buch aktuell Winter 2017/2018
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Literatur/Unterhaltung<br />
Beste Aussichten<br />
Das Leben ist eine einzige Wundertüte – so zumindest erscheint es in den vier vorgestellten<br />
Romanen. Mal geht es um Liebe, mal um verpasste Chancen, mal um den Mut, endlich<br />
„Nein“ zu sagen. Auf jeden Fall ist es nie zu spät, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Selma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer,<br />
wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten<br />
Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird.<br />
Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten,<br />
was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, schildert<br />
Mariana Leky in ihrem Roman „Was man von hier aus sehen kann“.<br />
Es ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise<br />
zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter<br />
schwierigen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten<br />
Bedingungen wählt. Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele<br />
Tausend Kilometer zu überbrücken, denn der Mann, den sie liebt, ist<br />
zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan ...<br />
Susan Keller erzählt die berührende Geschichte einer stillen Frau, die<br />
erst im hohen Alter beginnt, sich zur Wehr zu setzen. In der Papierfabrikantenvilla<br />
„Pirasol“ leben zwei Seniorinnen: Die scheue Gwendolin ist<br />
84 Jahre alt, Witwe und Alleinerbin des Hauses, Thea ist 15 Jahre jünger<br />
und verfolgt ihren eigenen Plan. Als man den vom Vater verstoßenen<br />
und seit Langem verschollenen Sohn Gwendolins in der Stadt gesehen<br />
haben will, versucht Thea, ihren Einfluss zu sichern und vollends das Regiment<br />
im Haus zu übernehmen. Für Gwendolin der Auslöser, sich an<br />
die vergangenen Jahrzehnte zu erinnern. Am Ende lernt sie, allen Widrigkeiten<br />
etwas entgegenzusetzen – sich selbst.<br />
Humorvoll und mit feinem Gespür für Nostalgie berichtet An toine<br />
Laurain in seinem neuen Roman „Die Melodie meines Lebens“ von<br />
vergessenen Lieben, verlorenen Freundschaften und verpassten Chancen,<br />
die plötzlich neues Glück versprechen. Ein Brief, der mit 33 Jahren<br />
Verspätung sein Ziel erreicht, stellt Alains ruhiges Leben auf den Kopf.<br />
Der Arzt hat die 50 überschritten, seine Frau betrügt ihn, die Kinder<br />
sind längst aus dem Haus, trotzdem ist er recht zufrieden. Dann, eines<br />
Morgens, liegt in der Post ein Plattenvertrag für Alains Band The Hologrammes<br />
– von 1983. Alain wird zurückgeworfen in eine Zeit, als noch<br />
alles möglich schien. Er macht sich auf die Suche nach den anderen<br />
Bandmitgliedern und findet einen erfolgreichen, aber verbitterten<br />
Künstler, dessen Freundin Alain ein vieldeutiges Lächeln schenkt, einen<br />
Präsidentschaftskandidaten sowie einen populistischen Politiker. Nur<br />
die Sängerin, die schöne Bérangère, in die Alain heimlich verliebt war,<br />
scheint zunächst verschwunden.<br />
Köstliche Unterhaltung verspricht Eveline Haslers „Tag der offenen<br />
Tür im Himmel“. Die Menschen in diesem Roman streben nicht mehr<br />
nach dem Paradies, sondern haben sich Ersatzfreuden geschaffen, zum<br />
Beispiel das ewige Starren auf diverse Bildschirme. Doch dem soll entgegengewirkt<br />
werden: Um die Menschen an die Verheißungen des Himmels<br />
zu erinnern, wird ein Tag der offenen Tür organisiert. Das bekommt<br />
die Hölle spitz und schickt Teufel Ronaldino als Spion. Wie die menschlichen<br />
Besucher ist allerdings auch er begeistert von dem Angebot. Er<br />
schließt Freundschaft mit dem Jung-Engel Eleusi und bleibt im Himmel.<br />
Als Rache für die Abwerbung öffnet der Chefteufel seinerseits die Pforten<br />
der Unterwelt. Leider ist die höllische Veranstaltung ein Flop. Im<br />
Himmel hingegen gibt es ein rauschendes Fest für Besucher jeglicher<br />
Religion – inklusive einem Gospel-Konzert.<br />
Mariana Leky<br />
Was man von hier aus<br />
sehen kann<br />
DuMont Buchverlag,<br />
320 Seiten, geb.<br />
20,- € (D), 20,60 € (A)<br />
ISBN 978-3-8321-9839-8<br />
Susan Keller<br />
Pirasol<br />
Berlin Verlag,<br />
288 Seiten, geb.<br />
20,- € (D), 20,60 € (A)<br />
ISBN 978-3-8270-1341-5<br />
Antoine Laurain<br />
Die Melodie<br />
meines Lebens<br />
übersetzt von<br />
Sina de Malafosse<br />
Atlantik, 256 Seiten, geb.<br />
20,- € (D), 20,60 € (A)<br />
ISBN 978-3-455-60052-0<br />
Eveline Hasler<br />
Tag der offenen Tür<br />
im Himmel<br />
Nagel & Kimche,<br />
112 Seiten, geb.<br />
17,- € (D), 17,50 € (A)<br />
ISBN 978-3-312-01036-3<br />
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