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ZAP-0118

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<strong>ZAP</strong><br />

Zeitschrift für die Anwaltspraxis<br />

1 2018<br />

4. Januar<br />

30. Jahrgang<br />

ISSN 0936-7292<br />

Herausgeber: Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider (†), Much • Rechtsanwalt Ekkehart Schäfer, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

• Rechtsanwalt beim BGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • Rechtsanwalt Martin W. Huff, Köln •<br />

Prof. Dr. Martin Henssler, Institut für Anwaltsrecht, Universität zu Köln • Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann,<br />

Bremen • Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg • Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen •<br />

Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Köln<br />

AUS DEM INHALT<br />

Kolumne<br />

Der kleine Rundumblick (S. 1)<br />

Anwaltsmagazin<br />

Neue Fachanwaltschaft für Opferrecht vorerst gescheitert (S. 2) • BFH verpflichtet zur Mitteilung<br />

mandatsbezogener Daten (S. 4) • Dienstleister bietet Hilfe für die Nutzung des beA an (S. 7)<br />

Aufsätze<br />

Horst, Aktuelle Fragen zu Generalvollmacht, Betreuungs‐ und Patientenverfügung (S. 15)<br />

Sartorius/Pattar, Rechtsprechungsübersicht zum Sozialrecht (S. 29)<br />

Pieske‐Kontny, Unternehmereigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts (S. 43)<br />

Eilnachrichten<br />

BAG: Wirkung einer Änderungsvereinbarung im befristeten Arbeitsverhältnis (S. 12)<br />

EGMR: Tragen religiöser Kopfbedeckung im Gerichtssaal (S. 13)<br />

BGH: Widerruf der Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (S. 14)<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

Bundesrechtsanwaltskammer


Inhaltsverzeichnis Fach Fach/Seite Heft/Seite<br />

Kolumne – – 1–2<br />

Anwaltsmagazin – – 2–8<br />

Eilnachrichten 1 1–6 9–14<br />

Horst, Aktuelle Fragen zu Generalvollmacht, Betreuungs‐<br />

und Patientenverfügung 12 357–370 15–28<br />

Sartorius/Pattar, Rechtsprechungs‐ und Literaturübersicht<br />

zum Sozialrecht – 1. Halbjahr 2017 18 1557–1570 29–42<br />

Pieske‐Kontny, Unternehmereigenschaft juristischer<br />

Personen des öffentlichen Rechts 20 639–644 43–48<br />

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Redaktionsbeirat<br />

Ass. jur. Dr. Helene Bubrowski, Frankfurt/M. (F 25) • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg (F 9, 21, 22, 22R) • Prof. Dr.<br />

Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. (F 2) • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. (F 6) • RA Dr. Lutz Förster, Brühl (F 12) • RA Dr.<br />

Andreas Geipel, München (F 13) • RA Dr. Peter Haas, Bochum (F 20) • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin (F 24) • RAin Dr.<br />

Annegret L. Harz, München (F 4, 4R, 7) • RA Prof. Dr. Bernd Hirtz, Köln (F 15) • RA Martin W. Huff, Köln (F 23) • RA Daniel Krause,<br />

Braunschweig (F 5) • RAin Dr. Kirstin Maaß, Köln (F 17, 17R) • RA a.D. Ralf Rödel, Málaga (F 19, 19R) • RA Dr. Ulrich Sartorius,<br />

Breisach a.R. (F 18) • RA Volker Simmer (F 3) • RiAG a.D. Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt (F 14) • RA Dr. Hubert W. van Bühren,<br />

Köln (F 10) • RiAG a.D. Dr. Wolfram Viefhues, Gelsenkirchen (F 11, 11R) • RA Guido Vierkötter, Neunkirchen-Seelscheid (F 16) • RA<br />

beim BGH Dr. Christian Zwade, Karlsruhe (F 8).<br />

Ständige Mitarbeiter<br />

Prof. Dr. Wilfried Alt, Frankfurt/M. • VorsRiVG Prof. Dr. Bernd Andrick, Gelsenkirchen • RiAG Prof. Dr. Ulf Börstinghaus, Gelsenkirchen<br />

• RiSG Thomas Bubeck, Freiburg • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg • VorsRiOLG Dr. Christoph Eggert, Düsseldorf •<br />

Prof. Dr. Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. • VorsRiLG a.D. Uwe Gottwald, Vallendar •<br />

RA Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Köln • RA Dr. Peter Haas, Bochum • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin • RA Dr.<br />

Wolfgang Hartung, Mönchengladbach • Prof. Dr. Martin Henssler, Köln • RA, Justitiar Haus u. Grund Hans Reinold Horst,<br />

Langenhagen • RiAG Ralph Kossmann, Wuppertal • Notar Dr. Hans-Frieder Krauß, Hof • RAuN Dr. Wilhelm Krekeler, Dortmund • RA<br />

Günter Lange, Haltern • RA Dr. Jörg Lauer, Mannheim • PräsSG a.D. RA Dr. Klaus Louven, Geldern • RA Dietmar Mampel, Bonn • RA<br />

Prof. Dr. Volkmar Mehle, Bonn • RA Prof. Dr. Ralf Neuhaus, Dortmund • RA Kai-Jochen Neuhaus, Dortmund • RA Dr. Mark Niehuus,<br />

Mühlheim a.d.R. • RA Prof. Dr. Hermann Plagemann, Frankfurt/M. • RA Prof. Dr. Hans-Jürgen Rabe, Hamburg • RiOLG a.D. Heinrich<br />

Reinecke, Lehrte • RA beim BGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • RA Dr. Kurt Reinking, Köln • RA Prof. Dr. Franz Salditt,<br />

Neuwied • RA Dr. Ulrich Sartorius, Breisach a.R. • PräsLG a.D. Kurt Schellhammer, Konstanz • RA Norbert Schneider, Neunkirchen •<br />

RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach • RiAG a.D. Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Köln • RiAG Prof. Dr. Heinz Vallender,<br />

Erftstadt • RA Dr. Hubert W. van Bühren, Köln • RA Prof. Dr. Hans-Friedrich Frhr. von Dörnberg, Dresden.<br />

Impressum<br />

Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte. Die Annahme zur Veröffentlichung erfolgt<br />

schriftlich. Mit der Annahme überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht. Eingeschlossen sind insb. die<br />

Befugnis zur Einspeicherung in eine Datenbank sowie das Recht der weiteren Vervielfältigung. Haftungsausschluss: Verlag und<br />

Autor/en übernehmen keinerlei Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der abgedruckten Inhalte. Insb. stellen<br />

(Formulierungs-)Hinweise, Muster und Anmerkungen lediglich Arbeitshilfen und Anregungen für die Lösung typischer Fallgestaltungen<br />

dar. Die Verantwortung für die Verwendung trägt der Leser. Urheber- und Verlagsrechte: Alle Rechte zur<br />

Vervielfältigung und Verbreitung sind dem Verlag vorbehalten. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen<br />

Einrichtungen. Anzeigenverwaltung: <strong>ZAP</strong> Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 53123 Bonn, E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de.<br />

Erscheinungsweise: zweimal im Monat. Bezugspreis: Jährlich 243,- € zzgl. MwSt. und Versandkosten. Der Abonnementsvertrag<br />

ist auf unbestimmte Zeit geschlossen; Preisänderungen bleiben vorbehalten. Abbestellungen müssen sechs Wochen zum<br />

Jahresende erfolgen. Verlag: <strong>ZAP</strong> Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 53123 Bonn, Telefon: 0228/91911-62, Telefax: 0228/91911-66, E-Mail:<br />

info@zap-verlag.de. Redaktion: RAin Eva Maria Marzinkowski (V.i.S.d.P.) – verantwortliche Redakteurin; Cordula Haak –<br />

Redaktionsassistentin, E-Mail: redaktion@zap-verlag.de.<br />

Druck: Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Schneckenlohe. ISSN 0936-7292


<strong>ZAP</strong><br />

Kolumne<br />

Kolumne<br />

Der kleine Rundumblick<br />

Der Jahreswechsel liegt hinter uns. Haben auch<br />

Sie einmal zurückgeschaut, was 2017 für Sie<br />

bereitgehalten hat? Und schauen Sie nun nach<br />

vorn, was Sie in 2018 erwartet?<br />

Der Blick zurück auf das Jahr 2017 fällt zunächst auf<br />

das Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie<br />

und zur Änderung weiterer Vorschriften im<br />

Bereich der rechtsberatenden Berufe (BGBl I 2017,<br />

S. 1121 ff.). Die Konkretisierungen im Zusammenhang<br />

mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach<br />

(beA) sind eine für die Praxis wichtige Hilfestellung<br />

– auch wenn diese angesichts der Anknüpfung<br />

der berufsrechtlichen Regelungen nach<br />

der BRAO (und damit auch des beA) am individuellen<br />

Rechtsanwalt der gegenwärtigen Situation nicht<br />

mehr gerecht wird. Diese ist von der Tätigkeit in<br />

Berufsausübungsgemeinschaften geprägt. Die Möglichkeit,<br />

eine weitere Kanzlei im beA einzurichten,<br />

hilft daher mit Blick auf die Einhaltung der Verschwiegenheit<br />

für Kanzleiwechsler und bei einer<br />

Tätigkeit in einer Sternsozietät. Sie ist jedoch kein<br />

Mittel, einen Kanzleibetrieb mit Blick auf die Einhaltung<br />

von Fristen adäquater zu organisieren.<br />

Die Regelung zur Handakte mit der nunmehr 6-jährigen<br />

Aufbewahrungsfrist darf nicht über die Notwendigkeit<br />

hinwegtäuschen, wegen der Haftungsgefahren<br />

die Akten zumindest bis zum Ablauf<br />

der potentiellen Verjährung und damit zumindest<br />

10 Jahre aufzubewahren.<br />

Die Kompetenzzuweisung an die Satzungsversammlung,<br />

die allgemeine Fortbildungspflicht zu<br />

konkretisieren, ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens<br />

leider gestrichen worden. Die in der<br />

Bundestagsdebatte hierzu vertretenen Auffassungen<br />

werden sicherlich in dieser Legislaturperiode<br />

nochmals einer kritischen Prüfung unterzogen<br />

werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass<br />

der inhaltlich begründete Appell der Satzungsversammlung,<br />

ihr die Kompetenz zuzuweisen,<br />

nicht ungehört verhallt.<br />

Der Blick nach vorn ist denn auch zunächst auf das<br />

beA gerichtet. Die Freischaltung liegt lange zurück.<br />

Alle Beteiligten haben sich bereits mehr oder<br />

weniger mit den technischen Gegebenheiten vertraut<br />

gemacht. Die hieraus folgende tägliche<br />

Aufgabe, die neuen technischen Möglichkeiten in<br />

den Kanzleialltag zu integrieren, ist nicht nur eine<br />

Aufgabe jedes einzelnen Berufsträgers. Sie wird<br />

auch die Gerichte fordern – mit Blick auf die<br />

Handhabung der Wiedereinsetzungsregelungen.<br />

Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Schutzes<br />

von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an<br />

der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen<br />

(BGBl I 2017, S. 3618 ff.) ist ein wichtiger Meilenstein<br />

für eine rechtssichere Berufsausübung beim Outsourcing<br />

von Leistungen geschaffen worden. Die<br />

Praxis wird nunmehr auf dem sicheren Fundament<br />

der Verpflichtungsmöglichkeiten das ihrige veranlassen,<br />

um dem hohen Stellenwert der Einhaltung<br />

der Verschwiegenheit im Interesse der Mandanten<br />

gerecht zu werden.<br />

Was kommt im neuen Jahr?<br />

Ab dem 1.1.2018 besteht die passive Nutzungspflicht<br />

für das beA. Zudem treten bei der Nutzung des beA<br />

die Neuregelungen für die Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses<br />

bei elektronischer Zustellung in<br />

Kraft. § 130 Nr. 1a ZPO ist mit Leben zu füllen, da<br />

nunmehr die elektronische Zustellung möglich ist.<br />

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Überlegungen<br />

zur Modernisierung des anwaltlichen<br />

Berufsrechts entwickeln und ob sich hieraus<br />

Schritte in Richtung einer großen BRAO-<br />

Reform ergeben, die die vermehrte Berufsausübung<br />

in Berufsausübungsgesellschaften in den<br />

Blick nimmt.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 1


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

Die Verbände arbeiten mit Elan an Überlegungen<br />

zu einem 3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz.<br />

Nachdem inzwischen wieder mehr als 4,5 Jahre<br />

seit der letzten Gebührenanpassung verstrichen<br />

sind, ist es Zeit, auch die Anwaltsvergütung an die<br />

zwischenzeitlichen Entwicklungen der Tariflöhne<br />

anzupassen und im Zusammenhang hiermit auch<br />

den strukturellen Anpassungsbedarf umzusetzen.<br />

Schaut man auf gesetzliche Neuregelungen, scheint<br />

es ruhig zu sein. Der Blick in den anwaltlichen Alltag<br />

zeigt aber, dass – zumindest gefühlt – die Anforderungen<br />

an die berufliche Tätigkeit vor dem<br />

Hintergrund der Digitalisierung und der Schnelligkeit,<br />

mit der Neuregelungen in Kraft treten und<br />

zuverlässig umgesetzt werden müssen, zunehmen.<br />

Wer, wenn nicht die Anwaltschaft, sollte sich mit<br />

ihrer bunten Vielfalt und der Fähigkeit zu strukturiertem<br />

Denken und Vorgehen diesen Herausforderungen<br />

widmen? In diesem Sinne wünsche ich Ihnen<br />

einen guten Start in das noch junge Jahr 2018!<br />

Rechtsanwältin EDITH KINDERMANN, Bremen<br />

Anwaltsmagazin<br />

Anwälte treten immer seltener<br />

vor Gericht auf<br />

Die Vertretung ihrer Mandanten vor Gericht verliert<br />

für die meisten Rechtsanwältinnen und<br />

Rechtsanwälte in Deutschland immer mehr an<br />

Bedeutung. Im Mittel treten sie sechs Mal pro<br />

Monat vor Gericht auf. Das geht aus einer<br />

repräsentativen Umfrage des Soldan Instituts<br />

hervor, für die 1.593 Anwälte befragt wurden. Der<br />

mit 35 % relativ höchste Anteil von ihnen erscheint<br />

sogar nur ein bis zweimal pro Monat vor Gericht;<br />

7 % der Befragten gaben an, gar nicht mehr vor<br />

Gericht aufzutreten.<br />

Unterschiede gab es bei einer Betrachtung nach<br />

den Tätigkeitsgebieten. Bei Anwälten mit den<br />

Tätigkeitsschwerpunkten im Straf-, Verkehrs-,<br />

Familien-, Versicherungs- und Sozialrecht spielen<br />

die Prozessmandate noch eine größere Rolle. Hingegen<br />

sind ihre Kollegen mit den Schwerpunkten<br />

Bilanz- und Steuerrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht,<br />

Wirtschaftsverwaltungsrecht oder Wettbewerbsrecht<br />

überwiegend beratend tätig.<br />

„Es lässt sich feststellen, dass sich in der Anwaltschaft<br />

ausgeprägte Hemisphären ausgebildet haben. Auf der<br />

einen Seite stehen Rechtsanwälte, die eher beratend und<br />

gestaltend tätig sind und überwiegend Unternehmen<br />

betreuen, auf der anderen Seite finden sich Berufskollegen,<br />

die sich auf die prozessuale und außerprozessuale<br />

Vertretung gegenüber Dritten fokussiert haben<br />

und vor allem Privatleute zu ihren Mandanten zählen“,<br />

erklärte Prof. Dr. MATTHIAS KILIAN, Direktor des<br />

Soldan Instituts, die Resultate der Erhebung.<br />

Ein weiterer Befund der Untersuchung ist, dass<br />

Methoden der alternativen Konfliktbeilegung wie<br />

etwa die Mediation in der Anwaltschaft bislang<br />

kaum eine Rolle spielen. Der Studie zufolge<br />

wenden Anwälte im Durchschnitt lediglich 3 %<br />

ihrer Arbeitszeit darauf. Knapp drei Viertel der<br />

Befragten gaben sogar an, in diesem Tätigkeitsfeld<br />

überhaupt nicht tätig zu sein. [Quelle: Soldan]<br />

Neue Fachanwaltschaft für<br />

Opferrecht vorerst gescheitert<br />

Anfang Dezember fand die 5. Sitzung der 6. Satzungsversammlung<br />

bei der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

statt. Auf der Agenda standen u.a.<br />

Änderungen im Bereich der Fachanwaltschaften<br />

2 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

und der Schutz des Anwaltsgeheimnisses bei der<br />

Mitwirkung Dritter (Stichwort „Outsourcing“).<br />

Beschlossen wurde eine Änderung beim Fachanwalt<br />

für Verkehrsrecht. Hier war nämlich<br />

Praktikern – 12 Jahre nach Einführung dieser<br />

Fachanwaltschaft – aufgefallen, dass die Aufzählung<br />

der Tätigkeitsbereiche unvollständig geblieben<br />

ist. Statt das gesamte „Verkehrsverwaltungsrecht“<br />

in den Kanon aufzunehmen, hatte es<br />

seinerzeit nur das „Recht der Fahrerlaubnis“ in<br />

die Aufzählung des § 14d FAO geschafft. Dieses<br />

Versehen wurde nun behoben.<br />

Nicht einigen konnte man sich in der Satzungsversammlung<br />

dagegen auf die Einführung einer<br />

neuen Fachanwaltschaft für Opferrechte. Diese<br />

neue Spezialisierung war bereits 2012 von der<br />

Justizministerkonferenz angeregt worden und<br />

wird seit rund vier Jahren in der Satzungsversammlung<br />

diskutiert. Der zuständige Ausschuss<br />

der Versammlung hat die Einführung anhand eines<br />

Kriterienkatalogs schließlich empfohlen. Beraten<br />

und vertreten soll der neue Fachanwalt der<br />

Empfehlung zufolge neben den klageberechtigten<br />

Opfern im Strafverfahren auch Personen, die<br />

Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz<br />

(OEG) geltend machen. Unterschätzt wurde allerdings<br />

der Widerstand seitens der bereits im<br />

Strafrecht und im Sozialrecht spezialisierten Kollegen.<br />

Sie befürchteten wohl verstärkten Wettbewerb<br />

in ihren angestammten Tätigkeitsgebieten<br />

und eine Zersplitterung der Zuständigkeitsbereiche.<br />

Immerhin konnten die Befürworter einer<br />

Erweiterung der FAO durchsetzen, dass der zuständige<br />

Ausschuss bis Anfang kommenden Jahres<br />

die Anforderungen an die theoretischen Kenntnisse<br />

einer Fachanwaltschaft Opferrecht sowie die<br />

Anforderungen an die Fallzahlen präzisiert. Im<br />

April 2018 will sich die Satzungsversammlung<br />

dann erneut mit dem Thema befassen.<br />

Dass die Einführung neuer Fachanwaltschaften<br />

nicht mehr so schnell gelingt wie bisher, dürfte<br />

sich auch bei den für die weitere Zukunft<br />

diskutierten Fachanwaltschaften für Verbraucherrecht<br />

und für Sportrecht zeigen. Sie sollen<br />

als nächste auf die Agenda kommen, weil ihre<br />

Befürworter darauf drängen, diese Tätigkeitsbereiche<br />

nicht der außeranwaltlichen Konkurrenz<br />

zu überlassen. Der Widerstand gegen neue<br />

Fachanwaltschaften wächst allerdings, viele Mitglieder<br />

der Satzungsversammlung sind der Meinung,<br />

dass die FAO inzwischen genügend Möglichkeiten<br />

der Spezialisierung bietet.<br />

Ein weiteres wichtiges Thema der Tagung war<br />

der Schutz der Mandantendaten in Zeiten<br />

zunehmender Digitalisierung. Ein als Gastredner<br />

geladener Vertreter des Bundesamtes für Sicherheit<br />

in der Informationstechnik (BSI) beleuchtete<br />

den Einsatz sog. Cloud-Dienste und<br />

kam zu dem Ergebnis, dass solche Lösungen<br />

mehr Sicherheit bieten könnten als die ausschließliche<br />

Datenaufbewahrung innerhalb der<br />

Kanzlei. Er empfahl Anwälten, sich mit diesen<br />

Speicherlösungen zu beschäftigen und hierbei<br />

insbesondere auf die vom BSI erarbeiteten<br />

Mindeststandards zu achten.<br />

[Red.]<br />

Opferentschädigung nach<br />

Terroranschlägen<br />

Opfer von Terroranschlägen sollen künftig umfassender<br />

betreut und besser entschädigt werden.<br />

Das sieht ein gemeinsamer Antrag der<br />

Bundestagsfraktionen von Union, SPD, FDP<br />

und Bündnis 90/Die Grünen vor (vgl. BT-Drucks<br />

19/234). Anlass sind die Erfahrungen nach dem<br />

Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am<br />

Berliner Breitscheidplatz vom Dezember 2016,<br />

bei dem zwölf Menschen starben und laut<br />

Bundesinnenministerium mehr als 70 zum Teil<br />

schwer verletzt wurden.<br />

Der Bundesbeauftragte für die Opfer und Hinterbliebenen<br />

des Terroranschlags, KURT BECK, habe<br />

auf Defizite hingewiesen, heißt es zur Begründung<br />

des Antrags. Diese beträfen die Sicherheitsbehörden<br />

wie auch die Lage der Opfer und<br />

Hinterbliebenen des Anschlags. Verbesserungen<br />

seien „zwingend erforderlich“, heißt es in dem<br />

Antrag. So sollten auf Bundes- und Landesebene<br />

zentrale Anlaufstellen für Opfer eines Terroranschlags<br />

und deren Angehörige geschaffen werden.<br />

Die Fachleute sollten auf die Betroffenen<br />

zugehen und die Regulierung der Entschädigungsansprüche<br />

verantwortlich koordinieren. Ferner<br />

sei zu prüfen, wie Opfer von Gewalttaten<br />

einen schnelleren und unbürokratischen Zugang<br />

zu Sofortmaßnahmen erhalten und professionell<br />

begleitet werden könnten.<br />

Auch die bisherige Höhe der Entschädigungszahlungen<br />

für Verletzte und Hinterbliebene von<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 3


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

terroristischen Straftaten aus Haushaltsmitteln<br />

des Bundes sollte überprüft werden, heißt es in<br />

dem Antrag der vier Fraktionen weiter. Dabei sei<br />

zu erwägen, ob künftig auch ein höheres Schmerzensgeld<br />

und der Ersatz materieller Schäden<br />

geleistet werden könnten.<br />

Opfer von Terroranschlägen müssten stets auch<br />

Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht<br />

für die Opfer von Gewalttaten bekommen<br />

können. Die Höhe der pauschalen Entschädigungen<br />

sollte überprüft werden. Zu prüfen sei ferner<br />

auch, ob die Leistungen der staatlichen Opferentschädigung<br />

allen Betroffenen in gleicher Höhe<br />

und unabhängig von ihrer Nationalität und Aufenthaltsdauer<br />

zur Verfügung gestellt werden<br />

könnten.<br />

[Quelle: Bundestag]<br />

BFH verpflichtet zur Mitteilung<br />

mandatsbezogener Daten<br />

Die Verschwiegenheitspflicht von Rechtsanwälten<br />

gilt nicht absolut. Der Bundesfinanzhof (BFH)<br />

hat kürzlich entschieden, dass ein Anwalt u.U.<br />

zur Offenbarung gegenüber den Steuerbehörden<br />

verpflichtet ist. Zu diesem Zweck fingierte der<br />

BFH eine Einwilligung des Mandanten.<br />

Die Entscheidung betrifft den Umsatzsteuerbereich<br />

mit Auslandsbezug: Wer Unternehmer<br />

aus einem anderen EU-Mitgliedstaat anwaltlich<br />

berät, muss dem Bundeszentralamt für Steuern<br />

eine sog. Zusammenfassende Meldung übermitteln,<br />

in der u.a. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer<br />

(USt-ID) des Leistungsempfängers,<br />

d.h. des Mandanten, anzugeben ist. Der<br />

BFH hat nun mit Urteil vom 27.9.2017 (XI R 15/15,<br />

<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 17/2018 – in diesem Heft) entschieden,<br />

dass Rechtsanwälte die Abgabe solcher<br />

Meldungen mit den darin geforderten Angaben<br />

nicht unter Berufung auf ihre anwaltliche<br />

Schweigepflicht verweigern dürfen.<br />

Im entschiedenen Fall erbrachte die Klägerin,<br />

eine Rechtsanwaltsgesellschaft, Leistungen aus<br />

anwaltlicher Tätigkeit an Unternehmer, die in<br />

anderen Mitgliedstaaten der EU ansässig sind.<br />

Der Ort der Leistungen lag somit nicht im Inland.<br />

Zudem waren die Leistungsempfänger in ihrem<br />

Ansässigkeitsstaat Steuerschuldner für die von<br />

der Klägerin bezogenen Leistungen. Dementsprechend<br />

erteilte die Klägerin Rechnungen<br />

ohne deutsche Umsatzsteuer. Die dann erforderliche<br />

Abgabe der „Zusammenfassenden Meldung“<br />

mit Angabe der USt-ID ihrer Mandanten<br />

verweigerte die Rechtsanwaltsgesellschaft allerdings<br />

unter Berufung auf die anwaltliche<br />

Schweigepflicht.<br />

Der BFH folgte dem nicht. Zwar stehe Rechtsanwälten<br />

im Besteuerungsverfahren gem. § 102<br />

AO tatsächlich ein Auskunftsverweigerungsrecht<br />

zu, das sowohl die Identität des Mandanten<br />

als auch die Tatsache seiner Beratung<br />

umfasse. Allerdings hätten die im EU-Ausland<br />

ansässigen Mandanten durch die Mitteilung der<br />

USt-ID gegenüber der Klägerin in deren Offenlegung<br />

mittels der „Zusammenfassenden Meldungen“<br />

eingewilligt. Dies ergebe sich aus dem<br />

EU-weit harmonisierten – und daher auch<br />

ausländischen Unternehmern als Leistungsempfängern<br />

bekannten – System der Besteuerung<br />

innergemeinschaftlicher Dienstleistungen.<br />

Ob § 18a UStG nicht ohnehin die anwaltliche<br />

Schweigepflicht zulässigerweise einschränkt,<br />

konnte aus Sicht des BFH deshalb offenbleiben.<br />

[Quelle: BFH]<br />

Raumordnungsbericht sagt<br />

anhaltende Landflucht voraus<br />

Ende 2015 lebten 82,2 Mio. Menschen in Deutschland<br />

und damit etwa 2 Mio. mehr als 1990. Das<br />

geht aus dem Raumordnungsbericht 2017 hervor,<br />

der als Unterrichtung durch die Bundesregierung<br />

vorliegt (vgl. BT-Drucks 18/13700). Von<br />

1990 bis 2015 sind dem Bericht zufolge 5 Mio.<br />

Menschen zugewandert, vor allem in die Großstädte<br />

und ihre Ballungsräume. In vielen ländlichen<br />

Regionen nehme die Bevölkerungszahl<br />

dagegen stetig ab. Derzeit würden 68 von 401<br />

Kreisen (einschließlich kreisfreier Städte) in<br />

Deutschland mit weniger als 100 Einwohnern<br />

pro Quadratkilometer als „dünn besiedelt“ gelten,<br />

heißt es. Bis 2035 könnte nach Regierungsangaben<br />

jeder siebte Kreis (51 Kreise) in den alten und<br />

jeder zweite Kreis (45 Kreise) in den neuen<br />

Bundesländern in diese Kategorie fallen.<br />

„Während periphere Landgemeinden überwiegend<br />

Bevölkerung verloren haben, haben vor allem die<br />

4 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

Großstädte und Großstadtregionen zwischen 2005<br />

und 2015 über 1,4 Mio. Einwohner dazu gewonnen“,<br />

schreibt die Bundesregierung. Im gleichen Zeitraum<br />

seien 37 % der Mittelstädte und 52 %<br />

der Kleinstädte geschrumpft. Die zugrunde liegenden<br />

Wanderungsmuster dürften nach<br />

Ansicht der Regierung auch künftig Bestand haben:<br />

Insgesamt fänden pro Jahr etwa 2,6 Mio.<br />

Zu- oder Fortzüge über Kreisgrenzen hinweg<br />

statt – etwa 32 Wanderungen pro 1.000 Einwohner.<br />

Laut dem Bericht liegt das Durchschnittsalter<br />

der Bevölkerung in Deutschland derzeit bei 44,3<br />

Jahren. Im Jahr 2035 werde es nach einer<br />

Raumordnungsprognose des Bundesinstitutes<br />

für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)<br />

auf 47,3 Jahre steigen. Während die meisten<br />

Großstädte ihre Altersstruktur durch Zuwanderung<br />

stabil halten könnten, steige der Altersdurchschnitt<br />

in vielen ländlichen Regionen und<br />

Umlandregionen der Großstädte im Verhältnis<br />

stärker an.<br />

Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung<br />

stellen die ambulante ärztliche Versorgung<br />

und die Versorgung mit Arzneimitteln<br />

einen zentralen Bestandteil der Daseinsvorsorge<br />

dar, schreibt die Bundesregierung. Ihrer Ansicht<br />

nach gibt es in Deutschland zwar keinen generellen<br />

Ärztemangel. Es gebe jedoch regionale<br />

Unterschiede bei den Entfernungen zum Hausund<br />

Facharzt sowie in der Versorgung, zumal in<br />

den dünn besiedelten Räumen bereits heute die<br />

Nachfolgeregelung oft schwieriger als in Städten<br />

und urbanen Räumen zu leisten sei. In den<br />

Landgemeinden hätten derzeit knapp 20 % der<br />

Bevölkerung einen Hausarzt in einer fußläufigen<br />

Erreichbarkeit von einem Kilometer.<br />

Gestiegen ist laut dem Raumordnungsbericht<br />

2017 die Zahl der pflegebedürftigen Menschen.<br />

Sie habe 2015 bei 2,9 Mio. Menschen und damit<br />

fast 50 % höher als noch 1999 gelegen. Nach der<br />

Raumordnungsprognose werde bis 2035 die<br />

demografisch bedingte Nachfrage nach Pflegeleistungen<br />

in allen Teilräumen West- und Ostdeutschlands<br />

erheblich zunehmen, heißt es in<br />

dem Bericht, in dem auch auf den gestiegenen<br />

Anteil der Abiturienten an allen Schulabgängern<br />

eingegangen wird, der – ebenso wie die Quote<br />

der Schulabgänger ohne Abschluss – regional<br />

unterschiedlich ausfalle. Thematisiert wird in<br />

der Vorlage auch das Angebot des Öffentlichen<br />

Personennahverkehrs (ÖPNV).<br />

[Quelle: Bundesregierung]<br />

Verbraucherverschuldung steigt<br />

weiter an<br />

Die Überschuldung von Privatpersonen in<br />

Deutschland ist seit 2014 zum vierten Mal in<br />

Folge angestiegen, allerdings weniger stark als zu<br />

befürchten war. Dies meldete der Finanzdienstleister<br />

Creditreform Anfang November. Danach<br />

wurde zum Stichtag 1. Oktober für die gesamte<br />

Bundesrepublik eine Überschuldungsquote von<br />

10,04 % gemessen. Damit sind über 6,9 Mio.<br />

Bürger über 18 Jahre überschuldet und weisen<br />

nachhaltige Zahlungsstörungen auf. Dies sind<br />

rund 65.000 Personen mehr als noch im letzten<br />

Jahr (+ 0,9 %). Die Überschuldungsquote sinkt<br />

insgesamt aber leicht, da die Bevölkerung nochmals<br />

spürbar zugenommen hat.<br />

Der aktuelle Anstieg der Überschuldungszahlen<br />

beruht im Gegensatz zu den letzten Jahren auf<br />

einer gleichzeitigen Zunahme der Fälle mit hoher<br />

und mit geringer Überschuldungsintensität. Die<br />

Zahl der Fälle mit juristischen Sachverhalten<br />

nahm in den letzten zwölf Monaten um rund<br />

53.000 Fälle zu (+ 1,2 %), die Zahl der Fälle mit<br />

nachhaltigen Zahlungsstörungen um rund 12.000<br />

Fälle (+ 0,5 %). Allerdings sinkt der Anstieg der<br />

harten Überschuldungsfälle im Vergleich zum<br />

Vorjahr deutlich. Hingegen nimmt die Zahl<br />

der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität<br />

erstmals seit 2011/2012 wieder zu – und dies<br />

ausschließlich in Westdeutschland. Derzeit sind<br />

rund 4,22 Mio. Menschen in Deutschland in einer<br />

dauerhaften Überschuldungsspirale (2006/2017:<br />

+ 822.000 Fälle).<br />

Die Überschuldungsquote liegt aktuell in den<br />

neuen Bundesländern (10,42 %; - 0,1 Punkte,<br />

ohne Berlin) zum sechsten Mal in Folge (wie<br />

auch bis 2008) über dem Vergleichswert im<br />

Westen (9,97 %; - 0,03 Punkte). Insgesamt sind<br />

in diesem Jahr im Westen rund 5,79 Mio. Personen<br />

als überschuldet zu betrachten, im Osten<br />

Deutschlands sind dies rund 1,12 Mio. Personen.<br />

Alles in allem hat sich 2017 der Anstiegstrend im<br />

Vergleich zum letzten Jahr sowohl im Osten wie<br />

auch im Westen Deutschlands wieder verlangsamt.<br />

Die entsprechenden Vergleichswerte zeig-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 5


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

ten aber, dass sich die Überschuldungsspirale im<br />

Westen weiterhin schneller drehe als im Osten.<br />

Der (prozentuale) Anstieg der Fälle mit hoher<br />

Überschuldungsintensität sei im Westen (+ 1,3 %)<br />

weiterhin stärker ausgeprägt als im Osten<br />

(+ 0,9 %). Zugleich nehme auch in diesem Jahr<br />

die Zahl der Fälle mit nachhaltigen Zahlungsstörungen<br />

im Osten ab (- 0,8 %), während sie im<br />

Westen erstmals seit 2011/2012 wieder zunehme<br />

(+ 0,7 %). Auch deshalb falle die absolute<br />

Zunahme der Überschuldungsfälle im Westen<br />

Deutschlands (+ 62.000 Fälle) deutlich stärker<br />

aus als im Osten (+ 3.000 Fälle).<br />

Die weiterhin negative Entwicklung spiegelt sich<br />

auch im Vergleich der Überschuldungszahlen<br />

nach Bundesländern wider. So weisen zwar<br />

zwölf Bundesländer einen Rückgang der Überschuldungsquote<br />

auf, aber nur ein Bundesland<br />

weist auch einen Rückgang der Überschuldungsfälle<br />

auf (Brandenburg: 10,02 %; - 0,12<br />

Punkte; - 1.000 Überschuldungsfälle). Die<br />

stärksten Anstiege verzeichnen Bayern (7,47 %;<br />

+ 0,11 Punkte) und Sachsen (9,97 %; + 0,08<br />

Punkte). Diese Bundesländer, zudem Baden-<br />

Württemberg (8,31 %; - 0,03 Punkte), Thüringen<br />

(9,25 %; + 0,01 Punkte), Hessen (9,99 %; - 0,08<br />

Punkte) und Brandenburg bleiben damit unterhalb<br />

der Überschuldungsquote für ganz<br />

Deutschland. Bayern und Baden-Württemberg<br />

führen weiterhin fast traditionell das Ranking<br />

der Bundesländer an. Thüringen verbleibt seit<br />

2013 auf Rang drei. Auffällig ist jedoch, dass die<br />

Anstiege der Überschuldungsfälle in Bayern seit<br />

2015 über denen in NRW und in Baden-Württemberg<br />

liegen.<br />

Bei einer geschlechterspezifischen Betrachtung<br />

zeigt sich, dass in diesem Jahr in Deutschland<br />

rund 7,61 % der Frauen über 18 Jahre (2016:<br />

7,55 %) als überschuldet und zumindest nachhaltig<br />

zahlungsgestört gelten können. Bei Männern<br />

sind dies aktuell 12,59 % (2016: 12,72 %). Die<br />

Zahl der Überschuldungsfälle nahm in diesem<br />

Jahr bei den Frauen stärker zu (2,7 Mio.; + 39.000<br />

Fälle) als bei den Männern (4,2 Mio.; + 26.000<br />

Fälle).<br />

Das Thema „Altersüberschuldung“ bleibt virulent<br />

und zeigt einen weiter ansteigenden<br />

Trend. 2017 müssen rund 194.000 Menschen in<br />

Deutschland ab 70 Jahren als überschuldet<br />

eingestuft werden (+ 20.000 Fälle; + 12 %). Die<br />

entsprechende Überschuldungsquote (1,50 %;<br />

+ 0,16 Punkte) liegt weiterhin deutlich unter<br />

den Vergleichswerten der anderen Altersgruppen.<br />

Der Anstiegstrend ist im Mehrjahresvergleich<br />

2013–2017 mit plus 76 % allerdings überdurchschnittlich.<br />

Im Gegensatz dazu ist die<br />

Überschuldungszahl und -quote in der jüngsten<br />

Altersgruppe in diesem Jahr nochmals zurückgegangen.<br />

Die Überschuldungsquote beträgt<br />

hier 14,06 % (- 0,45 Punkte). Allerdings müssen<br />

weiterhin rund 1,66 Mio. junge Menschen in<br />

Deutschland (unter 30 Jahre) als überschuldet<br />

eingestuft werden (- 6.000 Fälle).<br />

Zudem zeigt eine Sonderauswertung nach Milieuzugehörigkeit,<br />

dass fast alle neuen Überschuldungsfälle<br />

aus der „Mitte der Gesellschaft“<br />

stammen (4,38 Mio.; + 69.000 Fälle) – die Zahl<br />

der Überschuldungsfälle aus den „gehobeneren<br />

Schichten“ (1,76 Mio.; - 3.000 Fälle) hat in diesem<br />

Jahr ebenso wie in den „unteren Schichten“<br />

(0,77 Mio.; - 1.000 Fälle) leicht abgenommen.<br />

Das diesjährige Sonderthema des Berichts („Die<br />

angegriffene Mitte“) befasste sich daher auch mit<br />

den Folgen von Überschuldung auf Mittelschichtfamilien<br />

in Deutschland: Die Identität<br />

von Familien aus der Mittelschicht werde erschüttert,<br />

wenn diese in Überschuldung und<br />

Privatinsolvenz geraten. Überschuldung zeige<br />

sich in jedem Fall als massiver Einschnitt in das<br />

normale Leben und führe die Betroffenen oft in<br />

eine „Schockstarre“.<br />

Für die nahe Zukunft rechnen die Verfasser der<br />

Studie nicht mit einer nachhaltigen Entspannung<br />

der privaten Überschuldungslage in Deutschland.<br />

[Quelle: Creditreform]<br />

Unternehmensinsolvenzen<br />

gesunken<br />

Während die Verbraucherinsolvenzen jüngst wieder<br />

gestiegen sind (vgl. vorstehende Meldung),<br />

meldet das Statistische Bundesamt für den<br />

Monat August im Unternehmensbereich sinkende<br />

Zahlen. 1.712 Unternehmensinsolvenzen<br />

berichteten die Amtsgerichte an das Bundesamt,<br />

das waren 4,3 % weniger als im Vergleichsmonat<br />

des vergangenen Jahres.<br />

Die meisten Insolvenzen gab es mit 331 Fällen<br />

im Wirtschaftsbereich Handel (einschließlich In-<br />

6 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

standhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen).<br />

265 Insolvenzanträge stellten Unternehmen<br />

des Baugewerbes. Im Wirtschaftsbereich Erbringung<br />

von freiberuflichen, wissenschaftlichen und<br />

technischen Dienstleistungen wurden 219 Insolvenzanträge<br />

gemeldet.<br />

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger<br />

aus beantragten Unternehmensinsolvenzen<br />

bezifferten die Amtsgerichte für August 2017 auf<br />

rund 4,5 Milliarden Euro. Im August 2016 hatten<br />

sie bei 1,7 Milliarden Euro gelegen. Dieser Anstieg<br />

der Forderungen bei gleichzeitigem Rückgang<br />

der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist nach<br />

Angaben des Statistischen Bundesamtes darauf<br />

zurückzuführen, dass die Gerichte im August<br />

2017 mehr Insolvenzen von wirtschaftlich bedeutenden<br />

Unternehmen registriert hatten als<br />

im August 2016.<br />

Auf Basis der bisherigen Entwicklung rechnet das<br />

Amt für das gesamte Jahr 2017 mit rund 20.400<br />

Unternehmensinsolvenzen (2016: 21.518). Das wäre<br />

die niedrigste Zahl an Unternehmensinsolvenzen<br />

seit Einführung der Insolvenzordnung im<br />

Jahr 1999.<br />

[Quelle: Destatis]<br />

Zahl offener Haftbefehle bei<br />

rechtsextremistischen Straftätern<br />

Zum Stichtag 25. September haben im Polizeilichen<br />

Informationssystem (INPOL-Z) bzw.<br />

im Schengener Informationssystem (SIS II)<br />

insgesamt 648 Fahndungen aufgrund von Haftbefehlen<br />

im Phänomenbereich der politisch<br />

rechts motivierten Kriminalität vorgelegen. Abzüglich<br />

der Haftbefehle ausländischer Behörden<br />

(acht Fahndungen) richteten sich diese<br />

gegen insgesamt 501 Personen, die aufgrund<br />

polizeilicher Erkenntnisse diesem Phänomenbereich<br />

zugeordnet wurden. Dies geht aus einer<br />

Antwort der Bundesregierung auf eine<br />

Kleine Anfrage im Bundestag hervor (BT-Drucks<br />

19/144).<br />

Wie die Bundesregierung weiter ausführt, bestand<br />

zu dem Stichtag zu insgesamt 114 Personen<br />

mindestens ein offener Haftbefehl, dem ein<br />

Gewaltdelikt zugrunde lag. Gegen zehn dieser<br />

Personen hätten mehrere Haftbefehle aufgrund<br />

von Gewaltdelikten vorgelegen. Zu 23 der 114<br />

Personen sei ein Haftbefehl aufgrund einer politisch<br />

motivierten Gewalttat in INPOL-Z verzeichnet<br />

gewesen. [Quelle: Bundesregierung]<br />

Dienstleister bietet Hilfe für die<br />

Nutzung des beA an<br />

Ab dem 1. Januar gilt für alle Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte in Deutschland eine zumindest<br />

passive Nutzungspflicht für das besondere<br />

elektronische Anwaltspostfach (beA). Dies bedeutet,<br />

dass man regelmäßig die Post aus seinem<br />

Postfach abrufen muss.<br />

Doch nach Angaben der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

sind derzeit immer noch nicht alle Kolleginnen<br />

und Kollegen zur Nutzung des beA<br />

bereit. Damit allen denjenigen, die sich immer<br />

noch nicht mit der digitalen Anwaltspost anfreunden<br />

können, hier keine Rechtsnachteile<br />

drohen, bietet der Dienstleister Soldan verschiedene<br />

(kostenpflichtige) Optionen an, mit deren<br />

Hilfe man sich die Nutzung des beA deutlich<br />

vereinfachen kann. Interessierte können zwischen<br />

zwei Varianten wählen:<br />

• Die vollständigen Digitalverweigerer unter den<br />

Kollegen können sich die zugehenden Nachrichten<br />

als Dienstleistung ausdrucken und auf<br />

dem traditionellen Postweg zuschicken lassen.<br />

Konkret funktioniert dies so, dass ein<br />

zentraler Soldan-Server regelmäßig das betreffende<br />

beA-Postfach abruft und die beA-<br />

Nachrichten an die Deutsche Post weiterleitet.<br />

Diese druckt dann in ihrem Ausdruckzentrum<br />

die Nachrichten aus, kuvertiert sie und stellt sie<br />

dann per Postboten zu.<br />

• Bei der zweiten Option werden die beA-Nachrichten<br />

nicht per Post, sondern per (normaler)<br />

E-Mail an den betreffenden Kollegen zugestellt.<br />

Dies wird in der Form eingerichtet, dass auf<br />

dem Kanzleiserver eine Zusatzsoftware installiert<br />

wird, die den Nachrichtenabruf aus dem<br />

beA automatisiert und für eine Weiterleitung an<br />

die eigene E-Mail-Adresse sorgt.<br />

Für beide Varianten stellt Soldan 19 € pro Monat in<br />

Rechnung. Darüber hinaus bietet der Kanzleidienstleister<br />

weitere Hilfestellungen an, die je<br />

nach Umfang berechnet werden, etwa einen<br />

Einrichtungsservice oder eine Firewall. Interessierte<br />

können sich auf der Webseite des Kanzleispezialisten<br />

unter www.soldan.de informieren. [Red.]<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 7


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

EU-Kommission verklagt<br />

Deutschland<br />

Die Kommission hat Anfang Dezember mitgeteilt,<br />

dass sie Deutschland, Frankreich und Belgien vor<br />

dem Gerichtshof der Europäischen Union verklagen<br />

wird. Diese Länder hätten es nämlich<br />

versäumt, die EU-Rechtsvorschriften über die<br />

Anerkennung von Berufsqualifikationen (Richtlinie<br />

2013/55/EU) vollständig umzusetzen.<br />

Die genannte Richtlinie hätte bis Mitte Januar<br />

2016 in nationales Recht umgesetzt werden<br />

müssen. Die Kommission übermittelte im September<br />

2016 mit Gründen versehene Stellungnahmen<br />

an die belgischen, französischen und<br />

deutschen Behörden. Bislang hätten diese Länder<br />

der Kommission aber noch immer nicht die<br />

vollständige Umsetzung der Richtlinie gemeldet.<br />

Obwohl vor allem in Deutschland und Frankreich<br />

„beträchtliche Fortschritte“ erzielt worden seien,<br />

habe die Kommission beschlossen, die drei Länder<br />

vor dem EuGH zu verklagen.<br />

Die Berufsanerkennungsrichtlinie hat in Deutschland<br />

u.a. zur Änderung des Gesetzes zur Tätigkeit<br />

europäischer Rechtsanwälte in Deutschland<br />

(EuRAG) geführt, das allerdings erst im Mai dieses<br />

Jahres verkündet werden konnte; hierzulande<br />

besser bekannt wurde die Novelle als „Kleine<br />

BRAO-Reform“, in der u.a. auch die Nutzungspflicht<br />

des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs<br />

(beA) und die Zustellung von Anwalt zu<br />

Anwalt geregelt wurden (vgl. dazu näher <strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin 12/2017, S. 608).<br />

Diese deutsche Umsetzung sieht die Kommission<br />

allerdings als nicht ausreichend an. Sie will nun<br />

beim EuGH beantragen, für Deutschland ein<br />

Zwangsgeld von 62.203,68 € pro Tag vom Tag<br />

der Urteilsverkündigung an bis zur vollständigen<br />

Umsetzung der Richtlinie und dem Inkrafttreten<br />

im nationalen Recht festzusetzen.<br />

[Quelle: EU-Kommission]<br />

Personalia<br />

Anfang Dezember ist der Richter des BVerfG<br />

Dr. h.c. WILHELM SCHLUCKEBIER nach 11-jähriger<br />

Amtszeit aus dem Amt geschieden. Dr. SCHLU-<br />

CKEBIER war zunächst Oberstaatsanwalt und später<br />

Richter am BGH, bevor er im Jahr 2006 vom<br />

Bundestag zum Richter des BVerfG gewählt<br />

wurde. Dort war er im Ersten Senat als Berichterstatter<br />

an bedeutenden Entscheidungen beteiligt,<br />

etwa zu den Ladenöffnungszeiten an Sonnund<br />

Feiertagen (BVerfGE 125, 39), zum Recht der<br />

offenen Vermögensfragen nach der Deutschen<br />

Einheit (BVerfGE 126, 331), zum Kopftuchverbot<br />

für Lehrkräfte (BVerfGE 138, 296) sowie zum<br />

Schutz des Karfreitags als stiller Feiertag (BVerfGE<br />

143, 161). Hinzu kommen Sondervoten u.a. zur<br />

Vorratsdatenspeicherung (BVerfGE 125, 260, 364).<br />

Zu seinem Nachfolger im Senat wurde der<br />

bisherige Vizepräsident des BVerwG, Dr. JOSEF<br />

CHRIST, ernannt.<br />

Bereits im Oktober ist die Richterin am BGH<br />

GABRIELE SCHUSTER kurz vor Vollendung ihres 61.<br />

Lebensjahres verstorben. Frau SCHUSTER war zunächst<br />

als Richterin am Bundespatentgericht<br />

tätig, bevor sie 2010 an den BGH berufen wurde.<br />

Dort gehörte sie zunächst dem vorübergehend<br />

eingerichteten Xa. Zivilsenat an und wechselte<br />

später in den für Patent- und Gebrauchsmusterstreitsachen<br />

X. Zivilsenat.<br />

In seiner Vollversammlung im November hat der<br />

Council of Bars and Law Societies of Europe<br />

(CCBE) die Berliner Rechtsanwältin und Strafverteidigerin<br />

Dr. MARGARETE GRÄFIN VON GALEN zur<br />

3. Vizepräsidentin gewählt. VON GALEN engagiert<br />

sich seit vielen Jahren u.a. im Ausschuss Europarecht<br />

der BRAK und im CCBE; von 2004 bis<br />

2009 war sie als erste Frau Präsidentin der RAK<br />

Berlin. Mit der Wahl VON GALENS gibt es nach über<br />

zehn Jahren wieder ein deutsches Mitglied im<br />

Präsidium des CCBE.<br />

[Quellen: BVerfG/BGH/BRAK]<br />

8 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Eilnachrichten 2018 Fach 1, Seite 1<br />

Eilnachrichten<br />

Volltext-Service: Die Entscheidungsvolltexte zu den <strong>ZAP</strong> Eilnachrichten können Sie online kostenlos bei<br />

unserem Kooperationspartner juris abrufen, Anmeldung unter www.juris.de. Einzelheiten zum Anmeldevorgang<br />

finden Sie auf unserer Homepage www.zap-verlag.de/zap/service. Sie sind Neu-Abonnent? Dann<br />

schicken Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Neu-Abonnement“ an freischaltcode-zap@zap-verlag.de<br />

und erhalten so Ihre Zugangsdaten.<br />

Allgemeines Zivilrecht<br />

Facebook: Negative Äußerungen in einem Blogbeitrag sind u.U. hinzunehmen<br />

(OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017 – 16 U 255/16) • Der objektive Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB kann mit Blick<br />

auf den Geschäftsbetrieb eines Caterers durch beanstandete Äußerungen erfüllt sein, wenn die Äußerungen<br />

einen unmittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen, der auch<br />

betriebsbezogen erfolgt ist. Dies kann bei einer namentlichen Nennung des Betriebs und der darauf bezogenen<br />

Äußerung „Finger weg von diesem Caterer! Wählt einen anderen Caterer!“ in einem Facebook-<br />

Blogbeitrag der Fall sein. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist allerdings nur dann rechtswidrig, wenn<br />

das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Dabei ergibt<br />

sich die Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Rechts am Gewerbebetrieb erst aus einer Interessen- und<br />

Güterabwägung mit der im Einzelfall kollidierenden Interessensphäre anderer und ihrer Grundrechte. Bei der<br />

Abwägung sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu beachten. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 1/2018<br />

Kaufvertragsrecht<br />

Grundstückskaufvertrag: Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten<br />

(BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 11/17) • Bei einem Grundstückskaufvertrag sind an die Verletzung vorvertraglicher<br />

Schutzpflichten strengere Anforderungen zu stellen. Bei einem solchen Vertrag löst die<br />

Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann<br />

Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine<br />

besonders schwerwiegende, i.d.R. vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt. Es stellt keine besonders<br />

schwerwiegende Treuepflichtverletzung des (potentiellen) Verkäufers eines Grundstücks dar, wenn er –<br />

bei wahrheitsgemäßer Erklärung seiner Abschlussbereitschaft – dem Kaufinteressenten nicht offenbart,<br />

dass er sich vorbehält, den Kaufpreis zu erhöhen. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen<br />

scheidet deshalb aus. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 2/2018<br />

Miete/Nutzungen<br />

Mieterhöhung: Wirksamkeit bei preisgebundenem Wohnraum<br />

(BGH, Urt. v. 20.9.2017 – VIII ZR 250/16) • Im Falle der Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel<br />

darf der Vermieter preisgebundenen Wohnraums grds. gem. § 10 Abs. 1 S. 1 WoBindG die Kostenmiete<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 9


Fach 1, Seite 2 Eilnachrichten 2018<br />

einseitig um den Zuschlag nach § 28 Abs. 4 S. 2 II. BV erhöhen. Er ist nicht verpflichtet, dem Mieter eine<br />

wirksame Abwälzungsklausel anzubieten oder ein entsprechendes Angebot des Mieters anzunehmen.<br />

Hinweis: Beruft sich der Mieter preisgebundenen Wohnraums darauf, dass eine vereinbarte Schönheitsreparaturklausel<br />

unwirksam ist, so kann dieser Schuss nach hinten losgehen. Im Ergebnis könnte der<br />

Vermieter dann den sich aus § 28 Abs. 4 II. BV ergebenden Zuschlag verlangen. Es ist daher angezeigt, zu<br />

prüfen, ob eine Mitteilung des Mieters gegenüber dem Vermieter erfolgen kann, dass er die an sich<br />

unwirksame Schönheitsreparaturklausel gegen sich gelten lassen möchte. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 3/2018<br />

Bauvertragsrecht<br />

Architektenvertrag: Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das SchwarzArbG<br />

(OLG Hamm, Urt. v. 18.10.2017 – 12 U 115/16) • Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB, § 1 Abs. 2 Nr. 2<br />

SchwarzArbG hinsichtlich eines Architektenvertrags tritt auch ein, wenn die Vertragsparteien erst<br />

nachträglich und in Bezug auf einen Teil des Architektenhonorars eine „Ohne-Rechnung-Abrede“<br />

treffen. Eine isolierte Betrachtung der „Ohne-Rechnung-Abrede“ berücksichtigte nicht hinreichend den<br />

verfolgten Zweck, den ursprünglich geschlossenen Vertrag an die neu vereinbarten Konditionen<br />

anzupassen und damit abzuändern. Die Nichtigkeit des Architektenvertrags führt dazu, dass Mängelansprüche<br />

des Auftraggebers ausgeschlossen sind. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 4/2018<br />

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />

WEG: Ausübungsbefugnis des Verbandes für bestimmte Ansprüche<br />

(BGH, Urt. v. 13.10.2017 – VZR45/17)• Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum<br />

an dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB – anders als etwa für Schadensersatzansprüche – besteht keine<br />

geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene<br />

Ausübungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG. Dies gilt nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen<br />

anderen Wohnungseigentümer richten, sondern auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der<br />

Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 5/2018<br />

Straßenverkehrsrecht<br />

Vorfahrt: Radweg, Fahrradhelm<br />

(OLG Hamm, Urt. v. 4.8.2017 – 9 U 173/16) • Der den für seine Fahrtrichtung nicht freigegebenen Radweg<br />

benutzende Fahrradfahrer behält gegenüber aus untergeordneten Straßen einbiegenden Verkehrsteilnehmern<br />

das Vorfahrtsrecht. Der Fahrradfahrer muss sich in diesen Fällen gem. § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB<br />

ein anspruchsminderndes Mit- bzw. Eigenverschulden entgegenhalten lassen, weil er durch sein Verhalten<br />

gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO verstoßen hat. Der Verzicht auf einen Fahrradhelm begründet auch für einen<br />

Unfall aus dem Jahre 2013 keine Anspruchskürzung. Die Verletzung des Vorfahrtsrechts und die Benutzung<br />

eines nicht für die konkrete Fahrtrichtung freigegebenen Radwegs rechtfertigt eine Haftungsverteilung von<br />

1/3 zu 2/3 zu Lasten des die Vorfahrt verletzenden Kraftfahrers. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 6/2018<br />

Versicherungsrecht<br />

Unfallversicherung: Auslegung einer Kündigungs-Klausel in den AUB 2000<br />

(BGH, Urt. v. 18.10.2017 – IV ZR 188/16) • Die Regelung in Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen<br />

(hier: Nr. 10.3 AUB 2000), wonach der Vertrag durch den Versicherungsnehmer oder den Versicherer<br />

durch Kündigung beendet werden kann, wenn der Versicherer eine Leistung erbracht hat, ist dahin<br />

auszulegen, dass das Kündigungsrecht mit der ersten Leistung beginnt. Hierfür spricht bereits der<br />

10 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Eilnachrichten 2018 Fach 1, Seite 3<br />

Wortlaut der Klausel. Danach kann der Vertrag durch jede Vertragspartei beendet werden, wenn der<br />

Versicherer „eine Leistung erbracht“ hat. Auch aus dem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und<br />

Zweck der Klausel erschließt sich ihm nicht, dass dem Versicherer jeweils ein neues Kündigungsrecht für<br />

den gesamten Vertrag zusteht, sobald er eine Teilleistung erbracht hat. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 7/2018<br />

Familienrecht<br />

Mitvormundschaft: Bestellung eines Rechtsanwalts für unbegleiteten Flüchtling<br />

(BGH, Beschl. v. 13.9.2017 – XII ZB 497/16) • Nach § 1773 Abs. 1 BGB erhält ein Minderjähriger einen<br />

Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person<br />

noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt<br />

sind. Gemäß § 1775 S. 2 BGB besteht der Vorrang der Einzelvormundschaft. Nur aus besonderen Gründen<br />

können dem Mündel mehrere Vormünder bestellt werden. Nach § 1779 Abs. 2 S. 1 BGB soll das Gericht<br />

eine Person auswählen, die zur Führung der Vormundschaft geeignet ist. Letzteres ist bei einem zum<br />

Vormund bestellten Jugendamt stets der Fall. Die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Mitvormund für<br />

einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling zur Vertretung in ausländerrechtlichen Angelegenheiten<br />

einschließlich des Asylverfahrens ist auch dann unzulässig, wenn es dem Vormund an (einschlägiger)<br />

juristischer Sachkunde fehlt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 8/2018<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

Ehegattentestament: Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments<br />

(OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2017 – 10 U 75/16) • Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen eines<br />

gemeinschaftlich errichteten Testaments wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung<br />

des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Verfügungen, die im<br />

Wechselbezug stehen, müssen nicht zwingend zeitgleich in einer einheitlichen Urkunde getroffen<br />

werden. Sie können auch nacheinander in getrennten Urkunden niedergelegt werden. Allerdings muss<br />

in diesem Fall ein entsprechender Verknüpfungswille feststellbar sein, der sich aus den Urkunden<br />

zumindest andeutungsweise ergeben muss. Auch ein langer Zeitraum von fast 40 Jahren, der zwischen<br />

den beiden Testamenten liegt, spricht nach den Gesamtumständen nicht entscheidend gegen die<br />

Annahme eines Verküpfungswillens der Eheleute. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 9/2018<br />

Zivilprozessrecht<br />

Wiedereinsetzung: Vermerk im Fristenbuch nach Berechnung der Berufungsbegründungsfrist<br />

(BGH, Beschl. v. 19.9.2017 – VI ZB 40/16) • Zwar erstreckt sich die Pflicht des Rechtsanwalts zur Prüfung<br />

grds. auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Ist die<br />

Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein Vermerk über die Notierung<br />

der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt jedoch grds. auf die Prüfung des Erledigungsvermerks<br />

in der Handakte beschränken und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im<br />

Fristenkalender eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf. Andernfalls würde<br />

die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen<br />

Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 10/2018<br />

Zwangsvollstreckung/Insolvenz<br />

Insolvenzverfahren: Verstrickung des Vermögensgegenstands<br />

(BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17) • Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag<br />

auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 11


Fach 1, Seite 4 Eilnachrichten 2018<br />

rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstands. Verstrickung tritt auch bei einer während der<br />

Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung ein. Die Wirkungen der Verstrickung<br />

dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden<br />

sind. Der Drittschuldner kann sich gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwalters damit<br />

verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbesteht. Hinweis: Nach Ansicht des BGH<br />

ruht die Verstrickung nicht bis zum Ende des Insolvenzverfahrens, vielmehr bedarf es stets einer<br />

entsprechenden Entscheidung des Vollstreckungsorgans. Zum Schutz des pfändenden Gläubigers vor<br />

unzumutbaren Eingriffen ist es notwendig, die durch die Pfändung bewirkte öffentlich-rechtliche<br />

Verstrickung nicht weiter als erforderlich zu begrenzen. Daher wird die öffentlich-rechtliche Verstrickung<br />

nicht bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 11/2018<br />

Handelsrecht/Gesellschaftsrecht<br />

Internethandel: Selektives Verkaufsverbot für den autorisierten Fachhandel<br />

(EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16) • Ein Anbieter von Luxuswaren kann seinen autorisierten Händlern<br />

verbieten, die Waren im Internet über eine Drittplattform zu verkaufen. Ein solches Verbot ist geeignet,<br />

das Luxusimage der Waren sicherzustellen, und geht grds. nicht über das hierfür erforderliche Maß hinaus.<br />

Hinweis: Im vorliegenden Fall ging es um einen Anbieter von Luxusartikeln in Deutschland, der seinen<br />

autorisierten Fachhändlern den Vertrieb über Amazon untersagt hatte. Auf die Vorlage des OLG<br />

Frankfurt/M. verwies der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach ein selektives Vertriebssystem<br />

für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, nicht gegen<br />

das unionsrechtliche Kartellverbot verstößt, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Auswahl der<br />

Wiederverkäufer muss anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in<br />

Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, zudem<br />

dürfen die festgelegten Kriterien nicht unverhältnismäßig sein. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 12/2018<br />

Wirtschafts-/Urheber-/Medien-/Marken-/Wettbewerbsrecht<br />

Filesharing: Eltern haften für ihre Kinder<br />

(BGH, Urt. v. 30.3.2017 – I ZR 19/16) • Hat ein volljähriges Kind seinen Eltern gegenüber gestanden,<br />

mittels einer Filesharing-Software ohne Einwilligung des Verwertungsberechtigten urheberrechtliche<br />

Werke im Internet angeboten zu haben, so haften die Eltern als Anschlussinhaber gegenüber dem<br />

Berechtigten täterschaftlich auf Schadensersatz, wenn sie verschweigen, welches der erwachsenen<br />

Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Im Falle einer über den von Eltern unterhaltenen<br />

Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internettauschbörse<br />

umfasst die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber bei Inanspruchnahme durch den Tonträgerhersteller<br />

die Angabe des Namens ihres volljährigen Kindes. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 13/2018<br />

Arbeitsrecht<br />

Unbefristetes Arbeitsverhältnis: Wirkung einer Änderungsvereinbarung<br />

(BAG, Urt. v. 17.5.2017 – 7 AZR 301/15) • Die Wirksamkeit einer Befristung richtet sich nach den im Zeitpunkt<br />

des Vertragsschlusses gegebenen Umständen. Danach eintretende Änderungen wirken sich grds. nicht auf<br />

die vereinbarte Befristung aus. Daher entsteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis dadurch, dass der bei<br />

Vertragsschluss gegebene Sachgrund für die Befristung später entfällt. Dies gilt auch dann, wenn sich<br />

während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Allerdings<br />

unterliegt der Änderungsvertrag als letzter Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle, wenn in einem<br />

Änderungsvertrag unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Befristungsdauer eine Änderung der<br />

Tätigkeit und ggf. der Vergütung vereinbart wird. Entscheidend ist, ob bei Abschluss des Änderungsvertrags<br />

ein Sachgrund für die Befristung vorlag oder nicht. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 14/2018<br />

12 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Eilnachrichten 2018 Fach 1, Seite 5<br />

Sozialrecht<br />

Betriebsrente: Keine Beitragspflicht bis zum Beginn der Altersrente<br />

(BSG, Urt. v. 20.7.2017 – B 12 KR 12/15) • Die Betriebsrente aus einer Direktzusage bis zum Beginn der<br />

Altersrente stellt keinen Versorgungsbezug dar, der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)<br />

beitragspflichtig ist. Denn dann steht der Überbrückungszweck der Leistung im Vordergrund. Jedoch<br />

mit Renteneintritt, spätestens aber mit Erreichen der Regelaltersgrenze, unterliegen solche Leistungen<br />

als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht, da sich der ursprüngliche Überbrückungszweck erledigt.<br />

Hinweis: Wird die gewährte Leistung in den Versorgungsbestimmungen als „Ruhegeld“ bzw. im<br />

Aufhebungsvertrag als „Betriebsrente“ bezeichnet – und gibt der ehemalige Arbeitgeber darüber hinaus<br />

gegenüber dem SG undifferenziert an, die Betriebsrente werde zur Altersversorgung gezahlt – ist dies<br />

ohne Belang. Denn die Qualität einer Arbeitgeberleistung wird ausschließlich objektiv bestimmt und ist<br />

für die Arbeitsvertragsparteien insoweit nicht disponibel. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 15/2018<br />

Verfassungsrecht/Verwaltungsrecht<br />

Religionsfreiheit: Tragen religiöser Kopfbedeckung im Gerichtssaal<br />

(EGMR, Entsch. v. 5.12.2017 – Beschwerde-Nr. 57792/15) • Einem Bürger das Tragen einer religiösen<br />

Kopfbedeckung vor Gericht zu verbieten, kann gegen Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

(EMRK) verstoßen. Die in Art. 9 EMRK vorgesehenen Einschränkungen der Religionsfreiheit<br />

zielen in erster Linie auf Staatsdiener und das für sie geltende Neutralitätsgebot im Dienst und sind nicht<br />

ohne Weiteres auf Bürger übertragbar. Hinweis: In dem entschiedenen Fall weigerte sich ein gläubiger<br />

Muslim, als Zeuge in einem Strafprozess in Bosnien seine Kopfbedeckung vor Gericht abzunehmen.<br />

Ansonsten verhielt sich der Beschwerdeführer dem Gericht gegenüber respektvoll. Dennoch wurde<br />

er des Saals verwiesen und gegen ihn eine Geldstrafe wegen Missachtung des Gerichts verhängt. Ein<br />

ähnlicher Fall lag kürzlich dem BVerfG vor (Beschl. v. 8.11.2017 – 2 BvR 1366/17): Dort hatte sich ein<br />

Muslim als Angeklagter geweigert, zur Urteilsverkündung vor dem Amtsrichter aufzustehen. Seine<br />

Verfassungsbeschwerde wurde verworfen, weil er nicht hinreichend dargetan habe, dass die<br />

Festsetzung des Ordnungsgeldes in nicht gerechtfertigter Weise in sein Grundrecht auf Glaubensfreiheit<br />

eingegriffen habe (BVerfG, Beschl. v. 8.11.2017 – 2 BvR 1366/17). <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 16/2018<br />

Steuerrecht<br />

Mandatsbezogene Daten: Verpflichtung von Rechtsanwälten zur Mitteilung<br />

(BFH, Urt. v. 27.9.2017 – XI R 15/15) • Ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen<br />

Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat, die ihm ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer<br />

(USt-ID) mitgeteilt haben, kann die u.a. für diese Fälle vorgeschriebene Abgabe einer sog.<br />

Zusammenfassenden Meldung mit den darin geforderten Angaben (u.a. USt-ID des Mandanten,<br />

Gesamtbetrag der Beratungsleistungen an den Mandanten) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht<br />

verweigern. Hinweis: Vgl. hierzu die Meldung im <strong>ZAP</strong> Anwaltsmagazin 1/2018, S. 4.<br />

<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 17/2018<br />

Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten<br />

Diebstahl: Wohnungsbegriff<br />

(BGH, Beschl. v. 5.9.2017 – 5 StR 361/17) • Dem Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB unterfallen<br />

auch Kellerräume, die mit einer Wohnung räumlich und baulich eine Einheit bilden bzw. so mit ihr<br />

verbunden sind, dass keine erheblichen Zugangshindernisse zu den Wohnräumen mehr bestehen. Der<br />

Wohnungsbegriff umfasst auch Wochenendhäuser. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 18/2018<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 13


Fach 1, Seite 6 Eilnachrichten 2018<br />

Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />

Revision: Beanstandung unzureichender Dolmetscherleistungen<br />

(BGH, Beschl. v. 8.8.2017 – 1 StR 671/16) • Die Beanstandung unzureichender Dolmetscherleistungen kann<br />

einen relativen Revisionsgrund darstellen. Bei erfolgter, aber ungenügender Übersetzung während der<br />

Hauptverhandlung erfordert die Beanstandung jedenfalls konkreten Tatsachenvortrag zu den Mängeln<br />

der Übersetzung und deren Auswirkungen auf die Möglichkeiten des Angeklagten, dem Gang der<br />

Verhandlung zu folgen und die wesentlichen Verfahrensvorgänge so zu erfassen, wie dies für die Wahrung<br />

seiner Rechte erforderlich ist. Beanstandungen unzureichender Übersetzung müssen sich dabei auf die<br />

nicht genügende Erfüllung der Aufgaben des hinzugezogenen Dolmetschers beziehen. Diese bestehen vor<br />

allem darin, den Prozessverkehr zwischen dem Gericht und anderen am Verfahren beteiligten Personen<br />

dadurch zu ermöglichen, dass er die im Prozess abgegebenen Erklärungen durch Übertragung in eine<br />

andere Sprache der anderen Seite verständlich macht. Eine Beanstandung, die Dolmetschertätigkeit sei<br />

nur sehr eingeschränkt ausgeübt worden, genügt diesen Anforderungen nicht. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 19/2018<br />

Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls<br />

(BGH, Beschl. v. 12.10.2017 – AnwZ (Brfg) 39/17) • Zur Widerlegung der aus einer Eintragung im<br />

Schuldnerverzeichnis resultierenden gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls hat ein Rechtsanwalt<br />

bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger<br />

und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret – ggf. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw.<br />

realistischen Tilgungsplans – darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig<br />

geordnet sind. Hinweis: Aus Sicht des BGH ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grds. eine<br />

Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Gefährdung der nach der gesetzlichen<br />

Wertung vorrangigen Interessen der Rechtsuchenden kann nur in seltenen Ausnahmefällen verneint<br />

werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Situation setzt<br />

jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine<br />

Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die<br />

eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in<br />

Vermögensverfall geratenen Einzelanwalts sind nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden<br />

auszuschließen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2017 – AnwZ (Brfg) 60/16). <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 20/2018<br />

Gebührenrecht<br />

Kostenerstattung: Anwaltswechsel zwischen selbstständigem Beweis- und Hauptsacheverfahren<br />

(BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – V ZB 188/16) • Gemäß § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer<br />

Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder<br />

als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Diese Regelung gilt auch bei einem<br />

Anwaltswechsel zwischen selbstständigem Beweisverfahren und nachfolgendem Hauptsacheverfahren.<br />

Das Beweis- und das Erkenntnisverfahren sind sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten eng<br />

verflochten. Der engen Zusammengehörigkeit der beiden Verfahren hat der Gesetzgeber durch die<br />

Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit für das Beweisverfahren an jene des Hauptsacheprozesses<br />

sowie durch die erleichterte Verwertung der selbstständig erhobenen Beweise in dem nachfolgenden<br />

Hauptprozess Rechnung getragen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 21/2018<br />

<strong>ZAP</strong>-Service: Die <strong>ZAP</strong> Eilnachrichten können und sollen nur eine stark komprimierte Wiedergabe der Originaltexte sein.<br />

Die Volltexte erhalten Sie online nach Ihrer Anmeldung bei unserem Kooperationspartner juris unter www.juris.de<br />

kostenlos. Der Verlag schickt Ihnen bei Bedarf die Volltexte auch zu. Die Kosten hierfür betragen: per Brief 0,50 € je Seite<br />

zzgl. Versandkosten. Bitte bestellen Sie unter Verwendung des Stichworts „<strong>ZAP</strong> Eilnachrichten-Service“ telefonisch<br />

unter 0228/91911-62, per E-Mail an redaktion@zap-verlag.de, per Fax unter 0228/91911-66 oder per Post an <strong>ZAP</strong> Verlag<br />

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14 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 357<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Erbrecht<br />

Aktuelle Fragen zu Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Rechtsanwalt Dr. HANS REINOLD HORST, Hannover/Solingen<br />

Inhalt<br />

I. Einleitung<br />

II. Definition und Anwendungsbereich<br />

III. Inhaltliche Anforderungen an Vollmachten<br />

und Patientenverfügungen<br />

IV. Geltung der Vollmacht<br />

V. Widerrufbarkeit von Vollmacht und<br />

Verfügung<br />

1. Allgemeines<br />

2. Beispiele aus der Praxis<br />

VI. Form- und Haftungsfragen<br />

VII. Auswahl und Tätigkeit des Bevollmächtigten<br />

VIII. Kontrolle des Bevollmächtigten<br />

IX. Aufbewahrung der Vollmacht<br />

X. Kosten<br />

XI. Speziell: Bankvollmacht<br />

I. Einleitung<br />

Die vorliegende Abhandlung gibt einen Überblick zu möglichen Fragestellungen bei der Beratung von<br />

Mandanten im Vorsorgefall und versteht sich als Ergänzung zu dem Grundlagenbeitrag von KURZE (<strong>ZAP</strong><br />

F. 12, S. 327 ff.). Als FAQ-Katalog bietet der Beitrag eine schnelle Information zu aktuellen Fragen rund<br />

um die Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung.<br />

II.<br />

Definition und Anwendungsbereich<br />

Frage:<br />

Was ist eine Generalvollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung?<br />

Eine Generalvollmacht, Betreuungs- oder Patientenverfügung trifft Vorsorge für den Fall, dass der<br />

Verfügende krankheits-, alters- oder unfallbedingt nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zum Vollzug<br />

sowie zur Abwicklung oder Unterlassung von Rechtsgeschäften und Behandlungsmaßnahmen selbst zu<br />

artikulieren und seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Einschlägig sind für die<br />

• Generalvollmacht:<br />

§§ 164 ff., 311b i.V.m. 167 Abs. 2 BGB und § 29 GBO, §§ 662 ff. oder 675 BGB, §§ 1904–1906 BGB,<br />

• Betreuungsverfügung:<br />

§§ 1804, 1896 ff., insb. §§ 1897 Abs. 4 S. 1, 1901 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2, 1901c–1908 BGB,<br />

• Patientenverfügung:<br />

§§ 1901a, 630 Abs. 1 S. 2 BGB,<br />

• Bankvollmacht:<br />

§§ 164 ff. BGB (nicht aber Nr. 5 AGB Banken und Sparkassen i.d.F. v. 31.10.2009; s. BGH, Urt. v. 8.10.2013<br />

– XI ZR 401/12, Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 1.10.2012 – I-31 U 55/12, ZEV 2012, 678).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 15


Fach 12, Seite 358<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Frage:<br />

Benötigen nur ältere Menschen eine solche Verfügung?<br />

Nein, im Grunde benötigt jeder eine Generalvollmacht mit Patienten- und Betreuungsverfügung sowie<br />

mit Bankvollmacht. Denn Unfall und Krankheit können bei jedem Alter „zuschlagen.“<br />

Frage:<br />

Was passiert, wenn keine Vollmacht verfügt wurde?<br />

Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder<br />

seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das<br />

Betreuungsgericht (früher Vormundschaftsgericht) auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn<br />

einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB).<br />

Liegt der Fall aber so, dass der Betroffene rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbstständig<br />

erledigen kann, z.B. seinen Haushalt nicht mehr führen oder die Wohnung nicht mehr verlassen kann, so<br />

rechtfertigt dies für sich genommen noch nicht die Bestellung eines Betreuers (§ 1896 Abs. 2 S. 1 BGB).<br />

Hier bedarf es rein praktischer Hilfe in Form betreuten Wohnens, insbesondere der Reinigung und<br />

Pflege der Wohnung sowie der Verabreichung gesundheitskonformen Essens und schließlich der Hilfe<br />

und Unterstützung bei der eigenen Körperpflege.<br />

Ordnet das Betreuungsgericht Betreuung an, so bezieht sich das in aller Regel auf bestimmte<br />

Aufgaben- und Geschäftsbereiche (§ 1901 Abs. 1, 4 BGB), nicht auf eine generelle Betreuung in allen<br />

Angelegenheiten. Das kommt nur ausnahmsweise in Betracht (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB, § 276 Abs. 1 S. 2<br />

Nr. 2 FamFG, dazu: BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016, 463 f.; v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14,<br />

MDR 2016, 464; BGH, v. 7.8.2013 – XII ZB 223/13, NJW 2013, 3522 = MDR 2013, 1183) und muss nicht sein.<br />

Denn in aller Regel möchte man die Person seines Vertrauens, die als Bevollmächtigter mit Geld und<br />

Vermögen umgeht und auch Aufenthalts- und Umgangsrechte bestimmen kann, selbst aussuchen. Oft<br />

genug kommt es dabei auch zu einer „Negativ-Auslese“, zumindest im Kopf des Betroffenen: „Jeder, aber<br />

um Gottes Willen nicht Onkel X oder Neffe Y“.<br />

Um solche Entwicklungen möglichst von vornherein abzuwenden, kann der Betroffene eine Generalvollmacht<br />

zugunsten eines Bevollmächtigten als selbst gewähltem Betreuer erstellen, die schriftlich<br />

verfasst werden muss (§§ 1901a Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 1901c BGB). Eine existierende Vorsorgevollmacht<br />

des Betroffenen zugunsten eines Bevollmächtigten, insbesondere eine Generalvollmacht, steht also i.d.R.<br />

der Anordnung einer gerichtlichen Betreuung entgegen und genießt Vorrang (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB).<br />

Frage:<br />

Gilt für Ehegatten Abweichendes?<br />

Nein, denn zwischen Ehegatten gibt es kein gesetzliches Vertretungsrecht, schon gar nicht in gesundheitlichen<br />

Fragen. Trotz ihrer Heirat werden sie bis auf zwei Ausnahmen im gesetzlichen<br />

Güterstand wie fremde Menschen behandelt: Zum einen bedarf ein Ehegatte der Zustimmung des<br />

Anderen, wenn er sein gesamtes Vermögen oder seinen wesentlichen Vermögensteil veräußern will<br />

(§ 1365 BGB). Zum anderen kann er den anderen Ehegatten nur im Rahmen sog. Geschäfte zur Deckung<br />

des täglichen Lebensbedarfs mit verpflichten. Dazu gehören gesundheitliche Fragen oder auch<br />

eingeräumte rechtsgeschäftliche Vollmachten keinesfalls.<br />

Der Bundestag hat deshalb am 17.5.2017 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten<br />

unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge<br />

und in Fürsorgeangelegenheiten verabschiedet (BR-Drucks 505/16, BT-Drucks 18/10485 und<br />

16 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 359<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

18/12427). Der Ehegatte soll damit für den Anderen ein Entscheidungsrecht über gesundheitliche<br />

Angelegenheiten erhalten, wenn z.B. der Andere krankheits- oder unfallbedingt nicht mehr in der Lage<br />

ist, sich selbst zu Behandlungsfragen zu äußern. Dieses Recht wird daran geknüpft, dass die Ehegatten<br />

nicht dauernd getrennt leben, dem Arzt oder dem Krankenhaus keine anderweitigen Vollmachten z.B.<br />

in Gestalt von Patientenverfügung oder Generalvollmacht vorliegen dürfen und keine gerichtliche<br />

Betreuung angeordnet ist. Ferner darf ein entgegenstehender Wille des Betroffenen nicht bekannt sein.<br />

Das Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten. Abgesehen davon macht all dies eine Generalvorsorgevollmacht<br />

nicht entbehrlich. Denn sie geht im Range dem eventuell einzuführenden gesetzlichen Recht, für<br />

den anderen Ehegatten in Gesundheitsfragen zu entscheiden, vor. Ferner bezieht sich dieses eventuelle<br />

gesetzliche Recht eben nur auf Gesundheitsfragen, während sich die Generalvollmacht darüber hinaus<br />

auf alle rechtlichen Fragen und auf eine umfassende Wahrnehmung der rechtlichen Angelegenheiten<br />

erstrecken kann, wenn auch nicht muss. Deshalb kann der Entwurf für den Fall, dass er Gesetz wird, eine<br />

Vorsorgevollmacht nicht ersetzen, was sachlich auch nicht beabsichtigt ist.<br />

III.<br />

Inhaltliche Anforderungen an Vollmachten und Patientenverfügungen<br />

Frage:<br />

Welcher Inhalt ist zu empfehlen?<br />

Vollmacht und Patientenverfügung geben Befugnisse nach außen mit sofortiger Wirkung. Deshalb<br />

muss im Innenverhältnis klar geregelt werden, dass der Betroffene allein statt des Bevollmächtigten alle<br />

Aufgabenkreise und Geschäfte wahrnimmt, solange die in der Vollmacht ausdrücklich erwähnten<br />

Verhinderungsfälle nicht eingetreten sind. Dies sollte in einer getrennten Urkunde erfolgen.<br />

Es sind hier auch die Konfliktfälle zu beschreiben, in denen die Vollmacht ausgeübt werden darf.<br />

Entsprechende Regelungen haben aber im Außenverhältnis der Vollmacht nichts zu suchen. Denn sie<br />

können die Handlungsfähigkeit des Bevollmächtigten einschränken und dem Zweck der errichteten<br />

Vollmacht zuwiderlaufen, sie schließlich sogar unwirksam machen (zur Gefahr insgesamt unwirksamer<br />

Vollmachten, die unter einer Bedingung stehen vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 8.3.2007 – 5 U 1153/06, ZEV<br />

2007, 595 – hier: Gebrauch nur bei Vorlage eines ärztlichen Attests mit bestimmtem Inhalt).<br />

Werden mehrere Bevollmächtigte bestimmt, so sollte immer geklärt werden, in welcher Reihenfolge<br />

die Vollmacht ausgeübt werden darf. Abzuraten ist von einem „Mehr-Augenprinzip“, d.h. von einer<br />

Befugnis nur zur gemeinschaftlichen Ausübung, da damit dem Konfliktfall Vorschub geleistet würde,<br />

dass die Bevollmächtigten sich mit jeweils entgegenstehenden Willen gleichzeitig selbst bei der<br />

Ausübung behindern und der Zweck erteilter Vollmachten in sein Gegenteil verkehrt würde.<br />

Wichtig ist zudem die Behandlung des Themas „Vergütung des Bevollmächtigten“ sowie eine klare<br />

Regelung zu Abrechnungsmodalitäten zwischen dem Bevollmächtigten und dem Vollmachtgeber.<br />

Schließlich sind Regelungen aufzunehmen, die festlegen, ob die erteilte Vollmacht über den Tod des<br />

Vollmachtgebers hinaus wirken soll (transmortale Vollmacht).<br />

Die Patientenverfügung sollte insbesondere die Haltung des Erklärenden zu folgenden Punkten<br />

beinhalten:<br />

• Intensivbehandlung?<br />

• Organtransplantation?<br />

• Anschluss an eine künstliche Niere?<br />

• Vornahme einer Bluttransfusion?<br />

• Durchführung künstlicher Beatmung?<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 17


Fach 12, Seite 360<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

• Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine?<br />

• Voraussetzungen hinsichtlich einer Einstellung künstlicher Ernährung?<br />

• Einsatz von angst- oder schmerzlindernden Maßnahmen?<br />

Auch die Patientenverfügung kann den behandelnden Ärzten die Verantwortung für die Behandlung<br />

nicht nehmen. Ergeben sich Zweifelsfragen, so sollte in der Patientenverfügung unbedingt eine<br />

Vertrauensperson benannt sein, die für den Verfügenden bei den behandelnden Ärzten auftritt und<br />

dessen Wünsche durchsetzt (§ 1901a Abs. 1 S. 2 BGB).<br />

Bei der Vorsorgevollmacht ist inhaltlich zwischen Regelungen der Vermögenssorge und der Personensorge<br />

zu unterscheiden.<br />

Im Hinblick auf die Vermögenssorge sollte im Einzelnen formuliert werden, dass der Bevollmächtigte<br />

berechtigt ist,<br />

• Vermögenswerte beliebiger Art in Empfang zu nehmen,<br />

• Verfügungen über Konten und Wertpapierdepots, insbesondere Neuanlage, zu treffen,<br />

• Verträge, auch Dauerschuldverhältnisse insbesondere mit Kliniken, Pflegeteams etc. zu schließen,<br />

• die Post entgegennehmen zu dürfen,<br />

• den Vollmachtgeber gegenüber Behörden zu vertreten und Prozesse in seinem Namen zu führen,<br />

• den Haushalt aufzulösen und über das Inventar zu verfügen, und ferner angeben,<br />

• ob Immobiliengeschäfte von der Vollmacht umfasst sein sollen oder nicht, und<br />

• negativ abzugrenzen, welche Rechtsgeschäfte/Vermögensbereiche ausgenommen bleiben sollen.<br />

Im Rahmen der Personensorge sollten folgende Punkte behandelt werden:<br />

1. Gesundheitssorge (§ 1904 Abs. 1 BGB):<br />

Der Vollmachtgeber kann dem Bevollmächtigten grundsätzlich überlassen zu entscheiden, ob<br />

ärztliche Untersuchungen und Behandlungen vorgenommen werden oder nicht. Der Bevollmächtigte<br />

kann aber nicht in Fällen entscheiden, in denen die Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber<br />

wegen der zu entscheidenden Maßnahme stirbt oder einen schweren oder länger dauernden<br />

gesundheitlichen Schaden erleidet. Dann ist die Zustimmung des Betreuungsgerichts erforderlich. Im<br />

Übrigen kommt es – wie bei der Patientenverfügung – auf das Einvernehmen mit dem behandelnden<br />

Arzt an (§ 1904 Abs. 4 BGB).<br />

2. Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 BGB):<br />

Bei Eigengefährdung des Vollmachtgebers sollte der Bevollmächtigte die Einweisung in eine<br />

geeignete Anstalt veranlassen können. Geht damit eine Freiheitsentziehung einher, bedarf die Maßnahme<br />

der Zustimmung des Betreuungsgerichts.<br />

3. Freiheitsentziehende oder -beschränkende Maßnahmen (§ 1906 Abs. 4 BGB):<br />

Diese bedürfen der Zustimmung des Betreuungsgerichts.<br />

4. Aufenthalts- und Umgangsbestimmung:<br />

Die Vollmacht kann dem Bevollmächtigten das Recht vermitteln zu bestimmen, wo sich der<br />

Vollmachtgeber aufhält und mit wem er Kontakt haben darf. Das ist wichtig, um der Patientenverfügung<br />

auf jeden Fall Geltung zu verschaffen. Will der Arzt des Krankenhauses A nicht wie<br />

gewünscht behandeln, kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht diesen Arzt „aushebeln.“ Dann<br />

verlegt man den Patienten schlicht in das Krankenhaus B, das sicherstellt, dem Patientenwillen<br />

Genüge zu tun.<br />

5. Zeitpunkt des Inkrafttretens und Widerruf der Vollmacht:<br />

Die Vollmacht sollte sofort und unbeschränkt mit Unterzeichnung im Außenverhältnis wirksam<br />

werden, damit sie jederzeit genutzt werden kann. Denn Unfall- und Krankheitszeitpunkte sind<br />

naturgemäß vorher unbekannt. Nur so ist sichergestellt, dass die Vollmacht Wirkung entfaltet.<br />

18 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 361<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Gleichzeitig ist für das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und -nehmer zu bestimmen, dass<br />

von ihr nur bei Erkrankung und bei Eintritt eines Unfalls Gebrauch gemacht werden darf. Für den Fall,<br />

dass der Bevollmächtigte die Vollmacht gegen den Willen des Vollmachtgebers verwendet, also<br />

bevor der Fall der Hilfebedürftigkeit eingetreten ist, kann der noch geschäftsfähige Vollmachtgeber<br />

die Vollmacht jederzeit widerrufen und rechtlich gegen den Bevollmächtigten intervenieren<br />

(Schadensersatz u.a.).<br />

6. Elterliche Sorge im Falle minderjähriger Kinder:<br />

Eltern minderjähriger Kinder sollten für den Fall vorsorgen, dass beide gleichzeitig, z.B. bei einem<br />

Unfall, versterben. Damit ist zu regeln, wer die elterliche Sorge über die minderjährigen Kinder in<br />

einem solchen Unglücksfall erhalten soll. Wird dies unterlassen, wird die elterliche Sorge zunächst<br />

vom Jugendamt ausgeübt. Danach bestimmt das Betreuungsgericht die Person, die auf Dauer die<br />

elterliche Sorge ausüben soll (§§ 1776, 1777 BGB). Diese Entscheidung können die Eltern beeinflussen<br />

und festlegen, wer an ihrer Stelle die elterliche Sorge ausüben soll. Selbstverständlich sollten<br />

derartige Regelungen niemals ohne vorherige einverständliche Absprache mit den Betrauten<br />

getroffen werden.<br />

Frage:<br />

Wie bestimmt muss die Verfügung sein?<br />

In der Patientenverfügung müssen Behandlungssituationen mit den jeweils vorzunehmenden oder zu<br />

unterlassenden Maßnahmen genau beschrieben werden. Andernfalls sind diese Verfügungen nicht<br />

bindend (BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 604/15, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 287/2017 = NJW 2017, 1737; v. 6.7.2016 –<br />

XII ZB 61/16, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 668/2016 = NJW 2016, 3297; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.9.2010 – XII ZB 202/13,<br />

NJW 2014, 3572). Der Wunsch nach Unterlassung lebenserhaltender Maßnahmen reicht ebenso wenig<br />

aus wie der ausgewiesene Wunsch, würdevoll sterben zu können, wenn ein Heilungserfolg nicht mehr<br />

zu erwarten ist. Dies ist zu ungenau. Die Anforderungen des BGH im Hinblick auf die Konkretion des<br />

Inhaltes sind z.B. nur erfüllt, wenn genau angegeben wird, in welchen Fällen auf eine künstliche<br />

Ernährung verzichtet werden soll, und wenn dieser Verzicht ausdrücklich erwähnt wird.<br />

Insgesamt ist so präzise wie möglich zu artikulieren, welche ärztlichen Behandlungen und Maßnahmen<br />

gewünscht werden und welche nicht. Diese Anordnungen müssen sich auf bestimmte Lebens-<br />

und Behandlungssituationen sowie spezifische Krankheiten beziehen. Das schließt die Erwähnung<br />

konkreter Behandlungen ein, die der Verfügende ausschließen will, sofern keine Aussicht<br />

besteht, dass er gesund wird, und aus der Behandlung schwere Leiden drohen (z.B. Magensonde,<br />

Dialyse, Strahlentherapien etc.).<br />

Dies gilt natürlich auch für Generalvollmachten, in denen eine Patientenverfügung als Teil der<br />

Gesundheitsvorsorge mit enthalten ist. Insbesondere ist § 1904 Abs. 2, 5 BGB zu beachten.<br />

Im Hinblick auf die junge Rechtsprechung des BGH sollte der Mandant nach bereits bestehenden<br />

Vollmachten und Patientenverfügungen befragt werden, verbunden mit der Anregung, sie daraufhin<br />

zu überprüfen, ob sie den Anforderungen des BGH an die Konkretisierung des Inhaltes genügen (näher:<br />

SEIBL NJW 2016, 3277 ff.; MÜLLER ZEV 2016, 605 ff.; LINDNER, Bestimmtheit der Patientenverfügung, NJWaktuell<br />

Heft 22/2017, 14).<br />

Frage:<br />

Sollten Verhaltensweisen für bekannte Vorerkrankungen oder aktuelle Erkrankungen aufgenommen<br />

werden? Und wenn ja: Gibt es Muster?<br />

Dazu ist unbedingt zu raten, um den Anforderungen des BGH an die Konkretisierung des Inhalts<br />

der Verfügung zu genügen. Bieten bekannte Vorerkrankungen oder aktuelle Erkrankungen einen<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 19


Fach 12, Seite 362<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

konkreten Anlass für die Äußerung von Behandlungswünschen, sind sie konkret und nicht allgemein<br />

zu benennen.<br />

Muster werden mittlerweile flächendeckend angeboten von Ärztekammern, Wohlfahrtsverbänden,<br />

Verlagen sowie im Internet. Selbstverständlich sind sie inhaltlich auf den konkreten Fall anzupassen<br />

und daraufhin zu überprüfen, ob sie im Hinblick auf ihre Konkretisierung den verschärften<br />

Anforderungen genügen, die der BGH in seinen Urteilen entwickelt hat (BGH, Beschl. v. 8.2.2017 –<br />

XII ZB 604/15, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 287/2017 = NJW 2017, 1737; v. 6.7.2016 – XII ZB 61/16, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 668/2016 =<br />

NJW 2016, 3297).<br />

Musterverwendungen bergen ebenso die Gefahr der Lückenhaftigkeit individuell notwendiger<br />

Regelungen (BGH, Urt. v. 1.4.2015 – XII ZB 29/15, ZEV 2015, 536 – zum Problem der lückenhaften<br />

Vollmacht).<br />

Frage:<br />

Geschäftsfähigkeit und Demenz: Sollte insbesondere bei der Patientenverfügung oder auch bei der<br />

Errichtung einer Generalvollmacht der Arzt/Hausarzt hinzugezogen werden?<br />

Zweifellos setzen Patientenverfügungen und Vorsorgevollmacht Geschäftsfähigkeit des Erklärenden<br />

voraus. Die Praxis zeigt, dass sie im Falle demenzieller Erkrankungen oder sonstiger Beeinträchtigungen<br />

der geistigen Kraft hinterfragt wird. Motiv hierbei kann der missliebige Inhalt der Verfügung genauso<br />

sein wie generell das Verhältnis zum eingesetzten Betreuer und/oder zum Betroffenen.<br />

Deshalb sollte ein Hausarzt oder im Falle bestimmter Erkrankungen ein Facharzt eingebunden werden,<br />

der die Geschäftsfähigkeit bestätigt und über verfügte Behandlungsmaßnahmen oder deren<br />

Unterlassung medizinisch berät. All dies sollte dokumentiert werden und in der Patientenverfügung<br />

bzw. der Generalvollmacht deutlich dokumentiert zum Ausdruck kommen. Notar und Rechtsanwalt<br />

sind bei indizierten Zweifeln im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit gehalten, den Mandanten<br />

aufzufordern, einen Facharzt mit einzubinden und dessen Befund durch ein ärztliches Attest zu<br />

dokumentieren (BayObLG, Beschl. v. 2.7.1992 – 3Z BR 58/92, DNotZ 1993, 471, 473).<br />

Auch der Notar prüft die Geschäftsfähigkeit vor der Beurkundung (§ 11 Abs. 1 BeurkG). Dies ersetzt aber<br />

die Einbindung eines Hausarztes/Facharztes nicht. Denn im Streitfall kann sich das Gericht über die<br />

urkundlichen Feststellungen des Notars hinwegsetzen (LG Mosbach, Urt. v. 23.12.2015 – 2 O 221/14,<br />

NJW-Spezial 2016, 72). Selbstverständlich obliegt dem Gericht dazu die abschließende Beurteilung (vgl.<br />

LIMMER, in: REIMANN/BENGEL/J. MAYER, Testament und Erbvertrag, 6. Aufl. 2015, Syst. A Rn 219; OLG Hamm,<br />

Beschl. v. 7.5.2009 – 15 Wx 316/08, EE 2010, 58 ff.).<br />

Mitunter wird auch empfohlen, bestehende Patientenverfügungen jährlich mit dem Hausarzt zu<br />

besprechen und diese Gespräche zu dokumentieren, damit im Behandlungsfall nachgewiesen werden<br />

kann, dass sie dem aktuellen Willen des Verfügenden nach einschlägiger medizinischer Beratung<br />

entsprechen.<br />

IV.<br />

Geltung der Vollmacht<br />

Frage:<br />

Ab und bis wann gilt die Vollmacht?<br />

Die Vollmacht gilt ab dem Zeitpunkt und in dem Umfang, der in ihr bestimmt ist, ansonsten ab<br />

Unterzeichnung. Sie gilt bis zu ihrer jederzeit möglichen Änderung oder ihrem jederzeit möglichen<br />

Widerruf durch den Betroffenen selbst, durch das Betreuungsgericht oder durch einen eingesetzten<br />

20 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 363<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Kontrollbetreuer. Ist sie über den Tod hinaus ausgefertigt, gilt sie auch postmortal und berechtigt den<br />

Bevollmächtigten bis zum Widerruf durch die Erben.<br />

Frage:<br />

Was gilt, wenn der Aussteller der Vollmacht stirbt?<br />

Die Vollmacht kann Regelungen enthalten, die den Bevollmächtigten auch nach dem Tod des<br />

Betroffenen weiter handeln lassen (transmortale Vollmacht). Ein eintretender Erbfall hindert dann<br />

Wirksamkeit und Verwendung der erteilten Vollmacht nicht. Solche Regelungen sind insbesondere bis<br />

zur Klärung der Erbfolge sowie bis zum Widerruf der Vollmacht durch mögliche Erben sinnvoll (vgl.<br />

ZIMMER NJW 2016, 3341 ff.; KLINGER/MOHR NJW-Spezial 2006, 13; SIEBERT EE 2010, 98).<br />

Auch eine Generalvollmacht über den Tod hinaus stellt nicht sicher, dass nicht ein fremder Dritter zum<br />

Nachlasspfleger bestellt wird, wenn sich rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der Generalvollmacht<br />

sowie an der Wirksamkeit eines Testaments ergeben, durch das der Bevollmächtigte aus der<br />

Generalvollmacht gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker bestellt wird (OLG Stuttgart, Beschl. v.<br />

27.5.2015 – 8 W 147/15, NJW-Spezial 2015, 648; zu den Möglichkeiten einer Nachlasspflegschaft trotz<br />

bestehender transmortaler Generalvollmacht s. ROTH NJW-Spezial 2010, 231).<br />

V. Widerrufbarkeit von Vollmacht und Verfügung<br />

1. Allgemeines<br />

Frage:<br />

Ist die Vollmacht/die Verfügung widerruflich oder unwiderruflich?<br />

Der Betroffene kann die Generalvollmacht und selbstverständlich auch die Patientenverfügung oder die<br />

Betreuungsvollmacht im Einzelnen jederzeit frei widerrufen (§ 1901a Abs. 1 S. 3 BGB). Dies kann<br />

entweder ausdrücklich oder konkludent durch die Abfassung einer neuen Erklärung oder insgesamt<br />

formlos geschehen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 13.7.2016 – XII ZB 488/15, MDR 2016, 1209).<br />

Das Widerrufsrecht geht auf die Erben über. Auch sie haben im Fall einer trasmortal erteilten Vollmacht<br />

die Möglichkeit, die Erklärungen des Erblassers zu widerrufen.<br />

In jedem Fall des Widerrufs müssen ausgehändigte Vollmachten zurückgefordert werden. Der Widerruf<br />

muss gegenüber allen möglichen Geschäftspartnern bekannt gegeben werden. Dies gilt insbesondere<br />

in allen Fällen, in denen der Bevollmächtigte bereits im Außenverhältnis von der Vollmacht Gebrauch<br />

gemacht hat.<br />

Frage:<br />

Gilt die Vollmacht für den Fall angeordneter oder faktischer Betreuung unwiderruflich, also immer, oder<br />

lässt sie sich durch einen gerichtlichen Betreuungsantrag aushebeln?<br />

Trotz existierender wirksamer Vorsorgevollmacht einschließlich Patientenverfügung kann gerichtlich<br />

ein Kontrollbetreuer bestellt werden, der im Extremfall auch dazu ermächtigt werden kann, die<br />

existierende Vollmacht zu widerrufen. Ebenso kann das Gericht selbst die Vollmacht für kraftlos erklären<br />

und Betreuung anordnen (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, NJW 2016, 1514 ff.; v. 3.2.2016 – XII ZB<br />

454/15, NJW 2016, 1516; v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15; v. 14.3.2013 – XII ZB 206/13; v. 7.8.2013 – XII ZB 223/13).<br />

Einschlägige Fälle sind:<br />

• Der Bevollmächtigte kümmert sich mit Zeitverzug und nur sehr zögerlich um die Angelegenheiten<br />

des Vollmachtgebers (BGH, Beschl. v. 7.8.2013 – XII ZB 223/13, NJW 2013, 3522 = MDR 2013, 1183).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 21


Fach 12, Seite 364<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

• Der Bevollmächtigte kann sich gegen einen hineindrängenden Konkurrenten, der ohne rechtliche<br />

Grundlage rein tatsächlich die Angelegenheiten des Vollmachtgebers übernimmt und regelt, nicht<br />

durchsetzen und erweist sich deshalb als ungeeignet (BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR<br />

2016, 463 f.; v. 7.8.2013 – XII ZB 671/12, MDR 2013, 1224 = NJW 2013, 3373 = ZEV 2013, 626).<br />

• Es besteht eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen, weil der Bevollmächtigte wegen<br />

erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint (BGH, Beschl.<br />

v. 14.8.2013 – XII ZB 206/13, ZEV 2013, 627; v. 13.4.2011 – XII ZB 584/10, NJW 2011, 2135 = ZEV 2011, 433).<br />

• Der Bevollmächtigte übt die ihm erteilte Generalvollmacht nicht im Interesse des Betroffenen aus<br />

und erscheint deshalb als ungeeignet (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 117/14, NJW 2015, 407 ff.,<br />

st. Rspr. vgl. ebenso: BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016, 463 f.).<br />

• Aufgrund einer nachweisbaren und diagnostizierten Intelligenzminderung des Betroffenen wird<br />

fraglich, ob er bei Erteilung der Generalvollmacht geschäftsfähig oder geschäftsunfähig gewesen ist<br />

(BGH, Beschl. v. 14.8.2013 – XII ZB 206/13, ZEV 2013, 627).<br />

2. Beispiele aus der Praxis<br />

a) Aushebelung der Vorsorgevollmacht<br />

In der Praxis unternehmen Pflegeeinrichtungen bisweilen den Versuch, Vorsorgevollmachten<br />

„auszuhebeln“ und gerichtlich widerrufen zu lassen.<br />

Beispiel:<br />

Im Jahre 2008 erteilt der heute an Demenz leidende Betroffene B. seiner Schwester S. und seinem<br />

Schwager Sch. eine Vorsorgevollmacht, die u.a. der Vermeidung einer Betreuung dienen soll. Seit<br />

November 2010 lebt B. in einer Pflegeeinrichtung, die von einem Ehepaar betrieben wird. Zwischen Sch.<br />

und Frau E., der Betreiberin der Pflegeeinrichtung, kommt es zu Differenzen im Zusammenhang mit der<br />

Pflegesituation. Sch. wirft Frau E. vor, sie sei überlastet und ihr Umgangston sei oft grob, aggressiv und<br />

laut. Deshalb möchte Sch. B. aus dieser privaten Pflegeeinrichtung herausholen und in einem<br />

Altenpflegeheim unterbringen. Dagegen wehrt sich Frau E., die Sch. nicht für geeignet hält, die ihm<br />

erteilte Generalvollmacht im Interesse von B. auszuüben. Sie beantragt die gerichtliche Anordnung<br />

einer Betreuung für B. und den Widerruf der erteilten Generalvollmacht. Dagegen wehrt sich nun<br />

Sch. und legt gegen die gerichtlich angeordnete Betreuung Beschwerde im eigenen Namen ein.<br />

Der BGH verwirft die Beschwerde und erhält damit den ausgesprochenen Widerruf der erteilten<br />

Generalvollmacht aufrecht (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 117/14, NJW 2015, 407 ff.). Weder aus § 303<br />

Abs. 4 S. 1 FamFG, noch aus § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG oder aus § 59 Abs. 1 FamFG ergebe sich ein<br />

eigenes Beschwerderecht. Beschwerde könne der Generalbevollmächtigte nur im Namen des<br />

Betroffenen als dessen gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) einlegen. Eigene Rechte des Bevollmächtigten<br />

gewährten schon nach dem Willen des Gesetzgebers kein Beschwerderecht und seien im<br />

Übrigen auch nicht durch die gerichtliche Anordnung einer Betreuung mit Widerruf einer privat<br />

erteilten Generalvollmacht betroffen. Denn mit der Vorsorgevollmacht solle der Bevollmächtigte in die<br />

Lage versetzt werden, im Interesse des Vollmachtgebers und nicht im eigenen Namen zu handeln. Die<br />

Vollmacht verleihe als die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (§ 166 Abs. 2 BGB) dem<br />

Bevollmächtigten ausschließlich die Legitimation, durch rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des<br />

Vertretenen (Vollmachtgebers) unmittelbar für und gegen diesen Rechtswirkungen herbeizuführen.<br />

Sie schränke die eigene Rechtsmacht des Vollmachtgebers aber nicht ein und begründe deshalb auch<br />

kein eigenes subjektives Recht des Bevollmächtigten (BGH NJW 2015, 480 f.). Schließlich begründe<br />

auch das Rechtsverhältnis, das der Vollmacht zugrunde liege, kein eigenes subjektives Recht des<br />

Bevollmächtigten, in das durch die Betreuerbestellung unmittelbar eingegriffen worden wäre (BGH<br />

NJW 2015, 409).<br />

Es können sich auch weitere Umstände ergeben, die zum Widerruf der Vollmacht führen können. So<br />

kann sie lückenhaft formuliert sein. Das ist anzunehmen, wenn die Einsetzung eines Bevollmächtigten<br />

unter den Vorbehalt der eigenen ausgeschlossenen Fähigkeit gestellt wird, sich um seine Angelegen-<br />

22 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 365<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

heiten (rechtswirksam) zu kümmern. Formulierungen wie z.B. „Wenn ich nicht mehr selbst in der Lage dazu<br />

bin, dann … “ sind zu unscharf. Sie werfen Fragen auf: Wann ist man dazu nicht mehr in der Lage, wer<br />

muss das nachweisen? Ist ein solcher Nachweis möglich? Bleiben diese Fragen offen, so wird im Zweifel<br />

ein gerichtliches Betreuungsverfahren eingeleitet, obwohl eine Betreuungsvollmacht im Rahmen der<br />

ausgearbeiteten Generalvollmacht bereits existiert. Es passiert also genau das, was man mit der eigenen<br />

Generalvollmacht verhindern wollte.<br />

b) Offen gebliebene, aber regelungsbedürftige Fragen und unausgefüllte Stellen im Formular<br />

Eine lückenhafte Vollmacht kann sich auch unter dem Umstand ergeben, dass man nicht alle eigenen<br />

Lebensumstände berücksichtigt und geregelt hat. Gibt es z.B. bestimmte Krankheiten, auf die gesondert<br />

eingegangen werden muss? Gibt es spezielle Lebenssituationen oder Vermögenslagen? Das Urteil des<br />

BGH vom 1.4.2015 zeigt die Konsequenzen einer lückenhaft erstellten Vorsorgevollmacht auf:<br />

Beispiel:<br />

Ehemann E. erteilt seiner Frau F. Generalvollmacht. Dazu verwendet er ein Formular aus dem Internet.<br />

Der Punkt „Verbindlichkeiten eingehen“ wird weder positiv noch negativ beantwortet, also weder mit Ja<br />

noch mit Nein angekreuzt, der Punkt „Vertretung vor Gericht“ mit Nein. E. wird geschäftsunfähig. Das<br />

zuständige Amtsgericht leitet trotz bestehender Generalvollmacht eine Betreuung ein. Aus dem<br />

„Ankreuzverhalten“ des E. zieht das Gericht den Schluss, dass die Vollmacht insgesamt nicht wirksam<br />

ausgefertigt worden ist. Dagegen führt F. Beschwerde. Das Amtsgericht beschränkt daraufhin das<br />

Betreuungsverfahren auf die beiden unklar beantworteten und sich gegenseitig widersprechenden<br />

Bereiche.<br />

Der BGH „kassierte“ diese Entscheidung und betont, eine Betreuung dürfe nur für die Aufgabenkreise<br />

gestellt werden, für die die Bestellung auch notwendig geworden sei. Soweit ein konkreter Bedarf nicht<br />

bestehe, dürfe auch keine Betreuung eingeleitet werden. Hier war weder eine Vertretung vor Gericht<br />

notwendig, noch sollten Verbindlichkeiten eingegangen werden. Für alle anderen Fälle der Vermögenssorge<br />

sei F. wirksam bevollmächtigt worden. Erst der BGH in letzter Instanz repariert damit einen<br />

eigentlich „krankenden“ Sachverhalt, der seine Ursache im Inhalt der erteilten Vollmacht findet (BGH,<br />

Urt. v. 1.4.2015 – XII ZB 29/15, ZEV 2015, 536).<br />

c) Zweifel an der Geschäftsfähigkeit<br />

Praxisrelevant sind auch Widerrufsfälle wegen zweifelhafter Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers.<br />

Beispiel:<br />

Oma O. erteilt ihrer Schwester S. und ersatzweise deren Ehemann G. eine Generalvollmacht. Später widerruft<br />

sie diese Generalvollmacht schriftlich. Das zuständige Amtsgericht leitet ein Betreuungsverfahren<br />

über O. ein. S. und G. wehren sich dagegen mit der Beschwerde zum LG.<br />

In letzter Instanz hatte der BGH (Beschl. v. 19.8.2015 – XII ZB 610/14, NJW 2016, 159) zu klären, ob der<br />

Widerruf rechtswirksam erfolgt ist oder nicht. Denn auch er setzt als geschäftsähnliche Handlung wie<br />

die Ausfertigung der Vollmacht die Geschäftsfähigkeit des Handelnden (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 – XII ZB<br />

425/14, MDR 2016, 464 m.w.N.) – hier O. – voraus. Da die Geschäftsfähigkeit der O. zwar zum Zeitpunkt<br />

der Erteilung der Vollmacht, nicht aber zum Zeitpunkt des Widerrufs geklärt werden konnte, könnte<br />

eine wirksame Vollmacht weiterhin vorliegen, wenn O. bei ihrem Widerruf geschäftsunfähig gewesen<br />

sein sollte. Da sich dies nicht eindeutig klären ließ, bestätigt der BGH die Einsetzung einer gerichtlichen<br />

Betreuung. Denn: „Die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr wird (…) eingeschränkt, wenn Zweifel an<br />

der Wirksamkeit des Widerrufs verbleiben“ (vgl. ebenso BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016,<br />

463 f.; v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, MDR 2016, 464).<br />

Zusammengefasst gilt: Trotz Erteilung einer Vollmacht ist die Anordnung einer Betreuung durch das<br />

Betreuungsgericht möglich und geboten, wenn die Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht<br />

zweifelhaft ist, wenn die erteilte Vollmacht den Anforderungen an eine Vorsorgevollmacht nicht<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 23


Fach 12, Seite 366<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

genügt oder wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht zum Nachteil des Betroffenen missbraucht hat<br />

(OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.3.2005 – 11 Wx 3/05, NJW 2005, 1587 m.w.N).<br />

VI.<br />

Form- und Haftungsfragen<br />

Frage:<br />

Welche Form gilt für die Generalvollmacht, die Betreuungs- und die Patientenverfügung?<br />

Eine Patientenverfügung ist wirksam und bindend, wenn sie von einem einwilligungsfähigen<br />

Volljährigen verfasst wurde, in schriftlicher Form niedergelegt wurde und eine Entscheidung über die<br />

Einwilligung oder über die nicht erfolgte Einwilligung in eine bestimmte, noch nicht unmittelbar<br />

bevorstehende ärztliche Maßnahme zum Gegenstand hat (§ 1901a Abs. 1 S. 1 BGB).<br />

Für die Erteilung von Vorsorgevollmachten gilt ebenso die einfache Schriftform (§ 1901a Abs. 3, Abs. 1 S. 1<br />

BGB). § 1901c S. 1 BGB geht für die Betreuungs- und Vorsorgevollmacht von einem „Schriftstück“ aus.<br />

Konstitutiv ist dies zwar nicht zu verstehen. Die Vorschrift greift aber den Regelfall einer schon aus<br />

Legimitations- und Beweiszwecken schriftlich abgefassten Erklärung auf.<br />

Die selbst verfasste Generalvollmacht reicht nur solange, wie der Bevollmächtigte nicht selbst nach dem<br />

Willen des Vollmachtgebers notariell beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte abschließen soll. Das ist<br />

z.B. für immobilienbezogene Geschäfte der Fall.<br />

Frage:<br />

Empfiehlt sich trotzdem die notarielle Beurkundung oder zumindest die notarielle Beglaubigung der<br />

Unterschriften?<br />

Bei Rechtsgeschäften, für die selbst eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, wie z.B. der<br />

Grundstückserwerb, der Grundstücksverkauf oder die Belastung von Grundeigentum, muss die<br />

Vollmacht notariell beurkundet sein (§ 311b BGB i.V.m. § 29 GBO, der auch eine öffentliche<br />

Beglaubigung der Urkunde zulässt). Denn entgegen § 167 Abs. 2 BGB ist die Vollmacht dann Teil des<br />

formbedürftigen Gesamtvertrages gem. § 311b BGB. Wird die für Immobiliengeschäfte notwendige<br />

Form nicht eingehalten, so muss für diesen Bereich durch das Betreuungsgericht ein eigener Betreuer<br />

bestellt werden (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 – XII ZB 454/15, NJW 2016, 1516 ff.).<br />

Sinnvoll ist die Hinzuziehung eines Notars auch, wenn es im Vollzug einer zu errichtenden Vollmacht<br />

um die Anmeldung zum Handelsregister oder um die Ausschlagung von Erbschaften (§ 1945 Abs. 1 Alt. 2,<br />

Abs. 3 BGB) geht.<br />

Eine notarielle Beglaubigung, die lediglich die Richtigkeit der Unterschrift bestätigt und den Text<br />

inhaltlich nicht prüft, reicht solange, wie der Bevollmächtigte nicht selbst nach dem Willen des<br />

Vollmachtgebers notariell beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte abschließen soll.<br />

Frage:<br />

Welche Funktion füllt der Rechtsanwalt aus?<br />

Je nach persönlicher Vermögenssituation ist die Klärung vielschichtiger Einzelfragen in dann länger<br />

notwendigen Beratungsgesprächen unabdingbar. Dies gilt besonders bei komplexeren Situationen, sei<br />

es, dass sie durch ein besonders umfangreiches Vermögen entstehen, oder sei es, dass sie sich aus<br />

(mehreren) unternehmerischen Engagements ergänzend zur privaten Situation ergeben. Dies gilt<br />

besonders in Fragen des Vermögensanlagenbereichs, der Vermögensbetreuung, dem Verhältnis zu<br />

Banken und sonstigen Geldinstituten sowie der Vermögensverwaltung von Immobilien. Die Lösung<br />

dieser Fragen, niedergelegt in der Vorsorgevollmacht, muss für jeden einzelnen Fall passen. Dies<br />

24 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 367<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

macht es auch notwendig, im Einzelnen darzustellen, wie das Verhältnis des Betroffenen zum<br />

Bevollmächtigten rechtlich ausgestaltet sein kann.<br />

Gerade dann, wenn verwandtschaftliche und familiäre Verhältnisse als prekär bezeichnet werden<br />

müssen, ist darüber hinaus die Abstimmung mit dem Erbrecht zwingend. Dies gilt genauso und<br />

besonders in Fällen der Unternehmensnachfolge.<br />

Neben der Vermögenssituation ist die Frage der Personensorge sowie die gesundheitliche Situation zu<br />

bedenken. Hier kommt es ebenso auf die exakte Ermittlung der Situation des Mandanten an. Wichtig<br />

ist z.B. die Entwicklung von Vorgaben für den Bevollmächtigten für den künftigen Abschluss von<br />

Heimverträgen sowie die Lösung von wirtschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit künftigen<br />

Krankenhausaufenthalten oder der Überstellung ins Pflegeheim.<br />

Besonders einzugehen ist auch auf die gewünschte Ausgestaltung von Kontrollmechanismen,<br />

insbesondere die Pflicht zur Rechenschaft des Bevollmächtigten gegenüber dem Betroffenen oder<br />

gegenüber seinen Erben (näher: SARRES EE 2010, 159, 160).<br />

Insbesondere bei aktuell bestehenden oder bei überwundenen bekannten Erkrankungen sollte dazu<br />

aufgefordert werden, einen Arzt hinzuzuziehen, der in medizinischen Fragen aufklärt und berät sowie<br />

darüber hinaus den aktuellen Gesundheitszustand insbesondere im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit<br />

des Betroffenen dokumentiert (vgl. dazu auch BayObLG, Beschl. v. 2.7.1992 – 3Z BR 58/92, DNotZ 1993,<br />

471, 473).<br />

Zusammengefasst ist festzustellen: Ob nun notariell beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte mit<br />

umfasst sein sollen oder nicht – die anwaltliche Betreuung bei der Erstellung von Generalvollmachten<br />

oder/und Patientenverfügungen ist sinnvoll (dazu näher: LANGE NJW 2017, 137 ff.).<br />

Frage:<br />

Wer haftet bei gemeinsamer Tätigkeit von Rechtsanwalt und Notar?<br />

Beurkundet der Notar eine Vollmacht nach dem von einem Rechtsanwalt gefertigten Entwurf, haftet<br />

der Rechtsanwalt im Regressfall dafür primär allein (BGH, Urt. v. 24.10.2002 – III ZR 107/02, NJW 2003,<br />

202, 203). Die Haftung des Notars ist ohnehin subsidiär ausgestaltet (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO).<br />

VII. Auswahl und Tätigkeit des Bevollmächtigten<br />

Frage:<br />

Wie wählt man den Bevollmächtigten aus?<br />

Insbesondere die Generalvollmacht vermittelt umfassende Befugnisse mit dem Effekt tiefer Einschnitte<br />

in Lebenssituation und Lebensführung des Betroffenen. Von größter Bedeutung sind auch die Befugnisse,<br />

die durch eine Patientenverfügung auf den Bevollmächtigten übertragen werden. Deshalb<br />

kommen nur absolute Vertrauenspersonen als Bevollmächtigte in Betracht, deren Auswahl sorgfältig<br />

bedacht, beraten und danach mit den infrage kommenden Personen vor der Abfassung entsprechender<br />

Erklärungen besprochen werden muss. Findet sich eine solche Vertrauensperson nicht oder bleiben<br />

Bedenken, sollte von der Abfassung einer Vollmacht besser abgeraten werden.<br />

Frage:<br />

Wird der Bevollmächtigte entgeltlich oder unentgeltlich tätig?<br />

Beides ist möglich und kann in der Bevollmächtigung bestimmt werden. Wird der Bevollmächtigte<br />

entgeltlich tätig, ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag anzunehmen (§ 675 BGB). Wird er unentgeltlich<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 25


Fach 12, Seite 368<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

tätig, ist Auftragsrecht einschlägig (§§ 662 ff. BGB). Enthält die Vollmacht dazu keine ausdrücklichen<br />

Ausführungen, ist Unentgeltlichkeit und damit Auftragsrecht anzunehmen (OLG Karlsruhe, Urt. v.<br />

16.5.2017 – 9 U 167/15, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 505/2017).<br />

Frage:<br />

Muss der Bevollmächtigte über sein Tun Rechenschaft ablegen?<br />

Der Bevollmächtigte ist rechenschaftspflichtig sowohl gegenüber dem Betroffenen als auch im Falle<br />

dessen Todes gegenüber dem Erben. Dies wurde z.B. für eine Tochter entschieden, die aufgrund einer<br />

Generalvollmacht Bargeldbeträge vom Bankkonto der pflegebedürftigen Mutter abgehoben hat, um<br />

diese Gelder für die Mutter zu verwenden. Nach dem Tode der Mutter hat die Tochter gegenüber den<br />

Erben zu beweisen, dass sie die Gelder auftragsgemäß verwendet hat. Im Einzelfall kann dieser Beweis<br />

auch durch eine informatorische Anhörung der Bevollmächtigten erbracht werden. In dem entschiedenen<br />

Rechtsstreit hatte der Erbe von der Tochter die Herausgabe der abgehobenen Bargeldbeträge<br />

verlangt (OLG Karlsruhe <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 505/2017; vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 19.9.2012 – 16 U 196/11,<br />

ZEV 2013, 339 zur Abgrenzung von Kontovollmachten zur Erledigung bloßer Gefälligkeiten – tägliches<br />

Einkaufen für die alte und kranke Mutter; OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2007 – 26 U 62/06, ZEV 2008, 600 f.<br />

– zum Schadensersatz des Bevollmächtigten bei durch Tatsachen unterlegten Zweifeln an seiner<br />

Zuverlässigkeit und seiner Geschäftsbesorgung, Zweifel wegen des Umfangs ungeklärter Verfügungen<br />

i.H.v. 130.000 € in einem Zeitraum von 6,5 Jahren nach Abzug der angemessenen Pflege- und<br />

Mietkosten; BGH, Urt. v. 25.3.2014 – X ZR 94/12, NJW 2014, 3021 ff. – zum Widerruf der Schenkung von<br />

Immobilien an den Bevollmächtigten bei Verstoß gegen dessen Pflicht zu möglichst schonendem<br />

Gebrauch seiner eingeräumten Befugnisse unter bestmöglicher Wahrung der personellen Autonomie<br />

des Betroffenen, sofortige Abschiebung ins Pflegeheim mit der Anordnung der Isolation von sozialen<br />

Kontakten nach Krankenhausaufenthalt).<br />

VIII. Kontrolle des Bevollmächtigten<br />

Frage:<br />

Kann man den Bevollmächtigten kontrollieren lassen?<br />

Ja, ein Kontrollbetreuer kann bestellt werden. Das kann schon durch den Vollmachtgeber geschehen.<br />

Damit verhindert er, dass eine Betreuung gerichtlich angeordnet wird, wenn die Vollmacht erteilt<br />

wurde, um diesen Fall gerade zu verhindern. Andernfalls kann das Betreuungsgericht einen<br />

Kontrollbevollmächtigten einsetzen, wenn der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten nicht mehr<br />

überwachen kann (OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2001 – 15 W 365/00, FamRZ 2001, 870; BGH, Beschl.<br />

v. 30.3.2011 – XII ZB 537/10, NJW 2011, 2137). Weitere Anlässe für die Einsetzung des Kontrollbetreuers<br />

sind der erwartete Verdacht, der Bevollmächtigte habe dem Vollmachtgeber Geld weggenommen,<br />

konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr vereinbarungsgemäß und für<br />

den Vollmachtgeber interessengemäß handelt (BGH, Beschl. v. 9.9.2015 – XII ZB 125/15, NJW 2015,<br />

3575), besondere Schwierigkeiten bei der Führung einzelner Geschäfte (BGH, Beschl. v. 16.7.2014 –<br />

XII ZB 142/14, ZEV 2014, 612) sowie konkrete Verdachtsmomente, dass die Vollmacht hinter dem<br />

Umfang des aktuellen Betreuungsbedarfs zurückbleibt (OLG Köln, Beschl. v. 30.3.2009 – 16 Wx 19/09,<br />

BtPrax 2009, 306).<br />

Können sich Kinder, die durch eine Vorsorgevollmacht zur Einzelvertretung befugt sind, nicht über die<br />

weitere Pflege und Versorgung des Betroffenen einigen, ist dies allein kein Grund zur Einsetzung einer<br />

Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB; BGH, Beschl. v. 30.3.2011 – XII ZB 507 30/10, NJW 2011, 2137).<br />

Als letztes Mittel kann der Kontrollbetreuer dazu ermächtigt werden, die (wirksame) Vorsorgevollmacht<br />

zu widerrufen (BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – XII ZB 177/15, MDR 2015, 1423; v. 23.9.2015 – XII ZB<br />

624/14, MDR 2015, 1423 f.).<br />

26 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 369<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

IX.<br />

Aufbewahrung der Vollmacht<br />

Frage:<br />

Sollte die Vollmacht im Zentralen Versorgungsregister erfasst werden (Vorteile auch bei privatschriftlicher<br />

Vollmacht)?<br />

Die Vorsorgevollmacht kann über das Internet (www.vorsorgeregister.de) oder per Post (Adresse:<br />

Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer, Postfach 080151, 10001 Berlin) registriert<br />

werden. Das gilt für selbst errichtete sowie für notariell beurkundete oder beglaubigte Erklärungen.<br />

Auch der Notar kann die Registrierung bei der Bundesnotarkammer – Zentrales Vorsorgeregister –<br />

veranlassen (§ 78a Abs. 1 S. 1 BNotO). Die Pauschale beträgt 20 € (KV-Nr. 22124 GNotKG). Die Meldung<br />

stellt sicher, dass die Vollmacht durch die Betreuungsgerichte auch gefunden wird. Kliniken und Ärzte<br />

haben keinen Zugriff. Denn die Registrierung bezieht sich nicht auf Patientenverfügungen zu<br />

medizinischen Behandlungsentscheidungen.<br />

Die Bundesnotarkammer – Zentrales Vorsorgeregister – bewahrt keine isoliert erstellten Patientenverfügungen<br />

auf, wohl aber Patientenverfügungen in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht und<br />

einer Betreuungsverfügung (§§ 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 78a BNotO).<br />

X. Kosten<br />

Frage:<br />

Was kosten die notarielle Beurkundung oder die notarielle Beglaubigung?<br />

Beides richtet sich nach § 34 GNotKG. Für die Beurkundung der Vollmacht und der Patientenverfügung<br />

inklusive der Fertigung des Entwurfs und inklusive dessen Beratung fällt eine 1,0 Gebühr an (KV-<br />

Nr. 21200 GNotKG). Sie bestimmt sich nach dem Vermögenswert des Betroffenen. Anzusetzen ist<br />

maximal die Hälfte des Vermögens als Geschäftswert (§ 98 Abs. 3 S. 2 GNotKG). Soll die Vorsorgevollmacht<br />

erst im Krankheitsfall eingesetzt werden und wird sie deshalb nicht sofort an den Bevollmächtigten<br />

ausgehändigt, wird mit Abschlägen gearbeitet (30 % des Vermögenswertes: vgl, GOTTWALD<br />

EE Sonderausgabe, 1, 18 unter Zitat von: Streifzug durch das GNotKG, 10. Aufl., Rn 2422).<br />

Der nach billigem Ermessen (§ 36 Absatz 2 GNotKG) zu bestimmende Geschäftswert einer Patientenverfügung<br />

wird im Regelfall mit 5.000 € angesetzt.<br />

Werden Bestimmungen zum Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem, die<br />

nicht in der nach außen zu verwendenden Generalvollmacht enthalten sein dürfen, mit beurkundet, und<br />

wird der Bevollmächtigte hieran beteiligt, werden 2,0 Gebühren fällig (KV-Nr. 21100 GNotKG). Wird der<br />

Bevollmächtigte nicht beteiligt, bleibt es bei einer 1,0 Gebühr (KV-Nr. 21200 GNotKG).<br />

Die Übermittlung von Anträgen an das Zentrale Vorsorgeregister wird mit einer Pauschale abgegolten<br />

(KV-Nr. 22124 GNotKG).<br />

Auslagen in Form einer Dokumentenpauschale (KV-Nr. 32001 GNotKG) sowie in Form von Entgelten in<br />

voller angefallener Höhe für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (KV-Nr. 32004 GNotKG)<br />

treten hinzu und bilden die Nettorechnungssumme, die mit 19 % Umsatzsteuer (KV-Nr. 32014 GNotKG)<br />

besteuert wird.<br />

Bei der bloßen Unterschriftsbeglaubigung kommt es ebenfalls auf den Vermögenswert an. Fällig wird<br />

aber lediglich eine 0,2 Gebühr zwischen 20 und 70 € (KV-Nr. 25100 GNotKG).<br />

Frage:<br />

Wie rechnet der Rechtsanwalt einen von ihm gefertigten Entwurf ab?<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 27


Fach 12, Seite 370<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

FAQ – Generalvollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung<br />

Einschlägig ist § 34 RVG, wonach es auf eine Honorarvereinbarung ankommt. In Betracht kommen<br />

deshalb Zeitgebühren oder eine Pauschalgebühr. Wird die Vergütung nicht klar vereinbart, gilt die<br />

„übliche“ Gebühr (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG, §§ 675, 612, 632 Abs. 2 BGB; PALANDT/SPRAU, BGB, 75. Aufl. 2016, § 675<br />

BGB Rn 8, 23; PALANDT/WEIDENKAFF, a.a.O., § 612 BGB Rn 11).<br />

Soll der Rechtsanwalt „hinterher“ als Vorsorgebevollmächtigter handeln, so kommt es ebenfalls für die<br />

Abgeltung auf eine Honorarvereinbarung an (§ 1 Abs. 2 RVG). Im Zweifel ist eine übliche Honorarhöhe<br />

vereinbart.<br />

Soll der Rechtsanwalt „später“ als Berufsbetreuer tätig werden, so gilt mangels einzelner Vereinbarungen<br />

für die Abgeltung seiner Tätigkeit ebenso nicht das RVG (§ 1 Abs. 2 RVG), sondern § 5 VBVG,<br />

wenn keine Honorarvereinbarung getroffen wurde. Hinzu treten jeweils Umsatzsteuer und Auslagenpauschale.<br />

XI.<br />

Speziell: Bankvollmacht<br />

Frage:<br />

Was gilt für Vollmachten gegenüber Geldinstituten (Bankvollmacht)?<br />

Im Rahmen der Vorsorgevollmacht sollte auch eine Bankvollmacht erteilt werden. Zunächst: Geldinstitute<br />

müssen eine Vorsorgevollmacht im Grundsatz akzeptieren, solange sie wirksam ist (LG<br />

Detmold, Urt. v. 14.1.2015 – 10 S 110/14, ZEV 2015, 353). Denn Nr. 5 der AGB-Banken bzw. AGB-<br />

Sparkassen i.d.F. vom 31.10.2009, die zum Nachweis der erbrechtlichen Verfügungsbefugnis die Vorlage<br />

eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder einer Ausfertigung oder einer<br />

beglaubigten Abschrift eines Testaments mit Eröffnungsniederschrift erforderlich macht, verstößt<br />

gegen § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB und ist unwirksam (BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW-aktuell<br />

Heft 47/2013, 8; Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 1.10.2012 – I-31 U 55/12, ZEV 2012, 678). Nach diesem<br />

Urteil ist davon auszugehen, dass die „AGB Banken/Sparkassen“ entsprechend angeglichen und<br />

derartige Nachweisklauseln entfernt oder auf Zweifelsfälle einer konkreten Erbberechtigung reduziert<br />

haben.<br />

Aus Sicht des Geldinstituts ist der Vorbehalt einer notwendigen Legitimation durch Erbschein klar:<br />

Denn in diesem Fall kann immer schuldbefreiend geleistet werden, auch wenn der Erbschein falsch ist<br />

(§§ 2366, 2367 BGB). Eine Leistung an den Falschen, ohne dass er sich unter Vorlage eines Erbscheins als<br />

berechtigter Erbe präsentiert, birgt dagegen die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme der Bank (vgl.<br />

zum Schadensersatzanspruch einer Erbin gegen die Bank aus § 280 BGB wegen verweigerter Akzeptanz<br />

eines vorgelegten tauglichen Legitimationsnachweises: BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, NJW 2016,<br />

2409 ff.).<br />

Selbstverständlich bleibt es dem Geldinstitut zur Vermeidung eigener Regressfälle unbenommen, die<br />

vorgelegte Vollmacht im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und ihren Handlungsumfang vorab zu<br />

überprüfen (dazu näher: GÜNTHER NJW 2013, 3681 ff.). Deshalb, also aus rein praktischen Gründen, ist<br />

die Erteilung einer speziellen Bankvollmacht anzuraten, idealerweise unter Verwendung eigener<br />

Vollmachtmuster und des Überprüfungsverfahrens des kontoführenden Geldinstitutes. Überprüfungszeiträume<br />

beim Abwickeln von Geschäften fallen dann weg und werden in die Ausstellungsphase<br />

vorverlagert. So können Verzögerungen vermieden werden.<br />

Literaturhinweise:<br />

• Zur Legitimation des Erben gegenüber der Bank des Erblassers vgl. GOTTWALD <strong>ZAP</strong> F. 12, S. 339 ff.<br />

• Zu Nachlasskonten – Verfügungen nach dem Tode des Kontoinhabers vgl. GLENK/BAUER/HOFMANN <strong>ZAP</strong><br />

F. 8, S. 553 ff.<br />

28 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1557<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Rechtsprechung<br />

Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zum Sozialrecht – 1. Halbjahr 2017<br />

Von Dr. ULRICH SARTORIUS, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht, Breisach, und<br />

Prof. Dr. ANDREAS PATTAR, Hochschule für öffentliche Verwaltung, Kehl<br />

Inhalt<br />

I. Existenzsicherungsrecht<br />

1. Leistungsberechtigung von Ausländerinnen<br />

und Ausländern<br />

2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung,<br />

Nebenkosten nach Wohnungswechsel<br />

3. Berücksichtigung von Selbsthilfe<br />

4. Sanktionen und Ersatzansprüche<br />

5. Eingliederungsleistungen<br />

6. Im Bereich der Existenzsicherungssysteme<br />

modifiziertes Verfahrensrecht:<br />

Zugunstenverfahren<br />

II. Arbeitsförderungsrecht<br />

1. Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung<br />

im SGB III<br />

2. Versicherungspflicht aus sonstigen Gründen<br />

III. Sozialversicherung: Beitragserstattung trotz<br />

vorsätzlich falscher Entrichtung<br />

IV. Krankenversicherungsrecht: Krankengeldanspruch<br />

bei irrtümlichem Nichterstellen<br />

einer AU-Bescheinigung durch Vertragsärzte<br />

V. Unfallversicherungsrecht<br />

1. Umfang des Versicherungsschutzes bei<br />

betrieblichen Veranstaltungen<br />

2. Berufskrankheit durch Einwirkung von<br />

Chrom trotz langjährigen Rauchens<br />

VI. Verfahrensrecht<br />

1. Voraussetzung des Erlöschens von Geldleistungen<br />

nach dem Tode der Verletzten<br />

2. Unwirksamkeit der Erhebung eines Rechtsschutzbegehrens<br />

beim BSG mittels einfacher<br />

E-Mail<br />

3. Nichtzulassungsbeschwerde/Verfahrensfehler:<br />

Ablehnung eines Beweisantrags<br />

ohne „hinreichende“ Begründung<br />

I. Existenzsicherungsrecht<br />

1. Leistungsberechtigung von Ausländerinnen und Ausländern<br />

In Reaktion auf frühere BSG-Entscheidungen (BSG, Urt. v. 3.12.2015 – B 14 AS 44/15 R; v. 3.12.2015 –<br />

B 4 AS 59/13 R; v. 3.12.2015 – B 4 AS 43/15 R; v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R; v. 16.12.2015 – B 14 AS 18/14 R;<br />

v. 16.12.2015 – B 14 AS 33/14 R; v. 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R; v. 17.2.2016 – B 4 AS 24/14 R; v. 17.3.2016 –<br />

B 4 AS 32/15 R; vgl. dazu etwa PATTAR SGb 2016, 665–672; KANALAN ZESAR 2016, 365–371 u. 414–421) hat<br />

der Gesetzgeber mit Wirkung vom 29.12.2016 die Leistungsausschlusstatbestände für Ausländerinnen<br />

und Ausländer in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II und flankierend dazu in § 23 SGB XII deutlicher und strenger<br />

gefasst. Das BSG hatte entschieden, dass Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltsrecht und<br />

solche, deren Aufenthaltsrecht ausschließlich zum Zwecke der Arbeitssuche besteht, zwar keinen<br />

Anspruch auf SGB II-Leistungen haben, dass aber nach einem mindestens sechsmonatigen Inlandsaufenthalt<br />

eine Ermessensreduzierung auf Null auf Gewährung von SGB XII-Leistungen besteht.<br />

Für den bis zum 28.12.2016 geltenden Rechtsstand hat das BSG (Urt. v. 23.2.2017 – B 4 AS 7/16 R) diese Linie<br />

nun erneut bestätigt. Zum neuen Recht liegen noch keine Entscheidungen des BSG vor. Die zuvor schon<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 29


Fach 18, Seite 1558<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

sehr kritischen Untergerichte halten die Neufassung für verfassungsgemäß und wenden sie in strenger<br />

Weise an (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.2.2017 – L 23 SO 30/17 B ER; LSG NRW, Beschl. v. 16.3.2017 –<br />

L 19 AS 190/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 18.4.2017 – L 13 AS 113/17 B ER; Beschl.<br />

v. 19.5.2017 – L 11 AS 247/17 B ER; milder hingegen LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.5.2017 – L1AS<br />

1815/17 ER-B).<br />

Das treibt erstaunliche Blüten: So fordert das LSG Berlin-Brandenburg für die Annahme einer<br />

Arbeitnehmereigenschaft, dass im Arbeitsverhältnis der Mindestlohn eingehalten wird (Beschl. v. 10.5.2017 –<br />

L 31 AS 571/17 B ER), obwohl die Lohnzahlungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis folgt und nicht seine<br />

Voraussetzung ist. Obwohl ein Verfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der früheren,<br />

milderen Fassung von § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II vor dem BVerfG weiter anhängig ist (SG Mainz, Vorlagebeschl. v.<br />

18.4.2016 – S 3 AS 149/16; Az. beim BVerfG: 1 BvL 4/16), wird weithin auch eine vorläufige Leistung nach § 41a<br />

Abs. 7 SGB II abgelehnt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2017 – L 5 AS 449/17 B ER; LSG<br />

Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 18.4.2017 – L 13 AS 113/17 B ER; v. 19.5.2017 – L 11 AS 247/17 B ER).<br />

Eine gewisse Ausnahme bildet ein Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt (v. 7.3.2017 – L 2 AS 127/17 B ER).<br />

Hiernach ist der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 SGB XII in der seit 29.12.2016 geltenden Fassung für<br />

Staatsangehörige aus Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (Belgien, Dänemark,<br />

Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Island, Irland, Italien, Luxemburg, Malta,<br />

Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Türkei, Großbritannien) nicht anwendbar. Damit<br />

bleibt es für diese Personengruppe im Wesentlichen bei der Rechtslage, wie sie durch die BSG-Urteile<br />

vorgezeichnet ist. Auch das LSG Schleswig-Holstein hält den neuen Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2<br />

Nr. 2 Buchst. c SGB II für europarechtswidrig (Beschl. v. 17.2.2017 – L 6 AS 11/17 B ER).<br />

Hinweis:<br />

Insgesamt ist es zwar erheblich schwerer geworden, SGB II- oder SGB XII-Leistungsansprüche von<br />

Ausländerinnen und Ausländern durchzusetzen, die nicht eindeutig Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer<br />

sind oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht haben. Insbesondere im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,<br />

bei dem der Rechtsweg beim LSG endet, ist eine Art Flickenteppich aus strengeren und weniger strengen<br />

LSG entstanden. Durch die Neuregelung ist allerdings nicht alles geklärt, wie der Gesetzgeber gehofft hatte,<br />

vielmehr sind neue Streitlinien aufgebrochen. Von Klagen kann also keinesfalls abgeraten werden.<br />

2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Nebenkosten nach Wohnungswechsel<br />

Unterkunftsbedarfe (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II) umfassen grundsätzlich nur Aufwendungen für die<br />

tatsächlich genutzte konkrete Wohnung, die den aktuellen Unterkunftsbedarf deckt. Besteht das<br />

Mietverhältnis noch, werden auch Nebenkostennachforderungen aus der Zeit vor der Hilfebedürftigkeit<br />

übernommen, die erst nach deren Eintritt fällig werden. Problematisch sind dabei Nebenkostennachforderungen<br />

für eine nicht mehr bewohnte Wohnung. Diese sind – weil nicht aktuell – nur dann<br />

ausnahmsweise zu übernehmen, wenn Leistungsberechtigte sowohl bei ihrer tatsächlichen Entstehung<br />

als auch bei ihrer Fälligkeit im SGB II-Leistungsbezug standen, die Aufgabe der bisherigen Wohnung zur<br />

Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit (vgl. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II) erfolgt und keine andere<br />

Bedarfsdeckung eingetreten ist (so bereits BSG, Urt. v. 20.6.2015 – B 14 AS 40/14 R).<br />

Nach dem Urteil des BSG vom 30.3.2017 (B 14 AS 13/16 R) gilt dies darüber hinaus auch dann, wenn die<br />

Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostenforderung erhoben wird, bis zu deren<br />

Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs<br />

(§ 22 Abs. 4 SGB II) vorlag. Es bestehe dann eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der<br />

Nebenkostennachforderung für die frühere Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf,<br />

weil Entstehung und Fälligkeit der Nachforderung einen ununterbrochenen Zeitraum betreffen, in dem<br />

der SGB II-Träger für die Unterkunftsbedarfe aufzukommen hat. Ferner entstünde sonst eine faktische<br />

Umzugssperre: Weil Leistungsbezieher die Höhe nicht auskömmlicher Vorauszahlungen nicht beein-<br />

30 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1559<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

flussen können, bestehe ein Verschuldungsrisiko. Ferner sei zu berücksichtigen, dass eine Nebenkostenerstattung<br />

nach § 22 Abs. 3 SGB II stets die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung mindert.<br />

Hinweis:<br />

Der 4. BSG-Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Urt. v. 13.7.2017 – B 4 AS 12/16 R).<br />

3. Berücksichtigung von Selbsthilfe<br />

a) Einkommensanrechnung<br />

Das BSG hat mehrere Entscheidungen zur Einkommensanrechnung gefällt.<br />

aa) Bereite Mittel<br />

In einem der entschiedenen Fälle (BSG, Urt. v. 24.5.2017 – B 14 AS 32/16 R) hatte der Kläger von seinem<br />

Arbeitgeber ein Darlehen erhalten. Der Arbeitgeber behielt zur Darlehenstilgung 100 € monatlich vom<br />

Lohn ein. Streitig war, ob diese Darlehensrate i.H.v. 100 € monatlich entweder als nicht bereites Mittel<br />

unberücksichtigt bleiben oder nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden muss.<br />

Das BSG verneinte (laut Terminbericht) beide Fragen: Die Darlehensrate sei nicht mit der Erzielung des<br />

Einkommens verbunden, so dass eine Absetzung nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II nicht möglich sei.<br />

Obwohl das Einkommen des Klägers in Höhe der Darlehensrate nicht zur Auszahlung komme, handele<br />

es sich dennoch um ein bereites Mittel. Das BSG begrenzte den Anwendungsbereich der Rechtsprechung<br />

zu den bereiten Mitteln: Nur bei einer fiktiven Einkommenszurechnung trotz vorzeitigen<br />

Verbrauchs einmaliger Einnahmen und bei der Zurechnung von Einnahmen, die im Moment ihres<br />

Zuflusses noch nicht zur Existenzsicherung eingesetzt werden können, greife diese Rechtsprechung.<br />

Hier habe der Kläger jedoch – wenn auch vor dem maßgeblichen Zeitraum – eine freiwillige<br />

Verwendungsentscheidung getroffen. Immerhin lässt das BSG ein Schlupfloch offen: Am Ende stellt es<br />

die Kontrollüberlegung an, ob das Existenzminimum des Klägers trotz Anrechnung der tatsächlich<br />

einbehaltenen 100 € noch gedeckt sei. Es bejaht dies, weil dieser Einbehalt durch den Erwerbstätigenfreibetrag<br />

nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB II gedeckt sei.<br />

Hinweis:<br />

Die BSG-Rechtsprechung zu bereiten Mitteln dürfte im SGB II als eigenständiges Argument durch die<br />

jüngsten Gesetzesänderungen an Bedeutung verlieren. So sieht § 24 Abs. 4 S. 2 SGB II seit 1.1.2017<br />

ausdrücklich die Gewährung von Darlehen vor, wenn einmalige Einnahmen, die über einen Verteilzeitraum<br />

von sechs Monaten anzurechnen sind (§ 11 Abs. 3 S. 4 SGB II), vorzeitig verbraucht worden sind. Auch die<br />

zweite Fallgruppe, dass eine einmalige Einnahme nicht sofort verwertet werden kann, wird schon deshalb<br />

an Bedeutung verlieren, weil seit 1.8.2016 Einnahmen in Geldeswert nicht mehr als Einkommen gelten.<br />

bb) Absetzbarkeit von Aufwendungen<br />

In mehreren Entscheidungen befasste sich das BSG darüber hinaus mit der Absetzbarkeit von<br />

Aufwendungen.<br />

So bestätigte es (BSG, Urt. v. 8.2.2017 – B 14 AS 10/16 R) eine Entscheidung des LSG NRW (Urt. v. 28.1.2016 –<br />

L 7 AS 948/15), nach der Beiträge zu einer gesetzlich vorgeschriebenen Hundehalterhaftpflichtversicherung<br />

nicht nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II vom Einkommen abzusetzen sind: Zwar spreche<br />

der Wortlaut von § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II für eine Absetzbarkeit. Entstehungsgeschichte, Sinn und<br />

Zweck und Systematik der Norm verwiesen aber darauf, dass nur solche gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Versicherungsbeiträge abzusetzen seien, „die einen spezifischen Bezug zu den Zielen des SGB II aufweisen, weil<br />

sie entweder einem der in die Existenzsicherung einbezogenen Bedarfe oder der Eingliederung in Arbeit zuzurechnen<br />

sind.“ Dies sei bei einer Hundehalterhaftpflichtversicherung bei aus privaten Gründen gehaltenen Hunden<br />

nicht der Fall.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 31


Fach 18, Seite 1560<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

Für Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, sieht § 6 Alg II-V eine Versicherungspauschale<br />

i.H.v. 30 € monatlich vor, die nach § 6 Abs. 1 Alg II-V bei Volljährigen stets, bei Minderjährigen<br />

jedoch nur dann abzusetzen ist, wenn für den jeweiligen Minderjährigen eine Versicherung besteht. Der<br />

14. BSG-Senat (Urt. v. 30.3.2017 – B 14 AS 55/15 R) schloss sich nun entgegen der Vorinstanz (LSG Baden-<br />

Württemberg, Urt. v. 20.10.2015 – L 13 AS 4522/13) dem 4. Senat (Urt. v. 8.12.2016 – B 4 AS 59/15 R) in der<br />

Auffassung an, dass eine Sammel-Zusatzversicherung mit einem nur symbolischen Beitrag von 1 €<br />

jährlich nicht ausreicht, diese Pauschale auszulösen, weil es an einem äquivalenten Austauschverhältnis<br />

zwischen den Vertragspartnern fehle.<br />

Mit Urteil vom 8.2.2017 (B 14 AS 22/16 R) bestätigte das BSG, dass Unterhaltszahlungen nach § 11b Abs. 1 S. 1<br />

Nr. 7 SGB II nur dann vom Einkommen abgesetzt werden können, wenn sie tatsächlich erbracht werden,<br />

auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen und tituliert sind. Dabei hat das BSG klargestellt, dass eine<br />

Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG – hiernach müssen diejenigen, die eine solche Erklärung<br />

abgeben, die öffentlichen Mittel erstatten, die in einem Zeitraum von fünf Jahren für den Lebensunterhalt<br />

eines Ausländers aufgewendet werden – nicht mit einem Unterhaltstitel gleichzusetzen sind.<br />

Praxishinweis:<br />

Im entschiedenen Fall ging es um Zahlungen an die ausländische Mutter des Klägers zur Vermeidung der<br />

Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen. Hätte sich der Kläger nicht auf die Verpflichtungserklärung<br />

berufen, sondern seiner Mutter einen Unterhaltstitel gegen ihn verschafft, hätte die Situation anders<br />

ausgesehen. In solchen Situationen sollte also versucht werden, einen solchen Titel herbeizuführen, um eine<br />

Absetzbarkeit des tatsächlich gezahlten Unterhalts zu erreichen.<br />

b) Vermögensanrechnung<br />

In der zweiten Entscheidung (BSG, Urt. v. 24.5.2017 – B 14 AS 16/16 R) befasste sich das BSG mit den Voraussetzungen<br />

für ein Darlehen nach § 24 Abs. 5 SGB II. Hiernach können Leistungen als Darlehen gewährt<br />

werden, wenn der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich oder<br />

nicht zuzumuten ist. Das BSG verneinte die Voraussetzungen dieser Vorschrift, weil der Kläger trotz<br />

entsprechenden Hinweises des Beklagten keinerlei Verwertungsbemühungen unternommen hat.<br />

Hinweis:<br />

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger von vornherein keinerlei Verwertungsbemühungen unternommen.<br />

Ein Verwertungsausschluss wegen Unmöglichkeit der Verwertung kann aber nur angenommen werden,<br />

wenn Verwertungsbemühungen erfolglos bleiben. Sie sollten daher mindestens versucht werden.<br />

4. Sanktionen und Ersatzansprüche<br />

Mit Urteil vom 8.2.2017 (B 14 AS 3/16 R) hat das BSG zum Verhältnis zwischen Sanktionen nach den<br />

§§ 31–32 SGB II und Ersatzansprüchen nach § 34 SGB II Stellung genommen. Nach §§ 31–32 SGB II führen<br />

bestimmte Pflichtverletzungen zu einer regelmäßig dreimonatigen Absenkung des Leistungsanspruchs<br />

um einen bestimmten Prozentsatz des Regelbedarfs. Demgegenüber sieht § 34 SGB II einen Ersatzanspruch<br />

vor: Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen<br />

für die Gewährung von Leistungen an sich oder andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft<br />

herbeiführt, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Die Vorschrift<br />

ist die Reaktion darauf, dass die Existenzsicherungsleistungen wegen ihrer besonderen Bedeutung<br />

für das Grundrecht auf Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz bei Bedürftigkeit unabhängig<br />

von der Ursache der Hilfebedürftigkeit zu erbringen sind, also auch dann, wenn die Leistungsberechtigten<br />

die Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt haben. Allerdings kann das Jobcenter in diesen Fällen sozialwidrigen<br />

Verhaltens unter den Voraussetzungen des § 34 SGB II Ersatz seiner Leistungen verlangen.<br />

Streitig war, ob ein Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens auch dann bestehen kann, wenn<br />

das sozialwidrige Verhalten zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne der Sanktionsvorschriften war. Das<br />

32 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1561<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

BSG nimmt nun an, dass die beiden Vorschriften nebeneinander treten, dass also ein Ersatzanspruch<br />

nicht ausgeschlossen ist, wenn das sozialwidrige Verhalten, auf welches der Anspruch gestützt wird,<br />

zugleich eine sanktionierbare Pflichtverletzung i.S.v. §§ 31–32 SGB II darstellt. Bei dieser Gelegenheit<br />

stellt das BSG klar, dass nach § 34 SGB II in der bis zum 31.7.2016 geltenden Fassung das Aufrechterhalten<br />

der Hilfebedürftigkeit keinen Ersatzanspruch ausgelöst hat.<br />

5. Eingliederungsleistungen<br />

Nach § 16c Abs. 1 SGB II können Leistungsberechtigte, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben, unter<br />

bestimmten Voraussetzungen Darlehen zur Beschaffung von Sachgütern erhalten. Mit PKH-<br />

Ablehnungsbeschluss (v. 25.4.2017 – B 4 AS 12/17 BH m. Anm. SENGER NZS 2017, 556) hat das BSG nun<br />

klargestellt, dass die Gewährung eines Darlehens für ein beabsichtigtes Geschäft mit dem Handel von<br />

Indexderivaten an der Terminbörse nicht hierunter fällt.<br />

6. Im Bereich der Existenzsicherungssysteme modifiziertes Verfahrensrecht: Zugunstenverfahren<br />

Im Bereich der Existenzsicherungssysteme bestehen manche Besonderheiten beim Verfahrensrecht.<br />

Wegen des starken Gegenwartsbezugs der Leistungen war insbesondere bei der Anwendung von § 44<br />

SGB X unklar, ob ein Nachzahlungsanspruch bestehen bleibt, auch wenn nicht durchgängig bis zur<br />

Antragstellung nach § 44 SGB X Hilfebedürftigkeit bestand. Für das SGB XII hatte das BSG hierzu<br />

entschieden, dass ein Nachzahlungsanspruch nur besteht, wenn durchgängig Hilfebedürftigkeit<br />

bestand (zuletzt BSG, Urt. v. 29.9.2009 – B 8 SO 16/08 R). Für das SGB II hat das BSG demgegenüber<br />

nun ausdrücklich entschieden: Durchgängige Hilfebedürftigkeit ist im SGB II keine Anspruchsvoraussetzung<br />

für einen Nachzahlungsanspruch (BSG, Urt. v. 4.4.2017 – B 4 AS 6/16 R; ebenso schon BSG, Urt.<br />

v. 1.6.2010 – B 4 AS 78/09 R).<br />

II.<br />

Arbeitsförderungsrecht<br />

1. Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung im SGB III<br />

In der Rechtsprechungsübersicht zum 1. Halbjahr 2016 (<strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1476 f.) hatten wir über die strengen<br />

Anforderungen berichtet, die das BSG an die Wirksamkeit einer Eingliederungsvereinbarung (EGV) im<br />

SGB II stellt. Das Gericht hatte dort die konkret abgeschlossene Vereinbarung wegen Verstoßes gegen<br />

das in § 58 Abs. 2 Nr. 4 SGB X geregelte Kopplungsverbot für nichtig angesehen: Die Eigenbemühungsverpflichtung<br />

des Klägers sei unangemessen i.S.v. § 55 Abs. 1 S. 2 SGB X, weil dieser keiner Gegenleistung<br />

des Jobcenters zur finanziellen Unterstützung dieser Bemühungen entsprach. Diese Rechtsprechung gilt<br />

auch dann, wenn die entsprechende Regelung durch Verwaltungsakt erfolgt, weil eine EGV nicht<br />

zustande kommt, § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II.<br />

Auch in § 37 Abs. 2 u. 3 SGB III ist der Abschluss einer EGV vorgesehen und – wenn diese nicht zustande<br />

kommt – ergänzend eine Festsetzung der Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt (§ 37 Abs. 3 S. 4<br />

SGB III). Durch Urteil vom 4.4.2017 (B 11 AL 5/16 R) hat das BSG die vorgenannte Rechtsprechung zum<br />

SGB II auf die EGV nach § 37 SGB III übertragen und im konkreten Fall die Nichtigkeit der Vereinbarung<br />

wegen Verstoßes nach § 55 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 58 Abs. 2 Nr. 4 SGB X festgestellt, weil der Vertrag<br />

keine Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten und/oder Reisekosten enthielt. Entgegen der<br />

Auffassung der Bundesagentur für Arbeit (BA) konnte demnach die fragliche EGV keine Sperrzeit nach<br />

§ 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III begründen. Gleiches muss für den Fall gelten, dass die Eigenbemühungen<br />

durch Verwaltungsakt gem. § 37 Abs. 3 S. 4 SGB III konkretisiert werden.<br />

Hinweis:<br />

In einer weiteren Entscheidung zu einer EGV nach § 37 SGB III vom gleichen Tag (BSG, Urt. v. 4.4.2017 – B11<br />

AL 19/16 R) hat das BSG die Entscheidung der Vorinstanz hinsichtlich eines Sperrzeiteintritts nach § 159<br />

Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III gebilligt. Hier enthielt die fragliche Vereinbarung die Zusage verschiedener<br />

Leistungen der BA, insbesondere auch die Übernahme von Bewerbungs- und Reisekosten. Das BSG trat<br />

im Hinblick auf den Wortlaut des Sperrzeittatbestands in § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III der Auffassung des<br />

Klägers entgegen, es komme nur darauf an, ob die von ihm versprochenen Eigenbemühungen tatsächlich<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 33


Fach 18, Seite 1562<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

vorgenommen worden seien, nicht aber auf deren Nachweis. Das Gegenteil ergebe sich bereits aus dem<br />

Wortlaut der Norm, der ausdrücklich davon spricht, dass Arbeitslose die Eigenbemühungen nachweisen.<br />

2. Versicherungspflicht aus sonstigen Gründen<br />

a) Auslegung des Merkmals „unmittelbar“ in § 26 Abs. 2 SGB III<br />

Gemäß § 24 Abs. 1 SGB III stehen solche Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als<br />

Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Den Personenkreis dieser<br />

Versicherungspflichtigen bestimmt § 26 SGB III. § 26 Abs. 2 SGB III betrifft Bezieher von Einkommensersatz-<br />

und anderer Leistungen, die aufgrund anderer Sachverhalte schon unmittelbar vor dem Bezug<br />

dieser Leistungen versicherungspflichtig im SGB III waren. Nach bisheriger Auffassung der BA, eines<br />

Teils der Instanzgerichte und der Literatur (s. etwa die durch die unten erwähnten BSG-Urteile<br />

aufgehobenen LSG-Entscheidungen und SCHEIDT, in: NK-SGB III, 6. Aufl., § 26 Rn 43) soll das Merkmal der<br />

Unmittelbarkeit nur erfüllt sein, wenn zwischen dem Ende der Versicherungspflicht bzw. dem Ende des<br />

Leistungsbezugs im SGB III und dem Beginn der in § 26 Abs. 2 SGB III angesprochenen Leistungen ein<br />

Zeitraum von nicht mehr als einem Monat liegt. Dieser Auffassung ist das BSG in zwei Entscheidungen<br />

vom 23.2.2017 entgegengetreten.<br />

b) Unterbrechung durch verzögerten Rentenbezug nach Alg-Bezug unschädlich<br />

Der Klägerin des Verfahrens hatte die BA zuletzt am 16.11.2011 für noch 149 Tage Arbeitslosengeld<br />

zugesprochen (BSG, Urt. v. 23.2.2017 – B 11 AL 3/16 R). Im Februar 2012 stellte die Deutsche<br />

Rentenversicherung (DRV) eine volle Erwerbsminderung der Klägerin fest und bewilligte ihr Zeitrente<br />

vom 1.5.2012 bis Ende 2013. Die BA hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 8.3.2012 auf, weil die<br />

objektive Verfügbarkeit der Klägerin krankheitsbedingt entfallen war und wegen Feststellung<br />

verminderter Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger ein Anspruch auch nach der<br />

„Nahtlosigkeitsregelung“ (§ 145 SGB III) nicht mehr bestand.<br />

Die Klägerin bezog Erwerbsminderungsrente ab dem 1.5.2012 bis zum 31.12.2013 und beantragte<br />

Arbeitslosengeld ab dem 1.1.2014. Sie ging hierbei davon aus, sie sei während des Rentenbezugs nach<br />

§ 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III im Arbeitsförderungsrecht pflichtversichert gewesen und habe die<br />

Anwartschaftszeit (§ 142 SGB III) für einen neuen Anspruch über acht Monate nach § 147 Abs. 2 SGB III<br />

erfüllt. Ihr stehe nicht lediglich der Restanspruch über 149 Tage abzüglich bereits bis 8.3.2012 erhaltener<br />

Tage zu.<br />

Das BSG hat im Sinne der Klägerin entschieden: Diese habe durch den Bezug der Erwerbsminderungsrente<br />

im Zeitraum 1.5.2012 bis 31.12.2013 in einem Versicherungspflichtverhältnis gem. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III<br />

gestanden, was bei der Bestimmung der Dauer ihres Alg-Anspruchs zu berücksichtigen sei. Trotz des<br />

Zeitraums von 43 Tagen zwischen dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld am 8.3.2012 und dem<br />

Beginn der Rente wegen Erwerbsminderung am 1.5.2012 sei hier noch von einem unmittelbar<br />

vorausgehenden Leistungsbezug i.S.v. § 26 Abs. 2 SGB III auszugehen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte,<br />

Systematik sowie Sinn und Zweck dieser Vorschrift würden es nicht ausschließen, bei einzelnen<br />

Tatbeständen trotz Unterbrechungszeiträumen von mehr als einem Monat eine Versicherungszeit<br />

anzuerkennen. Der Schutzzweck der jeweiligen Regelung erfordere im Einzelfall die Prüfung, welche<br />

besonderen Umstände zur Unterbrechung geführt hätten. Besonderheiten der in § 26 Abs. 2 SGB III im<br />

Einzelnen angeführten Lohnersatzleistungen seien in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Das Gericht<br />

führt weiter aus, Grund für die Einfügung des hier anwendbaren § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III sei der Befund<br />

gewesen, dass Personen, die wegen Erwerbsunfähigkeit ihre Beschäftigung aufgeben müssen oder den<br />

Bezug von Arbeitslosengeld beenden, bei späterer Rückkehr auf den Arbeitsmarkt nur unzureichend in das<br />

Leistungssystem der Arbeitsförderung mit einbezogen sind. Eine enge Auslegung des Begriffs „unmittelbar“<br />

würde den Zweck der Vorschrift, den Schutz in der Arbeitslosenversicherung dieser trotz zeitweiliger<br />

Erwerbsminderung auf den Arbeitsmarkt zurückkehrenden Personengruppe zu verbessern, verfehlen.<br />

34 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1563<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Hinweis:<br />

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.1.2017 durch den neuen Absatz 1a in § 101 SGB III eine Lücke beim<br />

Übergang in die Erwerbsminderungsrente geschlossen (hierzu auch WINKLER info also 2017, 106). Regelmäßig<br />

werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gem. § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor<br />

Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Stellt<br />

der Rentenversicherungsträger das Vorliegen von Erwerbsminderung fest, entfällt regelmäßig die objektive<br />

Verfügbarkeit und es endet der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Zeitraum bis zum Bezug der Erwerbsminderungsrente<br />

kann, wenn auch kein Anspruch auf Krankengeld mehr gegeben ist, nur noch durch<br />

existenzsichernde Leistungen überbrückt werden – allerdings nur bei Vorliegen von Bedürftigkeit. Nunmehr<br />

können Renten wegen voller Erwerbsminderung bereits vor Beginn des siebten Monats nach dem Eintreten<br />

der Erwerbsminderung gezahlt werden, wenn<br />

• entweder die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger<br />

zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt oder<br />

• nach Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger ein<br />

Anspruch auf Krankengeld nach § 48 SGB V oder auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmer<br />

endet<br />

• und der siebte Monat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht erreicht ist.<br />

c) Unterbrechung durch verzögerten Bezug von Krankentagegeld (§ 26 Abs. 2 SGB III) unschädlich<br />

In dem Verfahren (BSG, Urt. v. 23.2.2016 – B 11 AL 4/16 R) ging es um die Frage, ob eine Lücke von 38 Tagen<br />

beim Bezug von Krankentagegeld aus einer privaten Versicherung noch das Merkmal der Unmittelbarkeit<br />

i.S.v. § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erfüllt. Der Kläger dieses Verfahrens war ab dem 31.1.2010 arbeitslos und in der<br />

Zeit vom 28.1.2010 bis 1.5.2011 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von seiner Krankenversicherung<br />

vertragsgemäß ab dem 43. Kalendertag der Krankmeldung Krankentagegeld (11.3.2010 bis 1.5.2011). Anschließend<br />

nahm er zu Lasten des Rentenversicherungsträgers an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben<br />

teil und bezog Übergangsgeld. Das BSG entschied auch hier, dass der Kläger entgegen der<br />

Auffassung des LSG die erforderliche Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hat.<br />

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen im oben (s. unter a – Auslegung des Merkmals „unmittelbar“<br />

in § 26 Abs. 2 SGB III) genannten Verfahren und hebt hinsichtlich der Vorschrift des § 26 Abs. 2 Nr. 2<br />

SGB III darauf ab, diese bezwecke, versicherungspflichtige Beschäftigte, die nicht gesetzlich krankenversichert<br />

sind, bei privater Absicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit durch ein Krankentagegeld den gesetzlich<br />

versichert Beschäftigten gleichzustellen. Hier sei eine Gleichstellung erforderlich, weil die vom Kläger nicht<br />

zu beeinflussende Arbeitsunfähigkeit kurz vor dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses bewirke, dass<br />

die Krankentagegeldzahlung trotz des Wegfalls der Entgeltfortzahlung erst am 11.3.2010 einsetzte.<br />

III. Sozialversicherung: Beitragserstattung trotz vorsätzlich falscher Entrichtung<br />

Das BSG hatte über einen Erstattungsanspruch auf bewusst zu Unrecht entrichtete Beiträge zur<br />

Sozialversicherung nach § 26 Abs. 2 SGB IV zu entscheiden (BSG, Urt. v. 23.5.2017 – B 12 KR 9/16 R).<br />

Der Kläger betrieb ein Taxiunternehmen und überließ seine Fahrzeuge an Fahrer, die ihm dafür tägliche<br />

Pauschalbeträge bezahlten, die von ihnen erzielten Einnahmen aber behalten durften. Da der Kläger davon<br />

ausging, dieses „Mietmodell“ verstoße gegen das Personenbeförderungsgesetz, meldete er, um diesen<br />

Sachverhalt zu verschleiern, die beteiligten Taxifahrer zur Sozialversicherung an und zahlte Beiträge auf<br />

Grundlage eines tatsächlich nie gezahlten Arbeitslohns. Im Zusammenhang mit diesem Verhalten wurde<br />

der Kläger wegen Steuerhinterziehung strafrechtlich verurteilt. Daraufhin beantragte er die Erstattung von<br />

Sozialversicherungsbeiträgen und berief sich für die Begründung seines Anspruchs auf das Strafurteil, in<br />

dem ausgeführt worden sei, die am „Mietmodell“ beteiligten Taxifahrer seien selbstständig tätig gewesen.<br />

Klage und Berufung des Klägers gegen den ablehnenden Erstattungsbescheid der Einzugsstelle blieben<br />

erfolglos: Gemäß § 814 Alt. 1 BGB (Ausschluss des Bereicherungsanspruchs bei Leistung in Kenntnis<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 35


Fach 18, Seite 1564<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

einer Nichtschuld) könne der Kläger die Sozialversicherungsbeiträge nicht zurückverlangen, weil er bei<br />

deren Entrichtung selbst davon ausgegangen sei, eine Beitragspflicht bestehe tatsächlich nicht. Die<br />

Revision des Klägers war im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich.<br />

Die Aufhebung erfolgte zunächst, weil das LSG es unterlassen hatte, die zuständige Pflegekasse sowie<br />

die betroffenen Taxifahrer zum Verfahren beizuladen, was gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig war. In der<br />

Sache selbst entschied das Gericht, die Vorschrift des § 814 Alt. 1 BGB finde auf den Beitragserstattungsanspruch<br />

des § 26 Abs. 2 SGB IV keine Anwendung. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der<br />

Vorschrift, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte des Beitragserstattungsrechts.<br />

Hinsichtlich der Gesetzessystematik verweist das Gericht auf die Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 2 SGB X, die<br />

bei vorsätzlichem Verhalten den Anspruch auf eine Rücknahme eines Verwaltungsakts ausschließt.<br />

Hätte der Gesetzgeber einen entsprechenden Ausschluss wegen eines vorwerfbaren Verhaltens auch im<br />

Zusammenhang mit der Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV regeln wollen, wäre dies ebenfalls<br />

normativ zum Ausdruck gebracht worden. Auch der mit § 26 Abs. 2 SGB IV verfolgte Zweck, der darauf<br />

abzielt, eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung auszugleichen, die darauf beruht, dass Beiträge<br />

zur Sozialversicherung zu Unrecht entrichtet wurden, ohne an ein eventuell vorwerfbares Verhalten<br />

eines am Beitragseinzug Beteiligten anzuknüpfen, erfordere kein anderes Ergebnis.<br />

Hinweis:<br />

Allerdings konnte das BSG anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob die an dem<br />

„Mietmodell“ beteiligten Taxifahrer abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV oder selbstständig tätig<br />

waren. Dies wird nach der Zurückverweisung zu klären sein.<br />

IV.<br />

Krankenversicherungsrecht: Krankengeldanspruch bei irrtümlichem Nichterstellen einer<br />

AU-Bescheinigung durch Vertragsärzte<br />

Hinweis:<br />

Rechtsprechungsänderung!<br />

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie – abgesehen von den<br />

Fällen stationärer Behandlung – infolge Krankheit arbeitsunfähig sind. Ob und ggf. in welchem Umfang<br />

Krankengeld beansprucht werden kann, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das zum<br />

Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt.<br />

Die durch die Beschäftigten-Versicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) begründete Mitgliedschaft endet nicht<br />

mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190<br />

Abs. 2 SGB V), sondern besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort, was u.a. der Fall ist,<br />

solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Der dadurch erfolgte Verweis<br />

auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch bedeutet, dass ein Versicherungsverhältnis mit<br />

Anspruch auf Krankengeld vorliegen muss. Bis zum 22.7.2015 stellte § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V für den Beginn<br />

des Krankengeldanspruchs (außerhalb stationärer Behandlung) auf den Tag ab, der auf den Tag der<br />

ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) folgt (s. aber BSG, Urt. v. 10.5.2012 – B 1 KR 19/11 R,<br />

<strong>ZAP</strong> F. 18, 1274 f.), seitdem entsteht der Anspruch am Tag der Feststellung.<br />

Für die AU-Folgebescheinigung galt bis zum 22.7.2015 nach früherer, recht rigider Rechtsprechung des<br />

1. Senats des BSG (s. etwa BSG, Urt. v. 4.3.2014 – B 1 KR 17/13 R, hierzu <strong>ZAP</strong> F. 18, 1401; BSG, Urt. v. 16.12.2014<br />

– B 1 KR 31/13 R u. 32/13 R), dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankenbewilligungsabschnitts<br />

erneut ärztlich festgestellt werden musste und zwar auch dann, wenn der letzte Tag der vorhergehenden<br />

Arbeitsunfähigkeit auf einen Samstag oder auf einen Sonntag fällt. Der Gesetzgeber hat daraufhin auch<br />

mit Wirkung ab 23.7.2015 in § 46 Abs. 1 S. 2 SGB V angeordnet, dass der Anspruch auf Krankengeld jeweils<br />

bis zu dem Tag bestehen bleibt, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit<br />

36 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1565<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag – Samstage gelten<br />

insoweit nicht als Werktage – nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.<br />

Der früher zuständige 1. Senat des BSG hat bei fehlender oder verspäteter AU-Feststellung ausnahmsweise<br />

gleichwohl einen Krankengeldanspruch bejaht, wenn die Feststellung durch Umstände verhindert<br />

wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind bzw. bei von der<br />

Krankenkasse zu vertretenden Organisationsmängeln, ferner bei Nichterteilung einer AU-Bescheinigung<br />

wegen irrtümlich verneinter Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer ärztlichen Fehlbeurteilung (BSG, Urt. v.<br />

16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R; s. auch LANGE jurisPR-SozR 16/2016, Anm. 2). In Fällen, in denen im Zusammenhang<br />

mit der Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit Ärzte unzutreffende rechtliche<br />

Auskünfte erteilt haben, hat das BSG Krankengeldansprüche verneint und die Versicherten auf<br />

Schadensersatzansprüche gegen ihre Ärzte verwiesen.<br />

Hinweis:<br />

Diese Rechtsprechung hat nunmehr der für das Krankengeldrecht allein zuständige 3. Senat des BSG durch<br />

Urteil vom 11.5.2017 (B 3 KR 22/15 R) teilweise geändert, ergangen noch zu dem bis zum 22.7.2015 geltenden<br />

Recht.<br />

Der Klägerin war im Zeitraum 23.11.2012 bis zum 3.1.2013 ununterbrochen Arbeitsunfähigkeit attestiert<br />

worden. Sie hat ihren Hausarzt noch am 3.1.2013 aufgesucht und ihn auf die Krankmeldung bzw. die<br />

Notwendigkeit der Verlängerung angesprochen. Dieser erklärte, es reiche aus, dass die Fachärztin, bei<br />

der die Klägerin am kommenden Tag einen Termin habe, die entsprechende Feststellung ausstelle. Das<br />

BSG bejahte den Anspruch der Klägerin auf Krankengeldzahlungen über den 7.1.2013 hinaus und hob das<br />

klageabweisende Berufungsurteil auf. Der Senat erweitert die bereits in bisheriger Rechtsprechung<br />

anerkannten Ausnahmefälle um den Fall der aus nichtmedizinischen Gründen irrtümlich nicht<br />

zeitgerecht erstellten AU-Bescheinigung. Unter der Voraussetzung, dass keine Zweifel an der ärztlich<br />

festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für<br />

einen Leistungsmissbrauch ersichtlich sind, haben die Versicherten – wie hier die Klägerin – Anspruch<br />

auf Krankengeld, wenn sie<br />

• alles in ihrer Macht Stehende und ihnen Zumutbare getan haben, um die Ansprüche zu wahren,<br />

indem sie einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsuchen und ihm ihre<br />

Beschwerden schildern,<br />

• um die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu<br />

erreichen, und<br />

• dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. anspruchserhaltenden zeitlichen<br />

Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,<br />

• an der Wahrung der Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des<br />

Vertragsarztes gehindert wurden (wie hier durch die irrtümlich nicht zeitgerecht erstellte AU-<br />

Bescheinigung),<br />

• und – zusätzlich – ihre Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen<br />

Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (eine Woche) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler<br />

geltend machen.<br />

Eine solche Sichtweise ist vor allem geboten, um dem Schutzbedürfnis des Versicherten in der sozialen<br />

Krankenversicherung gerecht zu werden (vgl. § 2 Abs. 2 SGB I: möglichst weitgehende Verwirklichung<br />

der sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des SGB). Es wäre unverhältnismäßig, einem<br />

Pflichtversicherten, der alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, den ggf. bis zu 78 Kalenderwochen<br />

währenden Krankengeldanspruch wegen einer nicht zeitgerechten Feststellung der AU, für<br />

deren Erhalt er alles Erforderliche getan hat, zu versagen.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 37


Fach 18, Seite 1566<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

Das Gericht führt ferner aus, Versicherte seien insofern nicht auf – ungewisse – Regressansprüche<br />

gegen die Ärzte zu verweisen. Ferner stellt der 3. Senat des BSG auf die Regelung in § 6 Abs. 2 der AU-<br />

Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ab: Diese Vorschrift erlaubt – anders als das Gesetz –<br />

eine rückwirkende AU-Bescheinigung. Es könne daher regelmäßig nicht angenommen werden, dass<br />

Vertragsärzte wissen, dass das ihnen gestattete, rückwirkende Attest grundsätzlich zu einem Verlust<br />

langzeitiger Krankengeldansprüche bei den Versicherten führe. Vertreter der Krankenkassen wirken<br />

aber bei den Beschlussfassungen im Gemeinsamen Bundesausschuss mit. Es erscheine bei diesem<br />

Sachverhalt treuwidrig, wenn sich die Krankenkassen trotz ihrer Mitverantwortung für die AU-<br />

Richtlinien von ihrer Leistungspflicht gegenüber den Versicherten befreien könnten.<br />

In einem weiteren Verfahren (BSG, Urt. v. 11.5.2017 – B 3 KR 12/16 R) hatte der Arzt angegeben, es sei<br />

leider versäumt worden, eine AU-Bescheinigung auszustellen. Nachträglich bejahte er durchgehende<br />

Arbeitsunfähigkeit. In diesem Fall hat die beklagte Krankenkasse ausweislich des Terminberichts vom<br />

11.5.2017 den Klageanspruch im Rahmen der mündlichen Verhandlung über die Revision des Klägers<br />

gegen das seine Klage auf Krankengeld abweisende Berufungsurteil anerkannt.<br />

V. Unfallversicherungsrecht<br />

1. Umfang des Versicherungsschutzes bei betrieblichen Veranstaltungen<br />

In <strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1509 ff. ist über verschiedene Entscheidungen des BSG im zweiten Halbjahr 2016 zum<br />

Umfang des Versicherungsschutzes bei Unfällen berichtet worden. Das BSG hat seine Grundsätze in<br />

einer neueren Entscheidung vom 30.3.2017 (Urt. v. B 2 U 15/15 R, NZS 2017, 625 m. Anm. KAINZ) bestätigt.<br />

Für den Schutz der Beschäftigtenversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist Voraussetzung, dass eine<br />

versicherte Tätigkeit als Beschäftigter vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Verletzten zur Erfüllung<br />

eines von ihnen begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene<br />

Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck<br />

verrichten, dass die Ergebnisse dessen Verrichtung dienen und nicht ihnen selbst unmittelbar zum<br />

Vorteil oder Nachteil gereichen.<br />

In dem entschiedenen Fall war der Verletzte am 7.9.2006 als Außendienstmitarbeiter in der<br />

Vertriebsdirektion beschäftigt, für welche die Arbeitgeberin an einem sog. Tag des Vertriebs ein Kfz-<br />

Sicherheitstraining durchführte. Ebenfalls auf Einladung der Arbeitgeberin beteiligte er sich an der<br />

anschließenden Abendveranstaltung im Tagungslokal. Nach der Vorstellung von Ergebnissen einer<br />

Mitarbeiterbefragung fand bis kurz vor Mitternacht ein gemeinsames Abendessen statt. Ein weiteres<br />

geselliges Beisammensein nach dem Abendessen war in der Einladung nicht vorgesehen. Im Anschluss<br />

an das Abendessen begaben sich der Kläger sowie weitere Führungskräfte und Mitarbeiter, die im<br />

Tagungshotel übernachteten, in die Hotelbar. Für 25 Mitarbeiter waren im Hotel Zimmer reserviert<br />

worden, wobei die Außendienstmitarbeiter die Unterbringungskosten über die Reisekosten abrechnen<br />

konnten. Der Leiter der Vertriebsdirektion fuhr nach Hause, ohne zuvor andere Beschäftigte mit der<br />

Durchführung des Ausgangs zu beauftragen; er hatte diesen Teil des Abends auch weder informell<br />

initiiert, noch angeregt oder organisiert.<br />

Im späteren Verlauf des Abends stürzte der Kläger auf einer Treppe, die zu den Toiletten führte. Er<br />

wurde bewusstlos am Ende der Treppe aufgefunden, die nur auf der linken Seite einen Handlauf aufwies<br />

und besonders steil war. Die später durchgeführte Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 2,5 ‰.<br />

Aufgrund der erfolgten Hirnschädigung leidet der Kläger seitdem an einem apallischen Syndrom.<br />

Das BSG billigte das die Klage – die beim SG erfolgreich, jedoch „nur“ gerichtet war auf Feststellung, dass<br />

es sich bei dem Ereignis vom 7.9.2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat (s. hierzu unten „Hinweis“) –<br />

abweisende Urteil der Berufungsinstanz. Mit den Gesprächen im Kollegenkreis nach Abschluss der<br />

Abendveranstaltung erfüllte der Verletzte zu dieser Zeit an diesem Ort keine von der Arbeitgeberin<br />

erzwingbare Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Arbeitsverhältnis als Außendienstmitarbeiter. Wenn<br />

38 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1567<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

auch die Gespräche der Pflege kollegialer Beziehungen und der Förderung eines angenehmen<br />

Betriebsklimas dienten, woran sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer allgemein interessiert sind,<br />

genügt dies nach Auffassung des BSG allein nicht, um entsprechende Gespräche dem versicherungsrechtlich<br />

geschützten Bereich zuzurechnen. Die Grenze verläuft bei Besprechungen oder sonstigen<br />

Zusammenkünften dort, wo die arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht zur Teilnahme an einem<br />

Gespräch, Arbeits- oder Gemeinschaftsessen endet und der informelle kollegiale Austausch beginnt.<br />

Die Abgrenzung könne zwar im Einzelfall schwierig sein, wenn der Übergang vom dienstlichen Gespräch<br />

zum späteren kollegialen Austausch fließend ist und keine deutliche Zäsur erfolgte. Im vorliegenden Fall<br />

bewirkte nach Auffassung des Gerichts die Beendigung des gemeinsamen Abendessens und der damit<br />

beendete „Tag des Vertriebs“ die Abreise mehrerer Teilnehmer einschließlich des Abteilungsleiters und<br />

der Übergang in die Bar eine deutliche Zäsur.<br />

Bei dem später durchgeführten „Ausklang“ handele es sich auch nicht um eine im Schutzbereich des § 2<br />

Abs. 1 Nr. 1 SGB VII liegende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Es fehlt hier bereits an dem<br />

Erfordernis, dass eine solche Veranstaltung „im Einvernehmen“ mit der Unternehmensleitung (s. hierzu<br />

<strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1503 ff., 1509 f.) stattfinden muss: Der Ausklang war weder im Veranstaltungsprogramm<br />

noch in den Einladungsschreiben erwähnt. Schließlich stand der Verletzte auch nicht deshalb unter<br />

Versicherungsschutz, weil er durch die Umstände einer Dienstreise besonderen Gefahren ausgesetzt<br />

war, die ihm während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet<br />

wären (s. hierzu BSG, Urt. v. 18.3.2008 – B 2 U 13/07 R; MERTEN jurisPR-SozR 17/2008, Anm. 2). Soweit die<br />

Treppe zur Toilette besonders steil und mit nur einem Handlauf versehen gewesen war, bestand beim<br />

Begehen dieser Treppe kein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, weil sich der<br />

Verletzte den damit verbundenen Risiken und Gefahren freiwillig ausgesetzt hat. Er hätte sich ohne<br />

Weiteres diesen Gefahren dadurch entziehen können, dass er zur Benutzung der Toilette sein reserviertes<br />

Hotelzimmer aufgesucht hätte.<br />

Im Übrigen dürfte auch im vorliegenden Fall wegen der hohen Alkoholisierung (Blutalkoholkonzentration<br />

2,5 ‰) eine Lösung von einer – etwaigen – beruflichen Tätigkeit eingetreten und damit der<br />

innere sachliche Zusammenhang (Unfallkausalität) zu verneinen sein (s. BSG, Urt. v. 30.1.2007 – B2U<br />

23/05 R; REYELS jurisPR-SozR 7/2008 Anm. 3). Auf diese Fragestellung ist das Gericht nicht eingegangen.<br />

Hinweis:<br />

Verfahrensrechtlich ist von Interesse: Der Verletzte ist während des Revisionsrechtsstreits verstorben.<br />

Seine Erbinnen sind in dessen verfahrensrechtliche Position eingetreten (§ 1922 BGB) und führten den<br />

Rechtsstreit fort. Die Voraussetzungen einer vorrangigen Sonderrechtsnachfolge (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2<br />

SGB I – die Vorschrift hat Vorrang gegenüber der gesetzlichen und gewillkürten Erbfolge nach BGB) liegen<br />

schon deshalb nicht vor, weil der Verletzte vor dem SG keine fälligen Ansprüche auf laufende Geldleistung<br />

erstritten, sondern „nur“ die gerichtliche Feststellung erreicht hat, „dass es sich bei dem Ereignis vom 7.9.2006<br />

um einen Arbeitsunfall gehandelt hat“. Das für die Fortführung des Rechtsstreits berechtigte Interesse der<br />

Klägerinnen an einer alsbaldigen Feststellung (§ 55 Abs. 2 Hs. 2 SGG) besteht fort. Es wäre mit dem Tod des<br />

Verletzten nur dann entfallen, wenn gewiss wäre, dass die Klägerinnen aus der Feststellung keine Rechte<br />

mehr herleiten können, wovon nicht auszugehen ist. Zwar sind die Ansprüche auf Dienst- oder<br />

Sachleistungen mit dem Tode des Verletzten nach § 59 S. 1 SGB I erloschen und daher von vornherein<br />

nicht auf die Klägerinnen übergegangen. Gleiches gilt für Ansprüche auf Geldleistungen aber nur, soweit sie<br />

im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten nicht bereits festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren<br />

über sie anhängig war, § 59 S. 2 SGB I. Zwar waren Ansprüche auf Geldleistungen am 7.3.2017 nicht positiv<br />

festgestellt, die Beklagte hatte im ablehnenden Bescheid dem Verletzten gerade Leistungen aus der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 7.9.2006 verweigert und dies im Widerspruchsbescheid<br />

bekräftigt. Der Verletzte ließ diese umfassende Leistungsablehnung bestandskräftig werden<br />

(§ 77 SGG), als er im Klageverfahren nur beantragte „festzustellen, dass das Ereignis vom 7.9.2006 ein<br />

Arbeitsunfall war“. Es kommt jedoch in Betracht, dass die Klägerinnen im Erfolgsfall die bestandskräftige<br />

Ablehnung der Verwaltungsentscheidung (z.B. auf Zahlung von Verletztenrente) im Zugunstenverfahren<br />

nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X wieder aufgreifen und überprüfen lassen. Dies sieht der Senat als Voraussetzung<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 39


Fach 18, Seite 1568<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

für das fortbestehende Feststellungsinteresse als ausreichend an und lässt offen, ob die bloße Absicht einer<br />

der Klägerinnen, aus dem möglichen Versicherungsfall Hinterbliebenenleistungen nach §§ 63 ff. SGB VII<br />

geltend zu machen, für sie selbst und die weitere Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen<br />

Feststellung begründen könnte.<br />

2. Berufskrankheit durch Einwirkung von Chrom trotz langjährigen Rauchens<br />

Neben Arbeitsunfällen gehören nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch Berufskrankheiten zu den Versicherungsfällen.<br />

Bei diesen handelt es sich um Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als<br />

Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3<br />

oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Den Katalog der Berufskrankheiten enthält Anlage 1 zur<br />

Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997, der wiederholt geändert und ergänzt wurde.<br />

Hinweis:<br />

Zuletzt wurde die Berufskrankheiten-Verordnung am 1.8.2017 geändert. Neu aufgenommen wurden:<br />

• Leukämie durch 1,3 Butadien (ein farbloses Gas, das insbesondere zur Weiterverarbeitung bei der<br />

Herstellung verschiedener Kunst- und Kautschuksorten sowie in der Kunststoffindustrie verwendet<br />

wird),<br />

• Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die u.a. bei der Arbeit in<br />

Druckereien, im Straßenbau sowie bei der Schornsteinreinigung entstehen,<br />

• die „Vokale Dystonie“ als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch<br />

feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität.<br />

Die Berufskrankheit Nr. 4113 (Lungenkrebs durch PAK) wird um die Erkrankung „Kehlkopfkrebs“ und die<br />

Berufskrankheit Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbest) um „Eierstockkrebs“<br />

erweitert.<br />

Der Versicherte der hier darzustellenden Entscheidung (BSG, Urt. v. 30.3.2017 – B 2 U 6/15 R) war als<br />

Maschinenschlosser in einem Stahlwerk von April 1977 bis Ende 1985 tätig. Bei seiner Tätigkeit als<br />

Schweißer war er u.a. Atemwegsbelastungen, insbesondere durch Chrom und Nickel, ausgesetzt. Die<br />

Chrom-Exposition betrug mehr als 300 Chrom-Jahre, die Nickelbelastung rund 196 Nickel-Jahre.<br />

Allerdings rauchte der Versicherte erheblich und zwar über einen Zeitraum von 20 Jahren mindestens 20<br />

Zigaretten täglich. Er erkrankte 2004 an einem Bronchialkarzinom und verstarb hieran. Die von der<br />

Ehefrau des Versicherten beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung dieser<br />

Erkrankung als Berufskrankheit Nr. 1103 BKV ab.<br />

Das BSG billigt die Feststellung des Berufungsgerichts, wonach die Dosis der Chrombelastung – für die<br />

nach heutiger Auffassung kein Grenzwert, sondern nur ein Orientierungswert existiert –, der er<br />

während seiner Versichertentätigkeit ausgesetzt war, (mit-)ursächlich für seine Erkrankung war. Das<br />

Gericht widerspricht aber der Auffassung des LSG, soweit im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung der<br />

Einwirkung durch Chrombelastung diejenige durch Tabakrauch gegenübergestellt und ziffermäßig<br />

abgewogen wird. Die Wesentlichkeit der berufsbedingten Krankheitsursache ist, so das BSG, vielmehr<br />

dann zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden<br />

unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten<br />

Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist. Eine solche Gegebenheit liegt hier vor, weil die gesetzliche<br />

Unfallversicherung im Rahmen der BK 1103 vor Erkrankungen, insbesondere vor Bronchialkarzinom,<br />

durch betriebliche Chrombelastungen schützen und im Fall des Eintritts einer solchen<br />

Erkrankung Leistungen gewähren soll. Die Normformulierung der BK 1103, insbesondere der Umstand,<br />

dass kein Schwellenwert festgeschrieben wurde, der überschritten sein muss, damit die BK festgestellt<br />

werden kann, zeigt, dass Chrom und seine Verbindungen auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft<br />

werden. Außerdem wird der Versicherte im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in dem<br />

gesundheitlichen Zustand geschützt, in dem er mit dem gefährdenden Stoff konfrontiert wird. Die<br />

40 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Sozialrecht Fach 18, Seite 1569<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Entscheidung des LSG, wonach die abstrakte Möglichkeit, dass die Erkrankung durch eine andere,<br />

außerberufliche Einwirkung (mit-)verursacht wurde, würde die Wertentscheidung der BKV unterlaufen.<br />

Der Tatbestand der BK 1103 wäre weitgehend bedeutungslos, weil Krebserkrankungen regelmäßig<br />

multifaktorielle Geschehensabläufe zugrunde liegen, deren Ursachen teils im beruflichen,<br />

teils im außerberuflichen Bereich liegen, ohne dass insofern eine wissenschaftlich begründete exakte<br />

Bezifferung der jeweiligen Verursachungsbeiträge möglich ist. Bergen die beruflichen Einwirkungen für<br />

sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende Verursachungswahrscheinlichkeit<br />

stützen lässt, ist das Vorhandensein weiterer Einwirkungen rechtlich nicht mehr<br />

erheblich.<br />

Die Zurückverweisung erfolgte, weil das LSG – von seiner Rechtsauffassung her konsequent – keine<br />

Feststellung zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und zur Zahlung einer Verletztenrente<br />

getroffen hat.<br />

VI.<br />

Verfahrensrecht<br />

1. Voraussetzung des Erlöschens von Geldleistungen nach dem Tode der Verletzten<br />

Hinweis:<br />

Insoweit wird auf die Ausführungen unter V. Entscheidungen zum Unfallversicherungsrecht (1. Umfang des<br />

Versicherungsschutzes bei betrieblichen Veranstaltungen), hier der Hinweis a.E. verwiesen.<br />

2. Unwirksamkeit der Erhebung eines Rechtsschutzbegehrens beim BSG mittels einfacher E-Mail<br />

In <strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1517 f. (s. auch <strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1487) ist über Risiken im Zusammenhang mit elektronischer<br />

Berufungs- und Revisionseinlegung berichtet worden.<br />

Das BSG hat durch Beschluss vom 22.2.2017 (B 1 KR 19/16 S) entschieden, dass Rechtsbehelfe beim BSG<br />

nicht durch einfache E-Mail wirksam eingelegt werden können. Rechtsschutzbegehren sind<br />

grundsätzlich an das BSG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle<br />

zu erheben, soweit das SGG nicht Schriftform erfordert (so z.B. in § 160a Abs. 1 S. 3 SGG). § 65a Abs. 1<br />

SGG lässt – anstelle der Schriftform – die Übermittlung von elektronischen Dokumenten nach<br />

Maßgabe von Rechtsverordnungen des Bundes oder des jeweiligen Landes zu. Für Dokumente,<br />

die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische<br />

Signatur vorzuschreiben, § 65a Abs. 1 S. 3 SGG. Für das BSG lässt die Verordnung über den<br />

elektronischen Rechtsverkehr beim BSG vom 18.12.2006 (BGBl I, S. 3219) die Übermittlung elektronischer<br />

Dokumente zu. § 2 dieser Verordnung bestimmt: „Die für Dokumente, die [wie vorliegend die<br />

Beschwerde] einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, erforderliche qualifizierte elektronische<br />

Signatur muss dem Profil ISIS-MTT entsprechen und das ihr zugrunde liegende Zertifikat muss durch<br />

das Gericht prüfbar sein. Eine einfache E-Mail erfüllt diese Voraussetzungen nicht.“ Der Senat betont<br />

gleichzeitig, dass vom Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur auch nicht ausnahmsweise<br />

abgesehen werden kann, selbst wenn sich aus E-Mails oder begleitenden Umständen<br />

die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend<br />

sicher ergibt. Prüfungsmaßstab ist hier ausschließlich § 65a SGG bzw. die entsprechende Rechtsverordnung.<br />

Ein die dortigen Voraussetzungen einschränkender Rückgriff auf Grundsätze, die für<br />

originär schriftlich eingelegte Rechtsmittel entwickelt wurden, kommt somit nicht in Betracht (so<br />

bereits BSG, Urt. v. 12.10.2016 – B 4 AS 1/16 R).<br />

3. Nichtzulassungsbeschwerde/Verfahrensfehler: Ablehnung eines Beweisantrags ohne<br />

„hinreichende“ Begründung<br />

Zu berichten ist hier über eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde, die u.a. auf die Verletzung der<br />

tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gestützt wurde (BSG, Beschl. v. 30.3.2017 – B2U<br />

181/16 B, ASR 2017, 169).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 41


Fach 18, Seite 1570<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2017<br />

Sozialrecht<br />

Der Kläger behauptete einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den bei ihm bestehenden<br />

psychoreaktiven Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis. Der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige<br />

bejahte dies, weshalb das SG der Klage im Wesentlichen stattgab. Die Beklagte legte im<br />

Berufungsverfahren eine beratungsärztliche nervenärztliche Stellungnahme vor, die zum gegenteiligen<br />

Ergebnis kam. Unter Hinweis auf diese Stellungnahme und mit der Begründung, das erstinstanzlich<br />

eingeholte Gutachten sei im Ergebnis nicht überzeugend, hat das LSG das erstinstanzliche Urteil<br />

aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dem zu Protokoll erklärten, also bis zuletzt aufrecht erhaltenen<br />

Beweisantrag des Klägers, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen zur Frage der<br />

Ursächlicheit des Arbeitsunfalls für das bestehende psychische Krankheitsbild, ist das LSG nicht gefolgt<br />

– ohne hinreichende Begründung, wie das BSG entschieden hat.<br />

Dabei ist nach Auffassung des BSG unerheblich, ob das LSG die Ablehnung des Beweisantrags<br />

hinreichend begründet hat. Allein kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist,<br />

den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, obes<br />

sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Soweit der Sachverhalt nicht<br />

hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur<br />

Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn<br />

• es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt (Unerheblichkeit des<br />

Beweismittels),<br />

• diese Tatsache (zugunsten des Beweisführenden) als wahr unterstellt werden kann,<br />

• das Beweismittel unzulässig, völlig ungeeignet oder unerreichbar ist,<br />

• die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder<br />

• die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist.<br />

Die Ablehnung des Beweisantrags, weil das Fehlen des behaupteten Ursachenzusammenhangs<br />

aufgrund des Verwaltungsgutachtens bereits erwiesen sei, genügt diesen Anforderungen nicht und<br />

rechtfertigt die fehlende Zuziehung eines weiteren Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem<br />

Gebiet nicht.<br />

Zwar können Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m.<br />

§§ 415 ff. ZPO) verwertet werden und auch alleinige Entscheidungsgrundlage sein. Dies setzt einmal<br />

voraus, dass das Verwaltungsgutachten in Form und Inhalt den Mindestanforderungen entspricht, die<br />

an Sachverständigengutachten zu stellen sind. Ferner muss das LSG im Rahmen von § 128 Abs. 1 S. 2<br />

SGG erkennen lassen, dass es das Verwaltungsgutachten gerade nicht als Sachverständigengutachten<br />

verwertet hat und ihm die Besonderheiten des Urkundenbeweises bewusst gewesen sind, zu denen<br />

beispielsweise die fehlende Verantwortlichkeit des Gutachters gegenüber dem Gericht (§ 118 Abs. 1 S. 1<br />

SGG; §§ 404a, 407a ZPO), die fehlende Strafandrohung (§ 153 ff. StGB) und die fehlende Möglichkeit der<br />

Beeidigung (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG; § 410 ZPO), das fehlende Ablehnungsrecht (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG; § 406<br />

ZPO) und insbesondere das fehlende Fragerecht (§§ 116 S. 2, 118 Abs. 1 S. 1 SGG; §§ 397, 402, 411 Abs. 4<br />

ZPO; § 62 SGG) zählen. Auf alle diese Aspekte ist das Berufungsgericht nach Auffassung des BSG nicht<br />

(hinreichend) eingegangen.<br />

Hinweis:<br />

Zum notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung, mit der Verstöße gegen die tatrichterliche<br />

Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt werden s. auch BSG, Beschl. v. 27.6.2017 – B 5 R 38/17 B. Im<br />

dortigen Fall blieb die Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund unzureichender Begründung erfolglos.<br />

Ferner hat der 9. Senat des BSG im Berichtszeitraum entschieden, bei zwei sich widersprechenden<br />

Gutachtenergebnissen bestehe nicht generell eine Verpflichtung zu Einholung eines sog. Obergutachtens,<br />

sondern nur dann, wenn das Gericht sich keinem der bereits vorliegenden Gutachten<br />

anschließen kann (BSG, Beschl. v. 16.2.2017 – B 9 V 48/16 B, Rn 13).<br />

42 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Steuerrecht Fach 20, Seite 639<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

Umsatzsteuerrecht<br />

Unternehmereigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts<br />

Von Dipl.-Kfm. DETLEF PIESKE-KONTNY, Berlin<br />

Inhalt<br />

I. Vorbemerkung<br />

II. Rechtslage vor 2017 (§ 2 Abs. 3 UStG a.F.)<br />

III. Anwendung von EU-Recht<br />

1. Mehrwertsteuersystemrichtlinie<br />

2. Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

IV. Neuregelung der Umsatzbesteuerung<br />

(§ 2b UStG)<br />

1. Anwendungsbereich<br />

2. Unternehmereigenschaft<br />

V. Übergangsvorschrift (§ 27 Abs. 22 UStG)<br />

VI. Zusammenfassung<br />

I. Vorbemerkung<br />

Das Steueränderungsgesetz 2015 beendete die jahrelange Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Umsatzbesteuerung<br />

der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und passte das Umsatzsteuergesetz an<br />

das EU-Recht an. Tätigkeiten, die sich bisher im Rahmen der (steuerlich unbeachtlichen) Vermögensverwaltung<br />

einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bewegten, können nunmehr zu einer<br />

Steuerpflicht führen.<br />

Sofern die juristische Person des öffentlichen Rechts aufgrund der gesetzlichen Neuregelung jetzt als<br />

Unternehmerin zu behandeln ist, ergeben sich für deren gesetzliche Vertreter und Justiziare auch neue<br />

Verpflichtungen. Nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände führt die gesetzliche Neuregelung<br />

zu einer erheblichen administrativen und finanziellen Mehrbelastung.<br />

Die juristische Person des öffentlichen Rechts muss u.a. ihre Tätigkeiten auf steuerpflichtige Vorgänge<br />

überprüfen, beim Finanzamt eine Steuernummer und USt-Identifikationsnummer für innergemeinschaftliche<br />

Erwerbe beantragen, etwaige Steuerbefreiungstatbestände gem. § 4 UStG ermitteln,<br />

Jahressteuererklärungen und monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen erstellen und im Falle einer<br />

Steuerschuldnerschaft für bestimmte, an sie im Inland ausgeführte steuerpflichtige Umsätze die<br />

Umsatzsteuer gem. § 13b UStG einbehalten und an das Finanzamt abführen, die Haushaltsplanungen<br />

hinsichtlich abzuführender Umsatzsteuerbeträge, aber auch zu erwartender Vorsteuererstattungen<br />

vom Finanzamt ändern, ihre Mitarbeiter entsprechend schulen sowie bestehende und noch<br />

abzuschließende Verträge hinsichtlich des Umsatzsteuer-Ausweises überprüfen und ggf. ändern.<br />

Nicht zuletzt ergeben sich Änderungen hinsichtlich der Umsatzsteuer und des Leistungsortes gem.<br />

§ 3a UStG auch für einen leistenden Unternehmer im In- und Ausland, soweit es um Verträge mit<br />

juristischen Personen des öffentlichen Rechts geht.<br />

Hierfür bedarf es der Hilfestellung durch fachkundige Rechtsberater.<br />

II. Rechtslage vor 2017 (§ 2 Abs. 3 UStG a.F.)<br />

Nach § 2 Abs. 3 S. 1 UStG a.F. waren juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer<br />

Betriebe gewerblicher Art (§§ 1 Abs. 1 Nr. 6; 4 KStG) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 43


Fach 20, Seite 640<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

Steuerrecht<br />

gewerblich oder beruflich tätig. Die Gesamtheit aller Betriebe gewerblicher Art und aller land- und<br />

forstwirtschaftlichen Betriebe stellte das Unternehmen der juristischen Person des öffentlichen Rechts<br />

dar (vgl. BFH v. 18.8.1988 – V R 194/83, BStBl II 1988, S. 932).<br />

Nur die in diesen Betrieben und Tätigkeitsbereichen ausgeführten Umsätze unterlagen der Umsatzsteuer.<br />

Andere Leistungen waren nicht steuerbar, auch wenn sie nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt<br />

bewirkt wurden, es sei denn, die Behandlung als nichtsteuerbar hätte zu größeren Wettbewerbsverzerrungen<br />

geführt (vgl. BFH v. 11.6.1997 – XI R 33/94, BStBl II 1999, S. 418).<br />

Daneben galten zudem die in § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 UStG a.F. bezeichneten Tätigkeitsbereiche als<br />

unternehmerische Tätigkeiten im Sinne des Gesetzes.<br />

Hinweis:<br />

Die Anwendung von § 2 Abs. 3 UStG a.F. führte zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Streitigkeiten<br />

mit der Finanzverwaltung, da § 2 Abs. 3 UStG a.F. im Widerspruch zum EU-Recht stand.<br />

III.<br />

Anwendung von EU-Recht<br />

1. Mehrwertsteuersystemrichtlinie<br />

Nach Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom<br />

28.11.2006 (ABl L 347 2006, 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates zur<br />

Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen vom 27.6.2016, ABl<br />

L 177 2016, 9, abgekürzt: Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL) gelten juristische Personen<br />

des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen<br />

erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang<br />

mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.<br />

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL sind juristische Personen des öffentlichen Rechts jedoch<br />

als Steuerpflichtige zu behandeln, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren<br />

Wettbewerbsverzerrungen im Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern (so EuGH, Urt. v.<br />

19.1.2017 – C-344/15, DStRE 2017, 366) führen würde.<br />

Nach der EuGH-Rechtsprechung ist der Begriff „größere Wettbewerbsverzerrungen“ i.S.d. Art. 4 Abs. 5<br />

Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (v. 17.5.1977, ABl 1977, L 145, 1, zum 1.1.2007 abgelöst durch Art. 13<br />

Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) dahingehend auszulegen, dass die Wettbewerbsverzerrungen „mehr als<br />

unbedeutend“ sein müssen (EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07, Isle of Wight Council u.a., BFH/NV<br />

2009, 108, Ls. 3, Rn 76).<br />

Unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL und der dazu ergangenen EuGH-Rechtsprechung<br />

legten der BFH und die Finanzgerichte § 2 Abs. 3 UStG a.F. in ständiger Rechtsprechung<br />

(vgl. BFH v. 20.8.2009 – V R 70/05, BFH/NV 2009, 2077; v. 17.3.2010 – XI R 17/08, BFH/NV 2010, 2359;<br />

v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416; v. 2.3.2011 – XI R 65/07, BFH/NV 2011, 1454; v. 10.11.2011 – VR<br />

41/10, DStR 2012, 348; v. 1.12.2011 – V R 1/11, DStR 2012, 352; v. 13.2.2014 – V R 5/13, BFH/NV 2014, 1159;<br />

v. 5.11.2014 – XI R 42/12, BFH/NV 2015, 294) nur noch EU-rechtskonform aus.<br />

2. Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• Eine Gemeinde ist nach der Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts (v. 7.3.2013 – 6 K 221/12, ZKF<br />

2013, 187) mit dem Betrieb einer Sport- und Freizeithalle als Unternehmerin tätig und erbringt<br />

umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten, wenn sie die Halle entgeltlich dem ortsansässigen Sportverein<br />

und der Nachbargemeinde für den Sportunterricht der dortigen Grundschule überlässt.<br />

• Kann eine als einheitliche Leistung zu beurteilende Gesamtleistung aufgrund von militärischen<br />

Sicherheits- und Geheimhaltungsbestimmungen für einzelne Leistungsbestandteile nicht von<br />

einem privaten Unternehmer erbracht werden, so liegt nach dem Urteil des Finanzgerichts<br />

44 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Steuerrecht Fach 20, Seite 641<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

Rheinland-Pfalz vom 22.8.2013 (6 K 1961/09, EFG 2015, 771; Rev. eingelegt unter Az.: V R 48/14) keine<br />

Wettbewerbssituation vor, auch wenn andere Leistungsbestandteile für sich gesehen von privaten<br />

Unternehmern erbracht werden könnten.<br />

• Erfolgt die Überlassung eines Freibads durch eine Stadt auf der Basis eines Pachtvertrags und damit<br />

einer privatrechtlichen Vereinbarung, übt die Stadt gemäß der Entscheidung des Sächsischen<br />

Finanzgerichts vom 16.10.2013 (2 K 1183/13, EFG 2014, 391) eine umsatzsteuerpflichtige wirtschaftliche<br />

Tätigkeit aus und unterhält einen Betrieb gewerblicher Art gem. § 2 Abs. 3 UStG<br />

unabhängig vom Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht und der Beteiligung am allgemeinen<br />

wirtschaftlichen Verkehr.<br />

• Vermietet eine Gemeinde Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung auf zivilrechtlicher Grundlage,<br />

handelt sie nach der Entscheidung des BFH vom 13.2.2014 (V R 5/13, BFH/NV 2014, 1159) als<br />

Unternehmerin.<br />

• Errichtet eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine Mehrzweckhalle und überlässt diese auf<br />

privatrechtlicher Grundlage an Vereine gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale (mit<br />

einem Kostendeckungsgrad von 12,03 %) im Rahmen des Erwachsenensports, handelt sie als<br />

Unternehmerin und ist zum Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Mehrzweckhalle<br />

berechtigt (vgl. FG Baden-Württemberg v. 13.3.2015 – 9 K 2732/13, MwStR 2016, 213; Rev. wurde mit<br />

Urt. v. 28.6.2017 – XI R 12/15, DStR 2017, 1873 als unbegründet zurückgewiesen).<br />

• Eine Dienstleistung wird „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem<br />

Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht und die vom Leistenden empfangene Vergütung<br />

den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl.<br />

EuGH, Urt. v. 12.5.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele, MwStR 2016, 492, Rn 24).<br />

Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis<br />

ausgeführt wird, ist unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als „entgeltlichen<br />

Umsatz“ zu qualifizieren (BFH v. 28.6.2017 – XI R 12/15, DStR 2017, 1873, Rn 33).<br />

• Eine Landesärztekammer ist als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der sog. externen<br />

Qualitätssicherung Krankenhaus nach der Entscheidung des BFH (Urt. v. 10.2.2016 – XI R 26/13, BFH/NV<br />

2016, 865) nicht unternehmerisch tätig, wenn sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt und ihre<br />

Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.<br />

IV. Neuregelung der Umsatzbesteuerung (§ 2b UStG)<br />

Da § 2 Abs. 3 UStG a.F. nicht dem EU-Recht entsprach, musste die Umsatzbesteuerung von juristischen<br />

Personen des öffentlichen Rechts den Vorgaben des Europäischen Gemeinschaftsrechts angepasst<br />

werden. Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 (BGBl I 2015, S. 1834) wurden die<br />

Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts daher in<br />

§ 2b UStG neu gefasst, der seit dem 1.1.2017 anwendbar ist (vgl. BMF-Schreiben v. 16.12.2016 – III C 2-S<br />

7107/16/10001, BStBl I 2016, S. 1451; v. 27.7.2017 – III C 2-S 7106/0:002).<br />

1. Anwendungsbereich<br />

Juristische Personen des öffentlichen Rechts i.S.v. § 2b Abs. 1 UStG sind:<br />

Definition:<br />

Juristische Personen des öffentlichen Rechts i.S.v. § 2b Abs. 1 UStG sind insbesondere die Gebietskörperschaften<br />

(Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände), die öffentlich-rechtlichen<br />

Religionsgemeinschaften, die Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, die<br />

staatlichen Hochschulen und sonstige Gebilde, die aufgrund öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit<br />

besitzen. Dazu gehören neben Körperschaften auch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,<br />

z.B. Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts und Universitätsklinika in der Rechtsform von Anstalten<br />

des öffentlichen Rechts (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 3).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 45


Fach 20, Seite 642<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

Steuerrecht<br />

2. Unternehmereigenschaft<br />

a) Grundsatz<br />

Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind<br />

die allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 UStG maßgeblich. Hiernach sind juristische Personen des<br />

öffentlichen Rechts grundsätzlich als Unternehmer anzusehen, wenn sie selbstständig eine nachhaltige<br />

Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL)<br />

ausüben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welcher Art die entsprechenden Einnahmen sind<br />

(BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 4).<br />

Hinweis:<br />

Soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts jedoch Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der<br />

öffentlichen Gewalt obliegen, gelten sie grundsätzlich nicht als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG, auch wenn<br />

sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.<br />

b) Größere Wettbewerbsverzerrungen<br />

Sofern die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmer zu<br />

größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, ist sie gem. § 2b Abs. 1 S. 2 UStG als Unternehmerin<br />

zu behandeln (vgl. schon oben III.).<br />

aa) Wettbewerb<br />

Verzerrungen des Wettbewerbs können nur stattfinden, wenn überhaupt Wettbewerb besteht. Dies<br />

setzt voraus, dass die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf öffentlich-rechtlicher<br />

Grundlage erbrachte Leistung gleicher Art auch von einem privaten Unternehmer erbracht werden<br />

könnte. Die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts muss also marktrelevant sein<br />

(BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 23) und darf sich nicht nur auf einen lokalen Markt beziehen<br />

(vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07, Isle of Wight Council u.a., BFH/NV 2009, 108).<br />

bb) Wettbewerbsgrenze<br />

Größer sind Wettbewerbsverzerrungen bereits dann, wenn sie nicht lediglich unbedeutend sind (BMF-<br />

Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 31, m. Hinw. auf EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07, a.a.O.).<br />

Keine größeren Wettbewerbsverzerrungen liegen gem. § 2b Abs. 2 UStG vor, wenn der von einer<br />

juristischen Person des öffentlichen Rechts aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Jahresumsatz 17.500 €<br />

nicht überschreitet oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen – ohne<br />

Recht auf Verzicht auf Steuerbefreiungen gem. § 9 UStG – einer Steuerbefreiung unterliegen.<br />

Für die Ermittlung der Wettbewerbsgrenze ist der Umsatz der einzelnen gleichartigen Tätigkeiten im<br />

Kalenderjahr zu berücksichtigen. Es ist auf die voraussichtlich zu vereinnahmenden Beträge abzustellen.<br />

Maßgebend ist die zu Beginn eines Jahres vorzunehmende Beurteilung der Verhältnisse für das laufende<br />

Kalenderjahr. Ist danach ein voraussichtlicher Umsatz von nicht mehr als 17.500 € zu erwarten, ist dieser<br />

Betrag auch dann maßgebend, wenn der tatsächliche Umsatz im Laufe des Kalenderjahres die Grenze von<br />

17.500 € überschreitet.<br />

Hinweis:<br />

Nimmt die juristische Person des öffentlichen Rechts die Tätigkeit, für die das Vorliegen einer größeren<br />

Wettbewerbsverzerrung zu prüfen ist, im Laufe des Kalenderjahres neu auf, ist allein auf den voraussichtlichen<br />

Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen. Eine Umrechnung auf einen fiktiven Jahresumsatz<br />

unterbleibt (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 34).<br />

cc) Juristischen Personen öffentlichen Rechts vorbehaltene Leistungen<br />

Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen<br />

keine größere Wettbewerbsverzerrungen gem. § 2b Abs. 3 UStG vor, wenn<br />

46 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018


Steuerrecht Fach 20, Seite 643<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

• die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen<br />

Rechts erbracht werden dürfen oder<br />

• die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird, was regelmäßig<br />

anzunehmen ist, wenn die Leistungen aufgrund langfristiger öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen<br />

erfolgen, dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen, die Leistungen ausschließlich<br />

gegen Kostenerstattung erbracht werden und der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen<br />

an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt.<br />

Hinweis:<br />

Unter den Begriff „Erhalt der öffentlichen Infrastruktur“ fällt auch deren Förderung, Ausbau und Errichtung.<br />

Die öffentliche Infrastruktur umfasst alle Einrichtungen materieller und institutioneller Art, die für die<br />

Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. § 2b Abs. 1 UStG notwendig sind. Hierzu gehören die materielle bzw.<br />

technische und digitale Infrastruktur (z.B. Verkehrswegenetz, Entsorgung von Wasser), die immaterielle<br />

bzw. soziale Infrastruktur (z.B. Bildungswesen, innere Sicherheit, öffentlich-rechtlicher Rundfunk) und die<br />

institutionelle Infrastruktur (z.B. Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung, Sozialordnung). Als öffentliche Infrastruktur<br />

i.S.d. § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG sind bei kirchlichen juristischen Personen des öffentlichen<br />

Rechts insbesondere die Verkündigung und Seelsorge sowie die dafür genutzten öffentlichen Sachen<br />

anzusehen, so neben Kirchen und Kapellen z.B. auf Kirchengrundstücken befindliche Pfarrgebäude (Pastorat)<br />

und Gemeindehäuser (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 48).<br />

dd) Fazit<br />

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2b Abs. 3 UStG vor, greift § 2b Abs. 1 S. 1 UStG, wonach<br />

juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer gelten.<br />

Hinweis:<br />

Hinsichtlich der Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben<br />

der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters (§ 2b Abs. 4 Nr. 3 UStG) gelten weiterhin die zu § 2<br />

Abs. 3 S. 2 Nr. 4 UStG a.F. ergangenen Verwaltungsanweisungen in Abschnitt 2.11 Abs. 7–11 Umsatzsteuer-<br />

Anwendungserlass (UStAE) gemäß BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 56.<br />

c) Katalogtätigkeiten<br />

Darüber hinaus sind juristische Personen des öffentlichen Rechts gem. § 2b Abs. 4 UStG mit der<br />

Ausübung der im Anhang zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie genannten Tätigkeiten (u.a. auf dem<br />

Gebiet des Telekommunikationswesens, der Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer<br />

Energie, der Güterbeförderung, der Hafen- und Flughafendienstleistungen, der Personenbeförderung<br />

und der gewerblichen Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten) stets als Unternehmer zu<br />

behandeln, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist (vgl. Anhang I – Verzeichnis der<br />

Tätigkeiten i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL).<br />

Der Umfang dieser Tätigkeiten ist dann nicht mehr unbedeutend, wenn die damit erzielten Umsätze<br />

einen Betrag in Höhe von jeweils 17.500 € für die einzelne Tätigkeit übersteigen. Wird die Betragsgrenze<br />

überschritten und liegen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG vor, ist die juristische Person<br />

des öffentlichen Rechts mit der Ausführung der von § 2b Abs. 4 Nr. 5 UStG erfassten Tätigkeiten stets<br />

Unternehmer im Sinne des UStG (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 57).<br />

V. Übergangsvorschrift (§ 27 Abs. 22 UStG)<br />

§ 2 Abs. 3 UStG a.F. war auf Umsätze, die nach dem 31.12.2015 und vor dem 1.1.2017 ausgeführt wurden,<br />

gem. § 27 Abs. 22 S. 1 UStG weiterhin anzuwenden. Mit Schreiben vom 27.7.2017 (a.a.O.) weist das BMF<br />

jedoch darauf hin, dass die Finanzverwaltung es nicht beanstandet, wenn die juristische Person des<br />

öffentlichen Rechts stattdessen die von § 2 Abs. 3 UStG a.F. abweichende Rechtsprechung des BFH der<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018 47


Fach 20, Seite 644<br />

Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen öffentlichen Rechts<br />

Steuerrecht<br />

Besteuerung zugrunde legt, sofern dies einheitlich für das gesamte Unternehmen erfolgt. Eine<br />

Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist dabei jedoch nicht zulässig.<br />

§ 2b UStG ist gem. § 27 Abs. 22 S. 2 UStG auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2016<br />

ausgeführt werden. Die juristische Person des öffentlichen Rechts konnte jedoch gem. § 27 Abs. 22 S. 3<br />

UStG dem Finanzamt gegenüber einmalig erklären, dass sie § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015<br />

geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 1.1.2021 ausgeführten Leistungen<br />

weiterhin anwenden will (sog. Optionserklärung).<br />

Hinweis:<br />

Die Optionserklärung war gem. § 27 Abs. 22 S. 5 UStG bis zum 31.12.2016 abzugeben. Eine Beschränkung der<br />

Erklärung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen war gem. § 27 Abs. 22 S. 4 UStG nicht zulässig,<br />

ebenso wenig wie die Abgabe der Optionserklärung durch eine einzelne Organisationseinheit oder<br />

Einrichtung der juristischen Person des öffentlichen Rechts für ihren Bereich (z.B. Behörde, Dienststelle,<br />

Betrieb gewerblicher Art oder land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, vgl. BMF-Schreiben v. 19.4.2016 –<br />

III C 2-S 7106/07/10012-06, BStBl 2016 I, S. 481).<br />

Im Fall des Zusammenschlusses mehrerer bestehender Körperschaften, von denen nicht alle die<br />

Option wirksam ausgeübt haben, muss die daraus entstehende Körperschaft einheitlich entscheiden, ob<br />

die Rechtsfolgen der Option gelten sollen. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeiten ist auch in<br />

diesem Fall nicht möglich (BMF-Schreiben v. 19.4.2016, a.a.O.).<br />

Eine nach dem 31.12.2016 neu errichtete juristische Person des öffentlichen Rechts kann wegen des<br />

Ablaufs der gesetzlichen Ausschlussfrist keine wirksame Optionserklärung abgeben (BMF-Schreiben v.<br />

19.4.2016, a.a.O.).<br />

Hinweis:<br />

Die Optionserklärung kann gem. § 27 Abs. 22 S. 6 UStG nur mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe<br />

folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden. Ein rückwirkender Widerruf zum Beginn eines auf 2016<br />

folgenden Kalenderjahres ist grundsätzlich möglich. Dies gilt allerdings nur für solche Veranlagungszeiträume,<br />

deren Steuerfestsetzung nach den Vorschriften der Abgabenordnung noch änderbar ist, d.h. für die<br />

noch keine materielle Bestandskraft eingetreten ist (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 59).<br />

VI. Zusammenfassung<br />

Soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der<br />

öffentlichen Gewalt obliegen, gelten sie grundsätzlich nicht als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG, auch wenn<br />

sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.<br />

Führt die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmerin jedoch zu<br />

größeren Wettbewerbsverzerrungen, ist sie gem. § 2b Abs. 1 S. 2 UStG als Unternehmerin zu behandeln.<br />

Die Ausübung bestimmter Tätigkeiten durch juristische Personen des öffentlichen Rechts, u.a. auf dem<br />

Gebiet des Telekommunikationswesen, der Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer<br />

Energie, der Güterbeförderung, der Hafen- und Flughafendienstleistungen, der Personenbeförderung<br />

oder der gewerblichen Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten, ist jedoch stets unternehmerisch,<br />

sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.<br />

Bei rechtzeitiger Ausübung des Optionsrechts gem. § 27 Abs. 22 UStG vor dem 31.12.2016 gilt § 2 Abs. 3<br />

UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung weiterhin für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem<br />

1.1.2021 ausgeführten Leistungen.<br />

48 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 4.1.2018

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