ZAP-0118
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Fach 18, Seite 1568<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />
Sozialrecht<br />
für das fortbestehende Feststellungsinteresse als ausreichend an und lässt offen, ob die bloße Absicht einer<br />
der Klägerinnen, aus dem möglichen Versicherungsfall Hinterbliebenenleistungen nach §§ 63 ff. SGB VII<br />
geltend zu machen, für sie selbst und die weitere Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen<br />
Feststellung begründen könnte.<br />
2. Berufskrankheit durch Einwirkung von Chrom trotz langjährigen Rauchens<br />
Neben Arbeitsunfällen gehören nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch Berufskrankheiten zu den Versicherungsfällen.<br />
Bei diesen handelt es sich um Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als<br />
Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3<br />
oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Den Katalog der Berufskrankheiten enthält Anlage 1 zur<br />
Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997, der wiederholt geändert und ergänzt wurde.<br />
Hinweis:<br />
Zuletzt wurde die Berufskrankheiten-Verordnung am 1.8.2017 geändert. Neu aufgenommen wurden:<br />
• Leukämie durch 1,3 Butadien (ein farbloses Gas, das insbesondere zur Weiterverarbeitung bei der<br />
Herstellung verschiedener Kunst- und Kautschuksorten sowie in der Kunststoffindustrie verwendet<br />
wird),<br />
• Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die u.a. bei der Arbeit in<br />
Druckereien, im Straßenbau sowie bei der Schornsteinreinigung entstehen,<br />
• die „Vokale Dystonie“ als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch<br />
feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität.<br />
Die Berufskrankheit Nr. 4113 (Lungenkrebs durch PAK) wird um die Erkrankung „Kehlkopfkrebs“ und die<br />
Berufskrankheit Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbest) um „Eierstockkrebs“<br />
erweitert.<br />
Der Versicherte der hier darzustellenden Entscheidung (BSG, Urt. v. 30.3.2017 – B 2 U 6/15 R) war als<br />
Maschinenschlosser in einem Stahlwerk von April 1977 bis Ende 1985 tätig. Bei seiner Tätigkeit als<br />
Schweißer war er u.a. Atemwegsbelastungen, insbesondere durch Chrom und Nickel, ausgesetzt. Die<br />
Chrom-Exposition betrug mehr als 300 Chrom-Jahre, die Nickelbelastung rund 196 Nickel-Jahre.<br />
Allerdings rauchte der Versicherte erheblich und zwar über einen Zeitraum von 20 Jahren mindestens 20<br />
Zigaretten täglich. Er erkrankte 2004 an einem Bronchialkarzinom und verstarb hieran. Die von der<br />
Ehefrau des Versicherten beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung dieser<br />
Erkrankung als Berufskrankheit Nr. 1103 BKV ab.<br />
Das BSG billigt die Feststellung des Berufungsgerichts, wonach die Dosis der Chrombelastung – für die<br />
nach heutiger Auffassung kein Grenzwert, sondern nur ein Orientierungswert existiert –, der er<br />
während seiner Versichertentätigkeit ausgesetzt war, (mit-)ursächlich für seine Erkrankung war. Das<br />
Gericht widerspricht aber der Auffassung des LSG, soweit im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung der<br />
Einwirkung durch Chrombelastung diejenige durch Tabakrauch gegenübergestellt und ziffermäßig<br />
abgewogen wird. Die Wesentlichkeit der berufsbedingten Krankheitsursache ist, so das BSG, vielmehr<br />
dann zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden<br />
unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten<br />
Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist. Eine solche Gegebenheit liegt hier vor, weil die gesetzliche<br />
Unfallversicherung im Rahmen der BK 1103 vor Erkrankungen, insbesondere vor Bronchialkarzinom,<br />
durch betriebliche Chrombelastungen schützen und im Fall des Eintritts einer solchen<br />
Erkrankung Leistungen gewähren soll. Die Normformulierung der BK 1103, insbesondere der Umstand,<br />
dass kein Schwellenwert festgeschrieben wurde, der überschritten sein muss, damit die BK festgestellt<br />
werden kann, zeigt, dass Chrom und seine Verbindungen auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft<br />
werden. Außerdem wird der Versicherte im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in dem<br />
gesundheitlichen Zustand geschützt, in dem er mit dem gefährdenden Stoff konfrontiert wird. Die<br />
40 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018