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Hinz&Kunzt 298 Dezember 2017

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Der Künstler bleibt am<br />

liebsten unerkannt: 1010<br />

als Schattenriss in seinem<br />

Atelier auf St. Pauli.<br />

1010 will am liebsten niemanden in<br />

sein Atelier lassen. „Ich hab’ mich<br />

schon geärgert, dass wir uns hier verabredet<br />

haben“, sagt er zur Begrüßung<br />

– und will gerade die Tür abschließen.<br />

Von außen. Zu viel Konkretes, zu viel<br />

Privates gäbe es da zu sehen. Nach leisem<br />

Protest schließt er wieder auf.<br />

Schließlich ist sein Gast extra nach St.<br />

Pauli geradelt. Um herauszufinden, wer<br />

oder was 1010 ist. Diese Nummer, dieser<br />

Binärcode. Total unpersönlich klingt<br />

das, austauschbar, kalt, leblos. Und wie<br />

spricht man das überhaupt aus? Eins<br />

null eins null? Oder eintausendzehn?<br />

Oder ten ten? Alles ist möglich.<br />

Genau so gefällt es dem Menschen<br />

hinter diesem Kürzel. Raum geben für<br />

Interpretationen – das ist es, was das gesamte<br />

Werk des Streetartisten prägt.<br />

Herauszutreten aus der Anonymität<br />

kommt daher für den 38-Jährigen auch<br />

39<br />

Freunde<br />

nicht in Frage. Dabei ist er aktuell einer<br />

der angesagtesten Urban-Art-Künstler<br />

Deutschlands – der jetzt extra für die<br />

Strassen<strong>Kunzt</strong>Edition von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

ein Werk gestaltet hat. Und der im Gespräch<br />

alles andere als leblos rüberkommt.<br />

Herzlich ist er und sehr bescheiden.<br />

Das merkt man, wenn man<br />

sich eine Weile mit ihm unterhält.<br />

„Warum<br />

muss man alles<br />

labeln?“<br />

Zunächst entspinnt sich eine heiße Diskussion:<br />

„Warum braucht man immer<br />

eine Person, um an der alles festzumachen?“,<br />

fragt er. „Warum muss man alles<br />

labeln?“ Schon das Wort „ich“ findet<br />

er schwierig. „Es grenzt dich von<br />

allen anderen ab“, findet der gebürtige<br />

Pole. „Das ist aber unsere westliche<br />

Weltsicht auf die Dinge.“<br />

Auch die Anerkennung für sein<br />

Werk reklamiert er nicht für sich selbst:<br />

„Die Idee hinter Künstlern ist ja, dass<br />

wir alles alleine machen“, sagt er. „Aber<br />

in Wahrheit saugen wir alles um uns herum<br />

auf wie ein Schwamm und denken<br />

später: ,Boah, da hatte ich ja ’ne geile<br />

Idee‘, dabei hatte ich das vorher in ’ner<br />

Tierdoku gesehen und es nur vergessen.“<br />

Berühmte Künstler hätten zum<br />

Teil 100 Assistenten, meint er. So weit<br />

ist es bei 1010 zwar nicht, aber auch er<br />

brauche Menschen, die ihn bei seiner<br />

Kunst unterstützen. „Wenn die, die helfen,<br />

gute Ideen haben, dann fließen die<br />

natürlich auch in die Arbeit mit ein.“<br />

Die Arbeit von 1010 hat sich in den<br />

vergangenen Jahren stark gewandelt.<br />

Vor rund zwölf Jahren malte er noch<br />

Männchen auf Zeitungspapier. Damit<br />

plakatierte er den öffentlichen Raum.<br />

Wichtig war ihm schon damals, Namen<br />

keinen Raum zu geben. Um seine<br />

Männchen trotzdem zu kennzeichnen,<br />

versah er sie mit einer Eins oder einer<br />

Null, wie bei der Computer-Grundsprache.<br />

Computerspiele und Internet,<br />

erzählt der Künstler, hätten ihn von Anfang<br />

an begeistert und inspiriert. „Weil<br />

man da losgelöst sein kann von dem,

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