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buch aktuell Winter 2017/2018

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Ratgeber/Sach<strong>buch</strong><br />

Ich habe nie darüber nachgedacht, ob mein Leben glücklich<br />

oder traurig ist, ich habe nur immer versucht zu überleben.“<br />

Ambika Lamsal heißt die Frau, die so ihren Lebensweg resümiert.<br />

Im nepalesischen Patlekhet in die Ghimire-Kaste<br />

hineingeboren, wurde sie nicht in die Schule geschickt, sondern<br />

mit 13 Jahren in eine andere Kaste verheiratet. Als sie 17 Jahre<br />

alt und bereits Mutter von zwei Töchtern war, starb ihr Mann. Ihre<br />

Mutter und ihren Vater hatte sie bereits zuvor verloren, die Eltern<br />

ihres Mannes kümmerten sich weder um die Schwiegertochter<br />

noch um ihre Enkelinnen. Um sich und ihre Kinder durchzubringen,<br />

blieb der jungen Witwe nichts anderes, als sich auf Feldern<br />

als Hilfsarbeiterin zu verdingen. Die Arbeit war schwer, um ihre<br />

Gesundheit steht es schlecht. Sie wohnt heute mit ihren Töchtern<br />

in einer bescheidenen Bleibe mit Blechdach. Ihr Fazit klingt<br />

überraschend positiv: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit meinen<br />

Mädchen so weit kommen würde.“<br />

Ihr größter Wunsch und ihre Sehnsucht<br />

nach ein wenig Glück nämlich haben sich<br />

erfüllt – ihre Töchter besuchen die Schule<br />

und werden die Chance haben, etwas aus<br />

ihrem Leben zu machen. Ambika Lamsal<br />

ist im Profil abgebildet: eine Frau, der<br />

man ansieht, dass es das Leben nicht gut<br />

gemeint hat mit ihr, die aber jene Würde<br />

ausstrahlt, um die sie ihr ganzes Leben<br />

entschlossen gerungen hat.<br />

Ein Foto und eine Seite Text, auf der<br />

die im Bild Porträtierte auf fünf Fragen<br />

antwortet – und man ist gewiss, dem<br />

Kern des Lebens und der Persönlichkeit<br />

dieser Frau nahe gekommen zu sein. Das<br />

Konzept des Buches „200 Frauen – Was uns bewegt“ ist so geschickt<br />

angelegt, dass eine sehr persönliche Annäherung gelingt.<br />

Verantwortlich dafür ist das neuseeländische Herausgeberteam<br />

um Ruth Hobday und Geoff Blackwell, das bereits eine Reihe von<br />

internationalen Bestsellern zu Themen wie Humanität, Umwelt<br />

und Gleich berechtigung veröffentlicht hat. Und in gleichem<br />

Maße der renommierte Fotograf Kieran E. Scott, dessen Arbeiten<br />

in Magazinen und Büchern präsent sind und dessen hier gezeigte<br />

Fotos auf großartige Weise die Individualität der Porträtierten<br />

zum Ausdruck bringen.<br />

Zu Wort und ins Bild kommen Frauen aus Lebensumständen<br />

und Kulturkreisen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.<br />

Unbekannte und berühmte Frauen, wohlhabende und bitter-<br />

arme, gebildete und nicht gebildete Frauen aus allen Gegenden<br />

der Welt– allesamt Kämpferinnen für eine bessere Welt. Allen<br />

wurden die gleichen fünf Fragen gestellt: „Was ist Ihnen wirklich<br />

wichtig? Was macht Sie glücklich? Was empfinden Sie als<br />

tiefstes Leid? Was würden Sie in der Welt verändern, wenn Sie<br />

könnten? Wählen Sie ein Wort, das Sie beschreibt.“ Die Offenheit,<br />

mit der die Frauen über Glück und Liebe, über Hoffnung und<br />

Träume, aber auch über Ausgrenzung und Verluste, über Ungerechtigkeit<br />

und Schicksalsschläge sprechen, ist ergreifend. Was<br />

sie zu sagen haben, ist zuweilen erschütternd, doch resigniert<br />

hat keine dieser Frauen. Kraft, Mut und Engagement zeichnen sie<br />

aus, Engagement für die Familie, für die Frauen der Welt, für die<br />

gesamte Gesellschaft sowie die Umwelt.<br />

Zu den berühmten Frauen in diesem<br />

Band gehört neben Angela Davis,<br />

Monika Hauser, Margaret Atwood und<br />

Jane Goodall die Schriftstellerin Isabel<br />

Allende: Sie erzählt von ihrem größten<br />

Leid, der Krankheit und dem Tod ihrer<br />

Tochter sowie von ihrem Kampf als „feminine<br />

Feministin“ für eine Welt, in der<br />

weibliche Werte genauso wichtig sind<br />

wie männliche. Ebenso berühmt ist die<br />

Geigerin Anne-Sophie Mutter, die mit<br />

zwei kleinen Kindern zurückblieb, als ihr<br />

Mann starb, und nicht glaubte, Schmerz<br />

und Trauer überstehen zu können, aber<br />

in der Musik und ihren Kindern Halt<br />

fand. Die Stimme einer Unbekannten ist die der Inderin Kanchan<br />

Singh, die in ihrer Heimatstadt Delhi alltäglich Gewalt gegen<br />

Frauen und Kinder miterleben muss und der schon das Gefühl<br />

von Sicherheit vor Übergriffen als Glück erscheint.<br />

Dieses Buch bietet bewegende Einblicke in das Leben und die<br />

Gefühlswelt der porträtierten Frauen. Jede hat ihre ganz eigene<br />

Geschichte, ihr eigenes Leid und ihre eigenen Träume, doch alle<br />

haben gemein, dass sie sich nicht haben unterkriegen lassen,<br />

dass sie sich kümmern, dass sie mutig und entschlossen nach<br />

vorn schauen. Die Zusammenschau der überaus interessanten<br />

Texte und Fotos sagt viel aus über das Frausein, das Menschsein<br />

und den Zustand der heutigen Welt. <br />

Ruth Hobday und Geoff Blackwell (Hg.), Kieran E. Scott (Fotos)<br />

200 Frauen – Was uns bewegt<br />

Elisabeth Sandmann Verlag<br />

288 Seiten, über 200 Farbfotos, geb.<br />

35,- € (D), 36,- € (A), 46,90 sFr<br />

ISBN 978-3-945543-41-2; www.esverlag.de<br />

<strong>buch</strong> <strong>aktuell</strong> | 65

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