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Januar 2018 - coolibri Dortmund

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2006 erklärte die UN in ihrer Behindertenrechtskonvention<br />

die Inklusion<br />

zum Menschenrecht. Doch wie sieht<br />

es eigentlich in der Kulturlandschaft<br />

der Rhein-Ruhr-Region aus? Lina Niermann<br />

und Nadine Beneke haben mit<br />

dem inklusiven Tanzorchester Paschulke,<br />

Rapper CrazyB und Heilpädagoge<br />

André Sole-Bergers gesprochen.<br />

im Kopf<br />

Foto: André Sole-Bergers<br />

Markus Maiwald und André Sole-Bergers<br />

Markus Maiwald ist Rapper. Er lebt und arbeitet<br />

in Wuppertal, besucht gerne Konzerte und gibt<br />

in seiner Freizeit Workshops. Dass er im Rollstuhl<br />

sitzt, ist für ihn dabei kein Hindernis. Wieso,<br />

hat er im Interview erzählt.<br />

„Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht kann“,<br />

sagt Maiwald, „außer Laufen und Schuhe-Binden.“<br />

Der 30-Jährige, der 10 Wochen zu früh geboren<br />

wurde und bei seiner Geburt einen Sauerstoffmangel<br />

erlitt, lebt ein ziemlich normales<br />

Leben. Wenn er nicht gerade rappt, arbeitet der<br />

30-Jährige in einem Callcenter in Wuppertal. In<br />

seiner Freizeit gibt er Workshops im Rahmen<br />

des Essener Jugend-Projekts „Fair…rappt!“. Auf<br />

genau 101 Samy Deluxe-Konzerten war er<br />

schon. Der einstige Dynamite Deluxe-Star inspirierte<br />

Maiwald 2000 auch selbst zum Musikmachen.<br />

„Ich war schon immer wortverliebt“, sagt<br />

der Mann mit Basecap.<br />

„Was ist schon normal?“<br />

In seinem Umfeld war er meist der Einzige mit<br />

Behinderung. Er besuchte eine normale Grundschule<br />

und später dann eine Realschule. „Da haben<br />

mir meine Mitschüler den Rollstuhl hinterhergetragen“,<br />

lacht der 30-Jährige. Mit 16 zieht<br />

es ihn ins integrative Internat mit Höherer Handelsschule.<br />

„Die Nicht-Behinderten waren dort<br />

die Exoten“, sagt er. In dieser Zeit entdeckt ein<br />

Mitschüler Maiwalds Rap-Künste und „schubst“<br />

ihn das erste Mal auf die Bühne. 2012 bringt er<br />

sein erstes Album „Charakterkopf“ heraus. In<br />

diesem Jahr erscheint „Charakterkopf 2.0“. Auf<br />

der Bühne fühlt er sich wohl. Er erzählt: „Meine<br />

Eltern sagen, es ist, als würde man bei mir einen<br />

Schalter umlegen.“ Seinen Rapper-Namen,<br />

CrazyB, trägt er seit der Schulzeit, damals noch<br />

ohne musikalischen Hintergedanken: „Wenn<br />

mich jemand auf die Behinderung angesprochen<br />

hat, habe ich immer einen dummen<br />

Spruch gebracht. Deshalb ‚CrazyB‘.“ Zusammen<br />

mit Filmemacher André Sole-Bergers hat Maiwald<br />

im vergangenen Jahr ein Video zum Song<br />

„Bist du behindert?“ aufgenommen. Darin rappt<br />

er: „Ja ich bin behindert, hab ein Handicap / Zeit,<br />

dass ihr checkt, sind alle gleich im Endeffekt“.<br />

Auf die Frage „Bist du behindert?“ fühlt er sich<br />

Zum Thema<br />

AndréSole-Bergers(36), Heilpädagoge<br />

beider LebenshilfeViersenund<br />

Filmemacher<br />

WasbedeutetInklusion fürdich?<br />

Inklusion istfür mich wie<br />

Rock’n‘Roll. Manhat es im Blut.<br />

Das Wort istallerdingsnegativ<br />

behaftet.Die Menschen mitHandicapbevorzugendas<br />

Wort „Teilhabe“.Das<br />

klingt schönerund istselbsterklärend.Die Menschenmöchten<br />

an derGesellschaftteilhaben.<br />

Ganz normal.<br />

Wiekann Inklusion funktionieren?<br />

Ichdenke dengrößtenErfolgder Teilhabeerzielt<br />

manimBereich derKulturund Freizeit.Hierbegegnensichviele<br />

Menschen immer sehr entspannt.<br />

Inklusion beginntimKopf. Wirkönnen<br />

nichtganzDeutschland abreißenund barrierefrei<br />

machen. Wenn aber dieBerührungsängste<br />

übrigens längst nicht mehr angesprochen, wie<br />

er lachend zu Protokoll gibt: „Für mich ist die<br />

Frage eher: Was ist schon normal?“<br />

Eine Sache fällt ihm im Alltag allerdings doch<br />

schwer: „Ich gebe nur ungern zu, wenn ich Hilfe<br />

brauche.“ Weder Pflegegeld noch eine Haushaltshilfe<br />

möchte Maiwald in Anspruch nehmen.<br />

„Solange ich kann, mache ich alles selber“, sagt<br />

er bestimmt– und fügt hinzu: „Ich habe aber<br />

mittlerweile eine Freundin, die mir auf die Füße<br />

tritt, wenn ich es übertreibe.“<br />

CrazyB live: 12.1., Weststadthalle, Essen<br />

verschwinden, dann sind wir<br />

schonsehrweit.<br />

Washat sich in denvergangenen<br />

Jahren im kulturellenBereich getan?<br />

Es gibtRollstuhltribünen aufeinigenKonzertgeländen.<br />

Das istpositiv.<br />

Aber als Rollstuhlfahrer ein<br />

Bier an derTheke zu bestellen, geschweige<br />

denn in einemClubauf dieToilettezugehen,<br />

dasist eher selten gut umgesetzt.<br />

Foto: Anika Raube Fotografie<br />

Wo gibtesnochNachholbedarf?<br />

BarrierefreiheitsolltebeimBau neuerGebäude<br />

sofort berücksichtigtwerden. Das istwesentlich<br />

kostengünstiger.Wir alleprofitieren von<br />

leichter Spracheund wenigerBarrieren.Aufzüge<br />

an Bahnhöfen können Eltern mitKinderwagen,<br />

Radfahrerund ältere Menschen nutzen.Wir alle<br />

sollteneinen Schritt aufeinander zugehen.<br />

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