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Burgtheater

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Thomas Mann<br />

Doktor Faustus<br />

»Eigentlich kann man überhaupt und ganz und gar nicht davon reden, weil sich das Eigentliche mit<br />

den Worten nicht deckt; man mag viel Worte brauchen und machen, aber allesamt sind sie nur stellvertretend,<br />

stehen für Namen, die es nicht gibt, können nicht den Anspruch erheben, das zu bezeichnen,<br />

was nimmermehr zu bezeichnen und in Worten zu denunzieren ist. Das ist die geheime Lust und<br />

Sicherheit der Höllen, dass sie nicht denunzierbar, dass sie vor der Sprache geborgen ist, dass sie<br />

eben nur ist.«<br />

In dem berühmten Gespräch zwischen dem Teufel und dem »deutschen Tonsetzer« Adrian Leverkühn,<br />

in dem der Pakt besiegelt wird, der dem Komponisten vierundzwanzig Jahre intensiver künstlerischer<br />

Produktivität im Tausch gegen die Unmöglichkeit einer »Liebe, die wärmt«, verspricht, ist die ganze<br />

Problematik des »Doktor Faustus« enthalten. Die Biographie Leverkühns, erzählt von seinem<br />

Jugendfreund Serenus Zeitblom, ist ein hoch artifi zielles Sprachgebilde, das politisches Zeitbild,<br />

Kunst- und Künstlerroman und literarische Selbstrefl exion in eine kühne Metapher zu fassen sucht,<br />

in dem deutlichen Bewusstsein, dass die Hölle, die er beschreibt, »vor der Sprache geborgen« ist.<br />

Der Pakt mit dem Teufel soll dem Komponisten eine Kunst ermöglichen, die aus dem Gefängnis der<br />

Tradition ausbricht ohne der Zersplitterung der Moderne anheimzufallen oder sich in fröhlichen<br />

Eklektizismus (heute würde man vielleicht sagen: postmoderne Beliebigkeit) zu verlieren. Das Rezept<br />

fi ndet Leverkühn in der von Arnold Schönberg entwickelten, hier aber der Romanfi gur zugeschriebenen<br />

Zwölfton- oder Reihentechnik, die im Rückgriff und in Anlehnung an vormoderne Formen die Komposition<br />

avanciertester zeitgenössischer Musik ermöglicht. Gleichzeitig versucht Thomas Mann, im Bild<br />

des Teufelspakts die Dialektik von Moderne und Anti-Moderne, von entwickelter Technik und vorzivilisatorischer<br />

Barbarei im Faschismus zu entfalten.<br />

»Da hatte man es: Rückschritt und Fortschritt, das Alte und das Neue, Vergangenheit und Zukunft<br />

wurden eins und das politische Rechts fi el mehr und mehr mit dem Links zusammen (…), die Absage<br />

an alle humane Verweichlichung, die das Werk der bürgerlichen Epoche gewesen war: ein instinktives<br />

Sich-in-Form-Bringen der Menschheit für harte harte und fi nstere, der Humanität spottende Läufte, für ein<br />

Zeitalter umfassender Kriege und Revolutionen.«<br />

Siebzig Jahre nach dem »Anschluss« und der Reichspogromnacht und parallel zur Inszenierung der<br />

zwei Teile von Goethes »Faust« unterzieht Friederike Heller Thomas Manns Altersroman einer<br />

theatra lischen Lektüre. Dabei wird, ganz nach den Vorstellungen Serenus Zeitbloms, nicht nur der<br />

»Berichtszeitraum« (von Leverkühns Geburt 1885 bis zu seinem Ende 1930) und die Zeit des Berichts<br />

(von 1943 bis Kriegsende), sondern auch die Zeit der Leser in den Blick kommen, »so dass dieser<br />

es also mit einer dreifachen Zeitordnung zu tun hat: seiner eigenen, derjenigen des Chronisten<br />

und der historischen«.<br />

Regie: Friederike Heller<br />

Bühne: Sabine Kohlstedt<br />

Kostüme: Johanna Preissler<br />

Premiere im November 2008 im Akademietheater<br />

akademietheater<br />

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