer Scheidung abwechselnd bei der Mutter und beim Vater. Das hat Vorteile. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Text: Gisela Kilde Bild: iStockphoto 42 Dezember <strong>2017</strong> / Januar 2018 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Beim Nestmodell bleiben die Kinder in derselben Wohnung, und die Eltern wechseln sich dort mit der Betreuung ab. Als werdendem Vater war Robert klar, dass er seine Tätigkeit als Informatiker reduzieren wird. Seine Frau Mara wollte in ihrem Beruf als Buchhalterin in einem kleinen KMU Teilzeit weiterarbeiten. Bei der Ge burt des ersten Kindes reduzierte Robert sein Arbeitspensum auf 80 Prozent, Mara senkte ihre Tätigkeit zuerst auf 20 Prozent, stockte später, nachdem für das zweite Kind die obligatorische Schulzeit begonnen hatte, auf 40 Prozent auf. An einem von Maras beiden Arbeitstagen blieb Robert zu Hause bei den Kindern, den zweiten verbrachten die Kinder bei einer Tagesmutter, die in der Nachbarschaft wohnt. Verschiedene Modelle der Kindesobhut an sich in der Gestaltung sehr frei. Sind sie sich einig, wird das Gericht oder die Kindesschutzbehörde die Betreuungsaufteilung nicht infrage stellen – soweit nicht ersichtlich ist, dass das Kindeswohl darunter leiden wird. Gemeinhin wird unterschieden zwischen dem Residenzmodell, dem Nestmodell und der alternierenden Obhut. Das Residenzmodell vermittelt dem Kind einen klaren Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil. Zu bestimmten Zeiten «besucht» das Kind den anderen Elternteil bei ihm zu Hause und verbringt in den Ferien Zeit mit ihm. Viele Scheidungseltern wählen das Residenzmodell, etwa weil es der zuvor gelebten Rollenverteilung entspricht oder weil die geografische Distanz zwischen den Wohnorten der Eltern kein an deres Betreuungsmodell er laubt. Beim sogenannten Nestmodell bleiben die Kinder in derselben Wohnung respektive in demselben Haus, und die Eltern wechseln sich dort mit der Betreuung der Kinder ab. Gleichzeitig tragen die Eltern also Verantwortung für zwei Haushalte – denjenigen der Kinder und den jeweils eigenen. Dieses Modell wäre für die Kinder von Vorteil, da sie immer in derselben Umgebung bleiben dürfen. Für die Eltern stehen jedoch hohe Anforderungen im Raum: Mutter und Vater müssen einerseits über grosszügige finanzielle Ressourcen verfügen, andererseits eine ausserordentlich gute Kooperationsfähigkeit mitbringen, müssen sie doch abwechselnd, in permanenter Absprache miteinander, den Kinderhaushalt weiterfüh ren. Daher wählt kaum eine Familie diese Betreuungsform. Die alternierende Obhut zielt auf eine zeitlich ausgewogene Betreuung der Kinder durch beide Elternteile. Die Kinder wechseln in regelmässigem Abstand – häufig alle paar Tage oder jeweils nach einer Woche – vom einen zum anderen Elternteil. Von den Kindern verlangt diese Lösung eine gewisse Flexibilität, die je nach Persönlichkeit mehr oder weniger vorhanden ist. Durch die häufigen Wechsel zwischen den Elternteilen muss vor allem bei jungen Kindern ebenfalls eine konfliktfreie Übergabe möglich sein. Antragsrecht für alternierende Obhut Mit den Bestimmungen zum Kindesunterhalt, die seit dem 1. Januar <strong>2017</strong> gelten, wurde ein ausdrückliches Antragsrecht für die alternierende Obhut in das Zivilgesetzbuch eingeführt. Stellt ein Elternteil einen entsprechenden Antrag, ist dieser von den Gerichten zu prüfen. Dabei hat das Gericht oder die Behörde eine Prognose zu fällen, ob die von den Eltern gewählte Betreuungslösung dem Kindeswohl entspricht. Um diese Prognose fällen zu können, zieht das Gericht einen breiten Katalog an Kriterien heran. Auf der Elternseite müssen Vater und Mutter ihre Kinder den Be dürfnissen und Fähigkeiten entsprechend erziehen können. Sie müssen in dem Ausmass gemeinsam Ab sprachen treffen und zusammen arbeiten können, das eine gemeinsame (Kinder-) Alltags bewältigung erlaubt. Eine abwechselnde Betreuung ver Mittlerweile sind die Kinder zehn und sieben Jahre alt, und die Ehe ihrer Eltern kriselt: Robert und Mara wollen sich trennen. Nachdem diese wichtige Entscheidung gefallen ist, beginnt die Diskussion um die Re organisation ihres Familienlebens. Robert will auch zukünftig seinen «Papitag» wahrnehmen. Noch lieber würde er jedoch seine Betreuungszeit ausweiten und sein Arbeitspensum weiter reduzieren. Mara ist zwar froh um seine Unterstützung, ist sich aber auch im Klaren darüber, dass durch die Trennung Zusatzkosten für zwei getrennte Haushalte anfallen werden. Trennen sich die Eltern, steht nebst den finanziellen Sorgen häufig die Reorganisation der Kinderbetreuung im Raum. Die Eltern sind >>> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2017</strong> / Januar 201843