Januar 2018 - coolibri Dortmund
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THEMA<br />
D O R T M U N D<br />
Das Rüstzeug<br />
für eine<br />
europäische Idee<br />
Bei internationalen Jugendcamps zeigt<br />
Gärtner Markus Fleischer jungen Menschen<br />
aus ganz Europa, wie man gemeinsam<br />
etwas baut, selbst wenn die<br />
Vokabeln fehlen.<br />
Markus Fleischer<br />
Foto: Chantal Stauder<br />
Ich heiße Markus Fleischer, bin 49 Jahre alt, Gärtner<br />
und lebe seit neun Jahren in der <strong>Dortmund</strong>er Nordstadt.<br />
Ich arbeite als Ausbilder beim Agricola-Berufskolleg<br />
in <strong>Dortmund</strong>. Dort unterstütze ich junge Menschen<br />
beim Berufseinstieg. Seit 2013 engagiere ich<br />
mich bei ewoca, einem Programm für europäische<br />
Jugendbegegnungen. Bei zweiwchigen Camps mit<br />
Jugendlichen aus ganz Europa bin ich für alles zuständig,<br />
was mit Natur und Bauen zu tun hat. Ich<br />
stelle Hilfsmittel bereit und leite praktische Arbeiten<br />
an. Bei einem meiner letzten Projekte habe ich mit einer<br />
Gruppe Jugendlicher an einem grünen Klassenzimmer<br />
gearbeitet. Wir haben für einen Sommerklassenraum<br />
Bänke und eine Hecke aus lebenden<br />
Gehlzen wie Weidenpflanzen gebaut. Die Projekte<br />
sollen nachhaltig sein, also auch in der Zeit nach den<br />
Workcamps genutzt werden. Die Bauteile kaufen die<br />
Teilnehmer nicht neu, sondern verwenden vorhandenes<br />
Material, indem sie es aufwerten und umnutzen.<br />
Ein konkretes Ziel ist dabei zwar vorhanden, aber eigentlich<br />
geht es darum, den jungen Leuten das Werkzeug<br />
für eigene Ideen und Projekte an die Hand zu<br />
geben.<br />
Bei den Camps treffen Menschen aus Ländern mit<br />
unterschiedlichen Sprachen und Kulturen aufeinander.<br />
Das ist zunächst eine Barriere, die die Jugendlichen<br />
überwinden müssen. Eine Gemeinsamkeit aller<br />
sind die Vorurteile, die man über einander im Kopf<br />
hat. Schon allein die Namen der anderen Teilnehmer<br />
kennenzulernen und zu sagen Hallo, wie gehts<br />
Setz dich doch hin, kann zur Herausforderung werden.<br />
Auch mein Englisch war zunächst schwach. Verständigen<br />
konnte ich mich nur mit den Grundlagen<br />
aus der Schule, Handzeichen und dem Google bersetzer.<br />
Menschen sind scheu und gehen erst mal nur<br />
langsam aufeinander zu. Doch sobald die Gruppen<br />
sich bei den Camps durchmischen, werden alle<br />
schnell zu einer großen Familie, die sich gar nicht<br />
mehr trennen will. Die Trauer beim Ende ist immer riesig.<br />
Das Thema Europa war für mich zuerst nebensächlich.<br />
Was Europa heißt, habe ich erst gemerkt,<br />
als es bei den Camps um Sprache, Essgewohnheiten<br />
und Kulturen ging: Die Italiener sind Pasta und Weißbrot<br />
mit Nutella gewohnt. In Minsk gibt es kein Weißbrot.<br />
In Belarus gibt es morgens meistens warmes<br />
Essen. Da sucht sich jeder das Beste raus oder geht<br />
Kompromisse ein. Mein Job und mein Leben waren<br />
eng. Europa habe ich nicht gesehen. Es hat mich<br />
nicht interessiert – trotz Nachrichten und allem, was<br />
man liest.<br />
Durch Zufall bin ich mit dem Thema Europa und den<br />
Jugendcamps in Berührung gekommen. Ich habe<br />
erst die Sprachbarriere gesehen und war echt nervs.<br />
Doch dann habe ich gemerkt, dass es super ist,<br />
sich zu ffnen. Das Zusammentreffen bei den Camps<br />
ist geplant. Es findet in einem geschützten Rahmen<br />
statt und alle haben ein Ziel. Das hat meine Neugierde<br />
auf andere Länder geweckt. Ich bin früher fast nie<br />
gereist. Ohne Europa hätte ich nicht gelernt, einen offenen<br />
Zugang zu Menschen zu finden. Ich hätte nicht<br />
gelernt, dass ich mich trauen darf, auch mit schwachem<br />
Englisch zu sprechen. Ich will heute keinen<br />
Pauschaltourismus mehr. Ich habe ein Interesse daran,<br />
Leute kennenzulernen, die in dem Land leben, in<br />
das ich reise. Ich habe bei den Camps Menschen kennengelernt,<br />
die mich eingeladen haben, wieder zu Besuch<br />
zu kommen. Ich hoffe, dass Europa sich nicht<br />
einkesselt, sondern dass es eine gemeinsame Idee<br />
gibt, andere Länder wie Italien und Griechenland<br />
nicht hängen zu lassen. Aufgeschrieben von Chantal<br />
Stauder<br />
Was denkt der Pott über Europa? Die Europakolumne<br />
erscheint monatlich und ist ein einjähriges Projekt<br />
des IBB, der Auslandsgesellschaft NRW sowie der<br />
Stadt <strong>Dortmund</strong> und dem Jugendring <strong>Dortmund</strong>.<br />
DAS FENSTER<br />
ZUM CODE<br />
Wahrnehmung und<br />
Illusion im<br />
Postdigitalen Zeitalter<br />
2.12.17 bis 14.1.18<br />
Künstlerhaus <strong>Dortmund</strong><br />
www.kh-do.de<br />
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